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Entwicklungshilfe für Kongos Elite

Am WEF residierte eine sechsköpfige Delegation in einem Luxushotel in Bad Ragaz. Kosten: 440.000 Franken. Die Schweiz unterstützt das afrikanische Land mit 34 Millionen.

Von Christoph Mörgeli*

Die oberste Staatsführung der krisengeschüttelten Demokratischen Republik Kongo stieg anlässlich des Davoser World Economic Forum (WEF) an bester Adresse ab. Die sechsköpfige Delegation aus Afrika unter Präsident Félix Antoine Tshisekedi und Gefolge erwählte sich das vornehme Fünfsternehotel «Quellenhof» in Bad Ragaz zum Aufenthalt. Für die bestellten sechs Nächte – reserviert vom 18. bis 24. Januar 2025 – bezahlten die Politiker der Republik Kongo insgesamt nicht weniger als 440.000 Franken.
Wie diese horrende Summe zustande kam, ist schwer nachvollziehbar, zumal das zentralafrikanische Land nicht dafür bekannt ist, das mitreisende untergeordnete Personal mit Unterkünften im Luxussegment zu verwöhnen. In Normalzeiten ist im «Quellenhof» sogar ein Doppelzimmer der Klasse «Deluxe Grand» deutlich unter tausend Franken erhältlich. Auch flog Staatspräsident Tshisekedi erst am Montag, 20. Januar mit seiner Maschine den Flughafen Zürich an; nach drei Nächten verliess er die Schweiz bereits am Donnerstag, 23. Januar wieder.

Uni-Diplom gefälscht

Schwer zu rechtfertigen scheint der Aufenthalt der kongolesischen WEF-Gäste inklusive Präsident Félix Antoine Tshisekedi mit Kosten von beinahe einer halben Million Franken nicht nur aufgrund der Armut, unter der die Bevölkerung des Kongo leidet. Die Hotelausgaben von 440.000 Franken sind auch zu messen an den 34 Millionen Franken Entwicklungshilfe, welche die Schweiz beispielsweise im Jahr 2023 in die Demokratische Republik Kongo geschickt hat. In den fünf Jahren zwischen 2019 und 2023 betrug die Entwicklungshilfe der Eidgenossenschaft an den Kongo laut Website der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) 159,6 Millionen Franken. Zum Vergleich: Fürs Jahr 2005 wurde ein Beitrag der kongolesischen Zentralregierung an die Gesundheitskosten des Landes von gerade mal einer Million Dollar ausgewiesen – also lediglich das Doppelte der Übernachtungskosten im «Quellenhof» in Bad Ragaz.
Die Demokratische Republik Kongo gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Sie erfüllt weder die Kriterien einer Demokratie noch die eines Rechtsstaates. Die dort herrschende Korruption ist unbeschreiblich und gekennzeichnet durch den miserablen 162. Rang von 180 Staaten. Die Liste von Menschenrechtsverletzungen findet kein Ende. Es gibt weder eine Gewaltenteilung noch eine unabhängige Justiz. Das zentralafrikanische Land wird autoritär regiert, nämlich durch Staatspräsident Félix Antoine Tshisekedi, der seit einer höchst umstrittenen Wahl 2018 und einer ebenso umstrittenen Wiederwahl 2023 an der Spitze des Staates steht.
Präsident Tshisekedi rühmt sich, in Brüssel einen Hochschulabschluss in «Marketing und Kommunikation» erlangt zu haben, wobei das entsprechende Dokument gefälscht ist. Er behauptete auch, bei den erstmaligen Wahlen 38,6 Prozent der Stimmen erhalten zu haben; nach Ansicht der Wahlbeobachter waren es lediglich 20 Prozent. Die zweiten Wahlen mit angeblich 73,3 Prozent der Stimmen für Tshisekedi bezeichnete die katholische Bischofskonferenz des Landes als «Katastrophe».

«Wiederbelebung des Waldes»

Die bittere Armut der Mehrheit der Bevölkerung in der Demokratischen Republik Kongo ist und bleibt erschreckend. Laut Angaben der «Welthungerhilfe» sind 35 Prozent der Bevölkerung unterernährt. Mehr als jedes vierte Kind im Kongo sei «chronisch unterernährt», 33 Millionen Menschen haben keinen sicheren Zugang zu sauberem Wasser. Neben der allgemeinen Misswirtschaft kommt es vor allem im östlichen Grenzgebiet regelmässig zu schweren kriegerischen Auseinandersetzungen unter extremer Gewaltanwendung zwischen Rebellengruppen und der staatlichen Armee. 39 Prozent der Frauen und 24 Prozent der Männer wurden mindestens einmal Opfer einer Vergewaltigung. Kongo ist im Grunde ein gescheiterter Staat und steht bezüglich Stabilität an viertletzter Stelle aller Länder.
Die Demokratische Republik Kongo zählt zu jenen Ländern, in denen weltweit die meisten Menschen wegen Gewalt fliehen müssen. Überdies leidet die Bevölkerung an schweren Infektionskrankheiten wie Cholera oder Ebola. Ende 2022 wurde die Hauptstadt Kinshasa als bevölkerungsreichste von Afrika überschwemmt und so in eine humanitäre Notlage gestürzt. Von alledem war indessen am WEF in Davos kaum die Rede. Vielmehr glänzte die Delegation aus dem Kongo mit der Ankündigung, man wolle das grösste geschützte Tropenwaldreservat der Welt schaffen. Das Kongobecken erhalte einen grünen Korridor von der Fläche Frankreichs. Was dann am WEF so tönte: «Unter der mutigen und kooperativen Führung der Regierung der Demokratischen Republik Kongo wurde ein inspirierender Plan zum Schutz, zur Wiederherstellung und Wiederbelebung des Waldes und seiner Bewohner umgesetzt.»

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*Der Artikel erschien zuerst in der «Weltwoche». Mit freundlicher Genehmigung.