Gang ans Obergericht verursacht bei Spiess-Hegglin ein Minus von 20’000 Franken

Die einzigen Gewinner sind die Anwälte.

Ein jüdischer Klassiker, etwas abgeändert: Jossele Moskowitsch ist die Flucht in die Schweiz gelungen. Jetzt steht er zum ersten Mal vor einer Selecta-Maschine. Jossele wirft sein ganzes Vermögen in die Maschine und drückt jedes Mal auf den Knopf für den Schwangerschaftstest maybe-baby. Seine Frau ruft entsetzt: «Jossele, was machst du für einen Stuss. Unser ganzes Geld!» Ihr Mann antwortet: «Schrei doch nicht so. Siehst du nicht, dass ich immer gewinne?»

Jolanda Spiess Hegglin hat auch gewonnen, so betrachtet sie das zumindest. Und so schreiben das auch ihr gleichgesinnte Journalisten. Es geht um das Urteil des Obergerichts Zug, I. Zivilabteilung, vom 18. August 2020 in Sachen Jolanda Spiess-Hegglin gegen Ringier AG betreffend Schutz der Persönlichkeit.

Ob sie wirklich richtig steht, sieht man, wenn das Licht angeht. Werfen wir darum den Scheinwerfer auf das Wichtigste, auf das Geld. Analysiert man das Obergerichtsurteil, sieht es schlecht aus für Spiess-Hegglin. Das Obergericht hiess nämlich die Berufung der Ringier AG teilweise gut und reduzierte die Höhe der Genugtuung von 20‘000 auf 10’000 Franken. Wegen den jährlich anfallenden Zinseszinsen (5%) seit dem 24.12. 2014 ist der Verlust sogar noch höher.

Weiterzug ans Bundesgericht noch offen

Das Obergericht auferlegte neu Spiess-Hegglin 1200 Franken an die Verfahrenskosten der 1. Instanz (Kantonsgericht). Auch die damalige Parteienentschädigung wurde von 21‘190 auf 12‘715 Franken gekürzt.

Das Berufungsverfahren bürdete Spiess-Hegglin aber neue Kosten auf: Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens von 10‘000 Franken werden zu einem Fünftel (= 2‘000 Franken) Spiess-Hegglin auferlegt. Von Ringier erhält sie eine reduzierte Parteientschädigung von 7‘980 Franken.

Fassen wir zusammen: Das Urteil des Obergerichts führt bei Spiess-Hegglin Mindereinnahmen von 19’675 Franken: geringere Genugtuung, geringere Parteientschädigung, teilweise Kostenübernahme bei den Verfahrenskosten. Für die beiden langwierigen Prozesse kriegt Jolanda Spiess-Hegglin unter dem Strich: 27‘495 Franken. Man muss davon ausgehen, dass das nicht einmal die Anwaltskosten deckt.

Der Gang zum Bundesgericht steht beiden Parteien allerdings noch offen.

Kurt W. Zimmermann: «Zackbum ist zu destruktiv»

Kurt W. Zimmermann nervt sich an der Hysterie

In den Fluren der Schweizer Verlage läuft der Sensemann. Jetzt geht es nicht mehr um Stellenstreichungen. Die Schweizer Illustrierte wird zersägt, CNN Money Switzerland ist gekillt und sogar der frühere Golden Boy «20 Minuten» soll auf das Schafott gelegt werden. Herr, im Himmel, womit haben wir das verdient? Die Frage geht an Kurt W. Zimmermann.

Zackbum: Herr Zimmermann: froh, nicht mehr 25 zu sein?

Kurt W. Zimmermann: Nein. Ich wäre gerne wieder 25. Es war exakt das Alter, als ich erstmals einen Vertrag als fest besoldeter Redaktor bekommen habe, bei der «Weltwoche» unter Hans. O. Staub. Journalismus hat wie damals auch heute eine hübsche Zukunft.

Was erleben wir momentan in der Medienszene?

Viel Hysterie und viel Apokalypse. Das ist überspannt. Von unseren vier grossen Verlagen TX Group, Ringier, CH Media und NZZ hat im ersten Halbjahr 2020 kein einziger einen operativen Verlust gemacht. Nein, sie haben in dieser Zeit zusammen über 70 Millionen an operativem Gewinn eingefahren. Ende Jahr wird es vermutlich das Doppelte sein. 140 Millionen Jahresgewinn mitten in der Corona-Krise – das hätte ich denen nicht zugetraut. Unsere Branche ist ganz gut in Form.

Ist das jetzt nicht etwas gar rosig dargestellt?

Die Zahlen zählen, und die sind besser als erwartet. Aber ich verstehe, warum derzeit alle lieber am Schwarzmalen sind. Von linken Online-Portalen wie der Republik bis zu bürgerlichen Verlagen wie CH Media sind nun alle scharf auf die lockenden Subventionen des Bundes. Wenn Du an die Staatskohle heranwillst, musst Du heulen und zähneklappern. Sonst wird das nichts mit der staatlichen Errettung aus dem Elend.

Welche Weichen hätten denn die Verlage vor der Jahrtausendwende stellen müssen?

Hinterher ist jeder schlau. Aber unsere Zeitungsverlage hätten schneller erkennen müssen, dass ihre früheren Goldgruben der Kleinanzeigen ins Internet abwandern. Hätten sie damals mehr in diese neuen, digitalen Handelsformen investiert, vielleicht auch international, dann stünden sie heute noch besser da. Leider realisierten sie das erst mit zehn Jahren Verspätung.

Was nervt Sie mehr: das Jammern der Medienleute oder all die neuen Geschäftsideen?

Jammern ist in unserem Gewerbe eine folkloristische Tradition. Als ich ums Jahr 2000 bei Tamedia war, haben auch alle gejammert, obwohl wir damals mit dem Geld, von den Redaktionen bis zu den Spesen, nur so um uns geworfen haben. Und neue Geschäftsideen gibt es in unserer Branche praktisch keine. Wir haben ja nur eine einzige Geschäftsidee. Wir kommen zu Geld, indem wir brauchbare Informationen an ein Publikum liefern. Alles andere sind Variationen davon.

Welche Medientitel wird es auch in 20 Jahren geben?

Vermutlich gibt es dieselben Angebote, die es vor 20 Jahren schon gab. Das sind die traditionellen Tageszeitungen und Gratisblätter, die bewährten Zeitschriften und die etablierten TV- und Radiokanäle. Wahrscheinlich erscheinen manche Titel nicht mehr gedruckt sondern nur noch online. Aber bei den grandiosen Endgeräten, die wir im Jahr 2040 nutzen werden, wird das kein grosser Unterschied mehr sein.

Und welche nicht?

Wie immer wird Kokolores verschwinden. Es sind ja seit Jahrzehnten, ausser bei Fusionen, kaum je gut eingeführten Medienmarken aus dem Markt verschwunden. Ausnahme ist die sozialdemokratische Presse, die von ihrer Partei ruiniert wurde. Verschwunden sind immer nur diese Eintagsfliegen, die auf einen scheinbaren Trend oder Zeitgeist aufspringen wollten. Ein gutes Beispiel ist etwa das nun eingestellte SI Style, das ein paar Jahre auf der Lifestyle-Welle surfen wollte, bis die Welle versandete. Oder nehmen Sie die Totgeburt CNN Money. Die Besitzer waren zwei Brüder aus der Baubranche in Bangladesch, die von der Polizei gesucht werden und die das Finanz-Fernsehen in der Schweiz erfinden wollten. Dass solch kurzsichtige Setups mittelfristig schief gehen, ist auch in Zukunft die Regel in unserem Geschäft.

Und was machen wir von Zackbum falsch?

Ich glaube, Zackbum ist zu destruktiv. Wenn ich Euch lese, dann besteht die überwiegende Mehrheit in den Medienhäusern aus Deppen, Nieten, Gaunern und Versagern. Ein solcher Ansatz ist kaum marktfähig. Ich würde diese Strategie überdenken. Denn schreiben, keine Frage, das könnt Ihr.

 

Mit zugehaltener Nase zu lesen

Mir wurde geraten, die Tweets von Jolanda Spiess-Hegglin anzuschauen. Das hätte ich nicht tun sollen.

Nach den ersten drei, vier Duftmarken wollte ich eigentlich einen resümierenden Kommentar schreiben. Aber dann wurde es mir übel; daher lasse ich es bei einer kommentarlosen, repräsentativen Zusammenstellung bewenden. Mitsamt den «usual suspects», die Spiess-Hegglin gerne retweetet.

So sieht also die Respektierung von Menschenwürde und Privatsphäre aus. Diese selbstgerechte Heuchelei verfault in der Gesinnungsblase unter Luftabschluss:

Der nachtragende Heuchler, Teil zwei

Nach «20 Minuten» und «watson» nun «bajour»

Hier geht es zum ersten Teil.

Matthias Zehnder und Hansi Voigt machten via «Medienzukunft» der «Stiftung für Medienvielfalt» ihr Projekt schmackhaft, wobei sie die armen Schweine der «TagesWoche» ausstachen. Also macht Voigt jetzt etwas, was er niemals mehr machen wollte: Er ist Co-Geschäftsleiter und Co-Chefredaktor.

So kann bajour.ch stolz vermelden, dass es von der «Stiftung für Medienvielfalt» mit jährlich einer Million gefüttert wird, ebenfalls von der Basler Christoph Merian Stiftung, die sich sonst um Kultur und wertvolle Einrichtungen wie das «Männerbüro» oder die «Suchthilfe» kümmert. Als «Eventpartner» sind eine Weinbar, eine Glacemarke und ein Mineralwasser aufgeführt.

Damit alles seine Ordnung hat, schickt Matthias Zehnder seine Antwort auf die Frage eines Journalisten gleich per cc an die Anwaltskanzlei Kellerhals Carrad; die gehört zu den «grössten und traditionsreichsten Kanzleien der Schweiz». Da werden wir beim Zitieren natürlich kein Komma verändern:

«Hans Voigt und ich haben vom Verein («Medienzukunft», Anm. R.Z.) den Auftrag erhalten, ein Onlinemedium für Basel zu konzipieren und mit Konzept und Businessplan um die Million der Stiftung für Medienvielfalt zu pitchen. Diesen Pitch haben wir gewonnen. Deshalb hat der Verein Medienzukunft Basel Bajour gegründet. Geplant war die Gründung einer gemeinnützigen AG, das ist im Kanton Basel-Stadt aber nahezu ausgeschlossen. Deshalb hat der Verein Medienzukunft Basel den Verein Bajour als operative Gesellschaft für das Medium gegründet. Der Verein Medienzukunft Basel ist also der Trägerverein von Bajour. Hansi ist im fünfköpfigen Vorstand, ich bin Präsident von Bajour.»

Und da soll noch einer sagen, es sei schwierig, in den Basler Daig vorzustossen. Man kann zudem Gönner von bajour werden oder schlichtweg in den «Recherchierfonds» oder anderweitig oder für Kultur spenden. Kein Wunder, Sugimoto weiss noch von der «Republik», dass die «Medienvielfalt» auch gerne für Kultur, also den Aufbau eines «Feuilletons» in der «Republik» oder den Aufbau des Internetauftritts bei der Ostschweizer Kultur-Publikation «Saiten», spendet.

Die einsamen Member von bajour

Aber eigentlich will bajour.ch «Member» dafür begeistern, 40 Franken im Jahr abzudrücken. Früher fand Voigt noch 100 Franken eine realistische Zahl, aber vielleicht hatte er da die Millionenunterstützung noch nicht im Sack.  Für die Member hat es extra einen Zähler im roten Streifen oben links auf der Homepage. Und der zählt und zählt, aber nicht sehr lange. Denn er kommt auch bei verschiedenen Besuchen nicht weiter als auf 1575.

Da Voigt wieder mal Geschäftsführer ist, rechnen wir mal für ihn. Bajour beschäftigt alles in allem 10 Mitarbeiter. Bei Schweizer Löhnen, Arbeitgeberbeiträgen, und so weiter sind das mal 100’000 im Monat, 1,2 Millionen im Jahr. Infrastruktur, Honorare und so weiter gar nicht gezählt.

Lassen wir auch die unbekannte Zahl von Gönnern und Spendern beiseite. Die Member steuern also rund 62’000 Franken bei. Schluck. Und unter 1600, nach einem halben Jahr und viel Trara, au weia. Aber solange gilt: Oeri zahlt ja, ist da kein Anlass zur Panik. Zumindest die nächsten zweieinhalb Jahre. Das entspricht ja auch der üblichen Halbwertszeit von Voigt.

Die Zukunft schon fest im Blick

Wie plant er seine fernere Zukunft, nach dem Abgang von bajour? Keine Bange, der Tausendsassa hat dafür die GmbH «dasnetz.ch» gegründet. Auch hier wollte Voigt offensichtlich nur ungern die Macht teilen. Bei Gründung gab es fünf Gesellschafter mit je 4000 Franken Einlage, wobei der Basler Piero Guicciardi den Geschäftsführer machte.

Dann räumte Voigt auf, inzwischen kontrolliert er die GmbH mit 67 Anteilen, sein Mitstreiter Caspar Zollikofer ist der einzige Überlebende des Gründungsteams, mit 66 Anteilen. Die werden à 100 Franken ausgewiesen, was nach Adam Riese 13’300 ergibt; sind von den zur Gründung einer GmbH nötigen 20 Mille schon knapp 7000 verröstet worden?

Wie auch immer, Voigt brüstet sich hier mit einer beeindruckenden Liste von Referenzen, und zudem hat er ja ein neues Betätigungsfeld gefunden. Er engagiert sich für Jolanda Spiess-Hegglin. Angeblich ohne Honorar, allerdings auch ohne Sachverstand.

Lesen sollte er schon können

So jubelt auch er, wie der gesamte Fanclub, dass Spiess-Hegglin auch vor dem Obergericht gegen den «Blick» gewonnen habe. Voigt muss ja nichts von Zahlen verstehen. Jurist muss er auch nicht sein. Aber lesen sollte er schon können. Er muss sich dabei gar nicht in die umfangreiche Urteilsbegründung vertiefen, ein Blick auf die Pressemitteilung des Zuger Obergerichts, der zweiten Instanz in diesem Fall, hätte genügt. Denn dort schreibt es in aller Deutlichkeit, es «weist die Berufung von Jolanda Spiess-Hegglin vollumfänglich ab».

Also ein vollumfänglicher Sieg, wenn man eine vollumfängliche Niederlage aus der Perspektive von alternativen Fakten betrachtet. Der Berufung des Ringier-Verlags wurde hingegen in den meisten Punkten entsprochen. Lediglich der zentrale Vorwurf, es habe sich um eine Persönlichkeitsverletzung gehandelt, bei der auch kein öffentliches Interesse geltend gemacht werden könne, wurde aufrecht erhalten.

Mit genauso wenig Sachverstand behauptet Voigt, dass der «Blick» nun die Gewinne aus seiner «illegalen» Berichterstattung herausgeben müsse. Aber wer Niederlage nicht von Sieg unterscheiden kann, kann noch viel weniger einen Zivil- von einem Strafprozess unterscheiden.

Zauberwort Gewinnherausgabe

Aber eigentlich geht es Voigt ja nur um das Zauberwort «Gewinnherausgabe». Dazu hat er, selbstverständlich honorarfrei, ein «Gutachten» erstellt. Denn Spiess-Hegglin betritt Neuland, indem sie auch die Gewinne von Online-Artikeln verlangt. Und da kam Voigt, auf abenteuerlichen Wegen (und obwohl ja auch der zweite Beteiligte in fast allen Artikeln vorkam) auf mindestens eine runde Million.

Aber hallo, da erhebt sich natürlich die Frage, wieso er selbst bei «watson» ein Millionengrab hinterliess, wenn es so einfach ist, im Internet Geld zu verdienen. Aufgrund dieser Berechnungen dürfte Spiess-Hegglin das Angebot zur Güte des Verlags abgelehnt haben: 150’000 Franken und eine Entschuldigung.

 

Fortsetzung folgt.

Hansi Voigt bekam einen umfangreichen Fragenkatalog und üppig Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Aber wie Angstbeisser teilt er gerne aus, steht aber nicht seinen Mann. Die wiederholte Anfrage blieb unbeantwortet.

Tagblatt: «Was würden Sie vorschlagen?»

Das «Tagblatt der Stadt Zürich» ist die älteste Zeitung der Schweiz. 290 Jahre. Das Tagblatt hat einen guten Mix zwischen amtlichen Mitteilungen und eigenproduzierten Geschichten. Für Lokaljournalisten in der Stadt sind die Meldungen über Liquidationen, Baugenehmigungen und Todesanzeigen Pflichtlektüre.

Im Tagblatt wimmelt es von Kolumnistinnen und Kolumnisten. Sie verdienen kleine Brötchen. Mit Freizeitkolumnisten hat man fast immer Probleme: sie schreiben schlecht, liefern zu spät und werden ranzig, wenn man ihre Texte kürzen muss.

Bei der Kolumne «Die Angelones» kommt noch ein weiteres Problem auf, das leider auch für andere Kolumnisten gilt: Sie machen Werbung für Produkte, und niemand ahnt etwas davon.
Auf ihrer Facebook-Seite schreibt Rita Angelone zum Beispiel einen herzigen Werbetext für die «tolle ZVV-Freizeit-App». Sie deklariert den Text auch schön brav mit «Bezahlte Partnerschaft» .

Ein paar Tage jauchzte sie in ihrer Tagblatt-Kolumne über die witzige App mit den tollen Preisen. Dass sie Geld für ihre Partnerschaft mit der ZVV erhält, erfahren die 110‘000 Leserinnen und Leser des Tagblatts nicht. ZACKBUM.ch wollte von der Chefredaktorin Lucia Eppmann mehr über die Hintergründe erfahren. Die E-Mail blieb unbeantwortet. Dafür reagierte Rita Angelone:

Ihre Rückmeldung ist für mich und für das Tagblatt sehr wichtig. (…) Vielleicht haben Sie auch eine Idee oder einen Vorschlag, wie man solche Fälle besser und klarer angeht? Solche Themen gar nicht mehr weiter behandeln? Oder mit einem Vermerk? Was würden Sie vorschlagen?

Vier naive Fragen, eine klare Antwort: «Die Leser sollen einfach nicht verarscht werden.»

Der nachtragende Heuchler

Gegen Hansi Voigt ist ein Wendehals ein charakterstarker Vogel.

Hansi Voigt weiss gestern schon, was morgen geschehen wird. So führte er eine Kolumne in der WoZ über «Die Medienzukunft». Hier spielte er sich als der grosse Medienkenner auf, verteilte harsche Hiebe an alle anderen und wollte wissen, dass Tamedia ihre Zeitungen für eher schlappe 500 Millionen Franken zum Verkauf angeboten habe (Artikel gelöscht).

Dabei liess er sich vom Leitbild jedes schlechteren Journalisten führen: mach dir durch eine Nachfrage beim Betroffenen ja nicht deine Story kaputt. Das fand Tamedia überraschungsfrei nicht komisch und reichte Klage ein. In eigener Sache sofort beleidigt, mopste Voigt: «Kommunikation per Klageandrohung.» Dabei dachte Tamedia wohl bloss: Wenn du vor einem solchen Quatsch nicht mit uns sprichst, dann sprechen wir auch nicht mir dir.

Seit 2017 wird «20 Minuten» nicht mehr gedruckt

Seinen hellseherischen Muskel stellte Voigt früh unter Beweis: «20 Minuten wird noch vier Jahre gedruckt, dann ist Schluss.» Das wusste er schon Anfang 2013. Diese falsche Prognose hatte sicherlich nichts damit zu tun, dass Voigt wenige Monate vorher einen internen Machtkampf verloren hatte, niemals bereit wäre, eine Co-Chefreaktion zu akzeptieren und zu seiner Überraschung auf die Forderung «er oder ich» die Antwort bekam: er, du nicht. Nachtragend sprach er dann von «Verseichtungs-Strategie» im Hause Tamedia, und lobte sich selbst: «Ethische Fragen gehören zu deiner alltäglichen Arbeitspraxis, und du kannst Verantwortung nicht delegieren.»

Also zog Voigt ein Haus weiter und überzeugte Peter Wanner davon, dass ein Gratis-Online-Magazin ohne Printversion die gewinnträchtige Zukunft des Journalismus sei. Schon 2013 fantasierte er davon, dass «watson» vielleicht schon im nächsten Jahr in die schwarzen Zahlen komme. Vorsichtshalber sagte er aber nicht, in welchem Jahr genau. Stattdessen entwickelte sich «watson» zu einem Millionengrab und ist heute noch der Einstellung wohl näher als schwarzen Zahlen.

Nachdem auch Peter Wanner die Geduld mit ihm verlor, erfolgte 2016 nach drei Jahren der nächste Abgang. Wanner sagte damals, offensichtlich schwer genervt, Voigt seine leeren Versprechungen geglaubt zu haben: «Wir wollten Geschäftsführer und Chefredaktion trennen. Voigt nicht.»

Kleine Schrecksekunde im «Medienclub»

Denn er weiss: Wenn der Geschäftsführer was taugt, dann schaut er die Finanzen sehr genau an. Wenn er Voigt heisst, eher weniger. So locker er mit dem Geld von anderen umgeht, so genau schaut er auf sein eigenes. Deshalb gründete er zuerst die Fixxpunkt AG, die als Herausgeberin von «watson» figurierte und bei der Voigt bis zu seinem Abgang im Verwaltungsrat sass. Wodurch er dann seinen Anteil versilbern konnte. Starke Leistung, für ein Millionengrab noch Geld zu bekommen.

Eine veritable Schrecksekunde erlebte Voigt dann in einem Medienclub des Schweizer Fernsehens im Mai 2019. Dort spielte er sich nicht mehr als der grosse Medienguru auf, aber verwandelte sich in einen moralischen Zeigefinger, mit dem er gegen die meisten Medien fuchtelte, ungeheuerlich, was da im Fall Spiess-Hegglin abgegangen sei.

Einen kurzen Moment sprachlos war er dann aber, als der vorbereitete Moderator ihn fragte, wie er diesen U-Turn erklären könne, da bei «20 Minuten» doch auch ziemlich geholzt wurde, nur nicht gegen eine arme Frau, sondern einen reichen Millionenerben. Das gehe ihn eigentlich nichts an, errichtete Voigt schnell eine Verteidigungslinie, das habe sich ja im Print abgespielt, nicht online.

Der Indikativ ist ein Konjunktiv

Daraufhin warf ihm Kurt W. Zimmermann in seiner Medienkolumne vor, dass das schlichtweg gelogen sei. Und zitiert aus dem Urteil des Bundesgerichts: 4 von 6 nicht statthaften Artikeln seien online publiziert worden, mit «schweren, unhaltbaren Vorwürfen». Ein harmloses Muster: «Wie Hirschmann Mädchen flachgelegt haben soll.»

Dabei ist ja wohl auch noch ein Sprutz Frauenverachtung. Wie auch immer, schriftlich angefragt, wusste Voigt, was es nun braucht: Volle Verantwortung übernehmen und «ich entschuldige mich hiermit persönlich und nachträglich». Das hat er von Bill Clinton und anderen Schlingeln gelernt. Zuerst abstreiten und kleinreden, wenn kein Ausweg mehr bleibt, kommt die tapfere Entschuldigung.

Aber auch das konnte Voigt natürlich nicht auf sich beruhen lassen; in der Hoffnung auf das Vergessen behauptete er später, die Entschuldigung sei nur im Konjunktiv erfolgt, und überhaupt, Zimmi fahre da eine Kampagne gegen ihn. Bedauerlich, dass der Chefredaktor und Medienkenner Indikativ und Konjunktiv nicht auseinanderhalten kann.

Eine Million abholen

Jetzt wird’s einen Moment kompliziert. Sein Verhältnis zu Tamedia und CH Media darf man wohl als zerrüttet bezeichnen. Bei Ringier kriegt er auch keinen Fuss in die Türe, die NZZ hat vermieden, den Fehler einer Anstellung oder Beratung durch Voigt zu machen. Wohin also?

Da kam wie gerufen, dass die Basler «TagesWoche», eigentlich nur als Anti-BaZ gegründet, trotz Millionenspenden einer Pharma-Erbin nach vielen Skandalen, aber wenig öffentlicher Aufmerksamkeit, gerade verröchelt war.

Aber die «Stiftung für Medienvielfalt» wollte weiter fröhlich Geld unter die Leute bringen. Also lobte die Stiftung eine Million jährlich aus, mindestens für drei Jahre, danach in der gleichen Höhe, wie die selbst generierten Einnahmen eines neuen Medienprojekts.

Schön, dass man ein Netzwerk hat

Natürlich bewarben sich einige, darunter auch die arbeitslos gewordene Crew der «TagesWoche» selig. Und der «Verein Medienzukunft Basel». Im Vorstand sitzen unter anderen Susanne Sugimoto, Geschäftsführerin  des Theater am Neumarkt in Zürich und Mitbegründerin der «Republik». Und Guy Krneta, «Autor und Mitbegründer von «Rettet Basel».

Das war nach dem Besitzerwechsel bei der «Basler Zeitung» gegründet worden. Denn nun musste Basel vor Christoph Blocher gerettet werden. In diesem Kampf veröffentlichte «Rettet Basel» Hetzartikel über den damaligen Chef der «BaZ»: Der sei «ein Hassprediger im Leerlauf», ein «Schriftleiter von Blochers Gnaden». Leider funktioniert der Link zum ganzen Artikel nicht mehr, also weiss man nicht, was «Rettet Basel» dazu getrieben hat, mit dem Wort «Schriftleiter» Assoziationen zum Dritten Reich in Deutschland herzustellen.

«Rettet Basel» röchelt nur noch vor sich hin, seit nach Blocher die Zürcher Tamedia die BaZ geschluckt hat. Aber es gibt ja immer einen neuen Verein, eben «Medienzukunft Basel». Und der unterstützt den Verein «Bajour». In dessen Vorstand sitzen Matthias Zehnder als Präsident und Hansi Voigt.

 

Fortsetzung folgt.

Hansi Voigt bekam einen umfangreichen Fragenkatalog und üppig Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Aber wie Angstbeisser teilt er gerne aus, steht aber nicht seinen Mann. Die wiederholte Anfrage blieb unbeantwortet.

Mal auf die Kacke hauen

Passt gar nicht zur NZZ. Tut sie aber.

Man merkt eher schnell, dass Rainer Stadler sich von der NZZ und deren Medienseite verabschiedet hat. Denn nun wird auch schon mal geholzt.

Am 29. August erscheint eine Schadensbilanz, wie die Pandemie unter den Gratis-Blättern gewütet habe. Im Fokus steht «20 Minuten», und da wollen die Autoren gehört haben: «Gemäss Informationen der NZZ gibt es Pläne, die Printausgabe von «20 Minuten» im nächsten Jahr einzustellen.»

Dann wird der Verlagschef zitiert, der das vehement bestreitet. Schliesslich nähert sich die NZZ dem eigentlichen Thema: Sollen auch Gratis-Medien, ob online oder im Print, ebenfalls Subventionen erhalten? Überraschenderweise fände das die Bezahl-Zeitung NZZ nicht so toll.

Der Verlagschef ist nachhaltig sauer

Aber offensichtlich war der Verlagschef von «20 Minuten», Marcel Kohler, anhaltend sauer und auf hundert. Denn er legte in einem Interview mit persoenlich.com am 1. September nach: «Unseriös und geschäftsschädigend» sei das, was die beiden Autoren da gemacht hätten. Man habe sie mehrfach darauf hingewiesen, dass «das Gerücht jeder Grundlage entbehrt. Sie haben es wider besseres Wissen trotzdem behauptet.»

Zudem seien diverse Zahlen falsch, nur eine korrigiert worden. Und überhaupt, man überlege sich rechtliche Schritte. Damit kann man das Tischtuch zwischen NZZ und «20 Minuten» als zerschnitten betrachten.

Kohler wirft der alten Tante nicht weniger vor, als dass sie einfach mal auf die Kacke haue, ein Dementi korrekt in den Artikel einbaue, aber natürlich dennoch das Gerücht in Umlauf brachte. Und Gerüchte kleben bekanntlich an der Realität wie UHU.

Nachfragen bei den Streitparteien

Was meinen die Streitparteien, nachdem sich die erste Aufregung vielleicht gelegt hat? «Unsere Quellen sind verlässlich, und die im Artikel genannten Zahlen stimmen», antworten Lucien Scherrer und Reto Stauffacher, die beiden Autoren des Artikels «So hart trifft die Corona-Krise die Gratismedien» (hinter Bezahlschranke). Eine eher allgemeine Aussage auf konkrete Fragen.

Eigenes Fehlverhalten können sie nicht erkennen: «Selbstverständlich haben wir Herrn Kohler die Möglichkeit gegeben, seine offizielle Sicht zu Protokoll zu geben. Das ist seriöser, also differenzierter und transparenter Journalismus.» Ende der Durchsage, schreiben sie abschliessend.

Mit Verlaub, transparenter Journalismus sieht für mich etwas durchsichtiger aus. Und hat sich der Blutdruck bei Kohler inzwischen wieder normalisiert? Die Nachfrage ergibt; nicht wirklich. Zunächst echauffiert er sich darüber, dass die NZZ ein Gerücht als Fakt darstelle, also es wird über die Einstellung nachgedacht. Indikativ, kein Konjunktiv.

Geschickte Analogie

Dann verwendet er psychologisch geschickt eine Analogie: «Das blosse Erwähnen eines Dementi reicht für die Kolportage solcher schwerwiegender Unterstellungen nicht aus. Ein Beispiel: «20 Minuten» könnte auch einfach schreiben, zackbum.ch sei zu 100 Prozent von Christoph Blocher finanziert. René Zeyer dementiere das zwar vehement, aber Personen aus seinem Umfeld bestätigten entsprechende Informationen von «20 Minuten».»

Zudem bemängelt Kohler die Verwendung falscher Zahlen, die auch nach Aufforderung nicht korrigiert worden seien. Aber wozu das Ganze? Auch dazu hat Kohler eine Theorie; er vermutet, «dass der Urheber dieser falschen Behauptung zu jenen Leuten gehört, die «20 Minuten» den Untergang des Journalismus zuschreiben und sich nun diebisch freuen, dass die Coronakrise 20 Minuten auch trifft.»

Nun, der ehemalige Online-Chef von «20 Minuten», Hansi Voigt, prognostizierte schon nach seinem Abgang 2013, dass es die Printausgabe nur noch vier Jahre geben werde, also bis 2017. Immerhin hat sie offensichtlich auch das überlebt.

 

Packungsbeilage: René Zeyer publiziert gelegentlich in der NZZ.

«Es ist frappant, wie viele Leute Sie nicht mögen»

Lukas Hässig ist der einsame Wolf. Der Kämpfer für Gerechtigkeit. Der Journalist, der «die Mächtigen unter die Lupe nehmen will». Was treibt den 56-Jährigen an? Wie geht er mit Kritik an seiner Person um?

Weisses, eng geschnittenes Hemd, rote Krawatte. So will Lukas Hässig im Turmgespräch bestehen. Wobei. Hässig hat wohl schon härtere Fights gewonnen. Er gilt als einer der wenigen Journalisten, welche die grossen Namen der Wirtschaft zu kritisieren wagen. So gezielt, dass der eine oder andere vom Sockel fällt. Etwa Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vinzenz, Ex-Nationalbank-Präsident Philipp Hildebrand und Ex-Novartis-CEO und Verwaltungsratspräsident Daniel Vasella.

Zwischen Respekt und Neid
Gab es vor 15, 20 Jahren noch breitere Vorbehalte gegen den Recherchierstil des Wirtschaftsjournalisten Lukas Hässig, herrscht heute Respekt vor. Hinter vorgehaltener Hand vielleicht sogar ein bisschen Neid über seinen Mut, seine Unerschrockenheit und seine Unabhängigkeit. Trotzdem oder deswegen heimste Hässig in den letzten Jahren alle renommierten Preise für Journalisten ein – zumindest in der Schweiz. Journalist des Jahres, Rechercheur des Jahres, Wirtschaftsjournalist des Jahres, Wirtschaftsbuchpreis. Doch das hatte seinen Preis. Hässig bekennt gegenüber dem Interviewer David Guggenbühl: «Ich wurde immer unbeliebter auf den Redaktionen. Ich wollte Sachen herausfinden und deftig bringen.» So gründete er 2006 das Onlineportal «Inside Paradeplatz».

Ausbildung bei der Nationalbank
Journalistisch geprägt wurde der KV-Absolvent bei der Schweizerischen Nationalbank mit nachfolgendem Ökonomie-Diplom in den 1990er-Jahren. Von Roger Schawinski beim damals recht aufmüpfigen Radio 24 und bei der «Sonntags-Zeitung» (SZ). Damals brachte die SZ laut Hässig jedes Wochenende eine Story, die oft ein Erdbeben auslöste. Doch Hässig eckte mit seinem Credo «Unser Ziel muss sein, etwas zu verändern» immer mehr an. Ein Abstecher in die Welt der Kommunikationsleiter (Flughafen Zürich) war auch nicht das Gelbe vom Ei. Seit 14 Jahren ist der vierfache Familienvater als freischaffender Journalist und Betreiber der Finanzwebsite «Inside Paradeplatz» tätig. Er beschreibt sich als feinfühlig und dann richtig glücklich, wenn er als Erster eine Topstory publiziert. Mittlerweile wird das Portal auch von Whistleblowern genutzt. «Wichtig ist dabei das Vertrauen der Informanten zu mir», betont Hässig. Es dürfe nicht sein, dass Informanten, die ein Risiko eingehen, öffentlich fertiggemacht werden. Doch wie unabhängig ist denn «Inside Paradeplatz»? Erfrischend offen räumt Hässig ein, dass er den Vermögensverwalter, der ihm seit der Gründung als Inserent treu geblieben sei, redaktionell eher in Ruhe lasse.

«Primeurs inklusive»
Das 35-minütige Gespräch anzuschauen, lohnt sich. Man lernt Hässig näher kennen und versteht eher, was ihn antreibt, jeden Tag punkt acht Uhr für Unruhe im Finanzsektor zu sorgen. Dann schaltet er jeweils die Hauptstory auf. Dass er deswegen wenige Freunde hat im beruflichen Umfeld, scheint er in Kauf zu nehmen. Trotzdem gelingt es Guggenbühl, dass Hässig Dinge sagt, die man journalistisch durchaus als «Primeur» bezeichnen könnte.

 www.turmgespraeche.ch (das eigentliche Interview ab ca. Minute 5, Es dauert gut 35 Minuten. Initiiert, organisiert und moderiert werden die Gespräche von David Guggenbühl. Dieser Artikel erschien kürzlich schon in den Zeitungen der Lokalinfo AG.

Wem gehört die «SonntagsZeitung»?

Einer AG mit schlappen 100’000 Franken Stammkapital.

Lange Jahre war es einfach und klar. Der «Tages-Anzeiger» und dann auch mal die «SonntagsZeitung» wird vom Verlag «Tages-Anzeiger» herausgegeben, und der gehört der Familie Coninx.

Dann kamen die schnellen, neuen Zeiten, und die Namen wechselten schneller als eine rotierende Druckmaschine. Zunächst wurde es Tamedia, denn das Haus hatte sich teure Flops und Einkäufe im Bereich elektronische Medien, also Privat-TV und Privat-Radio, geleistet.

Dann kamen auch artfremde Handelsplattformen im Internet dazu, das hatte auch Auswirkungen auf den Namen; man probierte es mit einem kurzen «T». Verstand zwar keiner, aber hat sicherlich auch was gekostet.

Eine schmalbrüstige AG

Aber das Bessere ist der Feind des Guten, daher wurde das «T» durch «TX» ersetzt. Kostete sicher auch ein Gewehr, und das X als Kürzel für alles, was modern und digital daherkommen will, das hat schon einen ganz, ganz langen Bart.

Aber damit nicht genug, heutzutage muss man sich natürlich breit und verschachtelt aufstellen. Auch das gibt es nicht umsonst, aber dafür heisst seit letztem Herbst der Herausgeber der «SonntagsZeitung» etwas länglich «Tamedia Publikationen Deutschschweiz AG».

Diese AG verfügt bloss über das gesetzliche Mindestkapital von liberierten Fr. 100’000. Aber keine Angst, in sie übergeführt werden die ebenfalls 100 Namensaktien der «Basler Zeitung», zu einem Preis von rund 30 Millionen, ebenfalls die Aktien der Espace Bern AG für rund 279 Millionen.

Damit beherrscht die schmalbrüstige Tamedia AG also den Teil der Deutschschweizer Medien, der nicht zu CH Media gehört. Präsidiert wird die AG vom Big Boss des Konzerns, Pietro Supino. Verwaltungsrat ist seit März Pascale Bruderer, die frühere SP-Nationalrätin und Vorzeige-Genossin. «Das minimale Aktienkapital von CHF 100’000 macht nur einen Teil des Eigenkapitals der Tamedia Publikationen Deutschschweiz AG aus», sagt die Kommunikationsverantwortliche Tamedia.

Ebenfalls im März 2020 versicherte man sich zudem des geballten Wissens von Pierre Lamunière sowie der beiden Deutschen Mathias Müller von Blumencron und Konstantin Richter. Lamunière gehörte die Westschweizer Edipresse. Müller ist nach einer eher selten von Erfolg gekrönten Karriere, so wurde er beim «Spiegel» gefeuert und auch bei der FAZ war er nicht lange an Bord, beim Berliner «Tagesspiegel» untergekommen.

Beide «besitzen beide eine fundierte publizistische Expertise, die sie in den Verwaltungsrat von Tamedia einbringen und die von grossem Mehrwert für das Unternehmen ist», lobt dagegen die Medienstelle von Tamedia auf Anfrage.

Weniger als die nächste Schlagzeile

Das wäre eigentlich ein interessanter Fall für das «Recherchedesk» oder für die Wirtschaftsredaktion im Hause. Was sind die Gründe für diese Konstruktion? Wieso übernimmt eine Klitsche mit lediglich dem obligatorischen Kapital Sachwerte von stolzen 309 Millionen Franken? Wie kann es sein, dass der Oberchefredaktor Rutishauser auch noch Zeichnungsberechtigter ist? Und was qualifiziert Bruderer für den Einsitz im VR? Und wieso existiert «Sonntagszeitung» nur noch als eingetragene Marke?

Im Internet läuft das unter dem Slogan: «Tamedia. Mehr als die nächste Schlagzeile.» Aber soweit geht dann die Transparenz in eigener Sache doch nicht. Allerdings: Wer selbst im Glasholzhaus sitzt, sollte vielleicht nicht mit Steinen werfen.

Arbeitslosengeld: Tamedia 4,2 Millionen, Blick und NZZ nichts


Wie die Grossverlage mit der Coronakrise und mit der Kurzarbeit umgehen. Eine Exklusivumfrage von ZACKBUM.ch fördert Erstaunliches ans Tageslicht.

Allein im Kanton Zürich wurde während des Corona-Lockdowns im April und Mai für gut einen Drittel der Arbeitnehmer Kurzarbeit beantragt. Mit dieser Kurzarbeitsentschädigung sollte die Arbeitslosenversicherung einen Teil der Lohnkosten übernehmen. Damit soll verhindert werden, dass infolge kurzfristiger und unvermeidbarer Arbeitsausfälle Kündigungen ausgesprochen werden. Wie sieht die Lage bald sechs Monate später in der Medienbranche aus? Gibt es Missbräuche? Werden viele Angestellte trotzdem entlassen?

Tamedia verlängert Kurzarbeit bis Ende November

Das einzige börsenkotierte Medienunternehmen der Schweiz, die TX Group mit dem Tamedia– und dem 20-Minuten-Zweig, nutzt die Möglichkeit der Kurzarbeit am extensivsten aus. Laut einer Sprecherin «befindet sich Tamedia seit April 2020 in Kurzarbeit – anfangs die gesamte Belegschaft, mittlerweile sind es rund 50 Prozent der Mitarbeitenden – also die ganze Tamedia, inkl. Druckzentren.»
Man habe «aufgrund der nach wie vor unsicheren konjunkturellen Lage, insbesondere im Werbemarkt, eine Verlängerung bis vorerst Ende November 2020 beantragt«. Dazu erfolge eine laufende Neubeurteilung mit dem Ziel, «so rasch wie möglich wieder in den Normalbetrieb zurückkehren zu können». Die Sprecherin betont, die Kurzarbeit stehe im Zusammenhang mit den enormen wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19. Und: «Die Medienbranche befindet sich jedoch bereits seit längerem in einem anhaltenden strukturellen Wandel, die Werbeeinnahmen sind seit Jahren rückläufig und es ist davon auszugehen, dass sich der negative Trend fortsetzen wird.»
Immerhin: Tamedia bezahlt allen Angestellten trotz Kurzarbeit den vollen Lohnausgleich. Tamedia erhielt bis Ende Juni eine Kurzarbeitsentschädigung von 4,2 Millionen Franken, wie es auf Anfrage heisst.

«20Minuten»: Völlig offen, wann der Normalbetrieb kommt
Bei «20Minuten», welche innerhalb der TX Group eine wirtschaftlich eigenständige Einheit darstellt,  sieht die Situation ähnlich aus. Laut Sprecherin Eliane Loum wurde von Ende März bis Ende August insgesamt rund 25 Prozent Kurzarbeit geleistet. «Anfangs waren alle Mitarbeitenden in Kurzarbeit, mittlerweile konnten einzelne Abteilungen aus der Kurzarbeit herausgelöst oder diese reduziert werden«, so Loum. «Wir gehen davon aus, dass wir bis Ende November noch rund 20 Prozent Kurzarbeit leisten werden. Derzeit ist noch völlig offen, ob wir auf Anfang Dezember alle wieder zum Normalbetrieb zurückkehren können oder ob wir einen Antrag auf Verlängerung der Kurzarbeit stellen werden. Das ist abhängig von der Entwicklung des Werbemarktes.» Bezogen hat «20Minuten» bis Ende August eine Million Franken via Kurzarbeitsausgleich. Und wie schaut «20Minuten», dass die bewilligte Kurzarbeit nicht überschritten wird? Man habe während der Krise insbesondere die Zeitung stark reduziert, teilweise sei sie noch immer reduziert. «So haben wir beispielsweise während 4 Monaten auf die Publikation der Regionalausgaben verzichtet, da regionale Kultur- und Sportveranstaltungen fast vollständig abgesagt wurden. Die dort bei den Journalistinnen und Journalisten frei werdenden Ressourcen konnten anders eingesetzt werden.» Dass «20Minuten» bald nur noch online erscheinen könnte, verneint Loum vehement.

CH Media mit 1200 Mitarbeitern in Kurzarbeit
Bei CH Media, dem Zusammenschluss der Zeitungen der AZ Medien und der NZZ-Landzeitungen, arbeiteten von April bis Ende August «ungefähr 60 Prozent der rund 2000 Mitarbeitenden in unterschiedlicher Ausprägung Kurzarbeit», wie eine Mitarbeiterin der Unternehmenskommunikation mitteilt. Die Differenz zum 100%-Lohn wurde immer ausgeglichen. Seit 1. September werde für CH Media als ganzes Unternehmen keine Kurzarbeit mehr beantragt. «Punktuell kann es nach wie vor Bereichsabteilungen oder Gesellschaften geben, wo Kurzarbeit beantragt wird», so die Sprecherin.  Wieviel Geld CH Media bezogen hat bisher via Kurzarbeitsausgleich, will man aber nicht sagen. Und wie kann CH Media sicherstellen, dass die bewilligte Kurzarbeit nicht überschritten wird? – «Es wird immer die tatsächlich geleistete Arbeitszeit erfasst, somit wird nur die Differenz von Sollpensum zum tatsächlich geleisteten Pensum als Kurzarbeit beantragt.» Entlassen wurden im laufenden Jahr «etwa 10 Mitarbeitenden im Rahmen von Reorganisationen für die Zusammenführung des Joint Ventures CH Media».

Watson ohne Einschränkungen
Nie ein Thema war Kurzarbeit beim Online-Portal «Watson», wie es auf Anfrage heisst. «Watson» gehört zur AZ-Mediengruppe, ist also nicht ins CH Media-Konstrukt übernommen worden. A propos online. Das Magazin Nau.ch wurde ja vom Konkurrenz-Produkt Republik.ch rau angegangen. Die Vorwürfe: Man trickse bei der Kurzarbeit und fordere die Mitarbeitenden auf, trotzdem mehr als erlaubt zu arbeiten. Chefredaktor Micha Zbinden zum Thema Kurzarbeit: «Die Kurzarbeit bei Nau.ch ist längst beendet und wir sehen in der aktuellen Lage auch keine Gründe, von dieser erneut Gebrauch zu machen. Interne Zahlen können wir Ihnen aus Datenschutzgründen nicht bekanntgeben», so der ehemalige Blick-Sportchefreporter.  Und die Anwürfe der «Republik»? Zbinden holt aus, will das aber nicht zitiert haben. Nur so viel: Die Geschichte werde noch ein Nachspiel haben.

Republik reagiert zweimal nicht
Die Republik reagiert als einziges angefragtes Medium nicht auf die ZACKBUM-Recherche, auch nicht aufs zweite E-Mail. Erst nach telefonischem Nachhaken heisst es, man habe a) nie Kurzarbeit beantragt und b) niemanden wegen der Corona-Krise entlassen. Weil die Republik keine Werbung schaltet und mehr oder weniger von den aktuell über 20000 Abonnentinnen und Abonnenten lebt, sind die Antworten plausibel.

Blickgruppe ohne Kurzarbeit…
Wie sieht es denn bei Ringier aus? Johanna Walser, Head of Public Relation, dazu: «Es gab vereinzelt Kurzarbeit im Mai und Juni. In der gesamten BLICK-Gruppe gab es aber zu keinem Zeitpunkt Kurzarbeit.»  Bei Radio Energy wurde im Mai und Juni ebenfalls Kurzarbeit angeordnet, allerdings nicht für  die Redaktion und den Programmbereich. Beim Betriebszweig RASCH (u.a. Beobachter, Bilanz, Glückspost, SI) gab es ebenfalls vereinzelt Kurzarbeit im Mai und Juni – auch in den Redaktionen. Aber: Die Differenz zum Lohn wurde überall ausgeglichen. Ab 1. September gibt es laut Walser für die Redaktionen keine Gesuche um Kurzarbeit mehr. Wieviel Ringier bisher via Kurzarbeitsausgleich bezogen hat, will Walser – im Gegensatz zur TX Group  – nicht sagen.

… Ringier aber mit Entlassungen
Beim Ringier-Konzern wurden 2020 (u.a. wegen der Corona-Krise)  bei L´illustre 8 Stellen abgebaut, darunter 4 Entlassungen.  Bei RASCH wurden wegen der Einstellung des Modemagazin Style, wegen der Auslagerung von Bolero sowie der Zusammenführung der Redaktionen von Schweizer Illustrierte und SI 31 Stellen abgebaut. Dies die Angaben von Johanna Walser.

NZZ: Keine Lohneinbussen, aber düstere Wolken
Bleibt von den Grossverlagen die NZZ. Auf Anfrage erklärt Seta Thakur, Leiterin Unternehmenskommunikation, dass «derzeit niemand bei der NZZ-Mediengruppe in Kurzarbeit arbeitet. Sie wurde per Ende Juni aufgehoben.» Die Löhne der Mitarbeitenden, die von April bis Juni in Kurzarbeit waren, seien vollständig ausgezahlt worden. «Es erfolgten keine Lohneinbussen», so Thakur. Die Kurzarbeit sei in denjenigen Bereichen eingeführt worden, wo sich pandemiebedingte Arbeitsausfälle ergaben. «Die Aufhebung der Kurzarbeit gilt in unserem Unternehmen bis auf weiteres. Je nachdem, wie sich die Lage in den nächsten Monaten entwickelt, müssen wir uns vorbehalten, wiederum eine Senkung einzelner Pensen in Betracht zu ziehen.»
Sie verweist punkto geplantem Stellenabbau auf eine Medienmitteilung vom Juni. Dort heisst es: «Die NZZ-Mediengruppe plant eine Kostensenkung von knapp 10 Prozent bzw. rund 13 Mio. Franken. Im gesamten Massnahmenpaket enthalten ist auch ein Stellenabbau von unter 5 Prozent, der teilweise durch natürliche Fluktuation abgefedert werden kann. Vereinzelt wird es auch Entlassungen geben.»

Kleinere Verlage mit Schliessungen
Wie sieht es bei kleineren Verlagen aus? Aufgefallen ist zum Beispiel das aufgelöste Wochenblatt «RhoneZeitung». Die Gratiszeitung wurde aus wirtschaftlichen Gründen definitiv eingestellt, nachdem sie zuvor im März vorübergehend sistiert wurde. «Allein mit Werbung lässt sich die RZ nicht mehr finanzieren», wird Matthias Bärenfaller, Leitung Medien Mengis Media, in einem Artikel auf rro.ch zitiert.
Im Medientalk auf SRF 4 sagte Bernhard Rentsch (CR Bieler Tagblatt) zudem, es sei schwierig, als kleine Abozeitung die Balance zu finden zwischen kleinen Umfängen – bedingt durch den Inserateschwund –  und den Ansprüchen der Abonnenten gerecht zu werden. Ein Problem, das aber auch Grossverlage wie Tamedia und die NZZ haben. Der Abopreis steigt, der Umfang nimmt ab.