Wumms: Marc Brupbacher

ZACKBUM ist besorgt. Gibt’s eine Lebenskrise?

Kaum jemand hat sich in der Schweiz um das Genre «Hilfe, wir werden alle sterben, wenn man nicht auf mich hört» so verdient gemacht wie der «Leiter Interaktiv-Team» von Tamedia.

Twitter ist Marc Brupbachers Gefäss, für kurze, spitze Schreie braucht er nicht mehr Buchstaben. Er arbeitet nicht mit feiner Klinge, sondern mit dem Zweihänder (Bundesrat: «komplett übergeschnappt», «mit Berset bin ich fertig», Maurer ist ein «Flacherdler»).

Bis zur Verzweiflung kreischte er den Zusammenbruch herbei, brauchte sogar vor Weihnachten eine Auszeit, «mag den fortwährenden Kreis der Idiotie nur nicht mehr kommentieren».

Aber er erholte sich wieder, mit fortwährendem Gekreisch. Nur: anscheinend ist nun fertig Corona. Fertig Massnahmen. Öffnung. Rückkehr zur Normalität. Abbau der Restriktionen.

Himmels willen, wer führt Brupbacher vorsichtig in diese neue Realität? Wer nimmt ihn bei der Hand, achtet auf seine Schritte, schützt ihn vor Zusammenbruch und Fall?

Braucht es ein ganzes Care-Team? Psychologische Unterstützung? Oder reicht gutes Zureden? Ein freundlicher Klaps auf den Hinterkopf? ZACKBUM weiss es nicht, ist aber besorgt.

«Christoph will nicht sterben»

Zwei durchgesickerte Mitteilungen. Zwei Reaktionen.

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) leistete sich einen Kampfleserbriefschreiber und einen Wichtigtuer als geheimen Berater. Roger E. Schärer munitionierte den damaligen Chef des Geheimdienstes mit schwachsinnigen Analysen, Strategievorschlägen und behauptete, er sei dick mit bedeutenden Politikern.

So log er offenbar nassforsch: «Mit Magdalena Martullo Blocher bin ich befreundet». Sie entgegnet, dass sie vor 45 Jahren zur Ehefrau Schärers in den Kindergarten gegangen sei und seither keinerlei Kontakt unterhalten habe. Das hält den Recherchierjournalisten Thomas Knellwolf nicht davon ab, einen weiteren Blödsinn Schärers in Tamedia zu kolportieren: «Christoph will nicht sterben, bevor seine Tochter Bundesrätin wird

Das nimmt er gleich als Titel seines leider nicht humoristisch gemeinten Beitrags, denn wenn es darum geht, dem Gottseibeiuns von Herrliberg eine reinzuwürgen, mit welchen Mitteln auch immer: Knellwolf ist dabei.

Zur gleichen Zeit veröffentlichte der Finanzblog «Inside Paradeplatz» ein ernstgemeintes Mail eines mächtigen Medienmanagers. Marc Walder bat darin seine «lieben Kollegen», seiner hysterischen Reaktion am Anfang der Pandemie zu folgen und der Empfehlung des Bundesrats, dass alle zu Hause bleiben sollten, prominenten Platz in ihren Medien einzuräumen. Er selbst habe bereits die Frontseiten frei gemacht.

Das sind nun Aussagen, die – im Gegensatz zu diesem Unsinn eines Wichtigtuers – breite Resonanz verdienten. Dass bei Ringier dazu kein Sterbenswörtchen erscheint, mag noch einigermassen verständlich sein. Aber bei Tamedia, bei CH Media? Bei der NZZ? SRG? Tiefes Schweigen, peinliche Berührtheit, weil es ja nicht der erste Fauxpas des Ringier-CEO ist.

Dabei sind diese vier Konzerne damals die Adressaten von Walder gewesen und haben seine flehentlichen Bitten mehr oder minder folgsam erfüllt. Da gäbe es vielleicht Erklärungsbedarf.

Aber nein, lieber mit Slapstick eines «geheimen Beraters» ablenken. Aschgrau.

Professorale Unabhängigkeit?

Manuel Puppis will die Lücke ausfüllen, die Kurt Imhof hinterlassen hat.

Der streitbare Imhof wurde nicht ganz falsch als Kreuzung zwischen «Blick» und «WoZ» beschrieben. Mit dem «Jahrbuch zur Qualität der Medien» hatte er sich einen Resonanzkörper geschaffen, ergänzt durch knackige und zitierbare Sprüche war er ein grossartiger Selbstvermarkter.

Auch ZACKBUM verwendet gerne seinen Ausdruck «Verrichtungsboxen» für die Höllenarbeit in den Newsrooms.

Aber Imhof ist tot; inzwischen versucht Puppis, Professor für Medien und Kommunikation der Uni Freiburg, seine Nachfolge anzutreten. Way to go, kann man nur sagen. Am TV macht Puppis keine sonderlich gute Figur, und von professoraler Objektivität kann auch keine Rede sein.

Für das Bakom lieferte er einen «Ländervergleich Onlineförderung» mit überraschend staatstragenden Resultaten. Zudem ist er Präsident und Geschäftsführer des Vereins «Media Forti». Der setzt sich «klar» für das Medienpaket ein und wirbt für ein Ja am 13. Februar.

Natürlich darf Staatsbürger Puppis seine Ansichten haben. Ob das der Glaubwürdigkeit seiner wissenschaftlichen Tätigkeit zuträglich ist, wäre aber die Frage. Ausserdem gehört zu den Initianten des Vereins ein gewisser Hansi Voigt. Womit ja alles gesagt wäre.

Zweierlei Mass

Einfordern, was man selbst nicht einhält: so sind die Medien.

Nehmen wir an, im Bankenwesen wird die Öffentlichkeit mit der Mitteilung überrascht, dass der CEO sich mit dem VR-Präsidenten darauf «verständigt» habe, «das Arbeitsverhältnis aufzulösen». Per sofort.

Dazu hiesse es nur knapp: «Über die Gründe wurde Stillschweigen vereinbart.» Garniert wird diese Meldung mit der üblichen Lobhudelei, welche grossartige Arbeit der CEO geleistet habe, dass sein Abgang bedauert und für die Zukunft alles Gute gewünscht werde.

Sofort würden die Medien Fragen stellen. Aufklärung fordern. Darauf bestehen, dass bei einer solchen Personalie, einem Abgang per sofort, aus heiterem Himmel, die Öffentlichkeit das Recht habe, die Gründe zu erfahren.

Es würden Gerüchte kolportiert, Vermutungen angestellt, Indizien zusammengetragen, ein Zerwürfnis, Fehlverhalten, Krach, Krieg, Machtkampf hineininterpretiert.

Es würden ungenannte, aber wohlinformierte Quellen zitiert, gerne auch mehrere, voneinander unabhängige. Es würde über die ungenügende Kommunikation lamentiert, Beschwerde geführt, dass man das doch nicht so mitteilen dürfe, wenn man keine üblen Gerüchten aufkommen lassen möchte.

Es würde also Gezeter und Zirkus aufgeführt, bis sich die Medien wieder beruhigt hätten und einem anderen Thema zuwendeten.

Überschätzt, verschätzt, tendenziell mal weg.

Geht es aber um eine Personalie in eigener Sache, dann wird verkniffen und schmallippig die Öffentlichkeit mit einer Ankündigung abgespeist, die alle Fragen offen lässt.

Denn es ist natürlich offenkundig und unbestreitbar: Wenn es im obersten Kader eines Unternehmens zu einem sofortigen Abgang kommt, wenn es gewaltig gekracht hat und man den Abgänger das Gesicht wahren lassen möchte, indem man – aber nur ganz dezent – andeutet, dass er sich «verständigt» habe, in Wirklichkeit aber verständigt worden ist – dann hätten alle Stakeholder das Recht, mehr zu erfahren.

Geht es um eine persönliche Verfehlung? Gab es strategische Differenzen? War sein Leistungsausweis ungenügend? Wollte Wanner nicht länger den Reputationsschaden hinnehmen, der durch Hollensteins unermüdliches Eintreten für JSH entstand? Wurde der Widerstand in den Redaktionen zu gross?

Traute sich Patrik Müller, endlich die Frage zu stellen: er oder ich? Hielt sich Hollenstein für den nächsten Frank A. Meyer? Gab er einmal zu viel einen besserwisserischen, ungebetenen Ratschlag? Musste ein weiterer Jubel-Artikel über JSH auf der Zielgeraden abgefangen werden?

Oder fragte man sich schlichtweg: Was macht der Mann eigentlich für das viele Geld? Fragte man sich: mal angenommen, der ist weg, was würde dann fehlen? Oder sah man ein: mit dem so eingesparten Geld könnten sich Wanners noch ein paar Rebstöcke leisten? Lieber Rebensaft als Hollenstein?

Erschwerend kommt noch hinzu: wie und wann wollte man das eigentlich kommunizieren? Denn erst aufgeschreckt durch eine Anfrage der «Weltwoche» kam CH Media in die Gänge und pustete die nichtssagende Mitteilung raus.

Die in den eigenen Blättern kommentarlos und gehorsam abgedruckt wurde, sonst keine Resonanz fand.

So sicher wie das Amen in der Kirche: Selbst nach dem Abgang von Hollenstein, das ist keine zusätzliche Milliarde Steuergelder wert.

Angstbeisser Hansi Voigt

Der Minnesänger einer Milliardärin teilt nach einem Erweckungserlebnis wie ein wiedergeborener Feminist aus.

Es gibt in der Kynologie den Typus des Angstbeissers. Eine Situation wird als bedrohlich empfunden – knurr, schnapp. Kann man abtrainieren.

Hansi Voigt ist allerdings in einem Alter, in dem Erziehungsmassnahmen kaum mehr Sinn machen. Auch für Selbsterkenntnis ist’s zu spät. Er sieht sich als grosse Internet-Leuchte und erwähnt immer stolz seine Karriere bei «20 Minuten» und «watson». Weniger gerne fügt er hinzu, dass er beim ersten Organ einen Machtkampf verlor, beim zweiten Multimillionen verröstete und bei beiden gehen musste.

Fehlbesetzung Hansi Voigt.

Zurzeit geht er diesem Geschäft mit dem Elendsorgan «bajour» nach. Interessiert keinen, bietet nichts, behauptet, rund 3000 zahlende Unterstützer zu haben. Überlebt nur, weil eine spendable Pharma-Erbin Million um Million verlocht. Bald sind die ersten 3 Kisten verröstet, ohne dass «bajour» auf einen grünen Zweig gekommen wäre. Logisch: dann sind die nächsten 3 Millionen fällig.

Das hindert Heuchler Voigt aber nicht daran, gegen rechtsnationale Milliardäre zu wettern, die sich Zeitungen halten könnten. Gemeint ist Christoph Blocher, und dann ist’s pfui. Wenn es eine Oeri tut oder ein Brüderpaar bei der «Republik», dann ist’s was anderes, Gutes.

Parlamentarier und Stimmbürger, die das Referendum gegen das Medienpaket unterstützen, beschimpft er schon mal als «Freunde des Faschismus». Als das Gegenwind gab, ruderte er, typisch Angstbeisser, schnell zurück. «bajour», er selbst würden von diesem Medienpaket gewaltig profitieren, dem Steuerzahler sei Dank. Jedoch: wer Voigt auf seiner Seite hat, braucht für Spott nicht extra zu sorgen.

Den Höhepunkt seiner Rechenkünste erreicht Voigt im Dienste von Jolanda Spiess-Hegglin. Die fordert bekanntlich vom Ringier-Verlag Gewinnherausgabe. Wieviel? Voigt, der Gutachter, kam mal schnell auf eine Million Umsatz, also Gewinn (ist für das Finanzgenie das Gleiche), den Ringier mit seiner Berichterstattung kassiert hätte. Eiern als Rechenmethode: mal sind es 350’000 Franken Umsatz/Gewinn für 5 Artikel, mal 100’000 bis 200’000, je nach Tagesform von Voigt. Oder je nachdem, ob ihn Patrizia Laeri oder ein Redaktor von «10 vor 10» fragt.

Wenn Geldverdienen im Internet so einfach wäre, bräuchte es die Mediensubventionen gar nicht, und Voigt hätte vielleicht keine Spur der Zerstörung hinterlassen. Aber rechnen gehört nicht zu seinen Kernkompetenzen. Auf Anfragen antwortet er nicht, da verstummt der Angstbeisser.

Zu gerne hätten wir von ihm gewusst: «Sie kommen im Dienste von JSH auf einen Umsatz (oder Gewinn, das setzen Sie in der Dokumentation auf SRF gleich, ist auf Band) von einer Million Franken, bei den ersten eingeklagten Artikeln auf 350’000 Franken. Seriöse Internet-Koryphäen kommen auf höchstens 5000 Franken. Wie erklären Sie diesen Unterschied?»

Aber eben, die Freunde der Meinungsvielfalt und des demokratischen Diskurses fühlen sich nur in ihrer Gesinnungsblase wohl, wo jeder Zustimmung zum anderen blubbert und alle gemeinsam gegen den Rest der bösen Welt sind. Da das unter Luftabschluss stattfindet, entsteht ein übelriechender Fäulnisprozess.

Blöd, blöder, «Blick»

Der Ticker, die Fotos, die «Fachleute», das atemlose Japsen.

So sah’s am Dienstagmorgen bei «Blick» aus. Gibt es etwas Älteres, Unwichtigeres am Donnerstagmorgen?

Kein Kommentar …

Qualitätsjournalistin Tina Huber

Die Redaktorin im Ressort Gesellschaft von Tamedia schreibt über alles. Leider.

Ein Interview mit dem abgehalfterten Tyler Brûlé. Die Frage: «Wie viel Schlachthof steckt im Shampoo?» Smalltalk der Woche: «Kommt der Handschlag zurück?» Und aus aktuellem Anlass: «Milieubesuche sind absolut tabu», das Interview mit «einem früheren Kadermann», der angeblich «einordnet».

Andreas Russenberger hat seine Karriere bei der Credit Suisse an den Nagel gehängt und ist unter die Schriftsteller gegangen. Da kann er Aufmerksamkeit durchaus gebrauchen.

Wenn er von der von Kenntnissen über Banker und Bankster völlig unbeleckten Journalistin Tina Huber interviewt wird, kann er unwidersprochen Unsinn erzählen, als wäre er noch in der Medienstelle der Krisenbank angestellt: «99 Prozent der Angestellten in der Finanzbranche versuchen nichts weiter, als einen guten Job zu machen. Vincenz ist ein absoluter Ausnahmefall.»

Merke: bei Banken ist immer alles ein Ausnahmefall. Auch alles, was sich ständig wiederholt. Wie Fehlverhalten, Milliarden-Bussen, Milliarden-Flops, Bonusgier, abgehobenes Leben. Nein, setzt Russenberger dagegen: «Die Behauptung, dass Banken ein Hort von schlechten Charakteren seien, stimmt einfach nicht.»

Leider gibt es eine dermassen umfangreiche Liste von Ausnahmefällen …

Und wie steht es denn mit der bekannten Bonusgier? «Es ist die Aufgabe der Aktionäre und der Verwaltungsräte, eine nachhaltige Lohnstruktur zu schaffen.» Nur versagen die seit Jahrzehnten bei diesem Problem und ist diese Leier wirklich abgenutzt.

Richtig lustig wird es bei seiner weiteren Verteidigung von Millionenlöhnen für Milliardenverluste:

«Hinzu kommt: Wer Millionen verdient, kann damit ja auch Gutes tun; zum Beispiel spenden.»

Könnte, muss man da sagen, könnte.

Natürlich kann sich die Interviewerin die woke Frage nicht verkneifen, ob denn nicht mehr Frauen in Führungspositionen segensreich fürs Banking wären. Kein Problem für den Ex-Banker: «Ich will Ihre Frage nicht auf das Geschlecht reduzieren: Es wäre wünschenswert, dass das Management allgemein diverser wäre; in Bezug auf Alter, Geschlecht, Herkunft.»

Es ist immer zum Fremdschämen, wenn ein völlig unvorbereiteter Journalist sich von einem Gesprächspartner nach allen Regeln der Kunst übertölpeln lässt, einseifen, zumüllen. Es ist beunruhigend, dass solche journalistischen Niederlagen durch alle Kontrollinstanzen in sogenannten Qualitätsmedien rauschen und veröffentlicht werden.

Dass Investmentbanker mit wenigen Wörtern wie «fuck» und «shove it up your ass» einen ganzen Arbeitstag bestreiten können? Dass die Apotheken rund um die Bahnhofstrasse erfreuliche Umsätze mit Psychopharmaka, mit Uppern und Downern, mit allen Designerdrogen machen, die man sich nur vorstellen kann? Dass Private Banker, im unmenschlichen Konkurrenzkampf um Neugeld zu allem, buchstäblich zu allem bereit sind? Dass ab einer gewissen Führungsposition, spätestens als Managing Director Soziopathen und Psychopathen die Regel, nicht die Ausnahme sind? Dass im mörderischen Kampf um Positionserhalt oder gar Karriere in schrumpfenden Banken jedes Mittel recht ist? Dass der kurze Aufstieg und schnelle Fall des letzten VR-Präsidenten der CS wieder beweist, dass Heckenschützen und Intriganten und Machtmenschen herrschen?

Dass jeder Banker, spätestens nach dem dritten Champagner oder dem zweiten Strässchen Anekdoten erzählt, die wahr sind, aber kaum zu glauben? Von Gelagen, nächtlichen Sumpftouren, Ausflügen in alle Welt, in die halbseidene und in die Unterwelt, von willfährigen Dienstleistungen, immer im Kampf um Neugeld oder den Erhalt von UHNWI?

Aber Huber weiss sicherlich nicht einmal, wofür diese Abkürzung steht. Macht ja nix, aber vielleicht sollte sie besser die Tyler Brûlés dieser Welt interviewen. Deren Antworten könnten wenigstens unterhaltend sein, ob sie Realitätsbezug haben oder nicht, ist in ihrem Fall völlig egal.

 

Vom Elend der Medien

Credit Suisse im Katastrophenmodus. Na und? Vincenz ist wichtiger.

Am Dienstag beherrschte mal wieder die Bankenwelt die Schlagzeilen und vertrieb sogar Corona aus der gewohnte Pole Position.

Die zweitgrösste Bank der Schweiz gab eine vorzeitige Gewinnwarnung heraus, nachdem am Vortag (ein Leck?) der Kurs um sagenhafte 7 Prozent abgeschmiert war. Mit Fr. 8.28 Schlussnotierung ist die CS-Aktie nicht mal halb so viel wert wie die der UBS.

Wie häufig bringt es Lukas Hässig auf «Inside Paradeplatz» auf den Punkt: «CS in freiem Fall – Notverkauf der Immobilien». Rote Zahlen im Investmentbanking, Kundenabflüsse, Rückstellungen für Rechtshändel, Abschreiber aus der Vergangenheit, dagegen werden einzig Erträge durch Immobilienverkäufe generiert.

Das ist beunruhigend, um es zurückhaltend auszudrücken. Denn die Bank ist «too big to fail», systemrelevant, leckt sie nicht nur aus vielen Löchern, sondern droht sie abzusaufen, darf der Steuerzahler wieder ans Gerät – wie weiland bei der UBS.

Ob er auch diesmal seinen Einsatz zurückbekäme: zweifelhaft. Gleichzeitig beschäftigt sich die Führungsmannschaft mit Hofintrigen; gerade ist es einem internen Heckenschützen gelungen, via Medien den erst wenige Monate im Amt befindlichen VR-Präsidenten abzuschiessen.

Der CEO ist – seit zwei Milliardenflops – angeschlagen, unter Druck. Der dritte VRP in kurzer Zeit muss schon die nächste Krise meistern. Das ist alarmierend, um es weniger zurückhaltend auszudrücken. Hier geht es um Milliarden. Um eine Bank in echten Nöten. Das müsste natürlich in den Medien breit verhandelt und analysiert werden. 168 Treffer verzeichnet das Medienarchiv SMD am Dienstag. Immerhin.

Milliarden hier, wenige Millionen dort

Im Fall Vincenz hingegen geht es um Spesenbetrug in der Höhe von ein paar hunderttausend Franken und um möglicherweise ungerechtfertigte Gewinnmitnahmen in der Höhe von ein paar Millionen.

Beide Vorwürfe stehen auf sehr wackeligen Füssen, wie der angesehene Strafrechtsprofessor Marcel Niggli offen kritisiert: «Bin konsterniert, wie schwach die Anklageschrift ist».

Zudem geht es hier um Vorfälle an der Verjährungsgrenze. Es geht auch um die Frage, wieso der damalige Verwaltungsratspräsident von Raiffeisen, der alle Spesen abnickte, nicht in Haftung genommen wird.

Es geht hier um den Prozess gegen den ehemaligen CEO von Raiffeisen, der die Bank zur Nummer drei hinter UBS und CS gemacht hat, die Bilanzsumme verdoppelte. Es geht mit anderen Worten um Peanuts, um eine Abrechnung im Nachhinein. Raiffeisen steht weiterhin stockstabil da, hat sich nie verzockt, musste nie Milliardenabschreiber hinnehmen, wurde keinerlei krimineller Aktivitäten beschuldigt oder gar überführt. Musste nie Milliardenbussen zahlen.

Da werden die Qualitätsmedien doch in der Berichterstattung sicher die richtigen Prioritäten setzen. Nun ja, 168 Treffer für Credit Suisse, 298 für Vincenz am ersten Verhandlungstag. Dabei war ihm nur «ich bin unschuldig» und «kein Kommentar» zu entlocken.

Sackschwach. Mal wieder.

Und er schreibt doch

Pascal Hollenstein ist im Jahr 2022 angekommen. Auch das noch.

Vielleicht als Reaktion auf unsere besorgte Frage, ob er sich für 2022 vorgenommen habe, sein voluminöses Gehalt bei CH Media schweigend zu verzehren, hat sich die Leiter nach unten zu Wort gemeldet.

Zum Thema – Überraschung – «neues Mediengesetz». Dazu ist Hollenstein Köstliches eingefallen: «Demokratie ist kostbar – und darf uns etwas kosten». Pluralis majestatis nennt das der Lateiner. «Uns» ist hier der Steuerzahler; dass auch Hollenstein zwar zahlen würde, gleichzeitig aber kassieren, das wäre dann wohl zu komplex für die Darstellung.

Schon, aber auch Hollenstein?

Besonders am Herzen liegt Hollenstein das Regionale. Da geht er zunächst in die Weiten der USA, wo zeitungslose Regionen «news deserts» hiessen, Nachrichtenwüsten. Das löse dann so etwas aus:

«Der versuchte Sturm des Kapitols hat gezeigt, wohin das führen kann.»

Ein etwas kühner Zusammenhang. Aber die USA sind bekanntlich weit und weit weg. Zurück in die Schweiz: «Wie sollen Bürgerinnen und Bürger an der Urne entscheiden, wenn sie über ihren Kanton oder ihre Gemeinde nur noch Bruckstückhaftes erfahren? Oder gar absichtlich mit Fake News in die Irre geleitet werden?»

«Bruckstückhaftes»? Es ist halt so: holprige Gedanken äussern sich häufig in holpriger Sprache. Hollenstein kann auch Entwarnung geben: «Noch ist es nicht soweit. Zumindest in der Deutschschweiz gibt es noch in jedem Kanton eine oder gar mehrere Tageszeitungen

Genau; in der Ostschweiz gibt es zum Beispiel das «Tagblatt». Und das «Tagblatt», und die Kopfblätter des Tagblatts. Die alle die in Aarau angerührte Einheitssauce aus dem Hause CH Media servieren. Ganz lokal, versteht sich.

Weil die das so toll machen, hat die Alternative «Die Ostschweiz»* das «Tagblatt» online bereits abgetrocknet. Nur: CH Media würde satt an der Zusatzmilliarde abkassieren, sollte das Medienpaket am 13. Februar angenommen werden. «Die Ostschweiz» bekäme keinen Rappen.

Dennoch fragt Hollenstein rhetorisch: «Wie viel ist uns die unabhängige Versorgung mit Information im ganzen Land wert?» Dann macht er noch ein Junktim der speziellen Art: «Was sind wir bereit, für unsere direkte Demokratie zu bezahlen

Echt jetzt? Die Medienmilliarde diene der unabhängigen Infoversorgung? Sie müsse so gesehen werden, dass es eine Zahlung für die direkte Demokratie sei? Das sagt der Gleiche, der schon mal Printtitel als Milchkühe abqualifizierte, die noch gemolken werden müssten, bevor man sie zur Schlachtbank führe.

Das sagt der zweitoberste Vertreter eines Verlags, der wohl Bahnbrechendes dabei geleistet hat, die Regionalberichterstattung auszuhungern, wegzusparen, zu marginalisieren, einen Exodus von Lokaljournalisten zu provozieren.

Man kann versuchen, den schwindenden zahlenden Lesern jeden Bären aufzubinden, auf den man lustig ist. Aber den Konsumenten dafür zahlen zu lassen, dass er verscheissert wird, das kann als Geschäftsmodell auf Dauer nicht gutgehen.

In Wirklichkeit ist’s ganz einfach. Es gibt ein Bedürfnis nach Qualitätsberichterstattung, gerade im Lokalen. Wer das erfüllt, also die Nachfrage mit einem adäquaten Angebot deckt, hat Erfolg und besteht auch ohne Staatshilfe. Wer das nicht tut, ist zum Untergang verurteilt. Auch mit Staatshilfe.

Begleitet er seinen Untergang noch mit Heuchelei, beschleunigt er ihn nur.

*Packungsbeilage: René Zeyer publiziert regelmässig bei «Die Ostschweiz».

 

 

 

 

Hier schreibt der Chef

Geronnener Angstschweiss: Pietro Supino zittert ein «Editorial» hin.

Es war einmal die Trennung zwischen Verlag und Redaktion. Niemals würde der Verleger, Blabla. Redaktionelle Unabhängigkeit, Blüblü. Strikte Trennung, Redaktionsstatut, Blöblö.

Leider gehen die Umlaute aus. Was zu Zeiten von Tettamanti oder Blocher in der «Basler Zeitung» undenkbar war: seit sie zum Tamedia-Imperium gehört, erscheint auch hier – wie in den übrigen Kopfblättern ohne Kopf ein «Editorial». Darunter versteht man gemeinhin einen Leitartikel des Chefredaktors, allenfalls noch des Herausgebers eines Organs.

Hier heisst der Autor Pietro Supino. Vorgestellt wird er als «Verleger und Präsident des Verbands Schweizer Medien». Nebenbei ist er noch Verwaltungsratspräsident der Tx Group. Noch mehr nebenbei ist er der Statthalter und Vertreter seines Coninx-Clans, dem Besitzer der Tx Group. Damit auch dem Besitzer von Tamedia. Damit auch Besitzer von «Tages-Anzeiger», «Basler Zeitung», «Berner Zeitung» und, und, und.

Nun ist Supino überraschungsfrei ein Befürworter des Medienpakets, mit dem auch seinem Medien-Clan viele Millionen Steuergelder ins Portemonnaie regnen sollen. Insgesamt eine Milliarde, das ist auch für Milliardäre kein Pappenstiel.

Nun ist es aber so, dass viel Geld haben und den Tageszeitungsmarkt im Duopol beherrschen, nicht unbedingt mit Wirkungsmacht einhergeht. Vor allem, wenn man sich so bescheuert in der Kampagne für das Medienpaket anstellt. Also zeigen Umfragen, dass das Lager der Neinstimmen ständig Zulauf erhält und auf 57 Prozent angeschwollen ist.

Da spürt man geronnenen Angstschweiss bei Supino: «Die Abstimmung vom 13. Februar ist für die Schweizer Medienlandschaft von existenzieller Bedeutung.» Das anschliessende Geseier ist die Wiederholung des Ewiggleichen, Untauglichen. Nur ein Lachschlager sei herausgehoben: «Unabhängiger Journalismus ist eine Voraussetzung für ein freiheitliches demokratisches Gemeinwesen.»

Schreibt der Besitzer in seinem von ihm abhängigen Medium. Immerhin verzichtet er auf den Begriff Pluralismus. Diesen Lachschlager bietet die unsägliche Tell-Werbekampagne:

Abgesehen davon, dass der arme Willi sich damals weder eine, noch zwei Tageszeitungen ins Ohr steckte (oder waren das damals Hörausgaben, weil Willi vielleicht nicht lesen konnte?): unterschiedliche Meinungen in den 12 Kopfblättern von Tamedia, abgefüllt mit der gleichen Einheitssauce aus Zürich und München? Echt jetzt? Nach dem Editorial des Chefs kommt dann eins mit der Gegenmeinung? Für wie blöd wollen die denn ihre schwindende Leserschaft verkaufen?