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Ex-Press XLIX: ganz unten

Blüten aus dem Mediensumpf.

ZACKBUM gibt zu: Wir sind nicht stark genug. Oder zu schwach. Nein, Fisherman’s Friend kriegen wir in jeder Geschmacksrichtung runter. Wenn’s sein muss, sogar in der hier:

Aber eigentlich wollten wir diesen Reigen hier, Ehre wem Ehre gebührt, mit «watson» beginnen.

Aber dann begannen wir, uns hier durchzuklicken:

Trotz der Einnahme von Fisherman’s Original wurde uns übel. Dann machten wir den Fehler, bei der Kulturjournalistin des Jahres Erbauung zu suchen:

Aber auch hier kamen wir nicht weiter als bis zu diesem Kotzbrocken:

«Romina war mein Lichtblick. Ich steh auf multipel operierte Gesichter. Erst da kommt nämlich der Mensch hinter dem eigentlichen Gesicht so richtig zum Vorschein

Es mag uns als Schwäche ausgelegt werden, aber wir haben beschlossen: nie mehr ein Text von Simone Meier. Nicht auf leeren Magen und erst recht nicht auf gefüllten.

Tastende Schritte nach oben

Wir wollen uns nun vorsichtig nach oben arbeiten. Als nächster Tritt auf der Leiter soll «20 Minuten» dienen. Da werden wir doch glatt schon ganz am Anfang in Versuchung geführt:

Aber, schluchz, die Winterhilfe hat dann doch keinen Franken gekriegt. Dafür haben wir eine frohe Botschaft für unsere Portugiesisch sprechenden Leser:

ZACKBUM denkt scharf darüber nach, diesen Service auch anzubieten. ZACKBUM durum cogitat de hoc quoque ministerio oblatum. Genau, wenn schon, dann natürlich gleich auf Latein. Wir nähern uns nun aber bereits dem ersten journalistischen Höhepunkt:

Kopf in Brot, Werbung und Werbung.

Da weiss man wenigstens, wieso man für «20 Minuten» nix zahlt. Nun aber endlich mal ein Beitrag mit Tiefgang und Zukunft:

Hoppla, das ist ja ein «Paid Post». Das steht ja scheint’s für Werbung, aber so, dass es mehr als die Hälfte der Leser nicht merkt. Gibt es denn gar keine journalistische Eigenleistung, einen Mehrwert? Doch:

Hoffentlich setzt sich der Trend nicht im Tamedia-Glashaus durch …

Aber manchmal schaffen es selbst im Titel nicht alle Buchstaben ins Netz:

Kan doc i de Hekti ma passiere.

Nun, aber «nau.ch» wird doch sicherlich das Niveau höher legen.

Oh je, zwei Werbeartikel und daneben ein für 99,9 Prozent aller Leser völlig uninteressanter Beitrag über Bitcoin.

Aber gehen wir doch zu ernsthaften Themen über, zum Beispiel die Wirtschaft:

Hm, also das nennt man gemischte Nachrichten. Nur ist der Leser verwirrt: geht’s nun in Asien rauf oder runter? Lassen die Sorgen nach oder steigen die Befürchtungen? Das kann man halt so oder so sehen.

Wir klettern in die Höhe der Qualitätsmedien

Einer geht noch? Also gut, wir klettern in die Höhe der seriösen Berichterstattung, die unbedingt mit einer zusätzliche Milliarde Steuergelder subventioniert werden muss.

Beim Blatt mit dem Abflussrohr im Logo stimmen wenigstens Gewichtung und Mischung:

Nein, Moment, so ist’s noch besser:

Apropos Medienmilliarde, es geht doch nichts über eine objektive, ausgewogene und unabhängige Berichterstattung:

Werfen wir auch hier einen Blick (ha, wir Scherzkekse) in die Wirtschaft:

Kalter Kaffee, zwei dem Leser an einem gewissen Körperteil vorbeigehende Artikel plus Werbung.

Übrigens, kommt die Medienmilliarde, dann kann sich die Bildredaktion beim Bilderblatt «Blick» auch wieder ein aktuelles Foto eines Schweizer Kassenzettels leisten. Statt einer Aufnahme aus dem Euro-Raum und vom Jahr 2015:

 

Wir haben fertig. Und brauchen einen Kaffee fertig. Den wir durch die Maske schlürfen werden.

Hilfe, mein Papagei onaniert

Heute zum Thema: Prioritäten setzen, aber richtig.

Bilder sagen doch mehr als tausend Worte. Also mal wieder die beliebte Fotoromanza.

Denn die Tageszeitungen müssen täglich das Wunder vollbringen, die ganze Welt auf immer weniger Seiten abzubilden. Das geht nur unter Anspannung der letzten verbliebenen Kräfte – und mit rigidem Setzen von Prioritäten, dem Trennen von Wichtigem und Unwichtigem, dem umsichtigen Zuweisen von Platz und Bedeutung.

Erstes Beispiel, geradezu exemplarisch, aus dem «Tages-Anzeiger». Also aus dem Zürich-Teil, wo zwei Co-Chefredaktoren zusammen mit Tagesverantwortlichem, Blattmacher und vielen Bedenkenträgern zeigen können, was Qualitätsjournalismus ist:

Ein alter Wirt in neuem Lokal, so etwa 10’000 Demonstranten im Umzug. 

Wer war schon nicht mal im legendären Lokal «Turm» von Tony Navarro mitten in der Zürcher Altstadt. Vorbei. Nun hat Navarro in Schlieren ein neues Lokal eröffnet. Das ist schön für ihn und seine Gäste. Aber dafür eine Dreiviertelseite mit üppigem Bildanteil, neben einem Inserat reingerutscht ein Bericht über eine ziemlich grosse Corona-Demo in Zürich, ohne Bild? Dafür mit Erwähnung einer klitzekleinen Gegendemo und der Tatsache, dass die Grossdemo bewilligt war und keinerlei Sachschaden anrichtete.

Ach, und dann seien auch noch Reden geschwungen worden, vor dem buntgemischten Publikum.

Prioritätenranking: ungenügend, setzen, üben.

 

Aus dem gleichen Haus, noch prioritärer.

Ein Fragetitel ist immer gut. Da kann sich der Leser die Antwort selber ausdenken. Weil Behörden langsam sind? Weil sie nicht schneller können? Oder wollen? Oder dürfen? Oder weil sie in Bern zu Hause sind? Nun, zumindest beim seitenfüllenden Bild wird eine klare Ansage gemacht. Wobei, auch hier will man sich nicht festlegen: «soll sein», das heisst: kann sein, muss nicht sein. Wobei: who the heck is Joy?

Prioritätenranking: unterirdisch, schämen, aufgeben.

 

Früher war Seite eins ein Ehrenplatz. Heute Abklingbecken für billige Scherze.

Nochmal das Hoforgan der Qualitätsberichterstattung. Damit eine Stimmung kippen kann, muss sie vorher anders gewesen sein. Nur fragt man sich hier: wie denn anders? Aber gut, noch prominenter prangt eine Karikatur auf Seite eins. ein bescheuerter Freiheitstrychler belastet das Gesundheitssystem. Sicher krank geworden, weil er nicht geimpft ist, der Depp. Und dann will er auch noch, Scherz lass nach, Blutkonserven von Ungeimpften. Haben wir gelacht.

Prioritätenranking: scherzschmerz, schamfrei, hoffnungslos.

 

Wir sind immer unsicher: Regen- oder Abflussrohr im Titel?

Es geht doch nichts über ein Filmtitelzitat. «The Good, the Bad and the Ugly». Immerhin ist hier der Hässliche ein «Rebell». Gleichzeitig soll das der Auftakt einer Serie sein, «Mein Corona-Herbst». Immerhin in der zweiten Hälfte November hat der «Blick» gemerkt, dass es herbstet. Bravo. Dann noch, was man halt so nennt, ein «Aufreger». Sondersteuer für Ungeimpfte, warum nicht. Haben sowieso immer weniger Gelegenheit, ihr Geld auszugeben. Ach, in der Schweiz und in der Welt ist noch so dies und das Geschehen? Na und?

Prioritätenranking: weder gut, noch schlau. Dafür monothematisch, viel Luft nach oben im Rohr.

 

Geht doch, meint die NZZ.

Die Zeiten, als man noch hitzig diskutierte, ob es auf der Front der NZZ überhaupt ein Foto geben dürfe, gar in Farbe, sind längst vorbei. Die alte Tante pflegt eine gewählte Bildsprache, um ein Thema zu illustrieren. Hier die Debatte, ob sich Europa umzäunen soll oder nicht. Darunter zwar das ewige Thema dieser Tage, aber immerhin mit einer Info und keiner hingeprügelten Schlagzeile. Kann man so machen.

Prioritätenranking: gepflegt, durchdacht, fällt angenehm auf (was kein Kunststück ist).

Ex-Press XLVI: Gaga und Gugus

Blasen aus dem Mediensumpf. Heute: alles gaga oder was.

Die Versuchsanordnung ist diesmal einfach. Das Organ gibt seine Spitzenwerke gratis ab, und sie zeichnen sich durch einen höheren Newswert aus. Oder anders formuliert: sie sind gaga, gugus oder beides.

Wenn davon die Rede ist, vielleicht gab’s schon Entzugserscheinungen, muss natürlich sofort «watson» kommen, kein Zweifel. Um uns dem Niveau anzunähern, erzählen wir dieses Ex-Press wieder als Fotoromanza, als Bildergeschichte.

Beim Bericht über den Gotthard-Fahrer kommt «watson» schriftlich ins Stammeln.

«watsons» Beitrag zu: das will man sicher nicht wissen.

Philipp Löpfe hat mal wieder die NYT gelesen – und nicht ganz verstanden.

 

So eingestimmt und tiefergelegt schreiten wir zu «20 Minuten».

Bekannt? Na und, die Medienmitteilung der Urne Polizei kann halt jeder abschreiben ..

Erklärungen würden hier zu weit führen. Es hat aber nichts mit Hellsehen zu tun. 

Das ist für ZACKBUM die News des Tages, ohne Zweifel.

Für alle, die noch nicht auf dem Zahnfleisch gehen, wir schreiten zu «blue News».

Die Message der Werbung versteht man noch, aber den Rest?

Nochmal der Tunnel? Aber sicher, das Fitessen kommt dann auch nochmal …

Sowohl gaga links wie gugus rechts haben wir nicht erfunden.

Einer geht noch, das stehen wir gemeinsam durch; eine solche Reihe wäre unvollständig ohne «Blick».

Wir hatten gewarnt, das Eingeklemmte wird uns verfolgen.

Wir widersprechen einem Hirnforscher nur ungern. Aber das Hirn in der Hand scheint schlauer zu sein als der Kopf dahinter.

Wen das nicht mit der Newslage, der Queen und dem Leben versöhnt, ist ein Unmensch.

20min will sauber kommentieren

Überraschung. Vor dem Kommentieren steht nun das Registrieren.

Eine Ansage von der reichweitenstärksten Zeitung der Schweiz: «Kommentieren geht nur noch mit Login». Damit solle Schluss sein mit «anonymen, deplatzierten Aussagen».

Ansage mit Werbefilmchen für Vollblöde.

Wunderbar, schon ist das Internet wieder ein Stück sauberer und anständiger geworden. Oder nicht? Wohl eher nicht. Vor Kurzem erst versuchte die schreibende Sparmassnahmen der NZZaS, «20 Minuten» über die dortigen Kommentare an den Karren zu fahren. Pensionär Felix E. Müller holte die Faschismus-Keule hervor. Bei der Konkurrenz hätten sich mal wieder in den Kommentarspalten die Nazi-Vergleiche gehäuft; verwendet vor allem von Kritikern der Corona-Politik.

Schliesslich habe sich der Chefredaktor von «20 Minuten» veranlasst gesehen, dazu «Stellung zu nehmen», fabuliert Müller. Das sei aber gründlich in die Hose gegangen. Stimmte zwar nicht, und «20 Minuten»-Chefredaktor Gaudenz Looser holte im Dialog mit einem Vertreter der jüdischen Gemeinde in der Schweiz weit aus, um Notwendigkeit und Grenzen eines lebhaften Austauschs in den Kommentarspalten zu verteidigen:

«Wir machen das Kommentar-Management heute viel besser und aufwändiger als früher, wir haben ein geschultes Freischalterteam, das von einem eigenen Ressort eng betreut wird.»

Aber trotz all diesem Pipapoh scheinen die rund 10’000 Kommentare, die täglich einlaufen, das Freischalterteam zu überfordern. So wurde geradezu zackbum mit Wirkung sofort bekannt gegeben: «Die Einführung der Login-Pflicht für Kommentare hat zum Ziel, einen angeregten Austausch zwischen den Kommentarschreibenden in anständiger Tonalität zu ermöglichen.»

Endlich anständige Debatten in den Kommentaren?

Wenn das das Ziel sein soll, logischer Umkehrschluss, war das bis anhin nicht möglich. Nun muss man als mildernden Umstand anführen, dass das Kontrollieren von massenhaft Kommentaren zu den unappetitlicheren Aufgaben im Internet gehört. Je nach Thema und Stimmungslage müssen bis zur Hälfte aller Einsendungen in den Orkus befördert werden.

Denn früher musste sich der Kommentarschreiber die Mühe machen, ein Blatt Papier in die Schreibmaschine einzuspannen, darauf zu tippen: «Sie rechts-/linksradikales Arschloch, Sie haben doch keine Ahnung, Sie verdammter Trottel, wir werden Ihnen eins in die Fresse hauen; ein besorgter Bürger», das anschliessend eintüten, frankieren, adressieren und auf den Weg zu bringen, wobei es unweigerlich im Abfall landete.

Heutzutage kann sich der gleiche Amok eine Gratis-E-Mail zulegen und lospoltern. Verstösst er dabei gegen Regeln des Anstands oder des Strafgesetzbuchs, muss er normalerweise nicht viel befürchten, wenn er auch nur über rudimentäre Kenntnisse verfügt, die IP-Adresse seines Computers zu verschleiern.

Anpreisungen wie früher auf einer Kaffeefahrt.

Dementsprechend tiefergelegt sind viele Debatten, die Kommentatoren verbeissen sich schnell ineinander, führen Privatfehden, kommen meilenweit vom Thema ab und unweigerlich hagelt es Nazi-Vergleiche, früher oder später. Amoks krähen schnell «Zensur», pochen auf Meinungsfreiheit, und häufig gleicht eine Kommentarspalte einer Wirtshausschlägerei zu vorangeschrittener Nachtstunde, inklusive Lallen und Beschädigung des Inventars.

Nach 576 Kommentaren wurde hier abgeklemmt; geschlossen.

Hört sich toll an, ist es aber weniger

Allerdings lässt diese Massnahme von «20 Minuten» doch einige Fragen offen. Wir haben spasseshalber den Anmeldungsprozess durchexerziert. Wer in der Lage ist, eine neue Hotmail-Adresse zu generieren, ist als Peter Meier, Nickname Poltergeist, weiterhin problemlos dabei. Was könnte ihn neuerdings daran hindern, weiterhin zu rempeln: «Die Versager im Bundesrat sollten alle verhaftet werden»?

Kein Problem, dann weiter im Text …

Nicht mehr und nicht weniger, als ihn vorher daran hinderte, hindert nun. Also muss man die Massnahme wohl so verstehen, dass schon eine gewisse Prozentzahl von «20Min»-Lesern an der Hürde des Registrierprozesses scheitern wird. Ein anderer Prozentsatz wird vielleicht kurz zusammenzucken, ob «du blödes Arschloch», gekeift aus dem sicheren Schutz der Anonymität, nun auf ihn zurückfallen könnte.

Chefredaktor Looser nimmt exklusiv Stellung

Looser verteidigt die Massnahme auf Anfrage von ZACKBUM: «Algorithmen und Kontrolle sind nie perfekt und werden es auch künftig nie sein. Aber die Loginpflicht ist eines von vielen Elementen in unserer Qualitätssicherungsoffensive.» Die Massnahme sei schon Anfang dieses Jahres geplant gewesen, aber «es gab dann technische Issues mit der Login-Verknüpfung».

Wieso soll denn ein solches Registrieren mehr Anstand bewirken? «Weil den Kommentierenden bewusster ist, dass sie nicht anonym sind. Unangebrachte Inhalte können so auch leichter juristische Folgen haben.» Und möglicherweise weniger Traffic? «Das nehmen wir in Kauf.

Eine tiefere Anzahl Kommentare erlaubt uns eine bessere Kontrolle. Der Anteil der Kommentare, die wegen Kapazitätsgrenzen nicht manuell freigeschaltet werden können, dürfte damit sinken.»

Wie aber bspw. der Amok-Journalist Reda El Arbi beweist, muss man kein Halbanalphabet und Volltrottel sein, um mit Kommentaren in den strafrechtlichen Bereich zu gelangen.

Abschreckendes Beispiel? Reda El Arbi.

Es gibt wohl eine Grenze, an der alle Versuche scheitern, etwas Anstand und Benehmen in die Welt der Kommentare und der Social Media zu bringen. Aber beim zunehmenden Sittenzerfall ist jede Massnahme zu begrüssen.

Obduktion von Konzernjournalismus

Hier werden Fundstücke analysiert, um ihre Todesursache zu erkennen. Tamedia, NZZ, CH Media, Ringier: man mag sich nicht. Wirklich nicht.

Ein harmloses Beispiel zum Start. Die schreibende Sparmassnahme, das, was von der einstmals bedeutenden Medienkritik in der NZZ übrig geblieben ist, fuchtelt mit dem Zeigefinger.

Pensionär Felix E. Müller versucht, auf «20 Minuten» einzuprügeln. Dort hätten sich mal wieder in den Kommentarspalten die Nazi-Vergleiche gehäuft; verwendet vor allem von Kritikern der Corona-Politik.

Schliesslich habe sich der Chefredaktor von «20 Minuten» veranlasst gesehen, dazu «Stellung zu nehmen», fabuliert Müller. Daher muss man ihn ganz vorsichtig an die Realität heranführen.

  1. Es ist kein Scherz, sondern mit Untersuchungen erhärtet, dass bei jedem beliebigen Thema, inklusive Häkeln oder Briefmarkensammeln, nach einer gewissen Anzahl von Kommentaren unweigerlich ein Nazi-Vergleich gezogen wird.
  2. Gaudenz Looser hat keine Stellung genommen, sondern sich in einem Gespräch mit dem Generalsekretär des Schweizerisch Israelitischen Gemeindebundes erklärt.
  3. Am Schluss dieses Meinungsaustauschs sagt Jonathan Kreutner: «Medien sollten möglichst viele Meinungen abbilden. Trotzdem gibt es rote Linien. Diese zu diskutieren, so wie wir es jetzt tun, ist wichtig. Vielen Dank dafür.»

Man kann selbstverständlich über den Ort für solche rote Linien oder über die Argumente Loosers verschiedener Meinung sein. Was nicht geht, ist das hier:  «Zwar verurteilte er solche Äusserungen klar, versuchte dann aber zu erklären, weshalb man diese bis anhin geduldet habe. Das ging gründlich schief.»

Nein, Herr Scharfrichter Müller, redlich wäre es gewesen, dem Leser der NZZaS zu erklären, dass Looser in einem Dialog mit einem jüdischen Vertreter zu begründen versuchte, wieso in den Kommentaren von «20 Minuten» solche Nazi-Vergleiche zugelassen wurden  und inzwischen strenger zensiert werden. Was ausdrücklich verdankt wird.

Den Gipfel an Heuchelei erklimmt Müller dann hiermit: «Wer den politischen Gegner beschimpft, hört ihm nicht zu, was durch die Anonymität, die in diesen Spalten garantiert ist, zusätzlich erleichtert wird.»

Immerhin versteckt sich Müller nicht hinter einem Pseudonym, aber: «Wer den publizistischen Gegner beschimpft, hört ihm nicht zu.» Erschwerend kommt hinzu, dass es sich um die gesalbten Worte eines ehemaligen NZZaS-Chefredaktors handelt, dem es offenbar nicht bewusst ist, welchen Reputationsschaden er mit diesem Versuch anrichtet, einem publizistischen Konkurrenten an den Karren zu fahren.

Vielleicht könnte Müller mal seine reichliche Freizeit darauf verwenden, nachzuzählen, wie häufig im Hause NZZ Nazivergleiche gepflegt werden. Würde ihn unangenehm überraschen.

Anstatt so unter NZZaS-Niveau zu beckmessern, hätte Müller doch einfach das Gespräch aufmerksam lesen können; vielleicht wäre ihm diese Stellungnahme von Looser aufgefallen:

«Wir machen das Kommentar-Management heute viel besser und aufwändiger als früher, wir haben ein geschultes Freischalterteam, das von einem eigenen Ressort eng betreut wird. Dieses Ressort spielt regelmässig heikle Themen und Fragen an unser Social Responsibility Board weiter, welches dann zusammen mit der Chefredaktion Lösungen und Strategien zum Umgang damit diskutiert. Das ist ein höchst lebendiger, dynamischer Prozess in einem ständigen und teils auch akuten Spannungsfeld. Dazu gehört auch, dass wir von aussen kritisiert werden – und wir lassen uns auch kritisieren und hören zu.»

Aber im Alter wird man bekanntlich harthörig.

 

Konzernjournalismus, Part II

In der NZZaS und in «20 Minuten» erschien am 1. August ein ganzseitiges Inserat des Unternehmers Benard Duzhmani. Darin wirft er, unterstützt von einer PR-Bude, dem «Beobachter» vor, der habe mit einem haltlosen Artikel sein Geschäft geschädigt und auch seine Ehre. Dabei vermutet Duzhmani, dass seine kosovarische Herkunft – obwohl er längst eingebürgert ist – eine wichtige Rolle gespielt habe.

Auffällig an dem Inserat ist –neben dem professionellen Layout –, dass mit keinem einzigen Wort auf die konkret erhobenen Vorwürfe des «Beobachter» eingangen wird. Es wird lediglich gesagt, dass eigene Untersuchungen die nicht bestätigen konnten und dass gegen die Firma keine Strafuntersuchung laufe, sie auch nicht wegen rechtswidrigen Praktiken angeklagt oder gar verurteilt worden sei.

Damit hat Duzhmani durchaus Neuland betreten. Statt den Streit bilateral oder vor Gericht auszutragen, ging er acht Monate nach der Publikation dieses Artikels in die mediale Offensive. Ob ihm das nützt oder schadet, ist zurzeit nicht zu beurteilen.

Aber es ist ihm gelungen, die Aufmerksamkeit der beiden Medienkonzerne zu erlangen, in denen das Inserat erschien. Bei Tamedia hat Rico Bandle neben seinem Schmierenartikel über die Trauerfeier für Peter Buser noch Zeit gefunden, Duzhmani auf einer ganzen Seite in der SoZ zu porträtieren.

Aber nicht um Recherchierjournalismus: Das Porträt in der SoZ.

Wie es heute üblich ist, hat Bandle auf jede Eigenrecherche verzichtet, er gibt schlichtweg die bereits bekannten Fakten wider und lässt Duzhmani seine Position ausführlich erläutern. Gleichzeitig gibt sich Bandle dafür her, dass auf diesem Weg der Unternehmer seine «Millionenklage» gegen den «Beobachter» ankündigen kann. Denn verblüffenderweise hat er das bislang – trotz den vielen vergangenen Monaten und dem angeblich riesigen Schaden – unterlassen.

Ganz am Schluss legt sich Bandle noch in die Kurve und referiert kurz die Stellungnahme des «Beobachter», der schliesslich eine «Institution» sei und «nicht bekannt für sensationsgetriebene Schnellschüsse». Der sehe einem Prozess gelassen entgegen, während Duzhmani sich völlig sicher sei, «dass wir gewinnen werden». Daher «freue» der sich «sehr auf diesen Prozess», gibt Bandle ihm das Schlusswort.

Schön für Duzhmani, dass er sich inzwischen Platz in den Tamedia-Gazetten nicht mehr kaufen muss. Büttel wie Bandle öffnen ihm gratis die Spalten für kritiklose Widergabe seiner Positionen.

Auch du, meine NZZ.

Auch die NZZ nimmt die Witterung am 24’000 Franken teuren Inserat auf und legt mit einer Story – ausgerechnet im Feuilleton – nach. Wie es sich für das Blatt gehört, fällt sie eine Idee kritischer aus als bei der SoZ. Nichtsdestotrotz wird auch hier weitgehend die Position Duzhmanis referiert, der sich nur flankiert von David Schärer von der «Bigger bang for the buck»-Agentur Rod interviewen lässt. Zudem hat er sich der Beihilfe der Anwältin Rena Zulauf versichert, die sowohl für ihre gemischten Ergebnisse wie auch für ihre exorbitanten Honorarnoten bekannt ist.

Die NZZ setzt ihre Darstellung unter den Lead:

«Wie weit geht die journalistische Freiheit, und wo beginnt die mediale Anmassung?»

Das ist an und für sich eine hochspannende Frage. Es geht hier um das kitzlige Thema, dass dioe sogenannte vierte Gewalt ihre Funktion nur ausüben kann, wenn sie über Skandale oder Ungereimtheiten oder Kritikwürdiges berichtet, ohne dass bereits strafrechtliche Tatsachen in Form von Urteilen geschaffen wurden.

So hat sich auch die NZZ lebhaft an der Affäre Vincenz beteiligt und ausgiebig aus eigentlich dem Amtsgeheimnis unterliegenden Akten zitiert. Damit zweifellos einen Beitrag zur Vorverurteilung von Vincenz geleistet, dessen Anspruch auf Unschuldsvermutung ja nur noch ein blosser Witz ist.

Nun wirft die NZZ dem «Beobachter» vor, dass der den Begriff «illegal» verwendet habe, obwohl kein entsprechendes Urteil vorliegt. Der «Beobachter» hingegen hält daran fest und sagt:

«Wir stehen zu jedem Satz und haben gute Belege für unsere Vorwürfe».

Hier wäre doch eigentlich die Aufgabe der Mitbewerber, mit eigenen Recherchen zu glänzen. Über die Quellen und die Stichhaltigkeit der Vorwürfe des «Beobachter». Oder über die Firma des Geschäftsmanns. Aber das würde ja in Aufwand ausarten, den der heutige Elends- und Sparjournalismus weder bei Tamedia, noch bei der NZZ mehr leisten kann. CH Media und Ringier halten sich vorläufig eher raus; vielleicht brauchen sie als Motivationsspritze zuerst auch ein Inserat.

Es darf gelacht werden: Diesmal zum Muttertag

Er ist – wie der Valentinstag – im Kalender aller Floristen rot angestrichen. Und die arme Journaille muss sich jedes Jahr aufs Neue einen abbrechen.

Denn es ist doch so: Wir alle haben Mütter. Die meisten von uns kennen sie sogar. Bei Vätern ist das schon so eine Sache. Und denen (einen Vatertag gibt’s natürlich auch) gedenkt man weltweit am zweiten Sonntag im Mai. Ausser in England, die wollen halt immer einen Sonderzug, da ist’s der vierte Sonntag in der Fastenzeit. Weil die Mütter da nicht kochen müssen? Die spinnen, die Engländer.

Aber zurück zu ernsteren Würdigungen. Zur Verteidigung des Tages als solcher wirft sich die NZZ in die Bresche, in die Schlacht: «Jetzt gehen sie auf die Mutter los». Aber nicht mit uns, sagt die alte Tante rabiat und kampfeslustig wie selten.

Was brechen sich die anderen Sonntagsblätter ab, nachdem der Blattmacher melancholisch in die Runde fragte: Also, wer will sich den Pulitzerpreis holen, indem er eine neue Story zum Muttertag erfindet?

Ein bunter Strauss zum Muttertag …

Die Ergebnisse sind durchaus vielfältig, wenn auch nicht alle originell. Die «Sonntagszeitung» probiert’s mit:

«Wenn man Kinder mehrheitlich ohne Partner grosszieht, bleibt das Liebesleben oft auf der Strecke. Vier Single-Mütter erzählen, was sie beim Dating erleben»

Kann man machen, muss man nicht. Hat man schon. Kann man auch wieder machen. Machen andere auch (siehe weiter unten).

An eine andere Lösung des Dating-Problems erinnert das Schweizer Farbfernsehen SRF: «Vor zwanzig Jahren wurde das erste Babyfenster der Schweiz eröffnet.»

Der «Sonntags Blick» (auch mit Regenrohr) erteilt seiner Kolumnistin Milena Moser das Wort, das kann nicht gutgehen: «Seit einem Jahr drehen sich meine romantischen Fantasien um die Ankunftshalle im Zürcher Flughafen und meine Söhne. Jetzt hat sich dieser Wunsch erfüllt.»

Öhm. Der Wunsch einer romantischen Fantasie hat sich erfüllt? Das hat auch noch niemand der Ankunftshalle dargeboten. Leider versteht das weder der Flughafen Zürich, noch der Leser. Vielleicht die romantischen Fantasien, die sich um ihre Söhne drehen? Müssen wir da an Oedipus denken (Frau Zukker, das war, aber lassen wir das)? Na, wir verlassen den SoBli so schnell wie möglich.

Und retten uns in den «Berner Oberländer»: «So vieles ist derzeit anders – und doch bleibt eines gleich: Die erblühende Natur sorgt für ein schönes Stück Vertrautheit, schreibt Martin Leuenberger.» Das ist so unfassbar wahr und tief. Das geht nur in einem «Wort zum Sonntag», das dem «Maien- und Muttertag» gewidmet ist. Denn auch Gottesmänner haben eine Mutter. Auch katholische; die haben allerdings keine Frau, aber das wäre wieder ein anderes Thema.

Noch mehr welke Blumen aus dem Muttertagsstrauss

Was macht «watson.ch» aus diesem Thema? Soll das eine ernstgemeinte Frage sein? «Weil wir alle das beste Mami der Welt haben: Die 18 lustigsten Mutter-Tweets». Zum Beispiel? Nein, das kann definitiv keine ernstgemeinte Frage sein.

Prosaischer geht es «20 Minuten» an: «Bis zu 28 Grad erwartet – Perfektes Wetter für den Muttertags-Brunch auf der Terrasse.» Wir fragen uns nur: wer keine Terrasse hat, was macht denn der? Noch neutraler ist nur nau.ch: «Sommerliches Wetter: Schweiz knackt am Muttertag die 25-Grad-Marke.»

Nun ja, allerdings lässt es nau.ch nicht bei einem Sonntagsbrunch oder Blumensträussen bewenden; das Online-Organ hat sein Ohr ganz nah am weiblichen Unterleib:

«Umfrage zum Muttertag: Schweizer Single-Mamis wollen Sex-Abenteuer».

Na, das war in den Anfangszeiten des Muttertags aber noch anders, da wäre die Heilsarmee energisch eingeschritten.

Echten Lokaljournalismus betreibt hingegen der «Landbote»: «Run auf Blumen in Wiesendangen: Aus Liebe zum Mami standen manche schon sehr früh auf».

Besinnliches am Schluss; kath.ch wirft eine weitere, entscheidende Frage auf:

«Der Muttertag ist kein katholischer Feiertag. Soll ihn die katholische Kirche in den Gottesdiensten trotzdem aufgreifen?»

Es erteilt, der Herr ist gross, zwei Katholikinnen dazu das Wort, obwohl die in den Gottesdiensten doch ruhig bleiben müssen. Obwohl sie fordern:

«Der Muttertag soll ein Tag der Umkehr sein.»

Was immer sie uns damit sagen wollen. Wir haben fertig.

 

 

 

 

 

Blonde Strähnen verheddern sich in Glasnudeln

Wir sind erschüttert: Stimmen die Vorurteile gegen Blondinen doch?

Von Adrian Venetz

Liebe Freunde des kultivierten Zeitgeistes, jetzt heisst es tapfer sein. Wieder einmal erschüttert ein handfester Skandal unseren Seelenfrieden. Wie uns aus der gehobenen Klasse des 20-Minuten-Journalismus zugetragen wird, geschah Folgendes: Die Fernsehmoderatorin Michelle Hunziker machte sich im italienischen Fernsehen über Asiatinnen und Asiaten (und alles dazwischen) lustig. Mit ihren filigranen, engelhaften Zeigefingern zog sie ihre Augen zu Schlitzen und äffte das asiatische Unvermögen nach, den Buchstaben «R» auszusprechen.

Gerade von Michelle Hunziker, die normalerweise durch Hegel-Rezeptionen und ihre wissenschaftlichen Beiträge zur Quantenmechanik von sich reden macht, hätten wir das nicht erwartet. Klarer Fall: Lebten wir noch im 18. Jahrhundert, sähen wir die blonden Strähnen von Frau Hunziker nun arg versengt in den Flammen des Scheiterhaufens.

Weil es sich heutzutage nicht schickt, Frauen und Männer (und alles dazwischen) zu verbrennen, gibt es gottlob Alternativen wie Twitter, Instagram und 20 Minuten (und alles dazwischen). Hier wird Michelle Hunziker nach allen Regeln der Kunst virtuell gesteinigt, worauf sie natürlich stante pede zu Kreuze kriecht und sich entschuldigt. «Bitte hasst mich nicht, wir machen alle Fehler», zitiert 20 Minuten die blonde Hexe. (Auch auf Instagram hat sie sich entschuldigt. Und das will ja was heissen.)

Nur: Ein Schweizer Influencer namens Brian Havarie (sic!) nimmt ihr diese Entschuldigung nicht ab. Dieser junge Mann, der es als Zalando-Model fast so weit gebracht hat wie Atomphysikerin Hunziker, findet die Entschuldigung Hunzikers «nicht authentisch», wie 20 Minuten den «Berner Beauty-Guru mit vietnamesischen Wurzeln» zitiert. Hunziker habe sich wohl aufgrund des medialen Drucks entschuldigt. Der Rassismus sei zu fest verankert. Auf Instagram und Twitter erhält das Zalando-Model reichlich Rückendeckung in seinem Furor gegen das Ex-Model. «Fake! Fake! Fake!», tobt die Instagram-Gemeinde, nachdem sich Hunziker Asche auf ihr blondes Häuptchen gestreut hat.

Gott seis geklagt: Da trinke ich am Morgen in aller Ruhe meinen Kaffee, rauche eine Zigarette, werfe einen scheuen Blick auf 20 Minuten online und muss zum Schluss kommen, dass unsere Welt verdammt nah dran ist, komplett den Verstand zu verlieren.

Hilfe, mein Papagei onaniert III

Hier sammeln wir bescheuerte, nachplappernde und ewig die gleiche Leier wiederholende Duftmarken aus Schweizer Medien. Subjektiv, aber völlig unparteiisch.

Diesmal heben wir eine neue Kategorie aus der Taufe: Der Depp des Monats. Der erste Preisträger ist – Pascal Hollenstein. Die publizistische Leiter nach unten im Hause CH Media hat seinen Kampf für die Ehre von Jolanda Spiess-Hegglin zurzeit eingestellt. Auch sonst fällt ihm eigentlich nichts Bemerkenswertes ein. Ausser, Himmel hilf, er muss leider seinen Senf zur anstehenden Abstimmung abgeben.

Wir müssen’s, um Zweifel auszuschliessen, im Original zeigen:

Wir wollen auch Hollenstein nichts vorschreiben, aber …

Wem das etwas wirr vorkommt: Es ist wirr. Hollenstein bestreit hier etwas, was gar niemand behauptet oder fordert. Es ist schlichtweg eine Binsenweisheit, dass sich der Staat nicht in innere Glaubensangelegenheiten einzumischen hat. Richtig, verlangt keiner, Hollenstein zum Beispiel darf gerne und ungestraft glauben, dass er ein meinungsstarker Publizist sei.

Andere dürfen an die Bibel, den Koran, die Thora, die Schriften des Nostradamus und jeden anderen Quatsch glauben. Ist so, bleibt so, steht nicht zur Debatte, nicht zur Abstimmung. Was dann? Nun, da nimmt Hollenstein die ganz grosse Tröte hervor: «Rückfall ins Mittelalter», wenn’s passiert, wäre zu hoffen, dass es «ein einmaliger Betriebsunfall der Demokratie» sei. Den man aber besser gar nicht geschehen lasse:

Besser, er schriebe gar nicht.

Abgesehen davon, dass es um den Kampf gegen mittelalterliche Vorstellungen von der Frau als Objekt, Untertan, nur dem Ehemann verfügbares Stück Fleisch geht: Wenn sich – wie von Hollenstein befürchtet – die Mehrheit der Schweizer Stimmbürger im Rahmen ihrer demokratischen Rechte für eine legal und korrekt zustande gekommene Initiative entscheiden sollte, dann wäre das «ein bedeutungsloser Betriebsunfall»? Etwas, das sich «besser gar nicht ereignen» sollte? Weil es nicht der Ansicht von Hollenstein entspräche? Was für ein Undemokrat, was für ein Dummschwätzer.

Der Depp des Monats. Wobei er für seinen Nachfolger die Latte ganz schön hoch legt.

Die strenge Trennung von Content und Werbung

Sie wird aller Orten immer strenger. Beim «Blick»:

Wobei man sagen muss: immer noch besser als solcher Content:

Bei CH Media pflegt man gerne die bunte Mischung, ob quer oder hoch:

Bei Tamedia:

Bei der NZZ:

Bei «blue news» die sich immer noch hinter «Bluewin news» verstecken:

Bei «watson»:

Diese bunte Mischung von «Totes Kind im Keller» über «Lustige Tierbilder» bis «Gut gegen Food Waste» kriegt nur das Kachelmagazin hin.

Aber auch «20Minuten» ist für abwechslungsreiche Zusammenstellungen:

 

Sicher, steht doch deutlich «Inserat» drüber, oder «präsentiert von» drunter, da kann sich niemand vertun.

 

 

 

Corona: Nächste allgemeine Verunsicherung

Die Corona-Einheitsbrei-Berichterstattung löst sich in Einzelteile auf. Nach Mainstream nun allgemeine Kakophonie.

Die Zeiten, als die Leitmedien der wenigen verbleibenden Konzerne stramm auf Linie der Task Force, des Bundesrats und im Zweifelsfall für Verschärfungen, Restriktionen und gegen verantwortungslose Fahrlässigkeit waren, sind vorbei.

Mit einem gewissen Restgespür für die Stimmung in der Bevölkerung und unter den Lesern werden viele fuchtelnde Zeigefinger eingefahren, machen sich Laienjournalisten nicht mehr mit drakonischen Forderungen aus dem wohlbeheizten Homeoffice lächerlich.

Tamedia ist mild und friedlich gestimmt

So meldet Tamedia zur Corona-Lage in Genf: «Mutierte Viren dominieren – doch die dritte Welle bleibt aus». Milde gestimmt titelt der Konzern zudem «Berset deutet Lockerung von Corona-Massnahmen an». Das hätte noch vor wenigen Wochen einen scharfen Kommentar abgesetzt, in dem die Worte unverantwortlich, Wackelpudding und «jetzt muss dringend» eine wichtige Rolle gespielt hätten.

Gemischte News hält der «Blick» parat. Aber neben der Entdeckung eines furchtbar ansteckenden Virus-Mutanten im Amazonasgebiet, einem Schockerfoto von schwärtlichen Fingern, die wegen Corona amputiert werden müssen, ist die Aufmacherstory: «Deutscher Virologe widerspricht Task Force». Auch das hätte noch vor Kurzem einen hämischen Kommentar und einen strengen Verweis abgesetzt. Jetzt wird ein ehrfürchtiges Interview mit dem Fachmann geführt.

Gemischte News, aber ein deutscher (!) Epidemiologe darf der Task Force Saures geben.

Auch «blue-news» nimmt Bersets Andeutung in den Ticker, erschreckt aber mit der Frage, ob in Zukunft ein doppelter Mund-Nasen-Schutz nötig sei. Als Zahlenquelle wird hier weiterhin die US-Privatuni Johns Hopkins verwendet; auch so ein Skandal, an den sich alle gewöhnt haben.

Milchzähne, Krokodilkot, Sex und Angriff der Kängurus

Und was hat uns das Katzenvideo-Portal «watson» aus seinem Millionengrab heraus zu sagen? Keine solchen Vorurteile, in seiner Serie «Lustige Tierbilder Episode II» kommt nun «Angriff der Kängurus». Ob da jemand die Anspielung auf «Star Wars» merkt? Nun, es wird mit folgendem Müll bespasst: «Let’s talk  about real good Sex, Baby» von «Emma Amour», «Milchzähne am Anus, Krokodilkot und Niesen: So verhütete man früher», «Mann baut E-Gitarre aus dem Skelett seines toten Onkels» und schliesslich noch ein Titel, der wohl 99 Prozent aller «watson»-Leser ratlos macht: «Palindrom-Tag: Warum ist der 12. 02. 2021 so besonders?»

Kleiner Knaller von «20 Minuten», Knallfrosch von der NZZ

Corona? Ach ja, wen interessiert das schon bei «watson». Das gewinnbringende Gratisblatt «20Minuten» kann dagegen mit einem kleinen Knaller aufwarten, der den Bezahlmedien gut angestanden wäre: «Russland bot der Schweiz Impfstoff Sputnik an – BAG reagierte nie». Sagt immerhin der russische Botschafter in Bern.

Die NZZ widmet sich, so gehört sich das, den tieferen Fragen: «Der Mensch kommt zu kurz – wie die Corona-Isolation die Kultur unseres Zusammenlebens schädigt». Gleich zwei Geistesriesen braucht es, um altbekannten Flachsinn zu verzapfen: «Der persönliche Kontakt kommt zu kurz», «das Unmittelbare geht verloren». Vor allem in der Kultur, aber natürlich auch in der Politik hinter Plastikscheiben. Gibt es wenigstens Rettung, Lösungen? Aber sicher, die Pandemie nicht einfach aussitzen, «sondern aktiv gestalten», fordert die Kunsthaus-Direktorin Ines Goldbach. Nur sagt sie nicht, wie das gegen im Artikel konstatierte Depressionen, Einsamkeit, Existenzangst oder gar die Zunahme häuslicher Gewalt helfen soll.

Kleiner Tipp: manchmal ist aussitzen viel besser als schreiben. Aber, das rettet Ruf und Ehre, «Wer sagt, Schuldenmachen sei heute gratis, gibt zu viel Geld am falschen Ort aus. Die Staaten steuern dadurch immer tiefer ins Schlamassel.» Die NZZ gibt Reiner Eichenberger und David Stadelmann Gelegenheit für einen intelligenten Gastkommentar.

CH Media und «Republik»: Alarmsirene und Sendepause

Welchen Beitrag leistet schliesslich CH Media zur allgemeinen Verunsicherung? «Ansteckungen in der Schule: Zahl der Infektionen hat sich im Januar im Aargau mehr als verdoppelt». Berichtet der Konzern aus dem Stammland seiner Zentralredaktion. Allerdings: Es handelt sich seit Anfang Januar um eine Steigerung von 149 auf 324 – in fünf Wochen. Zudem sagt bekanntlich ein positiver Test nichts über eine mögliche Erkrankung aus.

Wollen wir es zum Schluss wagen, was sagt uns die «Republik» heute zu Corona? Heiliger Strohsack: nichts. Null. Keinen einzigen Buchstaben gönnt sie uns zu diesem brennenden Thema. Wie sollen wir so orientierungslos ins Wochenende stolpern?

CH Media überlegt sich vollständige Trennung von Keystone-SDA

«20 Minuten» und CH Media entfalten sich in der Unabhängigkeit

«Nachrichtenteppich», dieses Wort fällt dann immer, wenn sich die Nachrichtenagentur Keystone-SDA definieren will. Mit ihrem Strom an Nachrichten, von der Polizeimeldung bis zur Medienmitteilung, fühlte sie sich jahrzehntelang stark genug, um den Verlagen einseitige Preisvorgaben zu machen.

Das Jahr 2021 wird wohl das wichtigste Jahr für die Agentur. Es wird zeigen, wie relevant sie wirklich ist und ob die Metapher «Nachrichtenteppich» eher in Fussmatte übersetzt werden muss. Die Liste an Verlagen, die in diesem Jahr auf die Dienste der Agentur verzichten ist lang: NZZ, CH Media, «20 Minuten» usw. Die anderen Verlage befinden sich in Lauerstellung und warten die Entwicklungen ab. Die Frage lautet: Geht es auch ohne SDA-Teppich?

Eine Analyse der letzten Tage zeigt, dass «20 Minuten» gut ohne Keystone-SDA auskommt. Die Auslandsnachrichten stammen von der Deutsche Presse-Agentur dpa und werden nicht mehr via SDA gebucht. Über die Kosteneinsparung wollte «20 Minuten» keine Stellung nehmen. Zum Alltag mit den Inlandnachrichten äusserte sich die Pendlerzeitung hingegen optimistisch: «Der Übergang verlief reibungslos – sowohl beim Text als auch in der Bildredaktion.» In «sporadischen Einzelfällen» werde man in Zukunft vielleicht die früheren Dienste vermissen.

«Zufrieden mit der Lösung»

Gleiches hört man auch von CH Media, die für 2021 nur noch die Bilder und Videos von Keystone-SDA abonniert hat. «Insgesamt sind wir sehr zufrieden mit unserer hausinternen Lösung, mit der wir uns auch von der Konkurrenz abheben und damit zur Medienvielfalt beitragen.», heisst es aus Aarau.

Für Keystone-SDA könnte alles noch viel schlimmer werden. CH Media überlegt sich nämlich einen vollständigen Rückzug aus Keystone-SDA. Sollte das nach Tageszeitungen grösste Medienunternehmen der Schweiz  auch die Bilder und Videos abbestellen, brechen Keystone-SDA grosse Eisschollen ab. In Branchenkreisen geht die Zahl 70-30 um: 70 Prozent sollen Fotos und Videos kosten, der Rest geht für die Nachrichten aus.