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Tartuffe lebt

Heucheln ist auch eine Kunst.

Tamedia-Redaktor Christian Zürcher verurteilt in einem Kommentar «zu 1.-August-Reden» einen Vorfall scharf. Der SVP-Nationalrat «Roger Köppel durfte seine 1.-August-Rede in Spreitenbach AG nicht halten, sie wurde vom Gemeinderat gestrichen. Wegen eines anonymen Drohbriefs mit konkreten Gewaltandrohungen.»

Das sei eine ganz schlechte Entwicklung, moniert Zürcher: «Die Diskussionskultur verroht.» Gerade der 1. August stehe doch dafür, «dass man andere Meinungen zulässt. Dass man diese anhört. … Das sind Grundpfeiler unseres Zusammenlebens, das gebietet der Respekt vor unserer Demokratie.»

Hört sich wunderbar an, als hätte Zürcher dafür geübt, selber eine salbungsvolle Rede zum Nationalfeiertag halten zu dürfen. Aber schnell ist’s dann auch mit diesem toleranten Tonfall vorbei.

«SVP-Präsident Marco Chiesa sagte in einer 1.-August-Rede, dass man Universitäten die Steuergelder streichen müsse, wenn diese «freiheitsfeindlichen Gender-Woke-Unsinn» verbreiten. Der Präsident der grössten Partei der Schweiz zeigt damit seinen fragwürdigen Umgang mit Andersdenkenden.»

Das mag so sein, aber wieso kehrt denn der grosse Anhänger von Zulassen und Anhören von anderen Meinungen nicht vor seiner eigenen Türe? Zürcher arbeitet doch für ein Blatt, in dem sein Kollege Andreas Tobler schon mal einen Mordaufruf gegen ebendiesen Roger Köppel verniedlichte. Er arbeitet doch für ein Blatt, das regelmässig rechtspopulistische Hetze und üble Demagogie der Rechten im Allgemeinen verurteilt. In diesem Zusammenhang fällt häufig auch der Name Köppel.

Wenn Zürcher die Verrohung der Diskussionskultur beklagt, wieso klagt er da sein eigenes Organ nicht an? Was hält er vom untauglichen Versuch zweier Kollegen, den Abgang eines Kolumnisten von der WeWo gleich zu einer Massenflucht hochzuschreiben? Wann gab es in seinem Organ denn das letzte Mal einen offenen Schlagabtausch von unterschiedlichen Meinungen über beispielsweise die richtige Bekämpfung der Pandemie? Über die Sinnhaftigkeit der Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland? Über den Gender-Wahnsinn oder Rasta-Raserei? Über die 10-Millionen-Schweiz? Dürfte bei Tamedia ein grantelnder Kolumnist auch auf zwei Seiten die Gründe für seinen Abgang darlegen?

Fällt Zürcher wirklich nicht auf, dass der von Tamedia so oft gescholtene Köppel in seinem Blatt ein viel breiteres Meinungsspektrum zulässt als das Zentralorgan der Gutmenschen, der woken, gendersensiblen, Zwangsimpfungsbefürwortern, die für Kritiker und Skeptiker nur das schöne Wort «Corona-Leugner» parat haben? Die differenzierende Meinungen zum Ukrainekrieg als Äusserungen von «Putin-Verstehern» abtun?

Die also einen wesentlichen Beitrag zur Verrohung der Diskussionskultur leisten. Eigentlich ist’s doch peinlich. Würde Tamedia tatsächlich diese liberale Diskussionskultur pflegen, dann wäre es doch durchaus möglich, dass sich Zürcher auch kritisch über sein eigenes Blatt äussern könnte.

Statt sich wohlfeil darüber aufzuregen, dass feige anonyme Drohschreiben ausreichen, um einen SVP-Nationalrat von einer 1.-August-Rede auszuladen. Statt diese Verrohung am Beispiel SVP-Köppel zu beklagen, um dann gleich SVP-Chiesa eine reinzubrennen. Denn so sieht offenbar die Ausgewogenheit à la Tamedia aus: wenn wir etwas ansatzweise Positives zu einem SVP-Exponenten sagen, müssen wir sofort etwas Negatives über einen anderen schreiben.

Fürio

Für einmal ohne Worte …

Wir sind so neutral

Lernt jeder in der Schule: die Schweiz ist neutral. Oder so.

Die Schweiz erwartet gespannt die Veröffentlichung des «Neutralitätsberichts» durch das EDA. Darin soll geklärt werden: «Der Bericht wird neben der Aufarbeitung der letzten 30 Jahre auch die aktuelle Krise in der Ukraine beleuchten sowie einen Ausblick auf eine mögliche Weiterentwicklung des Neutralitätsverständnisses geben

Unheil schwant, wenn man die Liste der Mitglieder der «externen Expertengruppe Neutralität 22» anschaut:

  • Yves Daccord (ehemaliger Direktor des IKRK),
  • Martin Dumermuth (ehemaliger Direktor des Bundesamts für Justiz)
  • Renata Jungo-Brüngger (Vorstandsmitglied Mercedes-Benz-Gruppe)
  • Dominik Knill (Präsident Schweizerische Offiziersgesellschaft
  • Christoph Mäder (Präsident economiesuisse)
  • Anna-Lina Müller (Co-Geschäftsführerin Think Tank Foraus)
  • Philippe Rebord (ehemaliger Chef der Armee)
  • René Rhinow (alt Ständerat, Professor Emeritus für öffentliches Recht an der Universität Basel)
  • Sacha Zala (Professor für Schweizer und Neueste allgemeine Geschichte, Direktor der Forschungsstelle Diplomatische Dokumente)

So hat sich Rhinow bereits mehr als abfällig über die bisherige Anwendung des Neutralitätsprinzips geäussert: «Dass die Schweiz immerwährend neutral sein soll, ist verjährt.»

Was in einer solchen Arbeitsgruppe ein VR von Mercedes-Benz zu suchen hat, ein ehemaliger IKRK-Direktor oder gar ein Vorstandsmitglied der Europa-Turbos «Foraus»?

Dabei wäre es doch tatsächlich sinnvoll, den offensichtlich nicht ganz durchdachten Begriff der bewaffneten Neutralität staatsrechtlich zumindest zu definieren. Dafür verfügt die Schweiz doch über genügend Professorenstellen, deren Amtsinhaber sich eigentlich auf Kosten des Steuerzahlers den lieben langen Tag mit nichts anderem als solchen Fragen beschäftigen sollten.

Daher war es dann sicherlich kein Problem, hier wenigstens eine wissenschaftlich fundierte Definition zu bekommen, auf die dann die Debatte aufbauen könnte. Nur: wenn uns nicht Wesentliches entgangen ist, gibt es die nicht.

Unser Aussenminister zog plötzlich den Begriff «kooperative Neutralität» aus dem Hut, andere erklären die Neutralität für überflüssig, sie sollte eigentlich längst abgeschafft werden.

Wieder andere sagen, dass diese Neutralität doch noch nie richtig existiert habe, spätestens seit Ende des Zweiten Weltkriegs sei die Schweiz alles andere als neutral gewesen, sondern hätte sich unter den militärischen Schutzschirm der NATO begeben, mit allen daraus folgenden Abhängigkeiten.

An diesem besinnlichen Sonntag vor dem 1. August soll keineswegs rechthaberisch die einzig richtige Definition der Schweizer Neutralität dem staunenden Publikum präsentiert werden.

Aber schon mit leichter Verzweiflung soll nochmal gefordert werden: ist es denn nicht mehr möglich, selbst über solche fundamentalen Begriffe, über diesen Pfeiler des Schweizer Selbstbewusstseins, der Definition der Schweiz, eine zivilisierte, auf Erkenntnisgewinn ausgerichtete Debatte zu führen?

Statt mit heruntergelassenem Visier im Schützengraben der verfestigten Meinung zu sitzen und rechthaberisch auf alles zu ballern, was der nicht entspricht?

Klar, ein illusorischer, fast kindischer Wunsch zum 1. August. Aber probieren kann man ja.

 

 

 

Kleiner Kopf, grosses Thema

Früher war ein «Leitartikel zum 1. August» noch was.

Mario Stäuble ist, viele wissen das nicht, Co-Chefredaktor des «Tages-Anzeiger». Die Zeitung war einmal, viele wissen das nicht mehr, eine ernstzunehmende Stimme in der öffentlichen Auseinandersetzung. Neben viel Eigenrecherche positionierte sich der Tagi mit kantigen Kommentaren und intelligenten, elegant geschriebenen Kolumnen.

Inzwischen werden grosse Teile des Inhalts von der «Süddeutschen» aus München übernommen. Eigenleistungen spielen sich häufig in Themengebieten wie der Genderfrage ab, die 98 Prozent der Konsumenten eher nicht interessieren. Als Grossleistungen sind höchstens noch die Beteiligung an der Ausschlachtung von gestohlenen Geschäftsunterlagen zu erwähnen. Die Hehlerware wird dann von Anklägern, Richtern und Vollstreckern in einer Person dem Publikum als «Papers» oder «Leaks» präsentiert.

Beim letzten Versuch klagte der Tagi selber, dass es sich um einen Skandal handle, der keiner wurde. Oder einfacher ausgedrückt: es war wieder ein Flop.

Im allgemeinen Niedergang bietet die Chefredaktion des Tagi ein besonders jämmerliches Bild. Sie reagierte verschreckt und duckmäuserisch auf ein Protestschreiben erregter Tamedia-Mitarbeiterinnen, die Sexismus, Diskriminierung und unerträgliche Arbeitsbedingungen beklagten. Unterfüttert mit einer Latte von anonymisierten, nicht nachprüfbaren, weder zeitlich noch sonst verorteten Beispielen von angeblichen Übergriffen.

Anlass zu Fremdschämen und peinlicher Berührtheit beim Lesen gibt regelmässig Mario Stäuble. Zuletzt wurde er verhaltensauffällig mit einer oberhochnotpeinlichen und gewundenen Erklärung, wieso der Tagi den Namen eines Entführungsopfers zuerst nannte, dann nicht mehr nennen durfte. Die einfache Begründung wäre gewesen: der Tagi, in erster Linie seine Chefredaktion, haben’s versemmelt.

Vergessen wir die Vergangenheit. Leiden wir unter der Gegenwart

Schlamm drüber. Nun vergreift sich Stäuble aber am 1. August. Was immer man von diesem Datum halten mag, ob es Anlass zur Besinnung, zur Feier, zur Freude, zum Schämen oder was auch immer ist: man sollte zumindest in Würde und auf einem minimalen intellektuellen Niveau darüber nachdenken oder schreiben.

Zwei Gebiete, die nicht zu den Kernkompetenzen von Stäuble gehören. Keiner zu klein, grossmäulig zu sein:

«Die Idee der Schweiz als isolierte Insel ist überholt. Das Land braucht ein neues Selbstverständnis.»

Das ist ja mal eine Ansage. Sie krankt schon daran, dass es in der Schweiz wohl keinen Robinson Crusoe gibt, der sie als isolierte Insel anschaut. Und was für ein neues Selbstverständnis soll gebraucht werden, welches alte ist überholt?

Stäuble holt tief Luft und zitiert aus einer Rede des ersten Schweizer Literaturnobelpreisträgers Carl Spitteler, in der er sich darüber freute, dass eine «Ausnahmegunst» der Schweiz erlaubt habe, während des Ersten Weltkriegs «im Zuschauerraum zu sitzen».

Wie jeder Halbgebildete greift sich Stäuble aus einer längeren Entwicklung von Gedanken einen Satz heraus, der ihm in den Kram passt. Es lohnt sich aber tatsächlich, diese Rede nachzulesen, gehalten am 14. Dezember 1914.

Wer das tut, erfährt, dass sich Spitteler nicht über eine Sonderrolle der Schweiz ausliess, sondern in erster Linie seiner Besorgnis Ausdruck gab, ob sich angesichts des europäischen Schlachtfelds der französische und der deutsche Teil der Schweiz nicht näher zu den jeweiligen grossen Nachbarländern als zur gemeinsamen Sache der Schweiz fühlen könnten.

Stäuble galoppiert durch Niemandsland der Gedankenfreiheit 

Die Rolle von Grossmächten brachte Spitteler übrigens schneidend scharf und gut auf den Punkt:

«Nicht umsonst führen die Staaten mit Vorliebe ein Raubtier im Wappen. In der Tat lässt sich die ganze Weisheit der Weltgeschichte in einen einzigen Satz zusammenfassen: Jeder Staat raubt, soviel er kann. Punktum. Mit Verdauungspausen und Ohnmachtanfällen, welche man „Frieden“ nennt.»

Genauso klar äussert er sich auch zur Position der Schweiz in Kriegszeiten zwischen sie umgebenden Grossmächten: «Der Tag, an dem wir ein Bündnis abschlössen oder sonstwie mit dem Auslande Heimlichkeiten mächelten, wäre der Anfang vom Ende der Schweiz.»

Was Spitteler für den «richtigen, den neutralen, den Schweizer Standpunkt» hält, das lohnt sich wahrhaftig nachzulesen. Das hat mit dem herausgerissenen Zitat von Schäuble null und nichts zu tun. Der Co-Chefredaktor startet also mit einer Bauchlandung. Und von da an geht’s weiter nach unten.

Denn nun versucht er es mit falschem Pathos: «Ein Krieg ist ausgebrochen, und 27 Energieminister kommen zusammen, um einen Kontinent zu einen. Russland hat die Ukraine überfallen und setzt seine Erdgasvorkommen als Waffe gegen Europa ein. Die EU-Minister beschliessen, jedes Land werde seinen Gasverbrauch um 15 Prozent senken, um sich aus Putins Würgegriff zu befreien. Das ist historisch – auch wenn der Plan jede Menge Ausnahmen enthält.»

Es ist ein löchriger, nicht funktionierender Plan von 27 EU-Ministern. Obwohl die Schweiz bekanntlich nicht Mitglied in diesem Verein ist, fragt Stäuble inquisitorisch: «Was ist eigentlich mit der Schweiz? Ist man Teil dieses Plans?»

Gegenfrage: wieso genau sollte die Schweiz Teil eines unrealistischen EU-Plans sein? Dem viele Minister im festen Wissen zustimmten, dass er sowieso nicht funktionieren wird?

Schrecklicher Sonderfall Schweiz

Der Bundesrat setze da weiterhin auf den «Sonderfall Schweiz», schreibt Stäuble anklägerisch. Schlimmer noch: «Es ist nicht das erste Mal, dass dies seit Kriegsausbruch passiert. Die verspäteten Sanktionen gegen Russland sind ein Beispiel, das Nein zur Aufnahme von Verletzten aus der Ukraine ebenfalls

Verspätete Sanktionen? Die erstmalige Übernahme von Sanktionen, die nicht vom UN-Sicherheitsrat, sondern von der EU beschlossen wurden? Und was für ein «Nein» meint Stäuble hier? Hat er auch das nicht verstanden?

Nun, falsch zitiert, anderes auch nicht kapiert, worin sollte denn nun das «neue Selbstverständnis» bestehen? «Zur Neupositionierung der Schweiz gehört, dass sie ihr Verhältnis zur EU entkrampft.» Ach was, und was würde eine Entkrampfung der Schweiz bringen?

«Nur so wird es gelingen, dass man etwa Entwürfe von Sanktionen gegen Russland im Vertrauen vorab zu sehen bekommt, statt die Informationen nachträglich im Internet suchen zu müssen.» Das ist nun so jämmerlich und lächerlich, dass man beim Lesen nicht weiss, ob man weinen, lachen oder mitleidig den Kopf schütteln soll.

Aber wir sind tapfer und zitieren noch die Schlusspointe: «Zwischen Bern und Brüssel braucht es Nähe und Vertrauen. Nur schon, um für den Tag gewappnet zu sein, an dem Carl Spittelers «Ausnahmegunst des Schicksals» plötzlich ausläuft.»

Ein Leitartikel als Leidartikel

Nähe und Vertrauen? Mit dem dysfunktionalen, undemokratischen, «sanften Monster Brüssel», wie das Hans Magnus Enzensberger nannte. Untertitel seines genialen Essays: «Oder die Entmündigung Europas». Und das schrieb er noch lange bevor sich die EU entschloss, militärisch einem Nicht-NATO-Mitglied zu helfen.

Denn was Spitteler ironisch «Ausnahmegunst des Schicksals» nannte, ersparte der Schweiz Leid und Zerstörung im Ersten Weltkrieg. Es ersparte der Schweiz Leid und Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Sie hat sich dabei nicht nur mit Ruhm und Ehre bekleckert, sie hat sich auch durchgewurstelt. Na und? Hätte sie sich damals auf eine Seite stellen sollen? Auf die der Faschisten? Oder der Alliierten, zu denen nebenbei auch die ehemalige Sowjetunion gehörte?

Wer das auch im Nachhinein korrekt mit nein beantwortet, soll heute für Schulterschluss, «Nähe und Vertrauen» mit Brüssel sein?

Es ist tragisch. Es ist jämmerlich. Es ist peinlich. Es ist bedauerlich, auf welches Niveau ein Leitartikel zum 1. August im Tagi abgesunken ist. Es ist ein Leidartikel. Es ist ein Schriftstück, das Mitleid auslöst. Man wünschte der schrumpfenden Leserschar des Tagi etwas Besseres für den 1. August. «Betet, freie Schweizer, betet», heisst es in der Nationalhymne. Wir wissen hier, worum gebetet werden sollte: Oh Herr, lass Hirn vom Himmel regnen.

 

 

 

Wieder da!

Gute oder schlechte Nachricht? Zwei Wochen vergangen. Nichts passiert. Alles beim Alten.

Zugegeben, es ist die volle Härte, wenn der 1. August auf einen Sonntag fällt. Da ist guter Rat teuer, was die Sonntagspresse eigentlich machen kann. Zu teuer, denn es wird nun ganz, ganz peinlich:

Weiss die «Sonntagszeitung» am 1. August 2021.

Da zieht es der Cervelat beim Fremdschämen die Haut ab, aber was will man machen, wenn sowieso die zum Dienst verknurrte C-Mannschaft am Gerät ist?

Wir denken uns mal schnell in eine Erfindung zurück.

Echt witzig, das muss gelobt werden, wird die SoZ auch. Allerdings dürfte das hier ihrer Corona-Kreische Marc Brupbacher das Letzte abfordern:

Die kennen nix, um sich im Gespräch zu halten …

Geht noch einer? Wo Markus Somm ist, ist auch ein Weg:

Warum gibt es eigentlich diese Kolumne?

Nicht nur am 1. August müssen wir uns das fragen. Wir fassen uns an den Kopf und wenden uns daher dem Blatt für die gehobene Stände zu. Richtig, der NZZaS.

Man merkt, spürt, sieht den Niveau-Unterschied sofort:

Diese Illustration hat doch ein anderes Niveau.

Ach interviewtechnisch bewegt sich die NZZaS auf einem eigenen Niveau:

Alt Bundesrätin, altes Foto, alter Text.

Pardon, nein, der Text ist neu. Also genau gesehen, alt Bundesrätin Leuthard hat alte Buchstaben neu sortiert. Spricht gesalbte Worte über die Schweizer Wesensart der Besserwisserei, weiss es dann allerdings klimapolitisch auch besser als ihre Nachfolgerin, unsere Atom-Doris. Der Cervelat schämt sich schon bei der SoZ fremd, nehmen wir hier doch eine weisse Socke, das modische Signal, an dem man den Aargauer erkennt. Die rollt sich nämlich runter vor Fremdschämen bei diesem Interview.

Aber, wenn eigene Texte schon nichts taugen, freut sich der Leser über ein Inserat ungemein:

Da ist mehr Zündstoff drin als im ganzen Rest der NZZaS.

Mit einem ganzseitigen Inserat wehrt sich der Geschäftsführer einer Firma gegen einen Bericht des «Beobachter», der im Dezember über ihn erschienen ist:

Illegale Praktiken oder beweisfreie Behauptung?

Das Inserat in der NZZaS kommt sehr professionell daher. Kein Wunder, es wurde von Profis gestaltet; von der Werbebude Rod. Zumindest sehr speziell, dass sich ein Kritisierter Monate später mit einem ganzseitigen Inserat meldet – und zum Gegenangriff übergeht, in dem er alle Vorwürfe zurückweist und deutlich macht, dass er einen Zusammenhang mit seiner Herkunft sieht – er ist Schweizer mit Migrationshintergrund, wie man korrektdeutsch sagt. Auch sehr speziell, dass die NZZaS ein solches Inserat abdruckt, in dem einem Mitbewerber mit Anlauf eins über die Rübe gehauen wird. Man ist auf die Fortsetzung gespannt.

Der Rest der NZZaS vom 1. August? Wirkt dagegen wie ein Feuerwerk – bei dem die Lunte nass geworden ist.

Gibt’s da nicht noch einen dritten Eidgenossen im Bunde? Doch, richtig, der «SonntagsBlick» ist immer noch da. Wir wissen zwar heute am Sonntag nicht, welche seiner Storys am Montag von Ringier persönlich gekübelt, geteert, gefedert, für Unsinn erklärt werden, wofür man sich ausdrücklich entschuldigen wird, dabei versprechen, es nie mehr zu tun. Aber wir wagen mal eine Auswahl, bei der wir davon ausgehen, dass sie für die Ewigkeit gemacht ist. Zunächst das Cover, grandios:

Der Bundespräsident will mal was Markiges sagen, das Blatt was Banales.

And the winner is: eindeutig der SoBli.

Alle drei Sonntagblätter haben es mit grossen Illustrationen versucht, dem 1. August noch etwas abzugewinnen. Eindeutig die Nase vorne hat der SoBli mit diesem Wimmelbild zum Uralt-Thema, welche Eigenschaften denn den Eidgenossen ausmachen.

Auf Somms Spuren: Frank. A Meyer.

Der Ringier-Mann für die gehobene Flachdenke grübelt hier über der Frage, wie billig man eigentlich in die Schweiz einwandern könne. Bekanntlich machten noch vor kurzer Zeit Eidgenossen wie Wilhelm Tell Ausländern das Leben in der Schweiz eher schwer. Heute aber sei das ganz anders, seufzt Meyer. Der Mann ist wirklich völlig frei von Selbstironie. Denn er tut das als ausgewanderter Schweizer von Berlin aus, wo er seit Jahr und Tag vor dem Brandenburger Tor steht. In Farben gekleidet, die die Natur eigentlich verboten hat:

Würden Sie diesem Mann ein Jacket abkaufen – oder einen Gedanken?

Aber gut, es ist schön, wenn man nach zwei Wochen Abwesenheit feststellen darf, dass sich gar nichts, aber rein gar nichts geändert hat. Daher können auch wir sagen: