Maske raus, Maulkorb runter

Den Jungmillionären und «Masken-Schnöseln» muss man eins lassen: ihre Lernkurve ist sehr steil.

«Zürichberg-Kids machen Millionen mit Masken.» Wie so oft bringt «Inside Paradeplatz» mit seinem unermüdlichen Aufdecker Lukas Hässig als erster diese Meldung. Und legt eine Woche später, am 18. Juni 2020, nochmal nach, als sich die beiden zwei Luxusschlitten kaufen.

Der böse Verdacht: Zwei Jungunternehmer machen das Geschäft ihres Lebens mit dem Import und überteuerten Verkauf von Gesichtsmasken. Dabei nützen sie die übliche Unfähigkeit von staatlichen Behörden aus, die panisch Schutzmasken kaufen wollen. Ist ja das Geld des Steuerzahlers, daher bietet zum Beispiel die Schweizer Armeeapotheke bis zu 10 Franken. Für eine Maske.

Durch diese Verkäufe, in der Schweiz, aber auch in Europa, vor allem nach Deutschland, sollen die beiden Dutzende von Millionen verdient haben. Pro Nase. Also wie auf dem Serviertablett: zwei moralfreie Dealer verdienen sich am Schutzbedarf für die Bevölkerung zwei goldene Nasen. Skrupellos, rücksichtslos.

Leid schamlos ausgenutzt?

Am 30. Juli vermeldet der «Blick»:

«Brandanschlag gegen SVP-Masken-Millionäre».

Linksradikale bekennen sich dazu: «Damit bestrafen wir die dort ansässige Emix Trading und ihre Besitzer dafür, das Leid vieler schamlos ausgenutzt zu haben, indem sie durch überteuerte Maskenverkäufe an den Bund dick Kasse gemacht haben

Ende Januar 2021 stochert der «Tages-Anzeiger» nach: «Schweiz zahlte Millionen für nutzlose Masken». Auf der Packung steht «FFP2», das Gütezeichen für bessere Schutzmasken. Nur: der ägyptische Hersteller sagt auf Anfrage, dass er niemals solche Masken hergestellt habe und auch kein Zertifikat einer italienischen Prüfstelle beantragt hätte.

In der offensichtlichen und nicht falschen Annahme, dass öffentliche Gegenwehr zuerst gut organisiert werden muss, sollte sie etwas bewirken, gehen die beiden Inhaber der Handelsfirma Emix nun in eine sorgfältig geplante Offensive.

Zuerst CH Media, dann die NZZ

Zuerst kam Henry Habegger zum Handkuss. Er schreibt heute für CH Media, nachdem er bei Ringier gefeuert wurde, als Opfer eines der ganz wenigen Machtkämpfe, die Frank. A. Meyer verlor. Habegger erzählten die beiden die Geschichte ihrer Firma. Eine typische Tellerwäscher-zum-Millionär-Story.

Parallelimporte von Coca-Cola, Verteilung an Pizzerien und Döner-Buden im Kleinwagen. Dann Kontakte nach China, Exporte von Schweizer Produkten. Es ging Schritt für Schritt aufwärts. Schliesslich die Pandemie, die beiden setzten alles auf eine Karte. Bauten eine Lieferkette auf, mieteten ganze Frachtmaschinen für den Transport in die Schweiz.

Mr. Corona Daniel Koch sagte damals zuerst tapfer, dass die Verwendung von Schutzmasken in der breiten Bevölkerung nichts bringe, ihre Wirkung sei nicht erwiesen. Eine letzte Schrecksekunde, denn hätte Emix die Masken nicht verkaufen können, wären sie pleite gewesen.

Natürlich seien sie zutiefst betroffen von der Anschuldigung, auf Kosten der Not der Menschen einen Riesengewinn gemacht zu haben. Natürlich war der Kauf von Luxusauto eine jugendliche Übersprungshandlung, verständlich, aber von der Wirkung her fatal. Aber: sie seien schliesslich voll ins Risiko gegangen, hätten als fast einzige liefern können, und was da für ein Stress dahinter gestanden sei, unvorstellbar. Habegger notierte und berichtete, als alter Boulevard-Hase, mit dem Titel: «Jetzt reden die «Masken-Schnösel»».

Die NZZ rollt den ganz breiten Teppich aus

Nicht gerade ein voller Erfolg, aber man kann ja nachlegen. Dazu bietet sich – who else – die NZZ an. Riesenstory im Blatt mit Riesenfoto, online ohne Bezahlschranke lesbar. «Sind sie Helden, Schurken oder einfach nur clevere Unternehmer?», fragt sich das NZZ-Team Linda Koponen und Jan Hudec. Sie Jungredaktorin, er schon länger im medizinischen Themenbereich unterwegs.

Kommentierte Chronologie, also die CH-Media-Story nochmals ausführlicher ausgebreitet, und dann natürlich noch das Interview. Rund 300 Millionen Masken hat Emix nach Europa verkauft. Bei einer behaupteten Marge von 20 bis 30 Prozent und Verkaufspreisen von bis zu knapp 10 Franken, man rechne.

Aber ihr Geld haben sie nicht nur für Luxusautos rausgeworfen; diesmal empfangen sie die NZZ in ihrem Hauptquartier in Zug, wohin die Firma natürlich gezügelt ist. So wie ihre Inhaber nach Freienbach, zwei Niedrigsteuergebiete. Sie sind von gleich zwei Anwälten umrahmt. Der eine ist der Wirtschaftsanwalt Peter Ackermann, der die beiden 23-Jährigen schon länger begleitet und juristisch berät.

Der jammert über die Medien, dass deren «Berichte meinen Ruf wahrscheinlich unwiderruflich zerstört» hätten. Nur: Was für einen Ruf? Laut seiner Berufserfahrung ist er seit 2021 «Investor und Verwaltungsrat», bei Emix natürlich. Weitere rechtliche Beaufsichtigung des Gesprächs ist die Aufgabe der Medienanwältin Rena Zulauf.

Sportliche Honoraransätze treffen auf tiefe Taschen

Sonst für ihre Feldzüge beispielsweise in Sachen Jolanda Spiess-Hegglin bekannt, für die sie vor Kurzem beim Zuger Obergericht eine gewaltige Klatsche einfing. Aber Zulauf ist auch für ihre sportlichen Honoraransätze bekannt, und das dürfte bei Emix überhaupt kein Problem sein. Im Gegensatz zu ihrer Mandantin Spiess-Hegglin. Zulauf sieht weder Widerspruch noch Problem: «Ich vertrete Personen und Unternehmen bei erfolgten oder drohenden medienrechtlichen Grenzüberschreitungen.»

Zulauf tut auch energisch etwas für ihr Geld. Als «Inside Paradeplatz», schliesslich der Aufdecker dieses Falles, sich mit ein paar Fragen an die beiden Jungunternehmer wendet, bekommt der Blog einen Feuerstoss als Antwort. Aber Lukas Hässig ist sich garstige Reaktionen von Finanzhäusern gewohnt. Wobei Zulauf hier schon an die Grenze der putativen Notwehr geht:

«Meine Klientschaft behält sich zivil- und strafrechtlich Schritte aus unlauterem Wettbewerb und Persönlichkeitsrecht, insbesondere – aber nicht ausschliesslich – Schadenersatzansprüche wegen entgangenem Gewinn, gegen Inside Paradeplatz GmbH und Sie persönlich ausdrücklich vor und wird rechtliche Schritte gegebenenfalls ohne Vorankündigung einleiten», so die Anwältin auf Fragen an die Emix-Leute. Es ging darum, wie viel genau die Emix-Unternehmer mit der Schweizer Armee eingenommen hatten und wie viel mit Deutschland.

Auch das sieht Zulauf anders: «Die rechtliche Belehrung stand im Kontext vorangehender fehlerhafter Berichterstattung, bei der neben einer verlangten (und publizierten) Gegendarstellung auf rechtliche Schritte verzichtet worden war.»

Inzwischen ist eine Strafuntersuchung eingeleitet

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Zürich ein Strafverfahren gegen Unbekannt im Zusammenhang mit Schutzmaskenverkäufen der Emix Trading eröffnet. Dabei dürfte auch die Strafanzeige wegen Wuchers eines Luzerner Anwalts eine Rolle spielen.

Die NZZ listet aufrecht alle Vorwürfe auf, die zurzeit um die beiden Jungmillionäre schwirren. Die dürfen sich selbst in einem möglichst guten Licht präsentieren: «Wenn wir die Masken ohne Risiko nach Europa gebracht und mit hoher Marge durch überhöhte Preise verkauft hätten: Dann könnte ich die Kritik nachvollziehen. Führt man sich jedoch vor Augen, dass unser Gewinn durch vorausschauende Verhandlungen bei Einkauf und Logistik und durch das riesige Volumen zustande gekommen ist, habe ich keine Sekunde ein schlechtes Gewissen», lässt sich einer der Beiden zitieren. Aber:

«Wir haben uns alles selbst erarbeitet und auf Freunde und Freizeit verzichtet, um an diesen Punkt zu kommen

An welchen Punkt? Man merkt dem Artikel deutlich an, dass sich die beiden Autoren nicht wirklich entscheiden können. Eben: Helden, Schurken oder clevere Unternehmer? Man weiss nicht, ob man es im heutigen Gesinnungs- und Positionsjournalismus begrüssen oder bedauern soll, dass die Antwort der NZZ ist: Das kann man so oder so oder so sehen.

Wenn zwei Frauen in Champagnerlaune geraten

Dann erreicht der Kulturteil von Tamedia einen neuen Tiefpunkt. Denn es handelt sich um die neue Literaturchefin und eine «watson»-Kolumnistin.

 

«Sowas wie das RTL-Dschungelcamp 2021 hast du noch nie gesehen»

«Die dänische Sex-App ist gut gemeinter Schwachsinn»

«Ist Bill Kaulitz dauerspitz? Seine Autobiografie klingt ganz danach …»

«Der aufwühlende Dokfilm «Framing Britney Spears» und der Tod des Models Kasia Lenhardt sind beispielhaft für die Demütigung von Frauen in den Medien.»

Die Kolumne «Glamour, mon amour»: «Die Weihnachtsbeleuchtung hing noch, leuchtete aber schon lange nicht mehr, Regen begann zu fallen, und die erblindeten Leuchtkörper schimmerten von oben herab wie erstarrte Tropfen. Der silberne Schlangenkopf der Medusa, die neben dem Eingang von Versace auf der nassen Mauer prangte, blickte uns so hart ins Gesicht, dass wir fürchteten zu versteinern.»

Früher einmal gab es Literaturkritik

Ich weiss, das war ein Stahlbad für die Leser, aber da muss man durch. Eine kleine Auswahl aus dem aktuellen journalistischen Schaffen von Simone Meier. Um eines Gags willen kennt sie nichts. Wenn sie über Cancel Culture schreibt, dann hält sie es für einen passenden Geschichtsausflug, dass im Dritten Reich «die Juden gecancelt» wurden.

Früher einmal, ist gar noch nicht so lange her, gab es Literaturkritik. Wo ein flamboyanter Marcel Reich-Ranicki mit jeder Buchbesprechung bewies, ob mündlich oder schriftlich, dass Literaturkritiker Beruf und Berufung ist, die unter anderem sehr viel Bildung voraussetzt.

In der Schweiz prägten Hanno Helbling, Werner Weber und bis heute wache Geister wie Manfred Papst in der NZZ die Literaturkritik, bei der der Kritiker dem Schriftsteller mindestens auf Augenhöhe begegnet. Ich kann’s beurteilen, ich habe bei Weber Literaturkritik studiert.

Zwei Frauen zeigen, was sie können

Das schafft Nora Zukker auch. Ob sie über einen Liebesroman von Herzogin Fergie berichtet oder sich mit Simone Meier auf dem Friedhof Sihlfeld mit «einer Flasche Rosé-Champagner» die Kante gibt. Was für ein Einstieg: «Simone Meiers Romane sind Rosé-Champagner: Sie lesen sich leicht, man merkt kaum, wenn man nachschenkt, und zum Schluss ist man verzückt tipsy

Wie lautet schon wieder mein Lieblingstitel im «Blick», viele Jahre her: «Frauen, Alkohol, Wahnsinn». Wie wahr, denn auf 7100 Anschlägen zeigt die neue Literaturchefin von Tamedia, was sie kann. Gleich viel wie Simone Meier. Also eigentlich nichts. Meier versucht nicht ganz erfolglos, sich als eine Mischung zwischen Charlotte Roche (Feuchtgebiete) und Martin Suter (Allmen) zu verkaufen. Also als Gebrauchsliteratin mit noch weniger Tiefgang als Lukas Bärfuss, aber viel mehr Sex in ihren Werken.

In ihren Kolumnen bei CH Media und bei «watson» greift sie gelegentlich so was von daneben, dass einem das Lachen im Hals steckenbleibt. Dass sie vom abgetakelten «Schweizer Journalist» zur Kulturjournalistin des Jahres ernannt wurde, wird es zukünftig jedem Kulturjournalisten schwer machen, diesen Preis anzunehmen.

Mit welchem Alkoholpegel hat Zukker was geschrieben?

Was passiert, wenn Zukker ihr literaturkritisches Besteck auspackt?

«Die Dialoge sind nie meta, sondern nahe an der Alltagsrealität.»

Hä? Hier vermisse ich zum ersten Mal eine Angabe über die Promille, mit denen das geschrieben wurde. Vor den nächsten beiden Flachsätzen muss aber sicherlich ein grosser Schluck aus der Pulle erfolgt sein: «Meier kann Popkultur. Ihre Kritiken sind die wirkliche Unterhaltung. Echte Satire mit beinahe persiflierendem Charakter.» Hä? Was wäre dann unechte Satire, und wo genau liegt der Unterschied zu einer Persiflage? Oder was wäre Satire ohne persiflierenden Charakter?

Kann Zukker noch mehr? Locker: «Ob journalistisch oder literarisch: Ihre Texte sind sinnlich, sehnend und schlau.» Hicks. «Wenn in Meiers neuestem Buch «Reiz» ein Google-Street-View Männchen auftritt oder Herz-Emojis verschickt werden, ist das stilistisch konsequent.» Ich muss nun selber eine Flasche Dom Pérignon öffnen.

Gibt es denn kein Entkommen? Doch, dem Wettergott sei Dank und Preis: «Plötzlich regnet es frontal unter das Vordach.» Hä? Wie das wohl geht? Aber egal, das zwingt die beiden Wortschmiede (Pardon, Wortschmiedinnen) in die Flucht, wofür der Leser ausgesprochen dankbar ist.

Die Tragödie ist nicht, dass Meier sich bei CH Media bejubeln lässt: «Eine Schriftstellerin, die dank ihrer pointierten Formulierungslust sowohl das erschreckend Ruppige wie das Verträumte in Szene setzen kann. Immer im Auge: unsere Gegenwart, die sie in einem Panoptikum spiegelt.» Man kann nur hoffen, dass das weit jenseits von 0,8 Promille geschrieben wurde.

Eigentlich müsste man Schmerzensgeld verlangen

Die Tragödie ist, dass nicht Meier, aber Zukker schmerzlich zeigt, dass auch die Literaturkritik bei Tamedia erschreckend tiefergelegt keinerlei Orientierung dem nach Lektüre suchenden Leser gibt. Wer aufgrund dieser angetüterten Lobeshymne Lebenszeit verschwendet und den Roman wirklich liest, müsste eigentlich bei Tamedia Schmerzensgeld verlangen. Leider: In den USA stünden die Chancen nicht mal schlecht. In der Schweiz wäre das aussichtslos. So wie die Zukunft der Literaturkritik bei Tamedia.

Wer möchte nach Meier den Preis «Kulturjournalist des Jahres» entgegennehmen? Wer möchte sich von Nora Zukker rezensieren lassen? Vielleicht liegt die Rettung darin, dass beide wohl kaum einen Thomas Pynchon, Marcelo Figueras, einen Martin Cruz Smith, einen George Packer, einen Ismael Kadare kennen. Vielleicht haben sie von Hilary Mantel gehört, aber das sind verdammt dicke Wälzer. Alle diese Autoren dürften sowohl einem Schlammbad in Meiers Kolumnen wie auch einem Alkoholbad von Zukker entgehen. Darauf einen kräftigen Schluck Krug Rosé!

 

Heile Welt mit Stöhninseraten

Das Tierwelt-Heftli lebt von Kleininseraten. Doch die Erträge daraus «sind nun endgültig am Versiegen», wie es vom herausgebenden Verband «Kleintiere Schweiz» heisst.

Die Tierwelt ist wohl die einzige Vereinszeitschrift, die am Kiosk erhältlich ist. Sie ist eines der ältesten Heftli der Schweiz. Schon 1891 erschien die erste Ausgabe. Bis heute stehen dahinter Kleintierzüchter, respektive deren Verein. In Journalistenkreisen spricht man oft verächtlich über Chüngelizüchtervereine. Doch der Dachverband bringt jede Woche ein Heft mit beachtlichen gut 80 Seiten heraus. Der Preis ist mit 6 Franken moderat. Normalerweise agiert das Blatt unter dem Radar der breiteren Öffentlichkeit, ausser letzthin, als im Kleinreport der Abgang des Chefredaktors vermeldet wurde. Doch nun scheint wieder Ruhe eingekehrt. Zeit für eine Blattkritik (der Ausgabe vom 4. Februar), aber auch einen Blick auf das Rumoren hinter den Kulissen.

Zum allgemeinen Thema passt das weissbraune Chüngeli auf der Titelseite. Dank dem Anriss «Katzen: die häufigsten Todesursachen» werden auch Tierfreunde abgeholt, die nicht unbedingt aufs Züchten aus sind. Das Layout kommt, etwa beim Inhaltsverzeichnis, modern und luftig daher. Wenn nur nicht diese kursive Schrift wäre. In der Rubrik «Hallo was gibt’s» beweist die Redaktion durchaus Humor und Sinn für Ästhetik. Auch die Panoramaseite mit Kurzfutter aus der ganzen Welt lässt den vermeintlichen Vereinsmief hinter sich. Die Titelgeschichte, selbstredend über Kaninchen, spricht den Profi sicher an. Als Laie hört man schon bei den Belgischen Riesen (Idealgewicht 7-9 Kilo) auf, spätestens aber bei der «offiziellen Anerkennung als Schweizer Eulach-Scheckenkaninchen» am 10. Mai 1984.

Schmuser landen nicht in der Küche

Die nächste Geschichte handelt von der Selbstversorgung dank Kaninchen. Etwas, was etwa für die Weltkriegsgeneration ganz selbstverständlich war. Später war der Begriff Selbstversorger für den Staatsschutz ein Alarmzeichen, die Parole Moskau einfach herauszugeben. Der Artikel zeigt, dass die Redaktion erfrischend unverkrampft an die Themen herangeht. Und falls mal ein Kaninchen den Artikel in die Pfoten bekommen sollte, bitte besonders auf diesen Passus achten: «Schmuser landen sicher nicht in der Küche. Wer eher distanziert auftritt, hat schlechtere Karten, weil die Bindung zu ihnen weniger stark ist.»

Nun kommt ein solides Portrait über den neuen Co-Präsident der Schweizer Jungbauern. Daniel Hasler ist ein klassischer Jungunternehmer, der mit seiner Direktvermarktung von Hofprodukten Erfolg hat. Konkret liefert er den Kunden Gemüse, Milch, Joghurt und Käse in seinem auffälligen «Dänumobil». Der Artikel erfüllt sein Ziel. Das Klischee vom trägen, subventionshangenden Bauern abzuschwächen. Einzig der Titel «Der Bauer von morgen» schreit förmlich nach der Ergänzung PUBLIREPORTAGE.

Und dann die Büsigschicht. Obwohl das Foto etwas anderes erahnen lässt, sind nicht plattwalzende Autos, sondern eher unspektakulär chronische Nierenleiden als Todesursache Nummer eins aufgezählt.

Die Rubrik «Zum Verwechseln ähnlich» erinnert an die verwandte Rubrik «Bei der Geburt getrennt». Hier geht es aber nicht um Fussballer wie im Fanheft «11 Freunde», sondern natürlich um Tiere. Diesmal um den Bolonka Zwetna und den Havaneser. Das Auseinanderhalten falle sogar Besitzern schwer, schreibt Carmen Epp. Die Autorin weckt Erinnerungen an «Was macht eigentlich?». Epp hat eine Zeitlang in der Medienwoche geschrieben und bei der Urner Zeitung gearbeitet.

Von tiefgefrorenen Embryonen und Oberwalliser Schwarznasen

Der Artikel über das Walliser Schwarznasenschaf befasst sich mit dem Jöööh-Effekt dieser auffälligen Tiere. Dank einen BBC-Bericht scheinen die Wesen nun in Neuseeland und in den USA der Renner zu sein. Dass wegen dem Einfuhrverbot lebender Schafe  tiefgefrorene Embryonen per Post verschickt und nachher in Mutterschafe anderer Rassen eingesetzt werden, tönt nach Science Fiction. Auf jeden Fall wäre das eine heisse Story auch für den Blick. Auffällig der Infokasten am Artikelende mit den Infos über den Oberwalliser Schwarznasen-Zuchtverband. Einerseits ist das schon interessant, andererseits wertet es den lesenswerten Artikel ab. So wirkt er wie bestellt.

Der Artikel über Fassadenschindeln ist irgendwie fehl am Platz. Ein bezahltes Firmenportrait? Dass Holzschindeln vielleicht Lebensraum sein könnten für Kleinst-Insekten (Themenbezug!), findet man nirgends.

Doch weil nun ein Artikel folgt über die vernachlässigten Seitenbeete links und rechts von Wohngebäuden, dämmert es dem ZACKBUM-Kritiker langsam. Tatsächlich: In der Oberzeile zur Tierwelt steht: Die Schweizer Zeitschrift für Tier und Natur.

Der berüchtigte Personalshop-Preis

Die eingeheftete Werbebeilage mit Kleidern und Schuhen taucht immer mal wieder auf in Vereinsheften, etwa auch in jenem des VPOD.  Der Firmen-Name «Personalshop» soll wohl Nähe zu den Lesern und Verbandsmitgliedern suggerieren. Die knalligen Preisvorteile (-25% für Sie, Personalshop-Preis gegenüber UVP-Preis) wertet die Tierwelt ab. Doch noch sind wir nicht bei den Kleinanzeigen. Und ja, von irgendwas muss ein 80-Seiten-Magazin finanziert werden.

Also vor den Kleinanzeigen zuerst noch der kürzere Text darüber, «dass sich der Klimawandel auch auf den heimischen Garten auswirkt». Nein, die Tierwelt packt durchaus auch heisse Eisen an. Eher schwierig wir der nun folgende Veranstaltungsteil. Das heimtückische Coronavirus macht fast allen Events einen Strich durch die Rechnung. Dafür sind die Tierschnappschüsse aus der Leserschaft ein Aufsteller.

Nun wird’s wieder richtig expertig. Das A und O der Zuchtvorbereitung bei Geflügel. Für vertiefte Gespräche rund um Eier kann so ein Text enorm wertvolle sein. Einfach nur faszinierend, aber auch sehr schräg.

Präsident schlägt Alarm: Erträge versiegen

Langsam steigt die Spannung. Denn nun folgt der eigentliche Inserateteil. Und damit sind die legendären Kleinanzeigen gemeint. Ja, darum ist doch die Tierwelt berühmt. Zumindest vor 20, 30 Jahren galt die Tierwelt als eher kleinbürgerliches Pendant zum handgestrickten A-Bulletin. Heute sind es immerhin noch gut 18 Seiten Kleininserate. Das ist mehr als die halbe Miete für die Heftfinanzierung. Doch Urs Weiss, Präsident von Kleintiere Schweiz schlägt im Rahmen einer auf der Vereinswebsite aufgeschalteten Statutenreform Alarm: «Die Erträge aus der Tierwelt sind nun endgültig am Versiegen und eine Besinnung auf das tatsächlich Notwendige ist geboten». Ein Thema ist auch die Vereinsgrösse: «Was hat der zunehmende Mitgliederschwund für einen Einfluss?», schreibt Weiss weiter. Er lobt das Sekretariatsteam in Zofingen und stellt selbstkritisch fest, dass «ein Miteinander aller Beteiligten die Kosten besser im Griff hat als unzählige dezentrale, individuelle Lösungen».

Nicht günstig ist wohl die zur Tierwelt parallele Herausgabe des Verbandsorgan «Der Kleintierzüchter», quasi die Expertenausgabe der Tierwelt.

Die Vernehmlassung der neuen Statuten von Kleintiere Schweiz läuft noch bis am 30. Juni 2021.

Pumpfass und Radikalkur

Nun aber endgültig eingetaucht in den Mikrokosmos der Kleinanzeigen. Als erstes Inserätli fällt jenes der JVA Pöschwies auf. Handgemachte Nistkästen (32.-) und Futterhäuschen (38.-)  für Vögel. Des Rätsels Lösung: JVA heisst Justizvollzugsanstalt. Die Hüsli werden also im Pöschwies gebaut, von Sträflingen. Eine Metzgerei in Safenwil kauft laufend Schlachtlämmer, während jemand für die «sehr liebe, zahme und gesunde» Pfauenziege Daisy «einen neuen Lebensplatz» sucht. Im technischen Teil kann man wählen zwischen einem «Güllenfass mit Triebachse, einem Ladewagen Mengele 310 und einem Pumpfass zu Schilter LT2». Wie wär’s mit einem Kompostwender für 32000 Franken? Im Immobilienteil wird ein «grosses Haus für WG» angeboten. Preis 2,5 Mio, Region Rottal. Wem das zu teuer ist, kann zwei Luftrevolver Smith&Wesson kaufen, je 120 Franken. Grund des Verkaufs: «Nichtgebrauch». Die Käserei Neudorf veräussert einen «Sachentransportanhänger» für 9000 Franken. Ein Suzuki Jimny 30 km/h sucht einen neuen Käufer. Anscheinend wichtig: laut Inserat wurde der Wagen «von einer Frau gefahren». Dann wechseln sich die Inserätli immer kurzweiliger ab. Eine Firma Gerber preist sich fürs «Absaugen Festmaterial aus Jauchegruben an», während sich daneben unter dem Titel «Männer ruft an» Frauen von jung bis alt anbieten für Freundschaft und Heirat. Auf der drittletzten Seite geht’s dann zur Sache. Was im Tages-Anzeiger vor einigen Jahren mangels Inserenten fast ganz eingestellt wurde, blüht hier noch einigermassen. Das Geschäft mit dem Sex. «Er verwöhnt reife Sie»,  «Allein mit Katze! Suche Mann! Paulina, attraktiv!», «Bäuerin 38, will manchmal Sex». Dazu passt dann die letzte Seite mit viel Kleingedrucktem und einem «Leser-Angebot»: Radikalkur Prostaphytol-Elixier CHF 126.- anstatt regulär CHF 316.-

Die Tierwelt hat eine beglaubigte Auflage von 46641 Exemplaren und eine Reichweite von 218000 Leserinnen und Lesern. Es gibt 51 Ausgaben pro Jahr. Die Tierwelt ist ein Exotikum im Kiosk-Angebot, durchaus mit Potenzial zum Kultstatus.

Corona: Nächste allgemeine Verunsicherung

Die Corona-Einheitsbrei-Berichterstattung löst sich in Einzelteile auf. Nach Mainstream nun allgemeine Kakophonie.

Die Zeiten, als die Leitmedien der wenigen verbleibenden Konzerne stramm auf Linie der Task Force, des Bundesrats und im Zweifelsfall für Verschärfungen, Restriktionen und gegen verantwortungslose Fahrlässigkeit waren, sind vorbei.

Mit einem gewissen Restgespür für die Stimmung in der Bevölkerung und unter den Lesern werden viele fuchtelnde Zeigefinger eingefahren, machen sich Laienjournalisten nicht mehr mit drakonischen Forderungen aus dem wohlbeheizten Homeoffice lächerlich.

Tamedia ist mild und friedlich gestimmt

So meldet Tamedia zur Corona-Lage in Genf: «Mutierte Viren dominieren – doch die dritte Welle bleibt aus». Milde gestimmt titelt der Konzern zudem «Berset deutet Lockerung von Corona-Massnahmen an». Das hätte noch vor wenigen Wochen einen scharfen Kommentar abgesetzt, in dem die Worte unverantwortlich, Wackelpudding und «jetzt muss dringend» eine wichtige Rolle gespielt hätten.

Gemischte News hält der «Blick» parat. Aber neben der Entdeckung eines furchtbar ansteckenden Virus-Mutanten im Amazonasgebiet, einem Schockerfoto von schwärtlichen Fingern, die wegen Corona amputiert werden müssen, ist die Aufmacherstory: «Deutscher Virologe widerspricht Task Force». Auch das hätte noch vor Kurzem einen hämischen Kommentar und einen strengen Verweis abgesetzt. Jetzt wird ein ehrfürchtiges Interview mit dem Fachmann geführt.

Gemischte News, aber ein deutscher (!) Epidemiologe darf der Task Force Saures geben.

Auch «blue-news» nimmt Bersets Andeutung in den Ticker, erschreckt aber mit der Frage, ob in Zukunft ein doppelter Mund-Nasen-Schutz nötig sei. Als Zahlenquelle wird hier weiterhin die US-Privatuni Johns Hopkins verwendet; auch so ein Skandal, an den sich alle gewöhnt haben.

Milchzähne, Krokodilkot, Sex und Angriff der Kängurus

Und was hat uns das Katzenvideo-Portal «watson» aus seinem Millionengrab heraus zu sagen? Keine solchen Vorurteile, in seiner Serie «Lustige Tierbilder Episode II» kommt nun «Angriff der Kängurus». Ob da jemand die Anspielung auf «Star Wars» merkt? Nun, es wird mit folgendem Müll bespasst: «Let’s talk  about real good Sex, Baby» von «Emma Amour», «Milchzähne am Anus, Krokodilkot und Niesen: So verhütete man früher», «Mann baut E-Gitarre aus dem Skelett seines toten Onkels» und schliesslich noch ein Titel, der wohl 99 Prozent aller «watson»-Leser ratlos macht: «Palindrom-Tag: Warum ist der 12. 02. 2021 so besonders?»

Kleiner Knaller von «20 Minuten», Knallfrosch von der NZZ

Corona? Ach ja, wen interessiert das schon bei «watson». Das gewinnbringende Gratisblatt «20Minuten» kann dagegen mit einem kleinen Knaller aufwarten, der den Bezahlmedien gut angestanden wäre: «Russland bot der Schweiz Impfstoff Sputnik an – BAG reagierte nie». Sagt immerhin der russische Botschafter in Bern.

Die NZZ widmet sich, so gehört sich das, den tieferen Fragen: «Der Mensch kommt zu kurz – wie die Corona-Isolation die Kultur unseres Zusammenlebens schädigt». Gleich zwei Geistesriesen braucht es, um altbekannten Flachsinn zu verzapfen: «Der persönliche Kontakt kommt zu kurz», «das Unmittelbare geht verloren». Vor allem in der Kultur, aber natürlich auch in der Politik hinter Plastikscheiben. Gibt es wenigstens Rettung, Lösungen? Aber sicher, die Pandemie nicht einfach aussitzen, «sondern aktiv gestalten», fordert die Kunsthaus-Direktorin Ines Goldbach. Nur sagt sie nicht, wie das gegen im Artikel konstatierte Depressionen, Einsamkeit, Existenzangst oder gar die Zunahme häuslicher Gewalt helfen soll.

Kleiner Tipp: manchmal ist aussitzen viel besser als schreiben. Aber, das rettet Ruf und Ehre, «Wer sagt, Schuldenmachen sei heute gratis, gibt zu viel Geld am falschen Ort aus. Die Staaten steuern dadurch immer tiefer ins Schlamassel.» Die NZZ gibt Reiner Eichenberger und David Stadelmann Gelegenheit für einen intelligenten Gastkommentar.

CH Media und «Republik»: Alarmsirene und Sendepause

Welchen Beitrag leistet schliesslich CH Media zur allgemeinen Verunsicherung? «Ansteckungen in der Schule: Zahl der Infektionen hat sich im Januar im Aargau mehr als verdoppelt». Berichtet der Konzern aus dem Stammland seiner Zentralredaktion. Allerdings: Es handelt sich seit Anfang Januar um eine Steigerung von 149 auf 324 – in fünf Wochen. Zudem sagt bekanntlich ein positiver Test nichts über eine mögliche Erkrankung aus.

Wollen wir es zum Schluss wagen, was sagt uns die «Republik» heute zu Corona? Heiliger Strohsack: nichts. Null. Keinen einzigen Buchstaben gönnt sie uns zu diesem brennenden Thema. Wie sollen wir so orientierungslos ins Wochenende stolpern?

Wie beginnt man ein Interview? (Teil 2)

Interviews sind die Billy-Regale des Journalismus.

«Einfach und schnell zusammengebaut, wenig Fachkenntnisse erforderlich, kein bleibender Wert», schrieb Beni Frenkel auf ZACKBUM vor Monaten. Die wenigen Interview-Perlen erkenne man an der Einstiegsfrage. Hier scheitern die meisten Journalisten, zum Teil kolossal. Die erste Frage sei deswegen so schwierig, weil der Interviewer eine ganze Menge reinpacken muss: Interesse, Distanziertheit, Vorwissen, Neugierde. Der Leser muss gleich zu Beginn gefesselt werden. «Die erste Frage ist so wichtig wie die Anmachfrage in einem Club», weiss Womanizer Frenkel.

Im Teil 2 geht es um eine Text-Bild-Schere, um das Geliebt-Werden und um die Krux schriftlich gestellter Fragen.

Packungsbeilage: die in loser Folge präsentierten guten und schlechten Fragen gelten als Beispiele. Nie geht es darum, Journalisten an den Pranger zu stellen. Für Beispiele in beiden Richtungen sind wir dankbar: redaktion@zackbum.ch.

 

Einschleimen I

Quelle: Weltwoche (4. Februar 2021)

Journalist: Thomas Renggli

Gesprächspartnerin: Heinz Tännler (Regierungsrat Zug)

Einstiegsfrage:

Herr Tännler, kommen Sie noch zum Schlafen?

Kritik: Diese Allerweltsfrage kann man natürlich jeder einigermassen engagierten Person stellen. Aber man punktet beim Interviewten, weil er weiss, dass es nun ein Wohlfühlinterview gibt. Doch nicht wenige Leser steigen schon aus.

Was beim Text noch auffällt: Nirgendwo geht Thomas Renggli im Gespräch auf das spezielle Portraitfoto mit dem Tennisschläger ein – abgehandelt wird das Thema in der kurzen Fotolegende «Harter Aufschlag: Regierungsrat Tännler». Ist Tännler ein zweiter Nick Kyrgios, der die Schläger gerne zerstört? Möchte Tännler manchmal das Krisenmanagement des Bundes mit einem As ausstechen? Wäre er lieber ein zweiter Roger Federer anstatt ein Regierungsrat? Man wird es nie erfahren.

Einschleimen II

Quelle: Lokalinfo (15. Januar 2021)

Journalist: Lorenz Steinmann

Gesprächspartner: Marco Cortesi (Ende Januar pensionierter Polizeisprecher)

Marco Cortesi, drehen wir das Rad ins 1986 zurück. Sie waren bei der Stadtpolizei als Streifenwagenfahrer im Kreis 4 im Einsatz. Was ist Ihnen von damals geblieben?

Auch so eine Wohlfühlfrage, die nicht wertet. Es ist eine Frage, die sofort in den Erzählmodus lenkt. Aber soll man zum Abschluss einer Karriere mit der Tür ins Haus fallen? Auffällig war, dass auch sonst bei keinem Interview ein richtig kritisches Wort fiel. Die Ausnahme war die SRF-Doku. Dort kritisierte ein Gemeinderat der Grünen Cortesis Hang zur Selbstdarstellung. Doch auch diese Aussage war eingebettet in eine 40-minütige Huldigung.

Gefragt ist gefragt

Quelle: ZACKBUM (2. Februar 2021)

Journalist: Lorenz Steinmann

Gesprächspartnerin: Beat Glogger (Wisenschaftsjournalist, Unternehmer)

Einstiegsfrage:

Im Doppelpunkt bei Roger Schawinski zeichneten Sie die Zukunft Ihrer Firma eher düster. Zudem erfolgte ein ziemlich negativer Artikel in der NZZaS mit dem Titel «Glogger bald am Ende». Wie waren die Reaktionen darauf? 

Ich habe bei Schawinski nicht über meine Firma gesprochen. Sie verwechseln da wohl was.

Kritik: Die längliche Frage prallt an Beat Glogger ab. Auch wenn es bewiesen ist, dass Glogger im Doppelpunkt über seine Firma gesprochen hat. Weil das Interview schriftlich geführt wurde, kann man nicht nachträglich nochmals anfragen, umschreiben, herumstreiten. Schriftliche Interviews können bequem sein für den Interviewer und in Arbeit für den Interviewten ausarten. Doch ein mündliches Interview können sie selten toppen.

Fortsetzung folgt

(Anmerkung zur Leserbindung: ZACKBUM.ch freut sich über positive wie negative Beispiele, wobei keine Garantie besteht, dass diese auch erwähnt werden)

Fast nur fröhliche Nachrichten

Das heutige Tagblatt der Stadt Zürich macht auf positiv. Das führt zu amüsanten Inhalten.

Schon Pippi Langstrumpf sang:

Widdewiddewitt

und Drei macht Neune !!

Ich mach› mir die Welt

Widdewidde wie sie mir gefällt ….

Nun also das Tagblatt der Stadt Zürich. Das Stadtzürcher Amtsblatt präsentiert in seiner Ausgabe von heute Mittwoch auf 84 Seiten einen «anderen Blick auf Zürichs aktuelles Stadtleben. Ein Themenmix, der den Leserinnen und Lesern ein paar beglückende und zuversichtliche Momente schenken und ab und zu ein Lächeln aufs Gesicht zaubern soll», wie es in einer Mitteilung heisst. Persoenlich.com titelt dazu: «Die Zeitung lässt alles Negative weg». Der Kleinreport formuliert es noch fröhlicher: «Gegen Corona-Koller: Tagblatt der Stadt Zürich druckt nur Good News».

Momente des Glücks

Und wie sieht das Resultat aus? «Momente des Glücks», schreibt Chefredaktorin Lucia Eppmann in ihrem Editorial. Sie habe immer stärker den Wunsch gehabt, einmal eine ganze «Tagblatt»-Ausgabe mit positiven News umzusetzen. Da kommt einem der Tages-Anzeiger in den Sinn, der wohl vor gut zehn Jahren jeweils am Montag bewusst eine «Positiv-Story» im Blatt hatte. Das Experiment wurde dann still wieder begraben. Doch in der Corona-Krise ist Lucia Eppmanns Idee durchaus wirkungsvoll. Gut 30 Menschen beschreiben ihre persönlichen Glücksmomente. Mit Humor sind die Portraits erträglich bis unterhaltend. Etwa, wenn Stadtpräsidentin Corine Mauch erklärt, wie sie dank Corona ein neues Kochrezept ausprobieren kann oder einfach mal Zeit zum Lesen hat. Auch ganz lehrreich: Das Portrait über Mahan Safadoust, Guest Relations Officer beim Casino Zürich. «Wenn sich der Einsatz auszahlt», lautet der Titel. Wenn deswegen nur niemand das Tagblatt belangt. Aber genug gemäkelt. Alles in allem ist das aktuelle Tagblatt gelungen. Auch wenn man sich bei den Amtlichen Nachrichten ein wenig mehr Bezug zum Leitthema «Good News» gewünscht hätte. Ein Bauprojekt, das den Abbruch des ach so schönen Seewasserwerks in Wollishofen vorsieht? Ein Halteverbot für Autos an der Walchestrasse bis 2024? Zwei Konkurseröffnungen und Besichtigungen von städtischen Wohnungen, die man nur übers Internet vereinbaren kann. Das Leben ist und bleibt nicht nur positiv, trotz dem Tagblatt. Hier der Link.

P.S. ZACKBUM möchte hiermit den Beweis antreten, dass bei uns auch positive Meldungen Platz finden – allen Unkenrufen zum Trotz.

 

Ex-Press XXIII

Blasen aus dem Mediensumpf.

Wir wissen nichts Genaues, aber anpinkeln ist immer eine gute Idee.

 

Humorloser Tages-Anzeiger

Geraune ist die neue Währung im Gesinnungsjournalismus bis zur Besinnungslosigkeit. Und anpinkeln. Ein Meister dieser Kunst ist der Kulturredaktor Andreas Tobler vom kulturlosen «Tages-Anzeiger». «Hass ist keine Meinung», meinte Tobler hasserfüllt, als er über den deutschen Musiker Naidoo herzog. Aber er ist ein typischer Angstbeisser.

Als er sich mit Roger Schawinski anlegte, Plagiat und unsaubere Zitiermethode unterstellte, bot ihm der an, das vor offenem Mikrophon auszufechten. Tobler lehnte feige ab.

Als man von ihm wissen wollte, wieso er die Schlingensief-Imitation «Roger Köppel tötet. Tötet Köppel Roger.» verständnisvoll als «Theatermord» verharmloste – kniff er.

Wenn er nicht kneift, schreibt er ab.

Bei der WoZ im Fall der Sammlung Bührle; «Instagram löscht SVP-Video», verbellt er eine Meldung des Katzenvideo-Organs «watson». Wenn man ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben will, richtig, kneift er.

Bei Tobler brodelt der Bodensee – oder nicht

Jetzt hat sich der lebende Beweis, dass es im Hause Tamedia wirklich keine Kulturredaktion mehr braucht, des «Nebelspalters» angenommen. «Kampf um Satirezeitschrift», titelt er. Was für ein Kampf? Egal: «Züchtet Somm ein rechtsgerichtetes «Biest»?», fragt er dann bang. «Brodelt es am Bodensee?», so leitet er seinen wie mit der Klosettbürste geschriebenen Schmähartikel ein.

Dann benützt er fleissig das beste Hilfsmittel eines Denunzianten: den Konjunktiv in allen Abwandlungen. «Stimmung scheint angespannt, könnte für gröbere Konflikte sorgen, sei telefonisch nicht erreichbar, scheint für Gesprächsstoff gesorgt zu sein.» Wo der Konjunktiv abtritt, kommt der Vermutungsjournalismus:

«Die Befürchtung, Teil eines radikalen Umbaus zu werden, ist stark verbreitet.»

Dann werden 2 von 200 freien Mitarbeitern zitiert, die nicht mehr für den «Nebelspalter» arbeiten wollen. Und schliesslich wird ein Zitat von Andreas Thiel vergewaltigt, damit «Biest» in den Titel kann. Selbst aus der Liberalität Somms, der kein Problem damit hat, sich im eigenen Organ karikieren zu lassen, macht Tobler noch eine Sottise: «In der Zeitschrift wird er verspottet.» Das wäre nicht einmal bei Tobler innerhalb von Tamedia möglich.

Ach, übrigens: weder Mannschaft, noch Inhalt, noch Ausrichtung ist bislang mehr als nebulös bekannt. Man könnte ja auch auf das Erscheinen warten. Aber warum nicht schon vorher unken.

 

Hinterlistige SonntagsZeitung

Ende September 2020 titelte die SoZ: «Rassismus-Vorwürfe an der HSG». In bester Boulevardmanier legte sie los: «Ein ehemaliger Student und Anwalt packt aus.» Er sei abgezockt, ausgegrenzt, in eine persönliche Krise gestossen und abserviert worden. Logisch, als Brasilianer. Garniert wurde das mit den üblichen «anonymen Quellen», die von einem «institutionellen Rassismus» sprachen.

Die HSG zuckte auf Anfrage damals zusammen, nahm die ihr vorher unbekannten Vorwürfe «sehr ernst» und versprach eine Untersuchung. Die fand statt, dauerte vier Monate und kam zum Ergebnis: Alle namentlich erhobenen Vorwürfe liessen sich nicht verifizieren, alle anonymen erst recht nicht. Da diese externe Expertenkommission durchaus prominent besetzt war, fällt es schwer, ihr bezahlte Weisswäscherei vorzuwerfen.

Auf die Anfrage, ob die SoZ nun auch ausführlich dieses Untersuchungsergebnis publiziere, wich man aus; man habe zwar Einblick verlangt, aber keinen bekommen. Und die im Artikel aufgeführten Ankläger, bzw. Opfer seien nicht einmal kontaktiert worden. Was für eine Untersuchung sei denn das.

Allerdings: Das war eine vertrauliche Untersuchung, ohne Einblicksrecht für die Medien. Und die angeblich «Betroffenen», von denen nur einer namentlich bekannt wurde, sind nicht kontaktiert worden, weil sie ihre Vorwürfe niemals, mit oder ohne Namen, der HSG mitgeteilt hatten.

Ein typischer Fall, wie man einem Studienversager auf den Leim kriecht, der der HSG noch eine reinwürgen will, weil man ihm klar bedeutete, dass er den Masterkurs wohl nicht bestehen wird.

 

Unanständige NZZaS

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger ist dafür bekannt, dass er sich für einen begabten Worteschmied hält, der auch als Satiriker bestehen kann. Leider oftmals in eigener Sache. Etwas verschwurbelt wollte er in einem Interview mit der NZZaS tiefgründelnd der Frage nachgehen, ob Lügen in der Politik manchmal legitim seien. Nach einem längeren Exkurs auf die Frage, ob er denn selbst schon gelogen habe, plauderte er munter weiter: «Kommt eine Geisel frei, ist wohl meist bezahlt worden.» Das abzustreiten, sei eine legitime Lüge.

Manchmal sollte es die Aufgabe des Journalisten sein, zumindest in seriösen Blättern, einen unter Aufmerksamkeitsmangel leidenden, schon immer an der Welt und an vielem leidenden Ex-Bundesrat vor sich selbst zu schützen. Aber wenn man einen Mitarbeiter beschäftigt, der vorher auf dem Boulevard seine Brötchen verdiente, ist’s mit solchem Anstand vorbei.

Schwafelnde NZZaS

Felix E. Müller ist eigentlich pensionierter Chefredaktor. Aber wenn Sparzwang auf Mitteilungsdrang trifft, dann werden natürlich auch Rentner reaktiviert. Denn sowohl in der NZZ wie in der NZZaS wurden die Medienkritiker nach Hause geschickt. Aber ein wenig darf’s schon sein, und bei Müller kann man sich sicher sein, dass er garantiert nicht seinen ehemaligen Brötchengeber und Zahler einer üppigen 2. Säule kritisieren wird.

Das ist sowieso nicht seine Sache, ob er sich als Fachexperte für Auslandreisen verdingt oder einem Bundesrat ein liebedienerisches Grossinterview schenkt: Müller weiss, wo er nett sein muss. Da natürlich auch Kritik an den anderen grossen Medienhäusern als NZZ-Konzernjournalismus gewertet werden könnte, wird das Personal rar, über das man herziehen könnte.

Roger Köppel ist immer ein sicherer Wert, Markus Somm war’s mal und wird’s wieder, Christoph Blocher war’s auch mal, wird’s aber immer weniger, aber die SVP im Allgemeinen und Christoph Mörgeli im Speziellen ist auch immer eine Sottise wert. Neuerdings auch René Zeyer.

 

Eiernde CH Media

Das Zitat des Monats kommt von CH Media. Da werden namenlose «PR-Profis» zitiert, die sich gleich selber in die Pfanne hauen, ohne es zu merken: «Anonyme Stimmen hätten im Kampf um die Deutungshoheit keine Glaubwürdigkeit», sagen die anonymen PR-Blödis.

 

Noten (und Stress) für Journalisten

Bei 20Minuten findet sofort eine Beurteilung durch die Leser statt. Recherchetexte haben es darum schwerer.

Däumchen hoch oder runter am Ende eines Online-Artikels kennt man. Auffällig ist jedoch, wie 20 Minuten noch einen Schritt weitergeht und um eine vertiefte, qualitative Einschätzung der Artikel bittet. Als Beispiel ein Recherche-Artikel von Lukas Hausendorf im Regionalteil von 20 Minuten. Journalistisch durchaus sauber nimmt Hausendorf den wie erwartet einseitig geschriebenen Weltwoche-Artikel von Christoph Mörgeli (ex-SVP-Nationalrat) auf. Es geht um angebliche Gelage von Stadtbasler Regierungsräten und um das Negieren von Coronavorgaben. Hausendorf, immerhin schon 13 Jahre bei 20 Minuten, fragt nach beim Regierungssprecher und relativiert danach Mörgelis Geschichte. Es sei eine «normale» Sitzung im Bundesrats-Standard (also mit weit auseinander stehenden Pulten) gewesen, nachher ein leichter Zmittag am Platz und ohne Anstossen. Nicht gerade eine aufregende Story für Wutbürger, Staatskritiker und sonstige Nörgler. Entsprechend durchzogen dann das Feedback der 20-Minuten-Leser auf den Hausendorf-Text. Drei Fragen gab es zu beantworten am Textschluss:

  1. Das Thema ist wichtig.
  2. Der Artikel ist informativ.
  3. Der Artikel ist ausgewogen.

Immerhin gegen 1000 Leserinnen und Leser machten mit.

Auch eine Feedbackkultur: Der Leser kann sofort sagen, was er vom Text hält. 

Waren bei Frage 1 noch gut 55% aufseiten des 20-Minuten-Autors, klickten bei Frage 2 schon 62% auf nein, bei Frage 3 gar 69%. Fazit: eine eher unaufgeregte Recherche, die Christoph Mörgelis Thesenjournalismus transparent macht, schiffte bei den Lesern ziemlich ab. Für Lukas Hausendorf wohl eher ein Frust, für Chefredaktor Gaudenz Looser ein Fingerzeig. Der 20Minuten-Leser will Aufreger, keine ausgewogenen Artikel. Und schon gar keine SVP-Rügen.

Tödlicher Aviatik-Cocktail

Die zivile Luftfahrt, die Luftwaffe, die Aufsichtsbehörde und die Medien in der Klüngelwirtschaft. Man will sich nicht wehtun.

4. August 2018, 16:57 Uhr. Eine Ju 52 mit Jahrgang 1939 kracht senkrecht in den Talkessel-Boden vor dem bündnerischen Segnes-Pass.  Die Piloten flogen laut Unfallbericht vom 28. Januar 2021 bewusst so tief, dass eine Umkehr nie möglich war. Diese Missachtung «elementarster Vorschriften» hatte seit Jahren System. Doch niemand hinterfragte in der zurückliegenden Medienberichterstattung das korrupte System, das neben der Ju-Air auch das Bundesamt für Zivilluftfahrt und vor allem die Fliegertruppen der Schweizer Armee umfasst.

Dabei bringt der 83-seitige Bericht Skandalöses zum Vorschein: Bei 30 Prozent der Ju-Air-Flüge wurden elementare Flugsicherheitsvorschriften missachtet. Bei 17 Prozent der Flüge gab es sogar hochriskante Situationen. Von den 27 Piloten der Ju-Air hatten 16 eine Ausbildung als Luftwaffenpilot. Immerhin: Die Verstösse gegen elementare Sicherheitsregeln traten nicht im gesamten Pilotenkorps auf, sondern vornehmlich bei Piloten, die eine Ausbildung als Luftwaffenpiloten aufwiesen. Was hingegen die Rolle der Schweizer Armee in ein noch übleres Licht rückt. Zudem drückte das Bundesamt für Zivilluftfahrt oft beide Augen zu. Bei den Flugkontrollen, aber auch bei technischen Belangen. Ist die Luftwaffe ein Hort von Hasardeuren, ja von Gesetzesbrechern? Ist der BAZL-Chef noch tragbar? Warum gibt es die laut SUST völlig verluderte Ju-Air überhaupt noch? Obwohl es beim Absturz vor zwei Jahren 20 Tote gab, stellen die Medien diese Fragen nicht.

Laue Medienreaktionen

«Pilotenfehler führten zum Ju-52-Absturz», schrieb die NZZ. Die Depeschenagentur: «Hochriskante Flugführung führte zum Ju-Air-Absturz am Piz Segnas».  Der Titel beim Blick: «Totalversagen kostete 20 Menschenleben!» Das Branchenmagazin Cockpit: «HB-HOT: Der Unfallbericht liegt vor.» Das in Deutschland herausgegebene Fliegermagazin: «Unfallbericht zum Absturz der Ju 52 ist vernichtend.» Doch auch hier wird nicht das System kritisiert, der Fokus richtet sich auf die Piloten: «Eklatantes Fehlverhalten der Piloten ist laut der Schweizer Flugunfalluntersuchungsbehörde SUST Ursache für den Absturz der Ju 52.» Als Ausnahme äusserte sich SRF-Moderator und Hobby-Pilot Michael Wegmann online ein wenig mehr im Kontext:

«Eigentlich ist es unverständlich, dass zwei Piloten mit beeindruckender Erfahrung auf Militär- und Linienflugzeugen solch grundlegende Fehler begehen. Sie müssten wissen, dass sie damit sich selbst und die Passagiere in Gefahr bringen».

Allgemein agierten die Medien auffallend zahnlos. Sie akzeptierten Adlaten als Auskunftspersonen statt die verantwortlichen Chefs. Oder fragten gar nicht erst nach. Beim Bundesamt für Zivilluftfahrt durfte der Mediensprecher Auskunft geben, seitens der Ju-Air der externe Medienbeauftragte Christian Gartmann. Beide wählten salbungsvolle Worte auf zahme Fragen. Die Armee musste gar nicht Auskunft geben.

Niemand fragte nach:

Was läuft bei den Fliegertruppen der Schweizer Armee schief? Wie ist es möglich, dass (ehemalige) Offiziere sicherheitsrelevante Vorschriften systematisch umgehen? Ist Bernhard Müller, der Chef der Fliegertruppen, noch tragbar?

Warum kontrolliert das BAZL so unsauber, dass es Tote geben musste? Muss nicht der Chef Christian Hegner die Konsequenzen tragen?

Was lief bei der Ju-Air schief? Warum ist der CEO Kurt Waldmeier nicht längst weg?

Die Medien begnügten sich grösstenteils mit der Wiedergabe der Medienmitteilung der SUST (Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle). Erstaunlich ruhig verhielt sich auch Tamedia. Sonst dank Pia Wertheimer immer bestens informiert mit Details aus der Aviatik. Doch hier gilt: Man kennt sich. Man will sich nicht wehtun.

Oder wie schon Reinhard Mey sang:

Über den Wolken
Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.

Herrlich, wenn man sich auch um so viele sicherheitsrelevanten Vorgaben foutieren kann. Und alle schauen zu.

 

Märchentante NZZ

Auch der NZZ gelingt nicht alles. Ein Bericht über Sansibar ist Fiction statt Facts.

Sansibar ist vielen von der Schullektüre von «Sansibar oder der letzte Grund» bekannt. Dabei spielt die Insel im Roman von Alfred Andersch nur die symbolische Rolle in einem Tagtraum.

So ähnlich muss es auch NZZ-Auslandredaktor Fabian Urech sehen, der schreibt: «Das Märchen von Sansibar als Paradies ohne Corona». Diese Ferndiagnose stellt Urech von seinem coronafreien Homeoffice aus. Als Beleg reicht die Erzählung einer Touristin, «niemand hält irgendwelche Regeln ein», ein Journalist beschreibe die Situation als «skurril».

Plus noch der investigative Durchgriff, Mail an ein Hotel auf Sansibar geschickt, nein, es gebe keine Einschränkungen wegen Corona, sei die Antwort, und: «Willkommen im Paradies!»

Der tansanische Präsident ist dran schuld

Das kann ja nicht mit rechten Dingen zugehen, ist sich der NZZ-Redaktor sicher. Schnell enttarnt er die Wurzel des Übels: den tansanischen Präsidenten. John Magufuli scheint tatsächlich etwas schrullig zu sein. Einerseits griff er unbarmherzig gegen die übliche Korruption durch, sagte die Feierlichkeiten für den Unabhängigkeitstag ab, weil man das Geld besser für den Kampf gegen Cholera brauchen könne.

Andererseits ist er ein Abtreibungsgegner und forderte, mit Gebeten gegen Corona anzukämpfen. Die Pandemie verschwand dann auch wunschgemäss; zumindest wird einfach nicht mehr ständig getestet. Auf der anderen Seite füllen sich die Spitäler (noch) nicht mit infizierten der zweiten Welle. Und die Touristen strömen aus aller Welt herbei, vor allem aus Osteuropa und Russland.

Wohl als eine der wenigen Feriendestinationen der Welt konnten Hotels auf Sansibar vermelden, dass sie über Weihnachten/Neujahr ausgebucht waren. Das alles weckt natürlich Misstrauen im Hause NZZ, «kann das gutgehen»? Natürlich nicht, ist Urech offenbar überzeugt. Aber zuerst muss er ein paar Rückschläge hinnehmen.

Wie findet der Rechercheur endlich eine «kritische Stimme»?

Die Überlastung des Gesundheitssystem sei (noch) nicht eingetreten, muss er einräumen, kritische Stimmen seien rar, weil sich die «Strategie der Regierung» für den Tourismussektor auszahle. «Bisher», merkt Urech an. Das macht es ihm offenbar auch schwierig, lokale Kritiker aufzutreiben: «Kritische Stimmen sind auf Sansibar bisher auffallend rar.»

Blöd aber auch. Wobei: Das Schweigen habe «zum Teil» auch mit «der Angst vor staatlicher Repression» zu tun. Sogar verschiedene NGO wollten sich nicht zu Corona äussern. Aber da geht doch noch was? Sicher, «ein lokaler Gesundheitsspezialist wird expliziter: Hinter vorgehaltener Hand» murmelt er bedeutungsschwer, dass die «Spitäler bei einem merklichen Anstieg der Infektionen rasch an ihre Grenzen» kämen. Das ist natürlich übel und zeigt die ganze Verworfenheit dieser «Hochrisikostrategie».

Denn wo sonst auf der Welt würden die Spitäler unter diesen Umständen schnell an ihre Grenzen kommen? Nirgends, nur auf Sansibar. Dann noch etwas Geunke, dass Afrika zwar recht schlank durch die erste Welle gekommen sei, aber in der zweiten sehe das ganz anders aus.

Niemand weiss nichts Genaues

Dennoch, muss Schreibtischrechercheur Urech einräumen, wie die Lage wirklich dort aussehe, «weiss niemand». Ausser Gott, denn die «sonst eher zurückhaltende» katholische Kirche warnte letzte Woche: «Wir sind keine Insel.» Das trifft auf Tansania, aber nicht auf Sansibar zu.

Natürlich ist der Autor felsenfest von der Richtigkeit seiner Meinung überzeugt (das kann nicht gutgehen), aber er sucht bis zum Schluss nach weiteren Argumenten. Das war wirklich nicht leicht, aber er findet wenigstens ein Körnchen: «Mitte Januar wurden zwei dänische Touristinnen, die aus Tansania zurückkehrten, positiv auf die südafrikanische Corona-Mutation getestet.» Endlich, der Beweis. Nicht nur eine, gleich zwei Touristinnen. Das Ende des Märchens ist in Sicht, es wird kein gutes sein. Aber vielleicht reichen zwei dann doch nicht, überlegt sich Urech, und schliesst mit der spitzen Bemerkung: «Sie dürften keine Einzelfälle sein.»

 

Uns bleibt nur zu hoffen, dass solche Artikel in der NZZ Einzelfälle bleiben. Sehr einzeln.