Tamedia: kein Interesse am «Zürcher Oberländer»

Dafür grössere Einmischung in die Redaktion

Im Zürcher Oberland geht ein Gespenst umher, und das heisst «Tamedia». Der Verlag hält seit zehn Jahren 37,6 Prozent an der Zürcher Oberland Medien AG. Es wurde gemunkelt, es existiere eine Vertragsklausel, die Tamedia erst nach einer gewissen Frist eine Aufstockung der Anteile erlaube.

Und dann? Dann würde der mächtige Verlag alles zerschlagen. Die Angst wurde durch die jüngsten Entwicklungen im Verlag nochmals genährt. «Nein», lautet die Antwort von Tamedia. Es gebe keine solche Klausel. Und nochmals «Nein»: Man habe kein Interesse, die Zürcher Oberland Medien AG zu übernehmen.

Entspannen kann sich die Redaktion in Wetzikon aber nicht. «Wir werden die redaktionelle Zusammenarbeit weiterentwickeln», so Tamedia gegenüber ZACKBUM.ch

So offen wie Tamedia kommuniziert die Zürcher Oberland Medien AG nicht. Fragen werden erst auf wiederholte Bitte beantwortet – oder gar nicht. Zum Beispiel wie hoch die Entschädigungen des VR sind (bei der TX Group waren es letztes Jahr 2,4 Millionen Franken) und ob die Social-Media-Strategie geändert wird. Der Geschäftsbereich Digitale Medien/Shop schreibt seit mindestens vier Jahren tiefrote Zahlen: 2016 (-786‘000), 2017 (-670‘000), 2018 (-672‘000) und 2019 (-586‘000).

«Zürcher Oberländer»: die Dividendenperle

Print schlägt Online 2:0

Der «Tößthaler» (mit dem scharfen S) ist eine Zeitung, die es eigentlich gar nicht mehr geben darf. «Die Hundschilen-Brücke ist wieder offen», lautete am Dienstag eine dieser typischen Meldungen aus dem Mikrokosmos des Lokaljournalismus. Der «Tößthaler» gehört zur Zürcher Oberland Medien AG. Im Geschäftsbericht 2019 staunt man nicht schlecht. Die Lokalzeitung (2312 Abos) erzielte letztes Jahr einen Reingewinn von 181‘000 Franken. Das entspricht sage und schreibe 20,8 Prozent der Nettoerlöse.  So richtig glücklich scheint man im Verlag aber nicht zu sein. «Das Ziel ist weiterhin, die Kosten tief zu halten und die Umsätze zu steigern.»  Und der «Zürcher Oberländer» erwirtschaftete 2019 sogar einen Gewinn von über einer Million Franken. Der Verlag nennt das Ergebnis verhalten «ansprechend».

Auch die anderen Zeitungen des Verlags schlossen positiv ab. Insgesamt erreichte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2019 einen Jahresgewinn von 1,28 Millionen Franken. Die treuen Aktionäre erhielten eine Dividende von 30 Franken pro Aktie.

Minus von einer halben Million Franken

Nur eines der vier Geschäftsfelder rutschte in die roten Zahlen. Es ist ausgerechnet das Geschäftsfeld, für welches der CEO Daniel Sigel steht: «Digitale Medien/Shop». Das Segment schloss das Jahr 2019 mit einem Verlust von 586‘000 Franken ab. Recherchen von Zackbum.ch brachten hervor, dass der Verlag aktuell lediglich ungefähr 450 reine Digital-Abos verkaufen konnte (ab 13 Franken).

Der Verlag zeigt sich trotzdem überglücklich: «Das Profitcenter Digital entwickelt sich weiterhin erwartungsgemäss. Die Erlöse sind um 10.1 Prozent gestiegen, während die Aufwände lediglich um 3.5 Prozent stiegen.»

Das stimmt. 2018 machte diese Sparte sogar 672‘000 Franken Verlust. «Geht die Entwicklung dieses Geschäftsbereichs weiter voran wie bis anhin», so der Geschäftsbericht, «schreibt dieser planmässig mittelfristig schwarze Zahlen.».

Auch das stimmt. 2026 würde Sigels Innovation bei kontinuierlicher Schuldenreduktion erstmals einen Gewinn präsentieren, und zwar: 16‘000 Franken.

Auf seinem LinkedIn-Profil schreibt Kommagegner Sigel: «Es ist nicht die stärkste Spezies die überlebt auch nicht die intelligenteste sondern eher diejenige die am ehesten bereit ist sich zu verändern.»

Das stimmt natürlich auch. Hätten die Dinosaurier Sigels Digitalstrategie beherzigt, wäre ihre langfristige Überlebenschance deutlich höher gewesen.

Daniele Muscionico erhielt Kündigung

René Scheu, Feuilleton-Chef der NZZ, begründet im Interview exklusiv die Sparmassnahmen der NZZ.

Laut Stimmen aus dem Stadtzürcher Präsidialadepartement sollen die lokalen NZZ-Theaterkritiker die Kündigung erhalten haben. Stimmt das?

René Scheu: Ich kenne Ihre Quelle nicht. Aber das ist doppelt falsch. Denn erstens lag die Theaterkritik bisher in den Händen einer Person, nämlich von Daniele Muscionico. Und zweitens verschwindet das Dossier deutsches Sprechtheater nicht, sondern wandert von Daniele Muscionico, die es seit 2017 betreut hat, zu Ueli Bernays, der seit über 20 Jahren NZZ-Redaktor ist. Aber Daniele Muscionico, eine sehr geschätzte Mitarbeiterin der NZZ, bleibt uns als Feuilleton-Autorin erhalten. Sie wird wie auch bisher schon regelmässig eigenständige und eigenwillige Beiträge zu allen möglichen Themen des Lebens aus kulturaffiner Sicht beitragen.

Fakt bleibt: Die vier Personen, darunter Daniele Muscionico, müssen also gehen.

Das Feuilleton arbeitet nicht mehr mit Pauschalistinnen und Pauschalisten, also Leuten, die ein Fixum beziehen.

Sämtliche Verträge wurden fristgerecht auf Ende Jahr gekündigt, auch jener von Daniele Muscionico.

Alle Pauschalisten haben eine faire Entschädigung erhalten, und alle arbeiten als feste freie Mitarbeiter weiter leidenschaftlich für die NZZ. Die Honorare für Texte werden wir zudem insgesamt etwas anheben – denn wir wissen, wie wichtig auch originelle externe Autoren für unser Feuilleton sind.

Was sind die Gründe für die Kündigungen?

Das Feuilleton hat wie die anderen Ressorts auch gezielte Sparmassnahmen umgesetzt. Der Journalismus befindet sich in einer Transformation.

Einerseits fokussieren wir noch stärker auf das, was wir am besten können – Reflexion, Hintergrund, Analyse, relevante Berichterstattung. Wir machen also weniger, aber das noch besser. Anderseits investieren wir in neue Formen und Formate, von Podcast bis Datenanalyse. Und die steigende Zahl von Digital-Abos gibt uns hier recht.

Alle Theaterhäuser in Zürich haben eine Petition unterschrieben, damit die Kritikerstellen erhalten bleiben. Hat diese etwas bewirkt?

Wir stehen mit den Theatern in engem Kontakt und Austausch. Und selbstverständlich bleibt Zürich für uns die Home Base – hier wollen wir in der Berichterstattung wie bisher die Platzhirsche sein. Wir bauen hier nicht ab, sondern aus. Nur werden wir nicht mehr alle Theaterhäuser im deutschsprachigen Raum ausserhalb der Eidgenossenschaft so eng wie früher begleiten – das wird von den NZZ-Lesern auch nicht wirklich gewünscht, das zeigen uns die Daten ganz klar. Die Medienlandschaft hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und ausdifferenziert, für einschlägiges Interesse gibt es einschlägige Plattformen, im Falle der Theaterkritik zum Beispiel www.nachtkritik.de, die einen tollen Job machen. Wir berichten selektiv über das Relevante, nicht mehr ständig über alles Mögliche.

Schon 2017 wurde drei Kulturkorrespondenten gekündigt. Sandra Leis von Radio SRF 2 stellte damals fest, dass die NZZ damit auf dieses Alleinstellungsmerkmal, diesen Trumpf der Kulturberichterstattung, verzichte. Chefredaktor Eric Gujer sagte: «Ganz im Gegenteil. Aber ich mache keine Unterscheidung zwischen Polit- und anderen Journalisten». Er betonte: «Eine so breite Kulturberichterstattung wie wir macht niemand in der Schweiz». Das stimmt jetzt nicht mehr, einverstanden?

Nicht einverstanden. Das stimmt nach wie vor – und mehr denn je. Oder kennen Sie in der Schweiz ein anderes Feuilleton, das im Schnitt täglich mit vier Printseiten aufwartet und online noch manches darüber hinaus bietet? Aber ganz unabhängig davon –

Ihre Frage zeugt von einem strukturkonservativen Geist, der gerade unter Medienkritikern notorisch zu sein scheint. Wir träumen an der Falkenstrasse nicht von der guten alten Zeit, sondern machen uns fit für die Zukunft.

Nicht die Meinungen der Journalisten sind unsere Richtschnur, sondern die Bedürfnisse der Leserinnen und Leser.

Als NZZ-Leser hat man das Gefühl, unter Ihnen, René Scheu, sei die internationale Kultur gut abgedeckt. Das Lokale aber bleibe oft aussen vor. Wie sehr liegt Ihnen Zürich am Herzen?

Danke für das Kompliment! Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Natürlich machen wir ein Feuilleton für die ganze Schweiz und darüber hinaus. Aber wir wollen in Zürich die Platzhirsche sein, siehe oben. Das ist unser Anspruch, aber ja, hier können wir bestimmt noch weiter zulegen. Bald bringen wir einen neuen Zürichkultur-Newsletter heraus. Und wir wollen unsere Efforts in dieser Richtung weiter intensivieren.

Theater- und Konzertkritiken waren früher das A und O einer Aufführung. Nun gibt es sie fast gar nicht mehr. Warum hält die NZZ nicht dagegen?

Das Schauspielhaus, das Opernhaus, die Tonhalle und andere Institutionen begleiten wir eng. Wir haben hier einen Kulturauftrag, den wir sehr ernst nehmen, auch mit Bezug auf kleinere Bühnen und Veranstalter.

Zugleich sind wir keine PR-Agentur von Kulturinstitutionen und wollen auch kein Feuilleton für die Happy Few machen – das Feuilleton soll vielmehr allen lesehungrigen, interessierten, bildungsbürgerlich angehauchten Zeitgenossen etwas bieten.

Die Auflage der NZZ schwindet markant. In einem Jahr von gut 100000 auf etwas über 70000. Ist da dieser Kahlschlag nicht ein falsches Zeichen für die treuen Abonnenten?

Sie messen noch in der Print-Währung, was mich erstaunt, da zackbum.ch ja ein reines Online-Medium ist. Und sorry, Print ist eine Währung, nicht DIE Währung.

Die Print-Auflage sinkt leider, das ist korrekt.

Aber an zahlenden Digital-Abonnenten haben wir in den letzten beiden Jahren mächtig zugelegt – die magische Grenze von 200’000 zahlenden Abonnenten, die wir für Ende 2022 angesetzt hatten, haben wir bereits dieses Jahr überschritten. Und Hand aufs Herz – ist das nicht sogar für Sie eine gute Nachricht? So gehen Ihnen die Themen nicht so bald aus.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

René Scheu (*1974) leitet seit 2016 das Feuilleton der NZZ. Vorher war er Chefredaktor und Herausgeber des liberalen Magazins Schweizer Monat.

Daniele Muscionico (*1962) ist – mit kleinem Unterbruch – seit 1994 Kulturredaktorin der Neuen Zürcher Zeitung. Seit 2017 ist sie laut NZZ-Impressum erste Theaterkritikerin mit Vorliebe für Experimente mit offenem Ausgang.

Tamedia erarbeitet Sozialplan

Im Hinblick auf die zu erwartenden Entlassungen ab Juli 2021 wird Tamedia einen Sozialplan erarbeiten, wie es auf Anfrage heisst.

Gestern Dienstag fand eine Infoveranstaltung statt für die Tamedia-Mitarbeitenden. ZACKBUM.ch berichtete im Vorfeld darüber. Was ist dabei herausgekommen? Laut internen Quellen verlief der Anlass eher trübselig. Zwar wurde etwa die «Magglingen-Recherche» gelobt und der Bronze-Platz der Schweizer Familie beim Best Swiss Web Award freudig erwähnt. Angesprochen wurden auch Innovationsprojekte wie Podcasts. Als Podcastproduzentin wurde nämlich eigens Mirja Gabathuler angestellt. Ab 7. Dezember läuft zudem wieder die Serie «Wahrheit, Wein und Eisenring – das ehrlichste Gesprächsformat der Schweiz» mit Yvonne Eisenring.

70 Millionen einsparen bis Ende 2022

Aber geblieben ist den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wohl eher der Finanzteil.  ZACKBUM.ch fasst das Thema zusammen. Die Aussagen sind abgesegnet von Mediensprecherin Nicole Bänninger:  «Tamedia muss bis Ende 2022 70 Millionen Franken einsparen, also rund 15 Prozent der Kosten. Betroffen werden nicht nur die Redaktionen sein. Alle Unternehmensbereiche müssen ihre Kosten reduzieren, so beispielsweise auch die Druckereien oder der Vertrieb. Ein wesentlicher Teil der Einsparungen kommt auch aus einem Sparprogramm bei den zentralen Dienstleistungen, welche Tamedia von der TX Group bezieht. Zum Beispiel im IT-Bereich.

Keystone-SDA: Ein Ausstieg ist für Tamedia aktuell kein Thema

Darüber hinaus müssen wir uns, wie bereits kommuniziert, auch Gedanken machen zur zukünftigen Ausgestaltung der Dienstleistung, die wir von Keystone-SDA beziehen, und insbesondere der damit verbundenen Kosten. Wie um diese Jahreszeit üblich, sind wir mit Keystone-SDA in Gesprächen über den genauen Umfang der Leistungen für das nächste Jahr. Ein Ausstieg ist für Tamedia aber aktuell kein Thema.»

Nicole Bänninger betont: «Tamedia legt keine Redaktionen in Zürich zusammen! Geprüft werden Synergien. Diese Projekt-Arbeiten starten im Januar 2021, umgesetzt wird ungefähr ab Mai 2021.»

Nun doch noch zwei Anschlussfragen. Stimmt es, dass die Synergienprüfung im ersten Quartal in Zürich und im zweiten Quartal im Bern startet?
Ja, in Zürich startet das Projekt Anfang 2021, in Bern im Q2 2021.

Sind erste Entlassungen im Juli 2021 zu erwarten?
Über personelle Veränderungen lässt sich noch keine Aussage machen. Nötige Massnahmen werden so weit wie möglich über Fluktuation, interne Verschiebungen oder andere Anschlusslösungen vollzogen, um Kündigungen zu vermeiden. Um allfällig betroffene Mitarbeitende bestmöglich zu unterstützen, wird – unabhängig von der Höhe der Massnahmen – unter Einbezug der Sozialpartner ein Sozialplan erarbeitet.

Tamedia: Berner Modell für Zürich

Tamedia will auch im Kanton Zürich Redaktionen zusammenlegen. Am 17. November werden die Betroffenen informiert.

Droht dem Landboten, den Zürichsee-Zeitungen und dem Zürcher Unterländer ein ähnliches Schicksal wie der Berner Zeitung und dem Bund? Erstmals konkret wurde vor kurzem die WoZ: «Die Redaktionen von Bund und Berner-Zeitung – die momentan in Kurzarbeit und im Homeoffice sind – sollen ab April 2021 aus Spargründen vollständig zusammengelegt werden. Zuvor will Tamedia dem Vernehmen nach eine ähnliche Übung mit ihren Zeitungen im Kanton Zürich durchziehen. Siebzig Millionen Franken sollen eingespart werden, davon ein siebenstelliger Betrag in Bern».

Zackbum.ch weiss: Am Dienstag, 17. November, werden die Tamedia-Redaktionen informiert. In einem ersten Schritt geht es um die Zusammenlegung der Kantonsredaktionen des Tages-Anzeigers und der Zürichsee-Zeitungen. Darüber hinaus sollen auch vermehrt Artikel ausgetauscht werden zwischen den Zeitungstiteln.

Was plant Tamedia konkret? Mediensprecherin Nicole Bänninger beantwortet den eingereichten Fragenkatalog nur zusammenfassend. «Um unser Geschäft nachhaltig betreiben und unserer Leserschaft trotz sinkender Einnahmen und des absehbaren weiteren Rückgangs der Printauflagen weiterhin einen unabhängigen, in den Regionen verankerten Qualitätsjournalismus bieten zu können, müssen wir überall Synergiepotentiale eruieren und unsere Kosten reduzieren». Gleichzeitig verlange der Aufbau einer zahlungsbereiten digitalen Leserschaft, «dass wir uns damit auseinandersetzen, welche Bedürfnisse digitale Leserinnen und Leser haben, und unsere Inhalte entsprechend darauf ausrichten – auch in der lokalen und regionalen Berichterstattung».

Achtung: Jetzt wird’s ein bisschen konkreter:

«Dies bedingt eine noch engere redaktionsübergreifende Zusammenarbeit. Wie diese konkret ausgestaltet werden soll, werden wir mit den Redaktionen zusammen über die nächsten Monate prüfen und erarbeiten.»

Und wie sieht’s mit den einzelnen Zeitungstiteln Landbote, Zürichsee-Zeitungen und Zürcher Unterländer aus? Die Antwort lässt vieles offen. Titelstreichungen scheinen durchaus möglich.

«Es ist unsere Ambition, all unsere Zeitungstitel zu erhalten und sie auch weiterhin unterschiedlich zu positionieren.»

Nachfrage von ZACKBUM.ch: «Bleiben die Deckblätter als einzige Referenz an die publizistische Herkunft?» Auch hier antwortet Bänninger eher allgemein: «Mit BZ und Bund in Bern und dem Tages-Anzeiger und den Zürcher Regionalzeitungen in Zürich haben wir in beiden Regionen starke Zeitungen mit eigenen Profilen, die auch ein unterschiedliches Publikum ansprechen. Wie die gesamte Medienbranche stehen wir jedoch vor grossen Herausforderungen: Der Werbeumsatz im Print erodiert kontinuierlich, genauso wie die Umsätze aus den Print-Abos.» Das Deckblattmodell ist und bleibt also eine Option.

Und noch eine Frage: «Gibt es schon Zahlen zur geplanten Anzahl Kündigungen und die geplanten einzusparenden Ausgaben in der Region Zürich?» «Über personellen Veränderungen lässt sich noch keine Aussage machen. Wir versuchen aber stets, nötige Massnahmen so weit wie möglich über Fluktuation, interne Verschiebungen oder andere Anschlusslösungen zu vollziehen», so Bänninger, die zusätzlich zu ihrer Funktion als Kommunikationsverantwortliche Tamedia stellvertretende Leiterin Kommunikation der TX Group ist.

Somedia operiert heute schon so

Ein ähnliches Modell wie das geplante Deckblattmodell in Bern pflegt heute schon die Somedia. Sie gibt in Graubünden die Südostschweiz und das Bündner Tagblatt heraus. Die beiden Zeitungen unterscheiden sich durch die Seiten zwei und drei mit je individuellem Inhalt, sowie verschieden gestalteteten Titelseiten. Wie beurteit die Somedia die Pläne der Tamedia? «Von den Plänen der TX Group habe ich nur aus den Medien erfahren» antwortet Silvio Lebrument, Geschäftsführer Medien der Südostschweiz. Der Sohn von Verleger Hanspeter Lebrument schreibt weiter: «Wenn ich mich auf den Bericht von persoenlich.com stütze, ist vieles noch ungesichert bzw. nicht bestätigt. Daher ist ein Vergleich schwierig». Er stehe aber gerne zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung.

Übrigens unterstützte Christoph Blocher ab 1987 das damals serbelnde Bündner Tagblatt finanziell. 1996 gingen dann Herstellung und Vertrieb des Bündner Tagblatts an die damalige Gasser Media (heute Somedia). «Unter Wahrung einer unabhängigen Redaktion», wie Hansmartin Schmid in einem lesenswerten Buch über «die Geschichte der Churer Presse» schreibt.

Wie es in Bern und Zürich weitergeht, wird man frühestens am Dienstag erfahren.

Keystone-SDA: Harte Verhandlungen mit Tamedia

Der Verlag will Geld  sparen

Die Nachrichtenagentur Keystone-SDA steht vor einem schwierigen Herbst. Tamedia will zwar «aktuell» nicht aus der Nachrichtenagentur aussteigen, dafür die Konditionen neu verhandeln. Das teilte er am Freitag gegenüber ZACKBUM.ch mit:

«Wir müssen uns Gedanken machen zur zukünftigen Ausgestaltung der Dienstleistung, die wir beziehen, und insbesondere der damit verbundenen Kosten.»

Am Mittwoch wurde erst bekannt, dass «20 Minuten» ganz aus Keystone-SDA aussteigt. Und letzte Woche erfuhr ZACKBUM.ch zudem, dass CH Media ab kommendem Jahr eine eigene Sportagentur gründet und sämtliche Verträge mit Keystone-SDA kündigt.

Der Aderlass an Kunden kommt nicht von ungefähr. Mehrere Gründe sind dafür verantwortlich, dass immer mehr Zeitungen auf die Nachrichtenagentur verzichten. Zum einen erleben Kurznachrichten einen Sinkflug. Die Textlänge in den Zeitungen steigt stetig an. Zum anderen sind auch die Zeiten vorbei, als Medienmitteilungen sprachlicher Müll waren. Immer mehr ex-Journalisten heuern «auf der anderen Seite» an. Die «Übersetzungsdienste» der SDA sind obsolet geworden.

Trotz der Absprünge und den erwarteten Ertragseinbussen darf die Agentur nächstes Jahr mit einer Finanzhilfe des Bundesrates von bis zu 4 Millionen Franken rechnen.  Ein Sprecher des Bundesamts für Kommunikation teilte Zackbum.ch mit, dass die Finanzhilfe unabhängig von der Zahl der Kunden sei: «Für die Leistungsvereinbarung und die Entschädigung spielt die Zahl der Bezüger keine Rolle.»

 

Nau wird zur Konkurrenz von Lokalzeitungen

Nau.ch will mit seinen Regio-News in 22 Regionen den Trend zum publizistischen Einheitsbrei stoppen.

Das Online-Portal Nau.ch hat in der Medienbranche nicht die beste Reputation. Doch jetzt baut man die Lokalberichterstattung massiv aus. Von Köniz und Lenzburg über Thal-Gäu und Dübendorf, der Zürcher Goldküste bis zu March-Höfe hat Nau.ch expandiert. Jeweils mit «gut verankerten Persönlichkeiten vor Ort, was wir mit unseren Lokaljournalisten abdecken», bestätigt CEO Yves Kilchenmann den Ausbaukurs auf Anfrage.

Amateursport, Lokalpolitiker, Vereinsnachrichten

«Unser Regio-Produkt befindet sich im Wachstum. Im Frühjahr konnten wir Köniz als eine der ersten Regionen im Raum Bern etablieren. Aktuell sind es 22 Regionen – Tendenz steigend», so Kilchenmann weiter. Ein Blick in solche Berichte zeigt, dass sie genau dort ansetzen, wo Mantelblätter mit zentralisierten Redaktionen immer weniger die Bevölkerung ansprechen. Vereinsnachrichten, Sportberichte von Amateurligen, Tribünentexte von Lokalpolitikern, auch mal ein lokaler Aufreger, für dessen Recherche man aus dem Grossraumbüro muss.

Es begann in der Marzilibahn

Doch der Reihe nach: Am Anfang stand bei Nau.ch die Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Frühling 2008 wurde der erste Doppelbildschirm in der Berner Marzilibahn installiert. Die beiden Gründer der Firma Livesystems, Oliver Chuard und Yves Kilchenmann, hatten die simple Idee, Werbung auf Screens im öffentlichen Verkehr zu platzieren. In der Zeit vor dem grossen Handy-Boom mit permanentem Internetzugang offensichtlich eine Marktlücke. Im Sommer 2017 wurde dann die Online-Plattform Nau gegründet. Nach Angaben von Nau steht der Name als Abkürzung für: «Neu, aktuell, unterhaltsam». Doch die Akzeptanz in der Medienwelt war eher gering, im Gegensatz etwa zu Watson, der Republik oder den lokal agierenden tsüri.ch, das Lamm oder bajour.ch. Jene Plattformen sind sich oft zu schade, über lokale Themen zu berichten. Oder es fehlt am Gespür für sie. Stichwort Medienblase. Dazu kommt, dass Nau.ch mit seiner Werbe-Herkunft oft als zweitklassig wahrgenommen wird. Dazu kommen negative Medienberichte über die Firma. Praktikanten und Kurzarbeit.

Zackbum hat über die Expansion in die Regionen mit Yves Kilchenmann, CEO der Nau Media AG, gesprochen.

Herr Kilchenmann, warum haben Sie entschieden, die Regionalberichterstattung auszubauen?

Mit unseren Screens im öffentlichen Verkehr, an Tankstellen und an gut frequentierten öffentlichen Plätzen verzeichnet Livesystems ein stetiges Wachstum. Nicht nur urban, sondern auch in ländlichen Regionen. Via den Bildschirm können wir internationale und nationale Nachrichten verbreiten, regionale Berichterstattungen jedoch lokal ansteuern. So können wir gezielt auf die einzelnen Regionen eingehen und bieten den Zuschauern einen deutlichen Mehrwert. Regionale Berichterstattungen schwinden vermehrt – diesem Trend wollen wir mit den Regio-News von Nau entgegenhalten, damit die publizistische Vielfalt nicht verloren geht.

Ein Beispiel ist die Goldküste, wo Kilian Marti sehr aktiv ist. Ist das die Strategie, ein Journalist pro Gebiet, im konkreten Fall Zollikon-Meilen?

Um regionalen Journalismus zu betreiben, benötigt es gut verankerte Persönlichkeiten vor Ort, was wir mit unseren Lokaljournalisten abdecken.

Wieviele Regionen bespielt Nau aktuell? Die Rede ist von 18?

Unser Regio-Produkt befindet sich im Wachstum. Im Frühjahr konnten wir Köniz als eine der ersten Regionen im Raum Bern etablieren. Aktuell sind es 22 Regionen – Tendenz steigend. Wir decken Regionen Bern über Solothurn bis hin zu Zürich und/oder Schwyz ab. Anbei ein kleiner Auszug: Köniz, Thal-Gäu, Lenzburg, Dübendorf und March-Höfe.

Nau wird durch diese Regionalisierung zur Konkurrenz für Regionalzeitungen wie der Zürcher Oberländer, der Marchanzeiger und die Zürichsee-Zeitung, einverstanden?

Über die letzten Jahre hinweg schwindet die Vielfalt der Regionalzeitungen. Die Nachfrage nach lokalen News zeigt aber ein anderes Bild. Es interessiert, was in der eigenen Gemeinde passiert, ob der Fussballverein am letzten Samstag das Auswärtsspiel gewonnen hat und wann der nächste Dorfmärit stattfindet (um nur einige Beispiele zu nennen). Die Regio-News von Nau.ch sind ein digitales Produkt und keine Zeitung.

Wie viel Geld nehmen Sie in die Hand für diese Expansion?

Dazu können wir keine Angaben machen.

Wie läuft es denn mit den Kurzmeldungen im ÖV? Ist das nicht langsam ein Auslaufmodell, weil alle auf ihre Handys starren?

Sowohl für den Werbemarkt wie auch für die Leser bieten die Screens im ÖV und im öffentlichen Raum ein einmaliges Kombi. Über die Screens von Livesystems erhalten Zuschauer die wichtigsten Nau.ch-News in Kurzform, für eine detaillierte Berichterstattung nutzen sie die (mobile) Website und/oder App. Mit den Screens erreichen wir täglich ein 2.4 Millionen-Publikum und sorgen so für eine hohe Visibilität, welche beeindruckende Werbeerinnerungen mit sich bringen.

Beispiel Zürich: Warum ist Nau.ch nicht an Tankstellen oder in Coop Prontos präsent?

Das digitale Out-of-Home Werbenetz von Livesystems befindet sich nach wie vor im Wachstum. Im Raum Zürich haben wir bereits heute über 40 Ausstrahlungsstandorte an Tankstellen (u.A. Tamoil und Migrol) und weitere über 20 Standorte mit den grossflächigen Werbestelen. Mit der Postfilialen-Vermarktung der Schweizerischen Post wächst das Netz insbesondere auch im Retail – nicht nur in Zürich, sondern schweizweit um ein Vielfaches. Die Coop Prontos werden von einem Marktbegleiter vermarket.

Wo expandieren Sie sonst noch?

Livesystems durfte im Frühjahr 2020 die Ausschreibung der Verkehrsbetriebe Zürich VBZ gewinnen. Der Eintritte in den Analog-Markt und die weitere Expansion im Metropolitanraum Zürich ist gelungen. Das digitale Out-of-Home Angebot in Zürich wird mit analogen Werbemöglichkeiten ideal abgerundet.

Noch zum Thema Thema Kurzarbeit und die Anschuldigungen der Republik, die ja dann von diversen Medien unbeleuchtet übernommen wurden. Ist da noch etwas geplant, zum Beispiel der Gang vor die Gerichte?

Der Republik-Artikel ist geschäftsschädigend. Das trifft auch auf die Weiterverbreitung von falschen Behauptungen zu.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

«Als Eigentümer verantworte ich persönlich alles»

Für Roger Köppel, Herausgeber und Alleinbesitzer der Weltwoche, haben «eigentlich alle Artikel» seit der Gründung 1933 kommentierenden Charakter. Das widerspricht dem Journalistenkodex.

In den Medien wird, zumindest nach aussen, die Vermischung von Fakten und Kommentaren gescheut, wie das auch bei Redaktionellem und Werbebotschaften geschieht – oder auch nicht. Die Richtlinie 2.3 des Schweizerischen Journalistenkodex macht dazu klare Vorgaben.

Richtlinie 2.3 – Trennung von Fakten und Kommentar:

Journalistinnen und Journalisten achten darauf, dass das Publikum zwischen Fakten und kommentierenden, kritisierenden Einschätzungen unterscheiden kann.

Eine Richtlinie, die die Weltwoche oft und genüsslich negiert, gefühlt verstärkt, seit Roger Köppel am Ruder ist. Vielleicht ist das aber auch so, weil gerne die Antithese vertritt. Etwa, dass Sepp Blatter ein guter FIFA-Präsident war. Die Antithese gilt auch für Trump, Lukaschenko, Blocher, Bolsonaro und so weiter. Nun hat das seit 87 Jahren erscheinende Wochenblatt vor einigen Wochen noch einen drauf gegeben. «Der Charme der Tradition: Weitere Gefässe aus früheren Epochen kommen rundumerneuert». Seither erscheint wöchentlich der «Blick in die Zeit». Diese Seite gab’s schon von den 1930ern bis in die 60er Jahre: «Eine anekdotisch-feuilletonistische Rubrik, die sich aus Weltwoche-Sicht interessanten Phänomenen widmet.» Speziell ist, dass die sehr wertende Rubrik anonym ist. Man weiss also nicht, wer die Zeilen geschrieben hat. Was sagt Roger Köppel dazu?

 

«Klarer gehts nicht»,  findet Roger Köppel. (Foto: ls.)

 

Zackbum.ch hat ihn (schriftlich) befragt. Köppel (55) ist seit 2006 Verleger und Chefredaktor der Weltwoche. 2001 konzipierte er die Zeitung als Chefredaktor neu. Die Weltwoche erscheint seither als Magazin und nicht mehr als Zeitung.

Roger Köppel, ist noch bekannt, wer die «Blick in die Zeit»-Texte von 1933 bis in die 1960er Jahre schrieb?

«Nein. Texte hatten nicht dechiffrierbare Kürzel oder keine Zeichnung.»

Wer schreibt die Texte heute?

«Die Weltwoche.»

Der Inhalt zum Beispiel in der Weltwoche vom 15. Oktober ist durchaus diskutabel: «Die Medien müssten sich an Thiel, Rima und Spence nicht die Schuhe abputzen, sondern sie würdigen als Helden unserer Zeit.» Warum wird bei einer solch streitbaren Rubrik kein Autor ausgewiesen?

«Ich hoffe, alle Beiträge sind Diskussionsstoff. Die Weltwoche hatte immer Rubriken, die nicht gezeichnet waren oder mit Künstlernamen versehen waren. Ein «Economist» zeichnet die meisten Artikel, vor allem die Kommentare, noch heute nicht.»

Als Einschätzung für den Leser und gemäss Richtlinie 2.3 des Journalistenkodex (Trennung von Fakten und Kommentar): Als welche journalistische Form würden Sie «Blick in die Zeit» bezeichnen?

«Die Weltwoche kennt seit alters her die Trennung von Kommentar und Bericht nicht, weil die meisten, eigentlich alle Artikel kommentierenden Charakter haben. Das ist seit der Gründung dieser Zeitung so.»

Warum wird diese journalistische Form nicht klarer gekennzeichnet?

«Als Eigentümer verantworte ich persönlich alles, was in der Weltwoche steht, gezeichnet oder ungezeichnet, kommentiert oder unkommentiert. Klarer gehts nicht.»

Noch eine allgemeine Frage: Laut einer Meldung des Kleinreport arbeitet die Weltwoche (auch) Kurzarbeit. Stimmt das und wenn ja, wie lange schon und wie lange noch?

«Diese Meldung ist falsch. Fake News. Die Weltwoche arbeitet seit vielen Monaten normal. Die Kurzarbeitsversicherung haben wir lediglich im Mai und Juni beantragt.»

Regulierungswut im Internet

Ein Paradebeispiel, wie gut gemeint zu schlecht gemacht verkommt.

Die meisten Benutzer des Internets wiegen sich bis heute in der falschen Meinung, dass viele Angebote gratis seien. Also von irgendwelchen Firmen aus reiner Menschenfreundlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Zuvorderst natürlich Suchmaschinen wie Google, die immer zielgenauer das wilde, weite Web durchforsten und freundlich Trefferlisten ausspucken, wenn man etwas sucht. Oder soziale Plattformen wie Facebook, auf denen man tonnenweise Bilder, Posts oder sogar Videos raufladen und mit allen teilen kann, die es interessiert. Oder YouTube, der Kanal, der jeden zum Video-Blogger machen kann. Alles umsonst, alles Dienst am Kunden.

Auch im Internet muss bezahlt werden

Das ist natürlich Quatsch. Denn der User zahlt auch im Internet. Mit drei Dingen. Mit der neuen Weltwährung Daten und mit attention. Oder einfach mit Geld. Wenn jeder Internet-Nutzer wüsste, was dort alles an Daten, Profilen, Mustern über ihn gespeichert ist, er wäre schockiert. Oder aber, er würde sagen: na und, ich habe doch nichts zu verbergen.

Selbst dem Gesetzgeber ist es aufgefallen, dass wahre Datenkraken entstanden sind, die nicht nur wie verrückt sammeln, sondern aus diesen Daten Geschäftsmodelle gebastelt haben, mit denen sich Milliarden verdienen lassen.

Also tut der Gesetzgeber das, was er am besten kann. Er macht ein neues Gesetz – und damit alles noch viel schlimmer. Das neue Gesetz hat den knackigen Namen Datenschutz-Grundverordnung (DSGV), ist so sperrig wie jede EU-Norm und soll den Nutzer vor unerlaubtem Abgreifen seiner Daten schützen.

Das Internet ist grenzenlos

Ergänzt wird es durch das «Netzwerkdurchsetzungsgesetz», das die Betreiber sozialer Plattformen in die Pflicht nehmen soll, anstössige, strafbare Inhalte oder Hassmeldungen zu löschen. Der zweite Schuss in den Ofen. Aber zurück zum ersten.

Die DSGV gilt im Prinzip nur im EU-Raum. Also könnten sich Betreiber Schweizer Webseiten sagen, dass sie das nichts angehe. Womit sie sich schwer täuschen würden, denn das Internet kennt bekanntlich keine Grenzen. Was bedeutet, dass eine Schweizer Webseite, gehostet in der Schweiz, betrieben von Schweizern und mit dem Zielpublikum Schweizer, natürlich auch in einem EU-Land aufgerufen werden kann.

Und schon ist’s passiert. Nun ist nur noch die kleine Hürde zu überspringen, dass Personen in der EU Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, auch gratis, und dass das Verhalten dieser Personen verfolgt wird. Dann tanzt der Bär, der Anbieter ist verpflichtet, darüber zu informieren und die Erlaubnis zur Verwendung der Daten einzuholen.

Jede Webseite hat Warnhinweise

Daher hat inzwischen eigentlich jede Webseite, auch ZACKBUM.ch, einen Warnhinweis, dass sich der Besucher mit der Verwendung von Cookies einverstanden erklärt. Daher hat jede Webseite, auch ZACKBUM.ch, einen länglichen Text zum Thema Datenschutz. Zudem sollten kommerzielle Webseiten, also Shops und so weiter, «einen Vertreter in der EU benennen», an den sich Besucher im Fall von Reklamationen wenden können.

Wer ängstlich ist, überfällt den Besucher zuerst mit einer ganzen Liste von Angaben zu verwendeten Messmethoden und dem Hinweis, dass Benutzerdaten zu Marketingzwecken weitergegeben werden. Um «massgeschneiderte Werbung» anbieten zu können. Näheres regeln dann die ellenlangen Datenschutzbestimmungen.

Wer behauptet, diese Angaben schon einmal aufmerksam durchgelesen zu haben und auch die Datenschutzbestimmungen studierte, ist entweder ein krankhaft pedantischer Mensch – oder ein Lügner.

Kräftige Bussen drohen

Wer sich an diese Bestimmungen nicht oder unvollständig hält, kann kräftig gebüsst werden. Also passiert oft genau das, was der Gesetzgeber eigentlich verhindern wollte: Die User wechseln auf Google oder Facebook, um dort ohne diese Warnhinweise surfen zu können.

Ha ha, sagte da der deutsche Gesetzgeber, so nicht. Und sattelte das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzwerkDSG) obendrauf. Womit er das ganze natürlich noch schlimmer machte. Denn hier ist zu allem hinzu ein gesetzgeberischer Sündenfall enthalten. Es wird den Betreibern sozialer Plattformen auferlegt, Polizist zu spielen und die Einhaltung von Regeln zu überwachen.

Privaten wird die Kontrolle der Regeln auferlegt

Das ist in einem Rechtsstaat eigentlich ein Unding. Wenn der Staat Regeln aufstellt, dann darf nur der Staat überwachen, dass sie auch eingehalten werden. Und bei Verstössen sanktionieren. Hier aber muss zum Beispiel Facebook die Einhaltung gewährleisten, der Staat beschränkt sich darauf, kräftig Bussen zu kassieren, wenn das nicht geschieht.

Nun gibt es eher einfache Regeln wie «Höchstgeschwindigkeit 50 km/h». Langsamer ist erlaubt, schneller verboten. Aber wie steht es mit «strafbaren Inhalten» auf sozialen Netzwerken oder Suchmaschinen? Gehen wir einen Schritt zurück; wieso gab und gibt es die eigentlich überhaupt? Jede Zeitung, jedes Medienorgan weiss doch, dass es auch für Fremdinhalte, also bspw. Kommentare, mithaftet. Lässt es die Publikation eines rassistischen Kommentars oder einen Aufruf zu einer Straftat zu, dann hängt der Einsender, wenn man ihn eruieren kann, und die Plattform selbst.

Wo hört die Meinungsfreiheit auf?

Das ist bei sozialen Netzwerken nicht der Fall. Dank einer entsprechenden Gesetzeslücke in den USA, die Facebook & Co. natürlich mit Zähnen und Klauen verteidigen. Aber in Deutschland gibt es ja nun das  NetzwerkDSG. Das bedeutet aber, dass nun soziale Plattformen selber schauen müssen, dass sie dagegen nicht verstossen.

«Nieder mit Erdogan», «Corona ist eine Erfindung von Bill Gates», «Merkel will Deutschland abschaffen», «Trump ist der Grösste», «Schweizer Pharmakonzerne halten Impfstoff zurück»

Wo hört Meinungsfreiheit auf, wo fängt Strafbarkeit an? Was sind hier Fake News, wie kontrolliert man Versuche, demokratische Prozesse zu stören?

Wie überprüft man das? Erschwerend kommt noch hinzu, dass «24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde» offensichtlich rechtswidrige Inhalte zu löschen sind. Sonst drohen Bussen von 5 Millionen Euro aufwärts.

Lieber zu viel als zu wenig löschen

Immerhin wurde die absurde Forderung, sämtliche Kopien eines rechtswidrigen Inhalts ebenfalls zu löschen und das Wiederhochladen durch Filter zu verunmöglichen, gestrichen. Seither streitet man sich darüber, ob beispielsweise eine schlechte Beurteilung eines Produkts bei Amazon oder auf einer Hotelplattform auch schon unter dieses Gesetz fällt, die Unterlassung der Löschung nach Beschwerde zu einer Busse führen kann.

Ganz allgemein sorgen unscharfe Begriffe wie «Hassrede» oder «Rechtsradikalismus» oder «Volksverhetzung» dafür, dass die über 1000 Kontrolleure  – im Einsatz für Facebook in Deutschland – lieber zu viel als zu wenig löschen.

Der Betroffene hat kein Recht auf Widerspruch

Abgesehen davon, dass dieses Gesetz zumindest in Teilbereichen mit der Meinungsfreiheit kollidiert, krankt es auch daran, dass es den Betroffenen ein grundsätzliches Recht verwehrt: Das Recht auf Widerspruch, auf gerichtliche Klärung, ob eine Löschung zu Recht erfolgte oder nicht.

Also alles in allem ein Paradebeispiel dafür, wie Regulierung und Nachregulierung rechtsfreie Räume nicht abschafft, sondern einfach neue Kampffelder eröffnet.

 

 

Amtlicher Regelverstoss

Rechts im Bild der Kulturtempel «Kosmos», links das Asylzentrum, wo zwei Flüchtlingen aus dem 3. Stock auf die Lagerstrasse beim Hauptbahnhof Zürich stürzten. Darum geht’s auch in einer kritisierten Medienmitteilung.

Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich wertet in einer Medienmitteilung – immerhin als Ausnahme.

Zum Einstieg ein Quiz: Von den folgenden Medienmitteilungen der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Ausschnitte) sind drei im zweiten Teil jeweils erfunden, eine Mitteilung ist 1:1 übernommen. Welche?

  1. Kantonspolizei hat Raser gestoppt. (…) Der Fahrer beschleunigte bis zu einer Spitzengeschwindigkeit von mehr als 220 km/h. Der Führerausweis des in der Schweiz wohnhaften deutschen Staatsbürgers wurde an Ort und Stelle konfisziert. Der Raser hielt sich an keine Regeln. Es war ihm offensichtlich egal, sich selber und andere in Gefahr zu bringen.
  2. Fussgängerin schwer verletzt. (…) Beim Abbiegen in eine Quartierstrasse kam es zur Kollision mit einer Fussgängerin, welche die Quartierstrasse überqueren wollte. Wie so oft bei Unfällen zwischen Autofahrern und Fussgängern galt das Gesetz des Stärkeren. Der Automobilist hielt sich an keine Regeln. Die Folge: eine schwerverletzte 80-Jährige Frau. Das Verhalten des Automobilisten ist inakzeptabel.
  3. Mit regelmässigen Kontrollen gegen übermässigen Lärm. (…) Die Kantonspolizei führte bei der Albispassstrasse im laufenden Jahr 35 Geschwindigkeitskontrollen durch. Dass 893 Schnellfahrer beim zuständigen Statthalteramt zur Anzeige gebracht wurden, zeigt, wie rücksichtslos sich Motorradfahrer verhalten. Es ist inakzeptabel, dass sich Töfffahrer um grundlegende Regeln foutieren. Es ist ihnen offensichtlich egal, sich selber und andere in Gefahr zu bringen.
  4. Polizeipräsenz nötig, damit sich straffällige Asylbewerber an Schutzmassnahmen halten. (…) Im RKZ Urdorf werden nur Männer untergebracht, die straffällig wurden (…) Das heisst: Sie sind, seit sie in der Schweiz sind, wiederholt dadurch aufgefallen, dass sie sich an keine Regeln halten. Dass sich mehrere der betroffenen Personen um grundlegende Regeln und Schutzvorgaben foutieren, ist inakzeptabel. Es ist ihnen offensichtlich egal, sich selber und andere in Gefahr zu bringen und im schlimmsten Fall auch Unbeteiligte anzustecken.

Gratuliere, haben Sie bis hier durchgehalten. Und ja, wenn Sie auf die Medienmitteilung Nummer vier getippt haben, liegen Sie richtig.

Hier die Links zu den vier Mitteilungen: 1./ 2. / 3. / 4.

Die Medienstelle der Kantonalzürcher Sicherheitsdirektion hat letzte Woche diese Medienmitteilung verschickt, die hohe Wellen warf. Der Tages-Anzeiger und das Onlinemagazin «Die Republik» nervten sich über den wertenden, ja abfällig gegenüber Asylbewerbern formulierten Inhalt. Die «NZZ» stellte sich sofort hinter den Inhalt – und auch hinter den verantwortlichen Regierungsrat Mario Fehr (SP). Nicht aufgenommen haben das Thema bisher die dafür durchaus affinen Onlineportale «Das Lamm» und «tsüri.ch».

Die Kantonalen Leitlinien missachtet

Aus kommunikativer Sicht ist so eine Medienmitteilung heikel. Sie zeigt offensichtlich, wie subjektiv die Sicherheitsdirektion zu formulieren weiss. Die vier Beispiele zum Artikeleinstieg zeigen dies auf. Dabei gibt es Leitlinien, festgesetzt vom Regierungsrat des Kantons Zürich am 27. September 2017. Darin heisst es unter dem Punkt «Kommunikationsverständnis»: Der Regierungsrat kommuniziert aktiv, sachlich, verständlich und transparent. Er schafft damit Vertrauen in die kantonalen Institutionen und tritt Spekulationen, Indiskretionen oder Falschmeldungen auf allen Ebenen entgegen. Unter dem Punkt «Qualität» heisst es weiter: Der Regierungsrat unterscheidet bei seiner Kommunikation zwischen Tatsachen und Meinungen.

Fazit: man muss politisch weder links, noch rechts stehen, um zu hoffen, dass dieser Ausrutscher einmalig bleiben sollte. Sonst wird das mit den Wertungen in Kantonalzürcher Medienmitteilungen richtig kompliziert.