Das Unsagbare in Bilder gefasst

«Black Earth Rising» ist nur was für starke Nerven.

Ja, die Miniserie erblickte schon 2018 das Licht der Welt. Sie wurde bereits von BBC2 gezeigt. Sie ist schon einige Zeit auf Netflix.

Ich habe sie aber erst vor Kurzem gesehen. Wir leben in abgehärteten Zeiten, und seit Steven Spielberg in «Schindlers List» Juden in die Gaskammern von Auschwitz mit der Kamera begleitete (aber eine akzeptable Auflösung für diesen Tabubruch fand), meinen wir vielleicht, dass schon alles Grauen der Welt in Bilder gefasst wurde.

Wer das Werk von James Nachtwey, Dmitri Baltermanc oder Don McCullin kennt, glaubt vielleicht, dass es zu diesen Schreckenskunstfotos keine Steigerung mehr gibt. Auch das Genre der Antikriegsfilme ist wohlbestückt mit so genialen wie aufrüttelnden Filmen.

Kann man den unvorstellbaren Völkermord in Ruanda verfilmen?

Aber es gibt Ereignisse, die man nicht für adäquat verfilmbar hält. Dazu gehörte für mich der Genozid in Ruanda. In rund 100 Tagen wurden wohl über eine Million Tutsi ermordet. Von einem durch Propaganda, eine Radiostation und finstere Gestalten aufgestachelten Mob. Der Abschuss der Präsidentenmaschine eines diktatorisch regierenden Hutu, der die politische und wirtschaftliche Dominanz der Tutsi gebrochen hatte, die von Uganda aus als Guerilla die Macht zurückerobern wollten, wurde von der Mehrheit der Hutu als Startschuss zu einem in seinem Ausmass unvorstellbaren Massaker genommen.

Mit Macheten, Benzin und Reifen bewaffneter Mob raste, Frauen, Kinder, Alte, Junge, es wurde kein Pardon gegeben. Nachtwey hat wohl das ikonische Bild davon geschossen. Ein Tutsi, dessen Kopf mit langen Narben von den Machetenhieben verunstaltet ist, und in dessen Augen ein unauslöschliches Entsetzen lodert, weil er überlebte.

Ohne Worte und hoffentlich mit Einverständnis von James Nachtwey.

Wie kann man ergründen, wie das möglich war?

Wie war das möglich? Wieso ging die Saat der Hetze gegen die Tutsi und sogar gegen Huti, die nicht für ihre Vertreibung oder Ermordung waren, dermassen schrecklich auf? Reichte wirklich das Hate-Radio «Radio-Télévision Libre des Mille Collines» mit seiner unsägliche Hetze, seinen Aufrufen zum Gemetzel, dazu aus, die Huti (zu 40 Prozent Analphabeten) aufzustacheln und in einen Blutrausch zu treiben?

«Hotel Uganda» versuchte 2004, anhand einer wahren Geschichte die Ereignisse des Völkermords nachzuerzählen. Inklusive des so dramatischen Versagens der Weltgemeinschaft, dass einer der Befehlshaber der UN-Friedenstruppen im Land später Selbstmord beging. Aber «Hotel Ruanda» ist sehr Hollywood. Es gibt die Unschuldigen und die Bösen. Es gibt Helden, und am Schluss geht die Geschichte wenigstens für die Protagonisten gut aus.

«Black Earth Rising» ist ganz anders. Das fängt schon mit der Titelmusik an; einer der letzten Songs von Leonard Cohen, «You want it darker». Näher kann man mit Musik dem Tod nicht kommen. Aber auch nicht der Hoffnung auf Erlösung. Das setzt sich in einem Ensemble fort, das besser nicht hätte ausgesucht werden können.

Ein fantastisches Ensemble von Schauspielern

In erster Linie die unglaubliche Michaela Coel. Sie hat ein dermassen ausdrucksstarkes Gesicht, in dem sich alles auf ihre Augen, ihre Nase, ihre Lippen konzentriert, dass sie mit kühler Gelassenheit und Intellektualität das Grauen viel stärker macht. Und mit ihren (wenigen) Ausbrüchen, wenn sie zum Beispiel einem der ruandischen Kriegsverbrecher in seiner luxuriösen Villa begegnet, der tatsächlich die Stirn hat, ihr sein eigenes Leiden erklären zu wollen, lässt sie den Zuschauer verstört zurück.

Dazu John Goodman, so häufig in seichten Klamaukfilmen besetzt, der hier wieder einmal seine ganze schauspielerische Wucht als englischer Anwalt für Prozesse gegen Kriegsverbrecher ausspielt. Tamara Tuni, sonst in Polizeiserien unterwegs («Law and Order»), Harriet Walter, langjähriges Mitglied der «Royal Shakespeare Company». Bis in die Nebenrollen hinein grossartige Schauspieler, die niemals in den Fehler verfallen, angesichts dieses Themas ihre Rolle aus Betroffenheit zu überspielen. Overacting nennte man das.

Dazu ein fantastischer Drehbuchautor und Regisseur und Schauspieler

Schliesslich noch Hugo Blick, Drehbuchautor und Regisseur. Mir vorher unbekannt, seit dieser 8-teiligen Serie halte ich ihn für Oscar-würdig. Ohne Frage. Worum geht es hier, in der Art von «Der Nachtportier» nach dem Roman von John Le Carré aufgebaut? Es geht um die zufällig überlebende Ruanderin Kate Ashby (Coel), die von einer bekannten englischen Anklägerin vor dem Internationalen Gerichtshof adoptiert und aufgezogen wurde.

Nun arbeitet sie in der Anwaltskanzlei von Michael Ennis (Goodman), zusammen mit einer US-amerikanischen Staatssekretärin und einer ruandischen Nationalheldin ein Freundeskreis, der gemeinsam eine Absicht verfolgt.

In einer Nebenrolle Blick selbst, der sich dafür eine der widerlichsten Figuren ausgesucht hat. Einen englischen Anwalt, der den ruandischen Kriegsverbrecher verteidigt, der sich in Europa zur medizinischen Behandlung befindet und sich völlig sicher fühlt. Obwohl die vier Freunde, die eine gemeinsame Vergangenheit verbindet, seiner habhaft werden wollen. Zusammen mit Coel natürlich, die aber erst Schritt für Schritt eingeweiht wird.

Kein zur Belehrung erhobener Zeigefinger, keine moralische Lektionen

Aufgebaut ist das Ganze wie ein klassischer Thriller. Cliffhanger, Wendungen, Wahrheit wird zur Lüge, Lüge ist Wahrheit, was ist Gerechtigkeit, wer war schuldig, wer nur Opfer? Was für eine Rolle spielten die ehemaligen Kolonialmächte, Frankreich und England, welche Rolle die Coltran-Vorkommen in dieser Gegend, deren Ausbeutung und Wegtransport garantiert werden sollte?

Wer ist nun die von Coel umwerfend gespielte Adoptivtocher? Sie ist Ruanderin, natürlich. Sie wurde in einer Kirche unter einem Leichenberg gefunden, unter ihrer toten Mutter, unter ihrer toten Familie. Als sie dorthin zurückkehrt und die Kirche betritt, die als Mahnmal unverändert gelassen wurde, nur die Leichen wurden weggeschafft, ihre Kleider liegen nun auf den Kirchenbänken, fragt man sich, ob das als Film statthaft ist. Wenn man ein so guter Regisseur wie Blick und eine solche Ausnahmeschauspielerin ist, dann geht das.

Am Ort des Grauens. Aber auch Kate Ashby ist nicht die, die sie zu sein glaubt.

Allerdings brennt sich diese Szene, und nicht nur die, ins Gemüt auch wenig zartbesaiteter Menschen ein. Das kann man mir glauben; ich habe schon Leichenberge in echt gesehen.

Die Darstellung der Wirklichkeit als komplex macht den Film einzigartig

Grossartig machen den Film auch die geschliffenen Dialoge, gnadenlos, direkt, faszinierend. Nicht minder grossartig macht den Film, dass es kein Schwarzweiss gibt. Nirgends. Nicht bei den ehemaligen Kolonialmächten, wo es aufrechte Kämpfer für Gerechtigkeit und üble Schurken gibt, die keine alten Schuldgeschichten aufwärmen wollen. Und selbst die aktuelle Präsidentin von Ruanda akzeptieren, obwohl die sich verfassungswidrig zum zweiten und dritten Mal wiederwählen lassen will.

Weil sie der festen Überzeugung ist, dass nur sie das Land heilen kann, statt in die Vergangenheit zurück in die Zukunft führen, mit Hilfe westlicher Konzerne endlich die Profite aus dem Abbau von Rohstoffen in die Kasse Ruandas lenken. Dabei begleitet von einem Mastermind, einem sehr intelligenten Ratgeber. Man kennt sich schon lange, war auch einmal ein Paar. Aber auch er ist nicht das, was er zu sein scheint.

Nicht mal bei den Hutu und Tutsi sind die Rollen klar verteilt, es gab auf beiden Seiten Kriegsverbrecher und Massenmörder. In dieser Serie wird es dem Zuschauer nicht so leicht gemacht, dass er mit den Helden mitfiebert, um sie am Schluss glorreich triumphieren zu sehen. Im Gegenteil. Kaum etwas ist so, wie es am Anfang scheint, die Chefanklägerin samt einem anderen Kriegsverbrecher, den sie anklagt, der aber keiner ist, werden erschossen. Die übrigen Protagonisten werden von Krankheiten geplagt, die Hauptfigur ist schwer traumatisiert, muss ihre Ausbrüche mit Medikamenten unterdrücken.

Es geht darum: Die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit ist gut. Selbst wenn sie schmerzhaft und traumatisch ist. Selbst wenn sie vieles als Lüge aufdeckt, was vorher als sichere Wahrheit galt. Aber: Wie viel Wahrheit verträgt der Mensch? Eine Gesellschaft? Wie kann man sich wieder versöhnen?

Wie kann man einen Völkermord verfilmen?

Auch zur Frage, wie er denn die Ursache des Traumas der Protagonistin darstellen soll, den Völkermord selbst, das Gemetzel, die rot gefärbten Flüsse, in denen wochenlang Leichen trieben, ist Blick eine grossartige Lösung eingefallen. Denn wie sollte er auch das von einem französischen Priester mitzuverantwortende Gemetzel in seiner Kirche filmen, dem die Filmfigur nur aus purem Zufall entkam; schwer verletzt, eigentlich auch dem Tod geweiht. Wenn nicht Zufälle, die das Leben bestimmen, sie gerettet hätten?

In Form einer Erzählung? In Form von fiktiven Szenen in einem Gerichtssaal? Oder gar real, sozusagen ein Blick in die afrikanische Ausgabe des KZ-Grauens? Nein, er hat sich für etwas anderes, Besseres entschieden. Diese Szenen sind schwarzweiss gezeichnet. Mit Symbolkraft, die durchaus an die Wirkung der Schauspieler heranreicht.

Der Moment ihrer Rettung unter den Leichen.

Ich finde: Wer sich für eine grossartig gemachte, gespielte, gefilmte, spannende und vielschichtige Darstellung eines unvorstellbaren Grauens interessiert, der muss unbedingt «Black Earth Rising» anschauen. Kleiner Ratschlag: mehr als zwei Folgen am Stück sollte man sich nicht antun. Dann braucht man eine Pause.

Die Gier von Ringier

Ahnungslose Leser übertöppeln – why not?

Das unterbietet sogar die Output-Leistung der «Republik»: In den letzten 15 Jahren veröffentlichte die «Konferenz der ChefredaktorInnen» genau 6 (sechs) Stellungnahmen und andere Zuckungen. Der Präsident des Vereins ist Ringier-Chefoberchefchefwuff Christian Dorer. Im Jahre 2007, da war Dorer vermutlich noch in der Primarschule, gab die Konferenz «Empfehlungen zum Umgang mit bezahlter Werbung» ab.

Die Konferenz empfiehlt: «Jede Form von Sponsoring muss deklariert werden.» Das war vor 14 Jahren. Heute heisst es: «Jede Form von Sponsoring könnte im Prinzip, sofern möglich und durchsetzbar, theoretisch und zu einem gewissen Prozentanteil deklariert werden.» Ein schönes Beispiel ist der Jubelartikel von Blick über einen Lautsprecher von Braun.

 

Wer auf den Artikel klickt. landet auf die Ringier-Seite daskannwas.ch. Gemäss Impressum finanziert sich die Seite durch Werbung, Partnerschaften und Affiliate-Links. «Wenn Sie Produkte über Links von Daskannwas.ch kaufen, unterstützen Sie das Portal finanziell.» Blickleser finanzieren also den Verlag, wenn sie ahnungslos auf den vermeintlichen redaktionellen Text klicken. Gemäss Anzeigenliste verdient Ringier pro Klick etwa 3 Rappen. CPM (Cost per Mille) bedeutet die Kosten für 1000 Einblendungen einer online Werbeanzeige.Wird der Artikel 100’000 angewählt, resultiert aus dem Geklicke knapp 3000 Franken.

Ringier schreibt auf Anfrage: «Die Produkttests sowie die Vergleiche sind nicht bezahlt, da dies dem Grundsatz der Plattform – ehrlich und unabhängig zu testen – widersprechen würde.» So ein Geschäftsmodell wäre auch zu auffällig. Es geht vor allem um den Link im Text, der zum Hersteller leitet:

 

Maske raus, Maulkorb runter

Den Jungmillionären und «Masken-Schnöseln» muss man eins lassen: ihre Lernkurve ist sehr steil.

«Zürichberg-Kids machen Millionen mit Masken.» Wie so oft bringt «Inside Paradeplatz» mit seinem unermüdlichen Aufdecker Lukas Hässig als erster diese Meldung. Und legt eine Woche später, am 18. Juni 2020, nochmal nach, als sich die beiden zwei Luxusschlitten kaufen.

Der böse Verdacht: Zwei Jungunternehmer machen das Geschäft ihres Lebens mit dem Import und überteuerten Verkauf von Gesichtsmasken. Dabei nützen sie die übliche Unfähigkeit von staatlichen Behörden aus, die panisch Schutzmasken kaufen wollen. Ist ja das Geld des Steuerzahlers, daher bietet zum Beispiel die Schweizer Armeeapotheke bis zu 10 Franken. Für eine Maske.

Durch diese Verkäufe, in der Schweiz, aber auch in Europa, vor allem nach Deutschland, sollen die beiden Dutzende von Millionen verdient haben. Pro Nase. Also wie auf dem Serviertablett: zwei moralfreie Dealer verdienen sich am Schutzbedarf für die Bevölkerung zwei goldene Nasen. Skrupellos, rücksichtslos.

Leid schamlos ausgenutzt?

Am 30. Juli vermeldet der «Blick»:

«Brandanschlag gegen SVP-Masken-Millionäre».

Linksradikale bekennen sich dazu: «Damit bestrafen wir die dort ansässige Emix Trading und ihre Besitzer dafür, das Leid vieler schamlos ausgenutzt zu haben, indem sie durch überteuerte Maskenverkäufe an den Bund dick Kasse gemacht haben

Ende Januar 2021 stochert der «Tages-Anzeiger» nach: «Schweiz zahlte Millionen für nutzlose Masken». Auf der Packung steht «FFP2», das Gütezeichen für bessere Schutzmasken. Nur: der ägyptische Hersteller sagt auf Anfrage, dass er niemals solche Masken hergestellt habe und auch kein Zertifikat einer italienischen Prüfstelle beantragt hätte.

In der offensichtlichen und nicht falschen Annahme, dass öffentliche Gegenwehr zuerst gut organisiert werden muss, sollte sie etwas bewirken, gehen die beiden Inhaber der Handelsfirma Emix nun in eine sorgfältig geplante Offensive.

Zuerst CH Media, dann die NZZ

Zuerst kam Henry Habegger zum Handkuss. Er schreibt heute für CH Media, nachdem er bei Ringier gefeuert wurde, als Opfer eines der ganz wenigen Machtkämpfe, die Frank. A. Meyer verlor. Habegger erzählten die beiden die Geschichte ihrer Firma. Eine typische Tellerwäscher-zum-Millionär-Story.

Parallelimporte von Coca-Cola, Verteilung an Pizzerien und Döner-Buden im Kleinwagen. Dann Kontakte nach China, Exporte von Schweizer Produkten. Es ging Schritt für Schritt aufwärts. Schliesslich die Pandemie, die beiden setzten alles auf eine Karte. Bauten eine Lieferkette auf, mieteten ganze Frachtmaschinen für den Transport in die Schweiz.

Mr. Corona Daniel Koch sagte damals zuerst tapfer, dass die Verwendung von Schutzmasken in der breiten Bevölkerung nichts bringe, ihre Wirkung sei nicht erwiesen. Eine letzte Schrecksekunde, denn hätte Emix die Masken nicht verkaufen können, wären sie pleite gewesen.

Natürlich seien sie zutiefst betroffen von der Anschuldigung, auf Kosten der Not der Menschen einen Riesengewinn gemacht zu haben. Natürlich war der Kauf von Luxusauto eine jugendliche Übersprungshandlung, verständlich, aber von der Wirkung her fatal. Aber: sie seien schliesslich voll ins Risiko gegangen, hätten als fast einzige liefern können, und was da für ein Stress dahinter gestanden sei, unvorstellbar. Habegger notierte und berichtete, als alter Boulevard-Hase, mit dem Titel: «Jetzt reden die «Masken-Schnösel»».

Die NZZ rollt den ganz breiten Teppich aus

Nicht gerade ein voller Erfolg, aber man kann ja nachlegen. Dazu bietet sich – who else – die NZZ an. Riesenstory im Blatt mit Riesenfoto, online ohne Bezahlschranke lesbar. «Sind sie Helden, Schurken oder einfach nur clevere Unternehmer?», fragt sich das NZZ-Team Linda Koponen und Jan Hudec. Sie Jungredaktorin, er schon länger im medizinischen Themenbereich unterwegs.

Kommentierte Chronologie, also die CH-Media-Story nochmals ausführlicher ausgebreitet, und dann natürlich noch das Interview. Rund 300 Millionen Masken hat Emix nach Europa verkauft. Bei einer behaupteten Marge von 20 bis 30 Prozent und Verkaufspreisen von bis zu knapp 10 Franken, man rechne.

Aber ihr Geld haben sie nicht nur für Luxusautos rausgeworfen; diesmal empfangen sie die NZZ in ihrem Hauptquartier in Zug, wohin die Firma natürlich gezügelt ist. So wie ihre Inhaber nach Freienbach, zwei Niedrigsteuergebiete. Sie sind von gleich zwei Anwälten umrahmt. Der eine ist der Wirtschaftsanwalt Peter Ackermann, der die beiden 23-Jährigen schon länger begleitet und juristisch berät.

Der jammert über die Medien, dass deren «Berichte meinen Ruf wahrscheinlich unwiderruflich zerstört» hätten. Nur: Was für einen Ruf? Laut seiner Berufserfahrung ist er seit 2021 «Investor und Verwaltungsrat», bei Emix natürlich. Weitere rechtliche Beaufsichtigung des Gesprächs ist die Aufgabe der Medienanwältin Rena Zulauf.

Sportliche Honoraransätze treffen auf tiefe Taschen

Sonst für ihre Feldzüge beispielsweise in Sachen Jolanda Spiess-Hegglin bekannt, für die sie vor Kurzem beim Zuger Obergericht eine gewaltige Klatsche einfing. Aber Zulauf ist auch für ihre sportlichen Honoraransätze bekannt, und das dürfte bei Emix überhaupt kein Problem sein. Im Gegensatz zu ihrer Mandantin Spiess-Hegglin. Zulauf sieht weder Widerspruch noch Problem: «Ich vertrete Personen und Unternehmen bei erfolgten oder drohenden medienrechtlichen Grenzüberschreitungen.»

Zulauf tut auch energisch etwas für ihr Geld. Als «Inside Paradeplatz», schliesslich der Aufdecker dieses Falles, sich mit ein paar Fragen an die beiden Jungunternehmer wendet, bekommt der Blog einen Feuerstoss als Antwort. Aber Lukas Hässig ist sich garstige Reaktionen von Finanzhäusern gewohnt. Wobei Zulauf hier schon an die Grenze der putativen Notwehr geht:

«Meine Klientschaft behält sich zivil- und strafrechtlich Schritte aus unlauterem Wettbewerb und Persönlichkeitsrecht, insbesondere – aber nicht ausschliesslich – Schadenersatzansprüche wegen entgangenem Gewinn, gegen Inside Paradeplatz GmbH und Sie persönlich ausdrücklich vor und wird rechtliche Schritte gegebenenfalls ohne Vorankündigung einleiten», so die Anwältin auf Fragen an die Emix-Leute. Es ging darum, wie viel genau die Emix-Unternehmer mit der Schweizer Armee eingenommen hatten und wie viel mit Deutschland.

Auch das sieht Zulauf anders: «Die rechtliche Belehrung stand im Kontext vorangehender fehlerhafter Berichterstattung, bei der neben einer verlangten (und publizierten) Gegendarstellung auf rechtliche Schritte verzichtet worden war.»

Inzwischen ist eine Strafuntersuchung eingeleitet

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Zürich ein Strafverfahren gegen Unbekannt im Zusammenhang mit Schutzmaskenverkäufen der Emix Trading eröffnet. Dabei dürfte auch die Strafanzeige wegen Wuchers eines Luzerner Anwalts eine Rolle spielen.

Die NZZ listet aufrecht alle Vorwürfe auf, die zurzeit um die beiden Jungmillionäre schwirren. Die dürfen sich selbst in einem möglichst guten Licht präsentieren: «Wenn wir die Masken ohne Risiko nach Europa gebracht und mit hoher Marge durch überhöhte Preise verkauft hätten: Dann könnte ich die Kritik nachvollziehen. Führt man sich jedoch vor Augen, dass unser Gewinn durch vorausschauende Verhandlungen bei Einkauf und Logistik und durch das riesige Volumen zustande gekommen ist, habe ich keine Sekunde ein schlechtes Gewissen», lässt sich einer der Beiden zitieren. Aber:

«Wir haben uns alles selbst erarbeitet und auf Freunde und Freizeit verzichtet, um an diesen Punkt zu kommen

An welchen Punkt? Man merkt dem Artikel deutlich an, dass sich die beiden Autoren nicht wirklich entscheiden können. Eben: Helden, Schurken oder clevere Unternehmer? Man weiss nicht, ob man es im heutigen Gesinnungs- und Positionsjournalismus begrüssen oder bedauern soll, dass die Antwort der NZZ ist: Das kann man so oder so oder so sehen.

Stöhlker im tiefen Tal vor hohen Bergen

Der Mann wird dieses Jahr 80. Leider hat auch er den Moment verpasst, wo’s dann mal gut ist.

Das erste Mal hörte ich den Namen Stöhlker, als Elisabeth Kopp ins Kreuzfeuer der Medien geraten war. Man konnte nicht mehr mit der bald einmal Alt-Bundesrätin direkt kommunizieren, sondern wurde an einen Klaus J. Stöhlker verwiesen. «Beratung, Öffentlichkeitsarbeit», das war 1988 in der Schweiz was Neues.

Bis heute pflegt Stöhlker sein deutsches Schweizerdeutsch, das jeden Eidgenossen die Wände hochtreibt. Um Sympathiepunkte ging es ihm nie, typisch deutsche Arroganz und Besserwisserei verbarg er nie. Genauso wenig, dass er zu eigentlich allem sofort eine Meinung hat, die natürlich die einzig richtige ist.

Sein Geschäftsprinzip, mal erfolgreicher, mal weniger, war immer: man muss mich nicht mögen. Aber wenn man mich braucht, liefere ich. Lange Zeit war er auf seinen Gebieten konkurrenzlos, bis immer neue Heerscharen von um ihre Zukunft fürchtenden Journalisten auch die Einkommensquelle «kommunikative Beratung jeder Art» entdeckten.

Mit der Zeit wurde es voller beim Angebot von Beratungen

Die Konsulenten und Co. über ihm, Katastrophen-Sacha Wigdorovits unter ihm, die Angebote wucherten, aber Stöhlker hielt sich über Wasser. Bis er dann 2003 seinen Söhnen Fidel und Raoul die Geschäftsleitung übergab, um sich der Rolle des «grumpy old man» zu widmen. Als grantiger, griesgrämiger Kommentator der Weltläufe und der Schweiz. Sozusagen Waldorf und Statler in einer Person, aus der Loge ins Publikum motzend. Aber nur selten so witzig wie die Zwei.

Was ihn auch auszeichnet, ist die Pflege seines Images als unguided missile. Da ohne eigene Haltung, entschied er sich oftmals spontan für eine Position. Unvergesslich, wie das Markus Gilli bei einem Talk recht ins Schwitzen brachte. Er hatte Stöhlker als Verteidiger des Finanzplatzes Schweiz eingeladen, mich als Bankenkritiker. Aber schon mit seinem ersten Votum schlug sich Stöhlker auf meine Seite und gab mir völlig recht.

Leider konnten die Zuschauer das lange Gesicht von Gilli nicht sehen, der dann – als gewiefter Talkmaster – halt selber die Rolle des tapferen Verteidigers der Gierbanker übernehmen musste. In Stereo beharkt von Stöhlker und mir.

Soft-Rassimus gegen einen eloquenten Deutschen

Es gibt allerdings ein Thema, bei dem entgleist Stöhlker schnell. Als vor einigen Jahren Roger Schawinski in seiner Talkshow die naheliegende Frage stellte, ob die Wahl der Vornamen seiner beiden Söhne vielleicht etwas mit den Gebrüdern Castro zu tun haben könnte, wurde Stöhlker unwirsch. Denn darauf wird er zwar häufiger angesprochen, verweigert aber jede Erklärung. Als ihn Schawinski daran erinnerte, dass Stöhlker wegen «unlauterer Geschäftsmethoden» aus dem Schweizer PR-Verband ausgeschlossen wurde, feuerte Stöhlker zurück, dass das eine Art von Soft-Rassismus sei, gegen einen eloquenteren Deutschen. Und überhaupt, Schawinski diskreditiere doch wegen seiner Herkunft laufend Moslem und Araber.

Als Schawinski dies klar dementierte und nachhakte, worauf sich Stöhlker beziehe, meinte der wichtigtuerisch, er habe dazu viele Belege in seinem Dossier über Schawinski. Sozusagen ein Klein-Cincera, ältere Semester erinnern sich noch. Schawi, verständlicherweise hartnäckig, hakte nach und verlangte diese Unterlagen. Stöhlker teilte ihm schliesslich lapidar mit, es gebe gar keine solchen Dossiers. Dazu Schawinski: «Ich empfand sein Verhalten als schändlich. Das war’s für mich. Ich wollte mit diesem Typen nie mehr etwas zu tun haben.» Vergangen, aber die Beschreibung ist nötig, um es mit Stöhlkers heutiger Darstellung zu vergleichen.

Deutsche und Juden, bis heute ein schwieriges Verhältnis

Man könnte den Mantel des Vergessens, die Gnade der späten Geburt über einen Ausraster Stöhlkers legen. Wenn er nicht kürzlich sich ohne Anlass oder Not des Themas Juden wieder angenommen hätte. In einer – gelinde gesagt – absonderlichen Art. So schreibt er auf «Inside Paradeplatz»: «Einer der bekanntesten Juden in Zürich ist Roger Schawinski, der Radio- und TV-Pionier. Seine freche und manchmal beleidigende Interviewtechnik machte ihn zur Kultfigur. Er holte mich für mehr als ein Jahrzehnt in die beste Talksendung der Schweiz, den «SonnTalk» von TeleZüri. Wir lieferten uns Schlachten.»

Schon hier ist alles drin, was den Text – und damit Stöhlker – unter Verdacht stellt. Denn Schawinski ist nicht «einer der bekanntesten Juden», sondern einer der bekanntesten Medienunternehmer, Publizisten, Talkmaster. Gleichzeitig kann’s Stöhlker nicht lassen, sich in Eigenlob zu baden. Grundfalsch, wie so oft bei Stöhlker, ist auch seine Behauptung von «mehr als ein Jahrzehnt» Sonntalk. Schawinski war nur sieben Jahre, von 1994 bis 2001, Besitzer und Chef von Telezüri. Stöhlker sass nur während eines Bruchteils dieser Zeit in einer regelmässigen Runde mit Schawinski und Peter Rothenbühler.

Nun muss man wissen, dass das Verhältnis von Deutschen zu Juden bis heute ein ganz anderes ist als das von Schweizern. Dass Schawinski jüdischen Glaubens ist, hat er nie ins Schaufenster gestellt oder im Sinn der Nazikeule verwendet. Also zum Austeilen von Beschimpfungen wie «das ist brauner Antisemitismus» oder «ich darf das so sagen, ich bin Jude». Erst in seiner Autobiographie geht er auf dieses Thema ein.

Stöhlkers Meinungsstück ist überschrieben mit «Kein Platz mehr für Juden im Saastal». Dessen Einwohner hätten «erneut ein Zeichen gesetzt, dass jüdische Touristen in der Schweiz nicht unbedingt willkommen sind».

Das könnte man noch als Kritik an dieser Haltung verstehen. Aber Stöhlker streut noch weitere Beispiele in den Text, als letztes eins aus Crans-Montana: «Der Besitzer der dortigen Bergbahnen, einiger Hotels und vieler Wohnungen, ist ein tschechischer Hedge Fund-Manager jüdischen Glaubens, der laufend im Konflikt mit den Behörden steht.»

«Die aus New York eingeflogenen Sänger waren Weltklasse»

Von diesem reichen und konfliktiven, ausländischen Juden wechselt Stöhlker dann nach Zürich. Dort lobt er zuerst deren «brillanten Köpfe in der Wissenschaft, als Unternehmer oder Künstler». Als Rückversicherung erwähnt er noch: «Immer wieder besuchte ich mit meiner Frau Kulturanlässe konservativer Juden in Zürich. Die jiddischen Lieder sind grossartig. Die aus New York eingeflogenen Sänger waren Weltklasse.» Ein gerne verwendetes Argument: Ich mag schwarzen Blues, wie kann ich da Rassist sein?

Auch hier entgleist ihm das Lob, «die aus New York eingeflogenen Sänger», man hat’s ja, als Jude. Dann die «Golan-Höhen» im Zürcher Enge-Quartier, der staunende Gast in jüdischen Protzvillen: «Jeder einzelne Raum ist von einer Pracht, die auch am reichen Zürichberg immer weniger anzutreffen ist.»

Sie sind halt auch ewige Wanderjuden: «Sie kommen aus aller Welt in unsere Berggebiete und erwarten, dass man auf sie eingeht. Niemand sollte erwarten, dass sie auf uns eingehen. Sie, die Frauen vor allem, tragen gerne Vollkörper-Badeanzüge im Pool. Sie essen nur koscher. Das gefällt nicht allen unseren Hoteliers und Wirten. Solche, die sich nicht gerne umstellen.»

Respekt und Toleranz, dann geht das schon mit den Nachbarn

Am Schluss dann ein Aufruf zu «Respekt und Toleranz», der in Zürich wie im Wallis erschalle und ein optimistischer Blick in die Zukunft: «Dann gehören die Konflikte zwischen der Grüezi- und der Koscher-Kultur bald der Vergangenheit an.»

Aber nur, wenn Stöhlker, wie viele Deutsche, die noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren wurden, zu diesem Thema die Schnauze hält. Nicht weiter grund- und sinnlos so ziemlich alle Klischees bedient, die das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden bis heute schwierig machen. Obwohl Stöhlker sich als Schweizer versteht und so auch die ewige Einleitungsfrage von Schawinski «wer sind Sie?» beantwortete, ist er beim Thema Juden ein in der Wolle gefärbter Deutscher. Mit welcher Farbe, das kann jeder Leser selbst entscheiden.

Packungsbeilage: René Zeyer publiziert gelegentlich auf «Inside Paradeplatz» zu wirtschaftlichen Themen.

Noch mehr langweilige CH-Filme dank «Lex Netflix»?

Geld ist selten ein guter Geburtenhelfer. Siehe «Republik».

Der Schweizer ist ein kompliziertes Wesen. Vom Wesen ein Bergler, vom Temperament ein Eisblock, vom Humor eine Amöbe. Das macht ihn etwas unberechenbar. Für gesichert gilt aber, dass der Schweizer Kinofilme aus seiner Heimat nicht mag. 2019 schafften es nur zwei helvetische Filme in die Top 30, das zeigt die akribische Datenlese von Pro Cinema. Es sind dies: «Zwingli» und «Bruno Manser».

Der Bund will das ändern und schlägt mit der «Lex Netflix» eine der absurdesten Umlenkungssteuer vor, die es wohl je gegeben hat. Ausländische Streaming-Dienste wie Netflix sollen verpflichtet werden, einen Teil ihrer Einnahmen in das Schweizer Filmschaffen zu investieren. In der vergangenen Herbstsession zeigte sich der Nationalrat einverstanden damit. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Quote senkte er aber von 4 auf 1 Prozent. In der Frühjahrssession wird der Ständerat darüber beraten.

Die Prozentanteile, um die gerungen wird, schenken ein: 4 Prozent des Schweizer Umsatzes von Netflix entsprechen 28 Millionen Franken.

Dass den Schweizer Verlegern diese Idee von Umverteilung bisher nicht in den Sinn gekommen ist, sagt schon alles über die Schweizer Medienkrise. Warum nicht 10 Prozent der Einnahmen von «Spiegel», «Hürriyet» und «Stricken mit Lisa» in die Kassen der Schweizer Redaktionen abzweigen?

Weniger lustig finden das die Schweizer Buchverlage. Sie kritisieren gegenüber Zackbum die ungleichen Spiesse. Alleine 2019 erhielt die Schweizer Filmförderung 52 Millionen Franken, wie aus dem Jahresbericht des BAK hervorgeht. Hinzu kamen übers Jahr verteilt knapp 100 selektive Filmförderungen in Millionenhöhe. Nicht eingeschlossen die vielen Fachgremien, Jury- und Ausschussmitglieder, die auch zulangen dürfen. Gemäss einem Insider verpulverte der Bund in der Vergangenheit bis zu 300 Millionen Franken in die Sparte Film. Beim Kulturgut Buch werden kleinere Brötchen gebacken: Die Verlagsförderung des Bundes beträgt für alle Verlage zusammen nur 1,6 Millionen Franken.

Im Unterschied zu den Schweizer Filmen, die im Ausland fast nie laufen, beträgt der Anteil der Schweizer Bucherlöse allen in Deutschland 3 Prozent. Und während der Schweizer Filmmarkt in den Kinos jährlich etwa 150 Millionen Franken umsetzt, sind es im Schweizer Buchmarkt: 900 Millionen.

Die Hauptkritik richtet sich aber an die Idee, dass mit mehr Geld die Schweizer Filme besser werden. Ein Schweizer Verleger, der auch ungefragt Scripts zum Lesen bekommt, erzählt, dass er immer wieder solche «Granaten-Drehbücher» erhalte: «Vergewaltigtes kroatisches Mädchen flüchtet in die Schweiz auf die Alp und gründet eine Selbstverteidigungsgruppe.»

Er rät dem Ständerat, die Netflix-Zwangsabgabe nicht zu verbeamten. Das viele Geld soll darum nicht in die weitgefächerte Filmförderung gehen. Netflix soll selber damit Schweizer Produktionen produzieren. «Dann hätten wir bessere Filme, mehr Zuschauer und vielleicht sogar die Chance eines Auslandsmarktes. Abgesehen davon keine Verwaltungskosten, keine verfilzten Filmjuries, die alle Mittel untereinander aufteilen, sondern ganz normale Marktgesetze.»

Dramatischer Rückgang beim «Persönlich»-Newsletter

10’000 weniger Abonnenten innerhalb zwei Jahren

Das «Online-Magazin für Entscheider und Meinungsführer» hat gemäss Mediadaten innerhalb eines Jahres ein Viertel seines Abonnentenstamms verloren: Zählte der Verlag 2020 noch 20’000 Leser, waren es 2021 plötzlich nur noch 15’000. 2019 soll die Reichweite sogar 25’000 betragen haben. Die Daten sollen von der mittlerweile deaktivierten Online-Forschungsstelle NET-Matrix stammen, die aber gar keine Statistik über Newsletter führte.

Die hohe Abmelderate von 25, beziehungsweise 20 Prozent wirft Fragen auf. Studien gehen bei Newslettern von einer durchschnittlichen Rate von 0,1 Prozent aus. Die wenigsten stellen einen Newsletter ab. Er kostet ja auch nichts. Warum aber soll die Abmelderate beim Persönlich-Newsletter 250 Mal höher sein? Und weshalb soll die «Auflage» überhaupt geschrumpft sein? 2020 war doch das Jahr der Online-Magazine. Waren die 25’000 im Jahr 2019 und die 20’000 im Jahr 2020 vielleicht zu hoch gegriffen? Das wäre unschön für die gutgläubigen Inserenten gewesen.

Der tägliche Newsletter ist für den Verlag nämlich sein wichtigstes finanzielles Standbein. Bis zu 2500 Franken kostet ein einziger Werbebanner im daily Newsletter. Dafür gibts eine Viertelseite im Persönlich-Magazin, das aber nur zehn Mal im Jahr erscheint. Der Chefredaktor,  Matthias Ackeret, wollte leider keine Stellung nehmen.

 

Knatsch zwischen Personalkommission und Tamedia

Es war zu erwarten. Die Vorstellungen liegen «weit auseinander».

Das «Berner Modell» mit den beiden Tamedia-Zeitungen «Berner Zeitung» und «Bund» ist bald Geschichte. Nach Inland, Ausland, Wirtschaft und Sport werden ab April 2021 auch der Lokalbund, regionale Kultur, Berichte über Berner Sportvereine und die lokale Wirtschaft zentral produziert. Unterschieden wird grosso modo nur noch die Titelseite. Etwas, was seit Anfang Jahr schon die Bündner Zeitung und das Bündner Tagblatt praktizieren. Eine ähnliche Fusion – vorerst im Regionalen – kommt sehr bald auch bei den Tamedia-Zeitungen im Grossraum Zürich: Tages-Anzeiger, Landbote, Zürichsee-Zeitung und Zürcher Unterländer legen ihre Regionalredaktionen zusammen. Dass es Entlassungen geben wird, ist ein offenes Geheimnis, auch wenn das der neue «Regio-Chefredaktor» Benjamin Geiger kürzlich im SRF-Medientalk etwas kleinreden wollte.

Sozialplan kommt, das spricht für eine Massenentlassung

Tamedia bestätigt nun gegenüber ZACKBUM: «Der Sozialplan wird bei allen betroffenen Mitarbeitenden zur Anwendung kommen.» Sprich: Es wird einen Sozialplan geben. Kenner sind überzeugt, dass Tamedia, respektive die TX Group unter Pietro Supino, nur dann eine soziale Ader entwickeln, wenn es nicht anders geht. Und das bedeutet Folgendes: Bei Entlassungen kommt nur dann eine gesetzliche Sozialplanpflicht zur Anwendung, wenn der «Arbeitgeber ab einer Grösse von 250 Arbeitnehmern innert 30 Tagen mindestens 30 Arbeitnehmern aus Gründen kündigt, die in keinem Zusammenhang mit ihrer Person stehen».

Auch wenn Tamedia immer etwas anderes zu sagen versucht: Es steht ein Kahlschlag bevor.

Zackbum weiss gemäss einem internen Schreiben: Momentan geht’s bei den Verhandlungen der Personalkommission mit Tamedia «konkret um die Höhe der Leistungen, also um Abgangsentschädigungen und Unterstützungen bei der Frühpensionierung». Dabei seien bei den bisherigen Verhandlungen einzelne Verbesserungen erreicht worden. Trotzdem «liegen die Vorstellungen der Arbeitgeberin und Mitarbeiter noch weit auseinander».

Es gebe sogar einen Dissens über das grundsätzliche Konzept eines Sozialplans.

Wenn es so weitergeht, will man innerhalb der Belegschaft eine Umfrage machen, was die Position der Tamedia wohl nicht stärken wird. Vor allem, wenn die Resultate des Stimmungsbarometers nach aussen dringen. Ziel sei nach wie vor,  «innert nützlicher Frist einen unterschriftsreifen Sozialplan zu haben. Wir sind aber noch mehr daran interessiert, einen Sozialplan zu erreichen, der diesen Namen verdient», so der Wortlaut der Peko im Schreiben.

Laut Mediensprecherin Nicole Bänninger (sie ist auch stellvertretende TX-Group-Konzernsprecherin) will sich Tamedia (noch) nicht in die Karten blicken lassen.

Den überschaubaren Fragenkatalog von ZACKBUM.ch beantwortet Bänninger «thematisch zusammengenommen», wie sie schreibt.

Wissen Sie schon, wieviele Stellenprozente wegfallen in Zusammenhang mit der Fusion BZ und Bund, sowie Regionalredaktion Tagi/ Landbote/ ZSZ und Zürcher Unterländer? Wie ist der Zeitplan des Abbaus?
Dazu können wir noch keine Aussage machen. Wir versuchen, notwendige personelle Massnahmen soweit wie möglich über Fluktuation, interne Verschiebungen oder andere Anschlusslösungen zu vollziehen. Für die von einer Kündigungen betroffenen Mitarbeitenden kommt ein übergreifender Sozialplan zur Anwendung.

Wie beurteilen Sie die Verhandlungen mit dem Personal in dieser Causa? Bis wann rechnen Sie damit, dass ein Sozialplan steht? Gibt es schon Details, wie hoch sich die Abgangsentschädigungen und die finanziellen Unterstützungen bei Frühpensionierungen belaufen?  
Es finden regelmässige Verhandlungssitzungen mit der Personalkommission statt. Der Austausch ist vorwiegend konstruktiv, es liegt jedoch in der Sache der Natur, dass die Vorstellungen zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgeberin nicht immer identisch sind. Es geht uns nicht primär darum, die Verhandlungen so rasch wie möglich abzuschliessen, sondern die von einem Stellenabbau betroffenen Mitarbeitenden mit einem guten Sozialplan bestmöglich unterstützen. Inhaltliche Details können wir vor Abschluss der Verhandlungen nicht geben. Der Sozialplan wird bei allen betroffenen Mitarbeitenden zur Anwendung kommen.

Honi soit …

… qui mal y pense. Aber muss man beschämt sein, wenn man schlecht über die NZZ denkt?


Es ist nicht bekannt, ob der NZZ-Chefredaktor Erik Gujer Träger des Hosenbandordens ist. Aber dieser Devise scheint er nachzuleben.

Die Franzosen haben’s erfunden, die Engländer angewendet.

Es begab sich nämlich und trug sich zu: Herr und Frau Gujer mögen ein Hotel bei Dornbirn namens Rickatschwende. Das ist weder anrüchig noch verboten. Der genaue Name des lauschigen Luxushotels ist «F.X. Mayr Health Retreat». Denn nach der weiterentwickelten Methode von Mayr wird hier auch eine Fastenkur angeboten. Für schlappe 3778 Euro aufwärts pro Nase kann man sich eine zweiwöchige «Auszeit für die ganzheitliche Regeneration von Körper, Geist und Seele» gönnen.

Portemonnaie und Körper fühlen sich erleichtert.

Verständlich, dass der Chefredaktor der immer noch bedeutendsten Zeitung der Schweiz, mit Expansionsgelüsten nach Deutschland und gebeutelt vom Werberückgang, ab und an genau das braucht. Verständlich, dass das auch seine Gattin braucht. Die war schon einige Male in diesem Hotel, allerdings nicht im Mayr-Programm, aber dann probierte sie es aus – und war begeistert.

Wer kann dem schon widerstehen? (Screenshots Hotel-Homepage.)

Gerne schildert Gujer seine Erfahrungen

Gerne schildert das Gujer in aller Ausführlichkeit in einem Interview. Frage: War das Ihr erstes Mal? «Ja, es war das erste Mal, auch wenn meine Frau und ich schon öfters in der Rickatschwende waren, allerdings im Nicht-Kurbetrieb, einfach um die Ruhe dort zu genießen. Wie so oft sind es die Frauen, die mutiger sind, also hat meine Frau zuerst eine solche Kur absolviert.

Sie kam recht begeistert zurück, also beschloss ich, es auch einmal zu versuchen.»

Woher das die Weltöffentlichkeit weiss? Nun, ein deutlich tiefenentspannter Gujer verrät das «Mayr», dem Hausmagazin des Hotels:

Ein fastender Chefredaktor ohne Leidensmiene.

Als Berufsinsignien vor sich die NZZ und – erstaunlich – die Süddeutsche; vielleicht war gerade keine FAZ zur Hand. Neckisch ragen aus der Tasse die Blätter eines Pfefferminzstengels, denn gesund ist’s hier.

Auch das könnte man noch als lässliche Sünde sehen, halt etwas eitel, der Herr, und wenn man schon mit österreichischem Charme fragt, wer kann da widerstehen. Ausserdem darf er natürlich auch gewichtige Worte zu Mensch und Werk äussern.

Das Leben ist nicht nur ein Fluss, sondern auch voller Zufälle

Es begab sich auch und trug sich ebenfalls zu, dass in der Samstagausgabe der NZZ vom 13. Februar 2021 ein ganzseitiges Interview mit dem «Kurarzt Wolfgang Moosburger» erschien. Genauer: mit dem «Chefarzt im Rickatschwende F. X. Mayr Health Retreat». Interviewerin ist Claudia Schwartz, die im Ressort Gesellschaft auch die vorherige Seite füllt. Mit einem Bericht über «Viel mehr als nichts essen». Besonders, was sie ausdrücklich und lobend erwähnt, im Selbstversuch ausprobiert im Hotel Rickatschwende.

Zufälle aber auch. Denn zufällig ist Schwartz die Gattin von Gujer. Wir fassen also zusammen. Familie Gujer hat schon einige Male geruhsame Ferien in einem Hotel verbracht. Auf Anregung seiner Gattin lässt sich Gujer auch zu einer Zweiwochenkur überreden (weniger bringt nichts, meint er im Interview). Davon so begeistert, gewährt er dem Hotel-Blog gnädig ein Interview. Nach der Devise: Sie werden nicht mit ekligen Fragen belästigt, dafür sagen Sie nur nette Sachen über uns.

Dann erscheint ein Zweiseiten-Stück in der NZZ, bei dem das Interview mit dem Chefarzt auch in diesem Geist geführt wird. Eingeleitet von einem Artikel, der die Kur, die Methode und das Hotel in den höchsten Tönen lobt. Geschrieben von der Gattin Gujers. Selbst wenn man nicht im Traum daran denkt, dass sich Familie Gujer so eine Rechnung für den Aufenthalt erspart hat (obwohl das doch so rund 8800 Franken gewesen sein dürften): hat das ein Geschmäckle oder nicht? In der NZZ? Er Chefredaktor, gewährt Interview im Hotelblog, sie seine Gattin, schreibt in der NZZ über eben dieses Hotel?

Wie du mir, so ich dir.

Es antwortet die NZZ-Kommunikationsverantwortliche

Die entsprechenden Fragen leitet da Ehepaar Gujer an die Kommunikationsverantwortliche weiter. Zunächst sei dieser Beitrag der Abschluss «einer Reihe zum Thema Ernährung». «Basierend auf einer persönlichen Erfahrung während eines (selbstverständlich selbst berappten) Ferienaufenthaltes beschreibt Frau Schwartz darin die F.-X.-Mayr-Kur.» Wie schon eine andere Autorin vor ihr habe Schwartz eben einen persönlichen Erfahrungsbericht geliefert, was die Erwähnung von anderen Hotels mit diesem Angebot ausschliesse. Es handle sich «entsprechend nicht um einen gesponserten Tourismus-Artikel».

Das Interview mit Gujer sei davon völlig unabhängig und auf Anfrage der Hotelleitung entstanden. Es sei Teil einer Reihe, wo «Persönlichkeiten, die in Jobs mit hohem Stressfaktor tätig sind, zu ihrem Umgang damit befragt werden».

Vor Gujer waren das der weltbekannte Schauspieler Sebastian Koch und der längst vergangene «Zukunftsforscher» Matthias Horx. Nun, da ist das Niveau mit Herrn Gujer aber gewaltig gestiegen.

Beantworten, was nicht gefragt wurde

Natürlich: «In keinem dieser Fälle ging es um «Gegengeschäfte».» Hat auch niemand behauptet. Das ist die übliche Masche; man beantwortet eine Frage, die gar nicht gestellt wurde, um einer gestellten Frage auszuweichen. Die lautete, ob man all das in der NZZ für statthaft halte, eine weitere: «Wir wissen wohl alle, dass nicht nur das Tatsächliche, sondern auch der Anschein eine wichtige Rolle spielt; vor allem, was die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit einer redaktionellen Berichterstattung betrifft. Glauben Sie, dass dieser Anschein hier gewahrt wurde?»

Fast kongenial antwortet der Geschäftsführer des Hotels in diesem Sinne: «Für Fragen zur Berichterstattung der Neuen Zürcher Zeitung wenden Sie sich bitte direkt an die NZZ.» Was ich getan habe, aber meine fünf unbeantworteten Fragen ans Hotel hatten damit nichts zu tun.

Honi soit qui mal y pense, kann man da nur sagen. Alles normal, alles legal, alles in Ordnung. Kann man so sehen. Muss man nicht so sehen, denn oberhalb des klar Verwerflichen gibt es auch noch Grauzonen. Mit denen die NZZ kein Problem zu haben scheint. Als grosser Aufreger wird im Lead des Gujer-Interviews «schon zu Beginn verraten: Er hält sich nicht für unabkömmlich». Gut zu wissen.

 

 

 

Diese Sorgen möchte man haben

Andreas Kunz, Redaktionsleiter der Sonntagszeitung, enerviert sich.

«Statt teure Strategien und neue Organigramme zu erarbeiten, sollte sich der Detailhändler auf die kleinen Sachen konzentrieren», schreibt die Nummer 2 der Sonntagszeitung hinter Arthur Rutishauser.

Recht hat er. Hinschauen, sich für die Probleme im Alltag einsetzen. Die sogar gegenüber Lidl tiefen Verkäuferinnenlöhne. Der Alkohol- und Zigaretten-Verkauf beim Migros-Partner Voi. Das energetische Klumpenrisiko bei Migrol. Alles «kleine» Themen, die unter den Nägel brennen, und für die ein Sonntagsblatt die ideale Plattform wäre.

Aber nein. Andreas Kunz interessiert sich für etwas ganz anders. Aber nicht einmal für die vielen überflüssigen Plastikverpackungen. Nein, ganz auf dem Egotrip für eine ganz spezielle Verpackung. Für ihn «das Beispiel für die Lieblosigkeit der Migros im Umgang mit ihren Produkten ist diese elende blaue Kilopackung Meersalz, deren durchsichtiges Plastik-Sichtfenster früher oder später immer reisst – sodass sich das verdammte Salz beim Spaghettikochen jedes Mal über den ganzen Küchenboden verstreut».

Andreas Kunz hat zu diesem wirklich skandalösen Problem sogar eine Umfrage gemacht «bei Freunden und Bekannten». Sein Fazit: «Das doofe Sichtfenster reisst bei allen. Und alle kämpfen mit der gleichen Sauerei.»

Das rot umrahmte Sichtfenster soll immer reissen. Dem Autor, der auch solches Salz benutzt, ist das aber noch nie passiert. 

Die Vorstellung, dass sich irgendwelche gut bezahlten Redaktionschefs täglich mit der Salzsauerei auf ihren blitzblanken Böden beschäftigen müssen, ist schier unerträglich. Denn darunter leiden offensichtlich die Inhalte der Zeitungen. Dabei ist Salz ein ganz gefährlicher Stoff. Salz, von Experten Natriumchlorid genannt, kann sehr schädlich sein. Darum werden in einschlägigen Magazinen die vielen Fertigprodukte, etwa von der Migros (Anna’s Best) oder von Coop (Betty Bossi) kritisiert. Denn sie haben zuviel Salz drin. Eine solche Mahlzeit, und fast schon hat man den täglichen, maximalen Salzbedarf intus. Das Darüberhinaus sorgt für erhöhte Nierenbelastung und ungesund hohen Blutdruck. Und schlussendlich sterben wir alle.

Am besten verzichten Andreas Kunz und seine Kollegen künftig ganz auf Salz. Und konzentrieren sich auf brennendere Probleme dieser Welt.

«Blick» endlich weiblicher

Um ein Prozent. Weiter so!

Der «Blick» hat ein Problem: Sein typischer Leser ist zu männlich, zu alt und verdienen tut er auch nicht gut. In den letzten fünf Jahren hat sich dieser Trend akzentuiert, trotz sämtlichen Bemühungen, urbane und gutverdienende Frauen anzusprechen.

Das zeigt ein Fünfjahresvergleich. Der Anteil der Ü55-Leser betrug 2016 37 Prozent. Fünf Jahre später ist fast jeder zweite Leser (46 Prozent) über 55 Jahre alt. Der Anteil gutverdienender Leser (über 8000 Franken Monatslohn) ist dafür in den letzten fünf Jahren von 39 auf 36 Prozent gesunken. Es gibt aber auch Erfolge zu vermelden: Männer machen nur noch 61 Prozent der Leserschaft aus. 2016 waren es ein Prozent mehr.

12345 ist einerseits eine schöne Treppenzahl, andererseits ist sie auch die Zahl der Abos, die der Blick durchschnittlich pro Jahr verliert: 2015: 157’671 Abos, 2020: 95’944 Abos. So tief war die Auflage seit knapp 60 Jahren nicht. Ringier erzielt nun 24,6 Millionen Franken weniger Aboeinnahmen als vor fünf Jahren. Oder in anderen Worten: Den Blick verlassen jeden Tag knapp 34 Abonnenten. Hält dieser Trend an, kündigt am 8. Oktober 2028 der letzte Leser sein Blick-Abo. Wahrscheinlich wird es dann ein männlicher Abonnent gewesen sein.

Hoffen wir nicht, dass es soweit kommt. Denn wenn die Auflage schmilzt, passieren merkwürdige Dinge. Die Stimmung in der Redaktion kippt, das Weihnachtsgeschenk ist ein Verlagsbuch, und die Putzfrau kommt seltener. Theoretisch müssten bei sinkendender Auflage auch die Werbetarife angepasst werden. Aber nicht beim Blick. Obwohl die Anzahl der Abonnemente um 40 Prozent einbrach, kostet eine Seite Werbung immer noch 26’200 Franken. So viel wie im Jahr 2016. Der in der Werbung gängige Tausend-Leser-Preis stieg von 41 Franken (2016) auf 67 Franken (2021). Ein Unternehmen muss also 67 Franken bezahlen, um 1000 Leser zu erreichen.

Immerhin, die Blick-Leser sind gescheiter geworden. Nur noch 25 Prozent haben lediglich neun Jahre an der Schule verbracht. Bei der letzten Messung waren es 27 Prozent. Hoffentlich sassen auch die Inserenten nicht länger auf den Schulbänken.