Schweizer Journalist:in-klusive Werbung

Das Medienmagazin mit hohem Gähnfaktor probiert neue Werbeformen bei kopierten Ideen aus.

Dass die frisch umgetaufte «Schweizer Journalist:in» weitgehend inseratefrei daherkommt, das ist ja im heutigen Journalismus nichts Neues. Dass der Inhalt nur teilweise mit der Schweizer und auch der Schweizer:in Realität zu tun hat, Sparmassnahme. Dass er auch weitgehend inhaltsfrei daherkommt, keine Sparmassnahme.

Dass man die eigene Herausgeberin dazu zwingt, nochmal und ausführlich das Interview mit Claas Relotius zu beschreiben, nun ja, vielleicht gibt es tatsächlich JournalistInnen, die immer noch etwas über den Lügner, Fälscher und Ausnützer des Gesinnungsjournalismus beim «Spiegel» wissen wollen. Sozusagen der Über-Tom-Kummer, die Schande des einstmals grossen deutschen Nachrichtenmagazins.

Das alles sind halt Notizen aus der Tiefebene des modernen Sparjournalismus, wo Schmalhans, Pardon, Schmalhänsin, Küchenmeister!in ist. Aber dennoch bietet die aktuelle Ausgabe des Medienmagazins einen echten Primeur.

Eins, zwei, viele Scoops.

Es brauchte die geballte Frauenpower von Carmen Epp (Autorin, Redaktorin Tierwelt) und Annette Milz (Formatidee, ehemalige Chefredakteurin des deutschen Medium Magazins für Journalisten vom Oberauer Verlag, der auch den SJ herausgibt), um den Vorhang vor den «heimlichen Heldinnen und Helden» zu heben. Abgesehen davon, dass man diesen Titel auch eleganter gendern könnte: die Suche nach Medienschaffenden, die «sonst nie im Mittelpunkt stehen, ohne die im Alltag auch nichts laufen würde».

Gut kopiert und eingeschenkt: wo soll da ein Problem sein?

Das ist durchaus eine verdienstvolle Idee, allerdings nicht sonderlich originell:

Das ist nun bis zur Präsentation mit einem sich öffnenden Vorhang gut kopiert, auch von den «Hidden Stars» konnten sich die beiden Chefredaktorinnen nicht trennen. Im Editorial brüsten sie sich damit:

«Wir haben uns gefragt: Wer sind eigentlich die heimlichen Heldinnen und Helden auf den Schweizer Redaktionen? … Gemeinsam mit unserer Autorin Carmen Epp haben wir uns auf die Suche gemacht.»

Mit Verlaub: «Gemeinsam haben wir eine Idee eins zu eins übernommen und auf die Schweiz übertragen.» Das wäre wenigstens näher als Relotius an der Realität gewesen. Das ist weder verboten, noch anrüchig, im Gegensatz zur Methode Relotius. Nur sollte man es vielleicht nicht als Antwort auf eine Selbstbefragung präsentieren, sondern transparent eingestehen, dass gut kopieren immer besser als schlecht selbst erfinden ist.

Aber neben der Kopie gibt es noch etwas Originelles

Es gibt hingegen eine echt originelle Idee bei dieser Story, aber die wird leider recht unter den Scheffel gestellt. Bevor diese Suche auf 11 Seiten ausgerollt wird, überrascht den Leser ein ganzseitiges Inserat der Credit Suisse. Das fällt besonders auf, weil es im Heftinnern das einzige ist. Auch das ist nicht verboten oder anrüchig; hoffentlich kann die CS auch die rund 6000 Franken nach Inseratetarif noch zahlen.

Überraschend ist hingegen der Text des Inserats:

«Wir gratulieren den heimlichen Heldinnen und Helden der Medienhäuser zu ihrer tollen Arbeit und aussergwöhnlichen Leistung! Wir freuen uns auf weitere spannende Projekte und wünschen auch künftig viel Erfolg!»

Das weist doch darauf hin, dass die «Credit Suisse Medienstelle» als Gratulantin über den Inhalt des folgenden Artikels informiert war. Was man dann im Schönsprech eine Publireportage, einen Paid Content, einen gesponserten Artikel nennt. Genau diese Frage stellten wir der Chefredaktion des SJ. Ihre Antwort: «Auf unserer Webseite können Sie feststellen, dass die Mediadaten im Voraus bekannt sind. Dass im Heft 3/2021 die heimlichen Heldinnen und Helden gekürt werden sollten, war also sämtlichen Werbekunden (und allen, die es sonst interessiert) seit Anfang Jahr einsehbar.»

Frei nach Radio Eriwan: im Prinzip ja

Die Kür ist angekündigt, nur: von wem und für was?

Es ist nun aber eher realitätsfremd, um das ganz frei von Diskriminierung oder Sexismus auszudrücken, dass die Grossbank eine ganze Seite Gratulation kauft, ohne mehr als diese dürre Angabe aus den Mediadaten zu kennen. Denn wem sie da wozu gratuliert, das wäre vielleicht schon noch gut zu wissen, Schliesslich achten gerade Banken doch trotz alledem auf ihre Reputation, und heimlichen Helden zu gratulieren, die sich als Whistleblower gegen Finanzinstitute Verdienste erworben haben, das wäre dann vielleicht etwas peinlich gewesen.

Also machen die neuen Führungskräfte des Trümmel-Magazins den gleichen Fehler wie viele ihrer Kollegen in den sogenannten Qualitätsmedien der Schweiz: sie halten ihre Leser für brunzblöd. Dabei würde doch niemandem ein Zacken aus der Krone brechen, wenn eine kopierte Idee als solche ausgewiesen und ein mit dem Inhalt eines Artikels gekeiltes Inserat als solches präsentiert würde.

Aber dazu bräuchte es vielleicht weniger gespielte Lockerheit, sondern echte Souveränität, wenn man zwei Jungjournalistinnen diesen Ratschlag geben darf, die vielleicht von ihrer Funktion leicht überfordert sind. Aber da kann man noch hineinwachsen, ganz sicher. Vielleicht. Unter Umständen. Falls es den SJ noch ein paar Jährchen gibt. Was aber eher unwahrscheinlich ist.

 

 

 

 

Es darf gelacht werden: Feuer frei!

Knellwolf, übernehmen Sie! Es gibt noch mehr Gefahr, die von dieser Aufforderung zur Gewalt ausgeht.

Alles ist relativ. Ein SVP-Politiker, der sich nicht unbedingt nationaler Bekanntheit erfreut, verwendete in einer rund 100 Nasen umfassenden Chatgruppe den Spruch «Feuer frei!», um zur Gegenwehr gegen eine Forderung des Bundesamts für Gesundheit aufzurufen.

Das zwirbelte das Blatt der sensiblen Gewaltfreiheit zur Coverstory hoch und warnte in insgesamt drei Artikel davor, dass das brandgefährlich sei. Solche virtuellen Aufrufe könnten schnell real missverstanden werden, und dann könnte auf das BAG geschossen werden. Mit echten Kugeln.

Aber Thomas Knellwolf als ehemaliger Recherchier-Journalist hat natürlich nur an der Oberfläche gekratzt. Da wäre zum Beispiel die deutsche Band «Rammstein» mit ihrem Song «Feuer frei!». Schockierend: der wurde alleine auf YouTube bislang rund 140 Millionen (!) Male aufgerufen. Fast 600’000 Fans gaben ihm ein Daumen hoch.

Bitte nicht nachmachen: Videoclip von «Rammstein».

Wenn man sich vergegenwärtigt, was für ein Gewaltpotenzial hier wie Magma unter der Oberfläche brodelt: Knellwolf, es besteht dringlicher Handlungsbedarf. Das ist Faktor 1,4 Millionen mal mehr Gefährdungspotenzial als beim Aufruf zur Gewalt der SVP!

Hemmungslose Feuerorgie auf der Bühne. Ist das noch Kunst?

Es ist ja nicht nur der Schiessbefehl im Titel des Songs, auch das Lied selber enthält genügend Munition, um einem Knellwolf die Schweissperlen der Angst auf die Stirne zu treiben:

Wann fallen die ersten Schüsse, bei diesen Songzeilen?

Es ist bedauerlich, dass man einem so ausgewiesenen Recherchier-Journalisten weitere Fundstücke nachtragen muss:

Ein gut getarnter Aufruf zur Gewalt. Anleitung für Pyromanen.

Zumindest die Webseite im Aufbau könnte noch durch ein beherztes Eingreifen von Tamedia verhindert werden; dass selbst die NZZ, ja gar der Limmattaler mit dem Feuer spielt, ist so bedauerlich wie traurig; es wirft ein Schlaglicht auf den Sittenzerfall in unserer Gesellschaft, der nicht erst gestern begonnen hat.

Vielleicht könnte Tamedia – mit oder ohne Knellwolf – sein Recherche-Desk endlich mal für etwas Konstruktives einsetzen. Statt sinn- und zwecklos gestohlene Geschäftsunterlagen durchzuflöhen und absurd übertriebene Behauptungen aufzustellen, auf welche Abgründe man da wieder gestossen sei, wäre es doch verdienstvoll, der Gewalt im Internet den Kampf anzusagen.

«Feuer frei!» gegen «Feuer frei!», sozusagen. Die Folgen wären so unabsehbar wie segensreich. Endlich würde ein alter Traum wahr, Tamedia würde ein bisschen Frieden in die Welt bringen:

Damit ihr Traum endlich wahr wird …

Denn das bewegende Lied von Nicole ist bislang nur 6,5 Millionen mal aufgerufen und magere 32’000 mal gelikt worden. Das muss besser werden, damit die Welt eine bessere wird.

Alle können noch dazulernen

Aber nicht nur Knellwolf, auch sein oberer Vorgesetzter kann noch dazulernen, wie mehr Friede und weniger Feuer in die Welt kommt. Denn Arthur Rutishauser hat nach zweitägigem, vertieftem Nachdenken herausgefunden, dass eine kindische Karikatur, in der der Kopf seiner Mitarbeiterin Michèle Binswanger in eine Illustration der Hinrichtungen während der Französischen Revolution hineingemecht wurde, eine «Grenzüberschreitung» darstelle. Sogar eine «schwere».

Rutishauser gelangt in seinem mit langer Lunte entstandenen Kommentar zur Schlussfolgerung:

«Besorgniserregend ist, dass mittlerweile ein Teil der politischen Linken so intolerant geworden ist, dass sie auf jeglichen Anstand verzichtet und Volksverhetzung betreibt.»

Bittere und anklagende Worte des Oberchefredaktors von Tamedia. Nur: fällt ihm dieses Phänomen nicht in seinen eigenen Redaktionen auch auf? Existiert da dieser Teil der politischen Linken nicht? Und wenn wir schon dabei sind: kennt man dieses Phänomen bei der politischen Rechten nicht? Zumindest bei einem Teil davon?

Oder nochmal anders: Sind Grenzüberschreitungen in Richtung brunzdumm nicht noch besorgniserregender? Ein paar Knallköpfe aus dem Umfeld der Berner Reitschule werden mit einer Strafanzeige überzogen. Tamedia fällt wie das Jüngste Gericht über einen unbesonnenen Spruch eines SVP-Politikers her, weil der in der SVP ist.

Tiefergelegtes Niveau der Debatte

Allgemeines Wehgeschrei: die da sind ganz böse. Nein, selber böse. Nein, du böse. Nein, du mehr böse. Du Hetzer. Ha, du grosser Hetzer. Ich kein Hetzer, du aber. Ohne die Verwendung des Wortes Hetzer werden so Konflikte im Sandkasten ausgetragen, inklusive Zerstörung von Sandkuchen, Fuchteln mit Schäufelchen oder gar dem Ziehen an Haaren, Kratzen und Beissen, bis die Eltern eingreifen.

Kampfplatz, nach einer aktuellen Debatte …

Auf diesem ärmlichen Niveau ist ein Teil der politischen Debatte angekommen. Begleitet von Dialogverweigerung, Unfähigkeit, mit Kritik oder Gegenargumenten umzugehen. Mit Ballern aus dem Glashaus, aber feigem Wegducken, wenn zurückgeschossen wird. Rechthaberei und Belehrung ist hohl und lachhaft, wenn sie sich nicht der Debatte stellt. Wäffeln ist einfach, argumentieren anspruchsvoll.

Um nicht nur Männerriten und Pseudo-Martialisches wie von Rammstein zu denunzieren: auch die erregten Tamedia-Frauen haben nach ihrem Protestbrief bislang jede Gelegenheit ausgelassen, sich einer Debatte zu stellen. Auch so verzichtet man auf jeden Anstand.

Schiessscharte auf, rausballern, Schiessscharte zu und die Reaktion aussitzen. Das soll dann Erkenntnisgewinn durch Meinungsaustausch und Debatte sein?

 

Elendsjournalismus à la «Blick»

Null Vorbereitung, Interview zum Erschrecken, aschgraues Niveau.

Die Corona-Kreischen sind langsam durch. Nur im harten Notfall, kein Aufreger weit und breit zu sehen, greifen die Schweizer Qualitätsmedien noch zum «Experten, Virologen, Forscher», der warnt, unkt, den Teufel an die Wand und Leichenberge vor die Intensivstationen malt.

Auch die neue Todeswelle mit der Variante Delta ist eher abgenudelt. Was tun? In der Verzweiflung zeigt das Organ mit dem Abflussrohr im Titel, was dumpfbackiger Journalismus alles kann.

Dazu hat der «Blick» den «Verhaltensökonom Gerhard Fehr» ausgegraben. Gerhard who? Na, der andere Fehr. Der Bruder des ziemlich prominenten Ernst Fehr, in der Schweiz als Ökonom und Glücksforscher sehr bekannt. Damit hat es sich allerdings auch schon mit der Qualifikation des «Verhaltensökonomen».

Auf seiner eigenen Webseite weltberühmt …

Besonders bekannt ist er auch nicht, wie er auf seiner Webseite selbst bekannt gibt:

Aber in den Weiten des Web eher weniger …

Wie auch immer, keiner zu klein, um Interviewpartner zu sein. Denn der «Behavioral Designer» (what the f*** das auch immer sein mag) weiss natürlich, dass man ein knackiges Quote abzuliefern hat, wenn man schon mal die Chance dazu bekommt. Also sagt er:

«Wir überzeugen nur mit Diskriminierung».

Was meint er denn damit?

Zum Beispiel das: «Nur noch diejenigen, die geimpft sind, dürfen ins Restaurant oder in ein Konzert gehen. Systematische Diskriminierung ist nichts Neues, sie begegnet uns dauernd im Alltag. Beispielsweise können sich die meisten Leute nicht jeden Tag einen Restaurantbesuch leisten und sind dementsprechend wegen ihres Lohns davon ausgeschlossen.»

Ein beknackter Ratschlag nach dem anderen

Ausserdem rät er zur Aufforderung mit Termin, sich impfen zu lassen. Wer schwänzt, bekommt eine Busse. Schon nach diesem Blödsinn beginnt man, sich Sorgen um die Zukunft von Firmen zu machen, die sich allenfalls von diesem «Designer» beraten lassen. Denn den Ausschluss von einem Restaurantbesuch damit zu legitimeren, dass es schliesslich auch genügend Leute gäbe, die ihn sich nicht jeden Tag leisten könnten, das ist schon Gaga-Logik.

Aber hat Fehr wenigstens ein paar Zahlen im Griff? «Alle Nichtgeimpften sind jederzeit bereit, an einem Virus zu erkranken, an dem sie mit 0,5-prozentiger Wahrscheinlichkeit sterben werden.» Stimmt das?

Das ist absoluter, relativer und unwissenschaftlicher Quatsch. Die Schweiz zählt offiziell rund 700’000 Fälle von an Corona Erkrankten. Davon sind knapp 11’000 verstorben. Das wären 1,57 Prozent. Also falsche Zahl. Nun ist es aber so, dass es eine unbekannte, sehr hohe Dunkelziffer gibt. Also Menschen, die symptomlos infiziert sind und das auch nicht testen liessen.

Daher ist es wohl sinnvoller – und wird deshalb auch so gemacht –, sich mit der sogenannten Übersterblichkeit zu befassen. Das wiederum bedeutet: sterben aktuell mehr Menschen als in einem gemittelten Vergleichzeitraum in der Vergangenheit? Da ist die Antwort: nein, es existiert sogar eine Untersterblichkeit in der Schweiz.

Schliesslich wäre es noch sinnvoll, die Altersverteilung der Todesfälle in Betracht zu ziehen:

Hohe Sterblichkeit über 80, kaum je ohne Vorerkrankung …

Oder den Medianwert des Alters der an Corona Verstorbenen zu ermitteln. Der liegt mit rund 85 sogar leicht oberhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung in der Schweiz. Also mit anderen Worten: der «Behavioral Designer» designt im luftleeren Raum, basierend auf Quatschzahlen, ein Vorgehen, das an Untauglichkeit nicht zu überbieten ist. Solche «Diskriminierungen» sind weder durchsetzbar, noch hätten sie einen nennenswerten Einfluss auf die Impfbereitschaft.

Ein Windmacher, vor dem gewarnt werden müsste

Das spielt aber gar keine Rolle, weil schon die Zahlen, die der Dampfplauderer verwendet, keinem zweiten Blick standhalten. Also mit anderen Worten ein Windmacher, vor dem ein seriöses Blatt seine Leser warnen müsste. Statt ihm widerspruchslos an den Lippen zu hängen. Ob das an der Qualifikation der Journalistin liegt?

Wir wollen uns weder über abbiegende Köchinnen, noch über Jungjournalistinnen wie Rachel Hämmerli lustig machen. Ganz im Gegenteil, solche Entscheidungen wollen wir mit Applaus begleiten. Aber: dass es beim «Blick» keinerlei Kontrollinstanzen mehr gibt, die einen solchen Unsinn dem Leser ersparen, das ist in Wirklichkeit Ausdruck des Elends des modernen Magerspar-Skelett-Koma-Journalismus.

Die Qualitätskontrolle beim «Blick», in flagranti ertappt.

 

Heuchler Knellwolf

SVP böse, blöd und gefährlich. Megafon der Reitschule nicht der Rede wert. Aschgrau.

Thomas Knellwolf war Co-Leiter des Recherchedesks von Tamedia und ist seit 1. Juli Mitglied der Bundeshausredaktion des Konzerns. Er habe nach 8 Jahren mal was Neues gesucht, liess er verlauten. Anstand und moralische Massstäbe gehören offenbar nicht dazu.

Mit seinem ersten Stück in seiner neuen Rolle haute Knellwolf zusammen mit einem weiteren Redaktor einen SVP-Provinzpolitiker in die Pfanne. Der hatte in seiner kleinen Chat-Gruppe stolz von einem Gespräch mit seinem SVP-Regierungsrat des Kantons St. Gallen berichtet. Man sei übereingekommen, sich gegen die Forderung des BAG nach obligatorischen Corona-Tests in Schulen zu wehren; «Feuer frei!», schrieb der Politiker nassforsch.

Das brachte ihm ein grosses Stück hinterfotziger Demagogie ein: vergangenen Samstag wurde diese Bemerkung von Tamedia zur Titelgeschichte hochgejazzt und im Blatt drin auf einer Seite nach allen Regeln der schwarzen Kunst hingerichtet. Hauptvorwurf: solche Aufforderungen könnten von Amoks als Handlungsanleitung missverstanden werden, also aus virtueller Hate Speech könne schnell reale Gewalt werden, wer im übertragenen Sinn «Feuer frei!» fordert, könnte dafür verantworlich sein, dass jemand tatsächlich auf einen Mitarbeiter des BAG schiesst.

Der medienungewohnte Politiker wurde vorgeführt; dass er zuerst eine Stellungnahme abgab, die dann wieder zurückzog, hämisch vermerkt. Natürlich auch, dass der mediengewandte SVP-Regierungsrat keinen Anlass sah, sich von diesem Gespräch zu «distanzieren», obwohl er von Tamedia dazu aufgefordert wurde.

Warum nicht nochmal draufhauen, wo’s so schön ist

Richtig Spass machte es natürlich, in einem Kommentar eine Breitseite nachzulegen:

«Der St. Galler Bildungsdirektor Stefan Kölliker will sich nicht von einer «Schiess»-Aufforderung auf das BAG in seinem Namen distanzieren. Das ist gefährlich.»

Höhepunkt des Nachtretens ist ein vergiftetes Lob mit angeschnallter Giftspritze: «Alles wirkt etwas bieder. Aber ist Stefan Kölliker auch ein Brandstifter? Darauf lässt eine Aufforderung seines Kreisparteipräsidenten von vergangener Woche schliessen, die viel Aufsehen erregte.»

Zunächst: Der Tagi erregte so viel Aufmerksamkeit, wie er nur konnte. Sonst niemand. Aber: «Das Beängstigende an der «Schiess»-Aufforderung aus St. Gallen ist, dass sie von einem Kantonsparlamentarier kommt. Und im Namen eines Regierungsrats erfolgt.» Schlussfolgerung:

«Das ist gefährlich, denn jemand könnte die Aufforderung wörtlich nehmen.»

Nein, Herr Knellwolf, gefährlich ist etwas ganz anderes. Wie es der dumme Zufall wollte, veröffentlichte das «megafon» aus der Berner Reitschule einen Tweet, in dem sich diese Amoks über die Tamedia-Redaktorin Michèle Binswanger fürchterlich aufregten. Zur Illustration mechten sie ihren abgeschlagenen Kopf in eine Darstellung der Guillotine während des Terrors der Französischen Revolution, wo die Häupter der Geköpften dem johlenden Volk triumphierend entgegengestreckt wurden.

Neben Applaus oder wohlwollender Erwähnung – unter anderem von Jolanda Spiess-Hegglin, der grossen Vorkämpferin gegen Hass im Internet – löschte das «megafon» diese geschmacklose Entgleisung mit dem Ausdruck des Bedauerns, hielt aber an seiner Kritik fest. Immerhin. Es wäre ja nun auf der Hand gelegen, dass tapfere Kämpfer gegen Hate Speech und gefährliche Gewaltandrohungen im Internet sich vielleicht deutlich von dieser missverständlichen Aufforderung, Binswanger zu enthaupten, distanziert hätten.

Lustig? Kunst? Ironie? Nicht der Rede wert.

Als das nicht geschah, bot ZACKBUM den beiden Autoren des «Feuer frei!»-Anklagestücks und auch dem Oberchefredaktor Arthur Rutishauser Gelegenheit, sich zu erklären. Warum auf die SVP eingeprügelt werde, aber der Kopf-ab-Aufruf gegen eine eigene Mitarbeiterin einfach ignoriert. Und was Rutishauser im Rahmen seiner Fürsorgepflicht zum Schutz von Binswanger zu unternehmen gedenke.

Ein Satz der Erklärung oder Rechtfertigung? Ach, was, niemals

Reaktion: keine Reaktion. Keine Antwort. Nicht mal eine Antwort, die dann zurückgezogen wurde. Dazu war sogar der SVP-Politiker in der Lage, die sonst so eloquenten Redaktoren von Tamedia nicht; sie schwiegen verbissen. Feige. Im Bewusstsein ihrer unsäglichen Heuchelei. Schwiegen sie tatsächlich?

Aber nein, Knellwolf fand noch die Zeit, mit diesem Kommentar nachzulegen und das Feuer auf den SVP-Regierungsrat zu verstärken. Wenn etwas wirklich gefährlich, beängstigend und mehr als fragwürdig ist, dann dieses Verhalten von Tamedia-Journis. Nach einer solchen offenkundigen Heuchelei, Doppelmoral, Einäugigkeit, Unfähigkeit, wenigstens überall die gleiche Position zu beziehen: wie wollen die erwarten, dass man irgend eine Äusserung von ihnen noch ernst nimmt?

Knellwolf schreibt vielleicht einen Artikel über die herrschende Doppelmoral in Bern, unter Politikern? Über deren opportunistische Parteilichkeit? Das kann doch nur mehr als Realsatire mit hohem Lächerlichkeitsfaktor wahrgenommen werden. Man kann Knellwolf eigentlich nur einen wohlmeinenden Karrieretipp geben: Gastspiel in Bern beenden, als Komödiant zum «Nebelspalter» wechseln. Ein weiterer Vorteil davon wäre: seine zukünftigen Publikationen fänden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

 

War auch mal so ein Versuch, Erfolg zu haben …

Knellwolf knattert weiter gegen die SVP, Rutishauser rafft sich immerhin zu einem Kommentar auf

Aber immerhin, nach längerer Bedenkzeit rückte Arthur Rutishauser noch kurz vor dem Fussballmatch einen «Kommentar zum Angriff auf eine Tamedia-Journalistin» ins Netz. Denn am Dienstagabend fällt ihm endlich auf: «Am Sonntag ist es gegenüber einer der profiliertesten Journalistinnen unserer Redaktion zu einer schweren Grenzüberschreitung gekommen.» Immerhin:

«Darum reichen wir trotz der Entschuldigung Strafanzeige gegen «Megafon» ein. Dass sich Jolanda Spiess-Hegglin, ehemalige Politikerin, Journalistin und selbst ernannte Kämpferin gegen Hass im Netz, nicht zu schade war, den Tweet auch noch zu liken, ist beschämend.»

Mein Mathematiklehrer am Gymnasium pflegte in solchen Fällen Schiller zu zitieren: spät kommt ihr, doch ihr kommt. Worauf sich verspätete Schüler mit rotem Kopf an ihren Platz begaben. Knellwolf kommt nicht zu spät, sondern schwänzt schlichtweg. Während Rutishauser, dafür muss man ihm gratulieren, zum Schluss seines Kommentars donnert:

«Besorgniserregend ist, dass mittlerweile ein Teil der politischen Linken so intolerant geworden ist, dass sie auf jeglichen Anstand verzichtet und Volksverhetzung betreibt.»

Vielleicht fällt ihm noch rechtzeitig auf, dass seine Redaktionen davon auch nicht ganz frei sind.

Terror von der Reitschule zu Bern

«Feuer frei!» von der SVP? Grosses Gebrüll. Kopf ab von der Reitschule? Schweigen. Diese Heuchler.

Tamedia ist bekanntlich ein liberaler, offener, fortschrittlicher Medienkonzern. Der freien Debatte verpflichtet, konsequent gegen Hetzer, Hate Speech im Internet, gegen das Schiessen mit Worten oder auf Personen.

Das haben gerade zwei Redaktoren deutlich zum Ausdruck gebracht. Da schrieb ein Provinz-Possli der SVP «Feuer frei!» in seiner Mini-Chatgruppe und meinte damit Kritik am BAG. Das brachte ihm (und einem SVP-Regierungsrat) eine Breitseite von Tamedia ein. Front plus länglicher Artikel, ein übles Stück Demagogie vom Unfeinsten.

Dass gleichzeitig der leitende und leidende Redaktor Marc Brupbacher ungehemmt Politiker beschimpfen und Verschwörungstheorien verbreiten darf, was soll’s.

Michèle Binswanger ist auch leitende Redaktorin bei Tamedia. Sie hat den bedeutenden deutschen Journalisten Stefan Aust anlässlich seines 75. und seiner Biografie interviewt. Wegen des Interviewten, aber auch wegen den Fragen ist das ein anregendes Gespräch geworden, das man gewinnbringend lesen kann. Ohne mit den Fragen oder gar den Antworten einverstanden sein zu müssen.

Aust ist ein typische Beispiel dafür, was Gesinnungstäter Amok laufen lässt. Hat was geleistet, war bei «konkret» (die meisten wissen gar nicht mehr, was das ist), hatte führende Positionen im «Spiegel», hat sich mit seinen Recherchen über die RAF (nachschlagen, einfach nachschlagen) verdient gemacht und in Gefahr begeben. Irritiert aber mit seiner unabhängig-kritischen Position.

Aust sagt so Sachen wie:

«Heilige Selbstverwirklichung finden wir bei Fridays for Future und auch bei den linken Revolutionären.»

Das finden linke Gesinnungslumpen in der Schweiz natürlich ganz furchtbar, aber Aust sitzt im fernen Hamburg und überhaupt. Gut, dass es die Interviewerin gibt. Binswanger ist näher und sagt so Sachen wie:

«Der Vorwurf, rechts zu sein, kann ein gesellschaftliches Todesurteil sein.»

Anlass für durchgeknallte Amoks von der Berner Reitschule, unter Pseudonym das hier ins Netz zu stellen:

Sicher nur künstlerisch-ironisch gemeint.

Wir wollen nicht Knellwolf und Co. imitieren und das als wörtlich zu nehmenden Mordaufruf denunzieren. Aber es ist natürlich Ausdruck einer widerwärtigen Geisteshaltung. Nämlich der Unfähigkeit, mit abweichenden Meinungen umzugehen. Darauf anders als mit Ablehnung, Abwehr, Anwürfen zu reagieren.

Die Kämpferin gegen Hass im Netz retweetet die Geschmacklosigkeit.

Gefestigt durch das vermeintlich sichere Wissen, selbst im Besitz der heiligen Wahrheit und im Kampf für das Gute und gegen das Böse zu allem berechtigt zu sein. Dazu wird sogar noch eine hanebüchen dumme Begründung geliefert:

 

Was meinen denn die Vorkämpfer von Tamedia dazu?

Nun macht es keinen Sinn, mit diesen Reitern der galoppierenden Dummheit ernsthaft in eine Auseinandersetzung zu gehen. Interessant könnte hingegen sein, was die beiden Tamedia-Autoren, die sich so fürchterlich über einen angeblichen Mordaufruf der SVP erregten, zu diesem geschmacklosen Angriff auf ihre Kollegin meinen. Interessant wäre es gewesen, was der Oberchefredaktor von Tamedia zu unternehmen gedenkt, um seine Mitarbeiterin vor solch primitivem Hate Speech zu schützen.

Das hätte vielleicht einen kleinen Erkenntnisgewinn für die Leser gebracht. Wenn einer der drei Herren geruht hätte, auf eine höfliche journalistische Anfrage zu reagieren. Aber auch hier gilt: austeilen gegen den politischen Feind, das geht immer, auch mit dem billigsten Vorwand. Aber gleiches Mass auch in der linksautonomen Szene anzuwenden: niemals. Da zeigt der Tamedia-Redaktor Tobler Verständnis für einem «Theatermord», wenn ein deutscher Amok dazu aufruft. Köppel zu töten, weil der angeblich auch töte.

Da werden Seiten mit der völlig überflüssigen Debatte gefüllt, wie man denn weibliche und andere unterdrückte Teile der Gesellschaft sprachlich korrekt abbilden könne. Da werden viele Seiten mit Nabelschau, geklautem Leiden und Besserwissereien gefüllt. Aber wenn eine eigene Mitarbeiterin aufs übelste angegangen wird, dann herrscht heuchlerisches Schweigen.

Da salbadert auch Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, dass man bei Tamedia ein «Problem» mit Sexismus und Frauendiskriminierung habe. Aber hier? Ruhe. Da verwandeln sich die Redaktoren, nie um eine schnelle Verurteilung verlegen, in reine Toren, die die Kiefer nicht auseinanderkriegen und verkniffen schweigen, wenn sie Gelegenheit hätten, was zu sagen. Bei dem SVP-Lokalpolitiker machten sie sich noch darüber lustig, dass der eine erste Stellungnahme anschliessend zurückzog. Sie selbst sind nicht einmal dazu in der Lage.

Wer soll die Moral- und Tugendwächter von Tamedia noch ernst nehmen?

Liebe Leute von Tamedia, glaubt Ihr weiterhin ernsthaft, dass ins Internet abschwirrende Werbung plus Corona die ärgsten Feinde der Medien seien? Merkt Ihr nicht, dass Eure eigene Verlogenheit, Eure Heuchelei, Euer völliges Desinteresse an den Interessen Eures Publikums, Eurer Konsumenten, Eurer Brötchengeber der grösste Feind ist? Wer soll Euch denn noch irgendein Urteil, eine Verurteilung, eine Zurechtweisung glauben? Noch schlimmer: wer soll Euch denn noch ernst nehmen?

Inzwischen haben die anonymen Amoks der Reitschule ihren Blöd-Tweet gelöscht. Eiern aber  – samt ihrem Sympathisanten-Sumpf – herum:

 

 

 

Ausflüchte, schönreden, andere anonyme Idioten bedauern oder wollen es nicht gewesen sein.

 

Schweizer, macht Ferien in der Schweiz!

Umso näher die Sommerferien rücken, desto schriller werden die Warnungen.

Nachdem Leichenberge und zusammenbrechende Gesundheitssysteme zurzeit nicht mehr so Thema sind, braucht die Medienmeute ein neues Spielfeld, wo richtig die Blutgrätsche zum Einsatz gebracht werden kann.

Da drängen sich natürlich die Sommerferien auf. Genauer: Sommerferien im Ausland. Man kann zusammenfassend sagen: sollte man lassen. Sollte man vergessen. Schweizer, kauft Schweizer Hotels und Restaurants ihre überteuerten Angebote ab! Das ist die Devise, auf die sich viele Medien geeinigt haben.

Natürlich wird das nicht so plump propagiert. Sondern mit Horrormeldungen insiniuiert. Horrormeldungen über mögliche Probleme, die der kühne Wunsch, Ferien im Ausland verbringen zu wollen, fast zwangsläufig nach sich zieht. Mal eine Auslegeordnung.

Zunächst muss ja gereist werden, um ins Ausland zu gelangen. Per Flugzeug: möglich. Aber: ist der Rückflug auch garantiert? Was passiert, wenn das Ziel während des Aufenthalts von «harmlos» zu «Hochrisikogebiet» hochgestuft wird? Selbst, wenn der Tourist wieder wegkommt, muss er dann 14 Tage in Quarantäne in der Schweiz? Wenn ja, was hält wohl der Arbeitgeber davon?

Neue Marotte: Spielregeln während des Spiels ändern

Spielregeln während des Spiels ändern, das ist tödlich auf jedem Gebiet und überall. Besonders aber im Tourismus, denn der durchschnittliche Pauschaltourist ist ein ängstliches und scheues Wesen. Unter Abenteuerferien stellt es sich höchstens vor, dass am Anfang der Reise noch nicht klar ist, wo am letzten Abend gegessen wird.

Aber nun noch mögliche Tests, Hürden, Quarantäne, gefährdete Rückflüge? Vielleicht doch lieber nicht. Aber, wozu hat man denn ein Auto? Damit kann man zwar nicht unbedingt an die Billigstrände der Türkei oder Griechenlands fahren. Aber das nähere Umfeld sollte doch möglich sein. Also Italien, Frankreich, vielleicht auch Österreich oder Deutschland.

Vorsicht, kräht da Tamdia gerade, «an den Grenzen drohen Corona-Staus». Stau, das Wort hört der Automobilist höchstens dann ohne gleich Pickel zu kriegen, wenn es sich um den Stau vor dem Gotthard handelt. Denn das ist dann wenigstens ein ordentlicher Schweizer Stau. Aber an den Grenzen? Da ist man dann doch der reinen Willkür ausländischer Grenzer ausgesetzt. Weiss man denn, was die alles von einem wollen? Tests? Aber welche? Und die dürfen dann auch nicht älter als 48 Stunden sein. Oder 72? Gibt es noch weitere Hindernisse?

Was passiert, wenn der Grenzbeamte es ganz genau nimmt, bei jedem Automobilisten? Das kann dann doch Stunden dauern. Vielleicht sogar Tage. Aber dann ist man erst mal im Ferienland angekommen, wie steht es hier mit der Rückreise? Schweizer Grenzbeamte können auch ganz schön streng gucken und es auch sein. Da nützt dann das Winken mit dem Schweizerpass eher wenig. Quarantäne, Busse, Scherereien?

Positiver Test vor Reiseantritt: und dann?

Wo soll denn da die Erholung bleiben? Oder nehmen wir an, der erst kurz vor der Reise durchgeführte Test (wenn es dann überhaupt noch Testkapazitäten hat, anderes Problem!) ergibt überraschenderweise ein positives Resultat. Der Betroffene ist zwar symptomlos und fühlt sich pudelwohl. Fühlte sich, denn bedeutet das nun, dass die gebuchten Ferien gestrichen werden müssen?

Und was heisst das für die Buchungen? Ist das Geld weg? Kriegt man Anzahlungen wieder zurück? Und wohin soll man im letzten Moment umdisponieren? Ist doch schon alles voll in der Schweiz, und «last minute» heisst heutzutage: sauteuer, nicht schweinebillig. Selbst wenn man all diese Hürden überwunden hat, wie sieht es dann am Zielort aus? Laufen da alle Angestellten mit Masken rum? Oder, noch schlimmer, ohne?

Wie fühlt man sich in einem fast leeren Hotel? Oder ist es voll mit lärmenden Einheimischen, wo man sich doch heimeligen Umgang mit Schweizer Touristen erhofft hatte? Kommt man so in Ferienlaune? Geht so Erholung? Oder ist das alles wieder mal schwer übertrieben, so wie mit den Leichenbergen und zusammenbrechenden Gesundheitssystemen?

Wem kann man noch trauen? Welchen Experten, welchen Medien? Wichtiger noch: bezahlt Schweiz Tourismus wenigstens etwas dafür? Oder machen das die Medien einfach aus Patriotismus oder weil sie vom Zahlvater Bund einen Wink bekommen haben, dass man sich für die Steuerbatzeli satt dann schon etwas erkenntlich zeigen sollte, indem man die einheimische Tourismusindustrie unterstützt?

Der Aargau: wie immer vorbildlich …

Oder nein, noch besser: es ist Seelenverwandtschaft. Der Schweizer Tourismus leidet seit Jahren unter zu hohen Preisen für zu miese Angebote und jammert darüber, dass immer mehr Landsleute lieber die Gastfreundschaft Österreichs oder anderer Ländern geniessen. Kräht zudem nach Staatshilfe, statt einzusehen, dass es so etwas wie Angebot und Nachfrage gibt. Teuer und schlecht war noch nie ein gutes Angebot.

Den privaten Medienhäusern geht es ganz ähnlich. Sie verlangen seit Jahren zu hohe Preise für immer miesere Angebote. Wundern sich, dass ihnen die zahlenden Konsumenten wegbrechen. Und krähen nach Staatshilfe.

Auch das kann in den Fernferien passieren …

 

Das Meeting, das es nie gab

Bilderberg war gestern, heute ist Zürichberg. Das Geheimtreffen der Medienclans.

ZACKBUM wurde das Protokoll eines Spitzentreffens der Schweizer Medienclans zugespielt. Natürlich anonym, leider sind uns deshalb auch die Motive völlig unklar. Wie steht es um die Authentizität, den Wahrheitsgehalt? Fand es so statt? Wurde das alles so gesagt? Wir wissen es nicht.

Dennoch nennen wir es die Media Megaleaks. Es handelt sich um insgesamt 4 Giga, deren Auswertung uns natürlich wochenlang ausgelastet hat. Wir präsentieren als Erstes ein Gesprächsprotokoll einer Unterhaltung auf höchster Ebene.

Das grosse Vorbild der Schweizer Medienclans.

Aus rechtlichen und anderen billigen Gründen haben wir die Gesprächsteilnehmer verfremdet. Zudem ist die Qualität der Tondatei nicht über jeden Zweifel erhaben. Aber die hier gemachten Aussagen dürfen der Weltöffentlichkeit nicht vorenthalten werden. Denn die Geschichte der Schweizer Medien muss definitiv umgeschrieben werden.

Hier der erste Teil der Media Megaleaks.

«Ich hätt’ noch eine Cola Zero gerne.»

«Und ich hätte gerne mehr Haare auf dem Kopf, können wir endlich mal zur Sache kommen?»

«Krieg ich nun eine Cola Zero oder nicht?»

«Der Mann nervt vielleicht; meinst du, damit würdest du wenigstens etwas grösser?»

«Also meine Herren, ich muss doch bitten, dieser Abend ist dem Thema Resilienz gewidmet, können wir das endlich mal angehen?»

«Resilienz? Was ist denn das wieder für ein Modewort? Ich schlage vor, dass wir uns darüber einigen, wie auch Gratis-Medien an die Staatsknete rankommen.»

«Wieso, ihr hättet halt unserem Beispiel folgen sollen; wir haben unser letztes Gratis-Angebot schon lange eingestampft, also da sehe ich doch nicht ein, wieso wir da in einem Boot sitzen sollten.»

«Ich finde, das Thema Resilienz ist wirklich von ganz entscheidender …»

«Kann endlich mal jemand diese Frau abstellen, die nervt vielleicht.»

«Also ich verbitte mir solche sexistischen Bemerkungen, gerade vom Vertreter eines Konzerns, der ja selbst ganz hübsch Probleme mit so Sachen hat.»

«Und das sagt der Vertreter eines Konzerns, der gerade erst seine Seite mit Sex-Inseraten gekübelt hat.»

«Also wir haben keine Sexinserate und auch keine internen Protestweiber. Aber ich finde, das Thema der Verteilung der Staatssubventionen ist noch nicht ausdiskutiert.»

«Wieso, haben wir doch soweit gut geschaukelt. Endlich mal eine erfolgreiche Lobbyarbeit. Fast 3 Milliarden in den nächsten Jahren, ist das was oder ist das was?»

«Ist was. Aber da hat sich doch so ein Komitee gebildet, das dagegen das Referendum ergreift. Wie können wir denen den Stecker rausziehen?»

«Ein Komitee? Du liest wohl nur deine eigene Blätter, was? Es gibt schon drei Komitees inzwischen.»

«Wie auch immer, müssen wir das ernst nehmen? Ich glaube nicht.»

«Ja, das hat dein Sohn auch schon gesagt, als Roger Schawinski seinen Feldzug für die Erhaltung der UKW-Frequenzen begann.»

«Lass meinen Sohn da raus, jeder hat sein Päckchen zu tragen, gell? Oder wollen wir nun anfangen, schmutzige Familienwäsche zu waschen?»

«Ich möchte nachdrücklich zum Thema Resilienz …»

(Mehrstimmig): «Schnauze!»

«Kriegen wir hier mal etwas Struktur in die Debatte? Das ist ja wie ein Tennismatch mit vielen Bällen und ohne Netz.»

«Du immer mit deinen Tennisvergleichen, kannst da vielleicht mal rauswachsen?»

«Apropos, hat nun jemand dem Zwerg eine Cola Zero besorgt?»

«Den Zwerg habe ich gehört, im Fall; ich habe wenigstens noch Haare auf dem Kopf.»

«Also bitte, meine Herren, das ist hier zwar alles strikt vertraulich. Aber stellen wir uns nur mal vor, das käme an die Öffentlichkeit.»

«Na und? Wir bestimmen doch, was Öffentlichkeit ist, wo soll’s da ein Problem geben?»

«Das wahre Problem ist, dass uns Google, Facebook, Amazon und bald auch Alibaba die Butter vom Brot nehmen, das Brot gleich dazu, und wovon sollen wir dann leben?»

«Genau das meine ich ja mit dem Thema Resilienz, das …»

(Mehrstimmig, das Mikrophon übersteuert): «Schnauze!»

«Vielleicht vertagen wir diese Besprechung, gleich fängt der Match an.»

An dieser Stelle bricht dieses Tondokument ab. Es wirft ein Schlaglicht auf das Niveau, die Flughöhe, die geballte Fachkompetenz, mit der die Führer und Lenker der Medienclans über die Zukunft des Journalismus in der Schweiz nachdenken.

Feuer frei auf die SVP

Ein Glanzstück der Demagogie aus dem Hause Tamedia.

Die Frontseite des «Tages-Anzeiger» vom Samstag war zweigeteilt. Zum einen die obligatorische Trauer über das Versagen der Fussball-Nati beim Penalty. Daneben aber ein Glanzstück rabiater Demagogie.

Wir holen tief Luft und regen uns mal furchtbar auf. Worüber? Darüber: «SVP-Politiker rufen dazu auf, gegen das BAG zu «schiessen»». Das der Aufmacher auf Seite eins, weiter hinten schrumpft es dann eine Idee:

«Er schrieb «Feuer frei!» gegen das BAG in Chat mit 100 Mitgliedern».

Aufruf der SVP zu Gewalt? Müssen BAG-Mitarbeiter unter Personenschutz gestellt werden? Ist’s in der Schweiz nun auch so weit wie in den USA? Muss demnächst mit einem Sturm auf das Bundeshaus gerechnet werden? Lassen führende Exponenten der SVP nun die Maske fallen, und das trotz Corona?

Könnte man meinen, aber es kann Entwarnung gegeben werden. Denn das ist alles reine Demagogie; zwei Tagi-Autoren, von denen zumindest einer einen Ruf zu verlieren hatte, blasen einen armen Frosch solange auf, bis der platzt. Konkret: Ein St. Galler SVP-Kantonsrat vermeldete in einem Telegramchat stolz, dass er mit dem SVP-Regierungsrat Stefan Kölliker telefoniert habe. Thema: Die Forderung des BAG, alle Schüler regelmässig auf Corona testen zu lassen.

Die Formulierung des Anstosses zur Erregung

Dann wörtlich: «Stefan Kölliker sträubt sich und bat mich, über alle möglichen Kanäle gegen das BAG zu schiessen. In diesem Sinne: Feuer frei!»

Über die Schlauheit dieser Formulierung liesse sich sicher diskutieren, aber es steht hier nicht der IQ der beteiligten SVP-Politiker zur Debatte. Was macht nun der Tagi draus? Ein Lehrstück der hinterfotzigen Art. Das beginnt schon mit dem Artikeleinstieg:

«Es geschah am helllichten Tag, am Donnerstag zur Mittagszeit.»

Immerhin, ein wenig Bildung lassen die Autoren hier aufblitzen:

Was hat nun diese Verfilmung eines Dürrenmattstücks über einen Kindermörder mit diesem Spruch eines SVP-Politikers zu tun? Eigentlich nichts, aber das ist ja der Sinn von Demagogie. Assoziationsketten, Verbindungen herzustellen, wo eigentlich nichts ist. Eine Gewebe von Unterstellungen, Andeutungen, Bösartigkeiten zu knüpfen, um den politischen Gegner in die Pfanne zu hauen.

In diesem Sinne fahren die Autoren dieses Schmierenstücks, Thomas Knellwolf und Leo Eiholzer, fort: «Von dort fand die «Feuer frei!»-Aufforderung des Kantonsrats schnell Verbreitung im populären «Corona Rebellen Chat». Und sie wurde rege angesehen: bis Donnerstagabend rund 1900-mal.»

Von einem Spruch mit wenigen Handgriffen zu gewaltbereiten Rechtsradikalen

Mit einem schmutzigen Handgriff sind wir nun schon bei den «Corona Rebellen». Wer ist denn das? Der Chat «vereinigt Impfgegnerinnen und -skeptiker, zu denen man auch Bruno Dudli rechnen kann, mit Evangelikalen, Rechtsextremen und esoterisch angehauchten Globalisierungskritikern. Auf Telegram, dem verschlüsselten Messenger-Dienst, verbreiten sie Aufforderungen zum Widerstand gegen die Corona-Massnahmen, zum Teil mit absurden Theorien und manchmal auch mit Beschimpfung und Drohungen gegen Vertreterinnen und Vertreter von Wissenschaft, Politik, Medien und Behörden. Viele tun dies anonym.»

Flugs kann man auch den Autor von «Feuer frei!» zu diesem bunten Haufen «zählen». So wie man offenbar jeden zu jeder Gruppe von Spinnern «zählen» kann, wenn die nur ein Zitat weiterverbreiten. Dass diese «Verbreitung rege angesehen» wurde, nämlich sagenhafte 1900 mal, zeugt entweder von völliger Unkenntnis – oder ist vielmehr eine weitere Verbiegung der Realität im Sinne der Demagogie.

Aber damit ist die Beweisführung natürlich noch nicht abgeschlossen. Von einer möglicherweise deplatzierten Formulierung sind wir bereits mitten im Sumpf von potenziell gewalttätigen Rechtsextremen. Dagegen geschnitten wird nun eine Warnung: «Die Direktorin des Bundesamts für Polizei (Fedpol), Nicoletta della Valle, hatte bereits Ende 2020 in einem Interview vor Hass in den sozialen Medien gewarnt.»

Hass, Drohungen:

««Für den Verfasser waren es nur Worte, aber ein anderer Chat-Teilnehmer schreitet zur Tat», sagte sie.»

Mit anderen Worten: SVP-Politiker fordern «Feuer frei!» aufs BAG, wer weiss, andere nehmen das beim Wort und beginnen zu schiessen.

Diese demagogische Spitzenleistung müsste unbedingt in Lehrbücher aufgenommen werden. Als Sahnehäubchen folgt natürlich noch die Konfrontation des Autors und des Regierungsrats mit diesem Spruch. «Am Donnerstagabend rechtfertigte Dudli am Telefon seine «Feuer frei!»-Aufforderung. Kurz danach schrieb er aber: «Hiermit untersage ich jegliche Zitierung/ Verwendung/Verbreitung.»»

Wunderbar, freuen sich die Demagogen, nun eiert der überforderte Provinzpolitiker noch rum. Souveräner reagiert der SVP-Regierungsrat, aber auch ihm kann man vorwerfen: «Stefan Kölliker will sich vom «Feuer frei!»-Post, der in seinem Namen verschickt wurde, nicht distanzieren.»

Mit Steinen aus dem Glashaus werfen …

Das hat nun null und nichts mit aufklärender Berichterstattung zu tun. Das ist schäbigster Gesinnungsjournalismus. Schlimmer noch: das ist mit Steinen aus dem Glashaus an der Zürcher Werdstrasse werfen. Denn im gleichen Haus wütet bekanntlich die Corona-Kreische Marc Brupbacher. Der lässt keine Gelegenheit aus, Regierungsverantwortliche auf das Übelste zu beschimpfen, im Diskant Tod und Teufel an die Wand zu malen, ständig neue Verschwörungstheorien und ungehemmte Rechthaberei zu verbreiten.

Ein amtlich zertifizierter Amok und Verschwörungstheoretiker. Na und, der darf das.

Im Gegensatz zu diesem SVP-Politiker hält er es zudem nicht für nötig, auf entsprechende Fragen oder die Möglichkeit zur Stellungnahme auch nur zu reagieren. Auch Arthur Rutishauser mag nichts dazu sagen, ob er es mit einer führenden Position in seiner Redaktion für vereinbar hält, Sottisen, Verleumdungen, Beschimpfungen und auf den Zehenspitzen gekrähten Unsinn zu verbreiten.

Aber he, Brupbacher gehört sicherlich nicht der SVP an, der darf das.

Rammstein: Aufruf zur Gewalt?

RTS: Romands mit Trieben und Sexgelüsten

Schon wieder ein Abgrund. Nein, diesmal nicht bei Tamedia. Aber beim welschen Staatsfunk.

Man (auch Mann, Frau, divers und überhaupt) ist erschüttert. Mehr als das:

«Einzelne Mitarbeiterinnen begannen in der nachfolgenden Fragerunde zu weinen und sprachen angesichts der Befunde von einem «absoluten Skandal», während ihre Kollegen die Fakten als «niederschmetternd» bezeichneten oder sich bei den Anwältinnen für die «unglaubliche Arbeit» bedankten

Echt jetzt? Weinende Journalistinnen? Was ist denn passiert? Wurde ein Gendersternchen gemeuchelt? Nein, das ist kein Platz für Scherze. Tamedia vermeldet:

«Rassismus, unerwünschte Küsse, Anfassen von Brüsten, Berührungen am Gesäss, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, Arbeitsüberlastung, Beleidigungen gegen Schwangere, Festhalten in einem Raum: Die Missstände beim Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) sind weit komplexer, vielfältiger und gravierender als bislang bekannt.»

Der Trompeter von Jericho, auch als Philippe Reichen bekannt, spielt wieder sein Lieblingsinstrument. Als – man erinnert sich noch? – «Le Temps» mit Anlauf den ehemaligen News-Star von RTS in die Pfanne hauen wollte, war Reichen schon zur Stelle. Die Vorwürfe gegen Darius Rochebin erwiesen sich zwar als haltlos und falsch; entsprechende Schadenersatzforderungen laufen. Aber Reichen formulierte kühn «Die Mauer des Schweigens bricht».

Auch bei Übergriffen muss enthüllt werden

Er «enthüllte» weitere, länger zurückliegende Probleme rund um die Einstellung einer TV-Talkshow, die nach 12 Folgen mangels Publikumsinteresse eingestellt wurde – 2015. Das war dann auch nicht so der Knaller, aber nun hat das Genfer Anwaltsbüro «Collectif de Défense» intern die Resulate seiner Untersuchung der jüngsten Vorwürfe präsentiert.

Die Mitglieder des Anwaltskollektivs.

Weil wir beim seriösen Staatsfunk sind, wo sorgfältig zwischen intern/vertraulich und öffentlich/skandalös unterschieden wird, fanden die Ergebnisse sofort den Weg in die Medien. Also nicht ganz, den Weg zu Reichen. Der lässt wieder keinen Stein auf dem anderen:

«Die Arbeitsrechtsexpertinnen bezeichneten Mobbing und Übergriffe bei RTS als «systemisch». Sie betonten, die untersuchten und ungeahndet gebliebenen Missstände hätten über einen Zeitraum von 20 Jahren stattgefunden. Bei RTS habe ein «Gesetz des Schweigens» geherrscht.»

Dagegen haben die AnwältInnen des Kollektivs was, so ihre Selbstanpreisung: «Les avocat-e-s du Collectif de Défense sont soucieux de pratiquer aussi bien une écoute attentive de la personne, qu’un professionnalisme rigoureux. L’efficacité et la combativité font la marque de l’Etude

Effizienz und Kampfbereitschaft als Markenzeichen, da wird offenbar kein Pardon gegeben. Auf der anderen Seite: «Die Anwälte des Verteidigungskollektivs glauben an eine für alle zugängliche Gerechtigkeit. Daher wendet das Verteidigungskollektiv einen Stundensatz an, der nicht abschreckend ist und unter den im Berufsstand üblichen Sätzen liegt.»

Da können wir für uns Zwangsgebührenzahler nur hoffen, dass sie diesem löblichen Prinzip auch in diesem Fall nachgelebt haben. Denn solche Untersuchungen gehen normalerweise ganz schön ins Geld; Beträge von einer Million aufwärts sind völlig handelsüblich.

Für einen kann’s nun ganz eng werden

«230 Zeuginnen und Zeugen, also mehr als ein Zehntel der RTS-Belegschaft, haben sich beim Anwaltsbüro gemeldet und für den Bericht ausgesagt», weiss Reichen im Weiteren. Damit dürfte eine siebenstellige Honorarnote garantiert sein.

Besonders heikel kann’s nun für SRG-Generaldirektor Gilles Marchand werden. Der war noch im April vom SRG-VR auf eine «sekundäre Aufsichtsverantwortung» runtergestuft worden, wobei man ihm keine groben Fehler vorwerfen könne. Also salviert, Job gerettet, nur keine Unruhe ganz oben.

Sollten die Vorwürfe dieser Untersuchung sich tatsächlich erhärten lassen – im Gegensatz zu den bislang völlig beweisfreien Behauptungen der Tamedia-Protestfrauen –, dann dürfte es doch eher eng werden für Marchand.

Das ist dann nicht nur für ihn persönlich eine ganz schlechte Nachricht. Denn sollte sich der SRG-VR zu einem Opfer entschliessen, dann müsste natürlich die Nachfolge für Marchand gleich geregelt werden. Und dessen Stellvertreterin ist – Nathalie Wappler. Damit wäre dann der Weg in eine gloriose TV-Zukunft geebnet.

 

 

 

«Nach Redaktionsschluss»

Die Medien werden bekanntlich immer besser. Mit weniger Leistung. Mit mehr Staatsknete. Oder doch nicht?

Ausser Sandro Benini vom «Tages-Anzeiger» finden ziemlich viele Schweizer recht sensationell, was der Fussball-Nati gegen Frankreich gelungen ist. Der Sieg hatte aber einen schweren Nachteil: er erfolgte erst spät. Sehr spät. Zu spät:

«Achtelfinal gegen Frankreich. Steht die Schweiz erstmals seit 1954 im Viertelfinal einer Endrunde? Oder waren die Franzosen zu stark? Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe war der Match noch im Gang. Alles zur Partie finden Sie auf unserer Website.»

Denn so spät steht doch bei der «Basler Zeitung» kein Redaktor mehr in seiner Verrichtungsbox. Das würde ja Überstunden bedeuten, und vielleicht kostet es auch noch extra, die Druckmaschinen ein Bitzeli später zu starten. Das alles wegen des Einzugs der Fussball-Nati in die Viertelfinals nach einem Penalty-Krimi? Ach was.

Andere, sogar kleinere Blätter schafften es hingegen:

Das Langenthaler Tagblatt kann’s.

Sogar das «St. Galler Tagblatt», erst noch mit einem launigen Titel.

Auch das Mutterblatt dieses Mediendesasters konnte es vermelden:

In der Hektik die falsche Titelschrift erwischt, aber immerhin.

Nicht-Fussballfans können ihre Enttäuschung darüber beherrschen, dass es nicht mal alle Printmedien in der Schweiz schafften, einen späten Sieg noch mitzunehmen. Echte Fans verfolgten natürlich den Match live, und solche, die das nicht konnten, hielten sich im Internet auf dem Laufenden.

Was soll’s? Das soll’s: Es waren diese kleinen Extraleistungen, die dem Leser das Gefühl gaben: die reissen sich beide Beine aus für mich, die geben Gutzi, die gehen mit, die wollen mir eine Extra-Freude machen.

Auch die Bündner können, was die Basler nicht schaffen.

Natürlich wollten das einige – nicht alle – Journalisten heute noch, Ehrensache, dass man so ein Sportereignis mitnimmt. Aber: inzwischen haben die Erbsenzähler vollständig die Macht übernommen. Eiskalte Rechner wie Pietro Supino, von Kenntnissen völlig unbelastete Söhne wie Florian Wanner, «ich kann Resilienz»-Schwurbler wie Ladina Heimgartner.

Wenn Würstchen die Macht übernehmen, wird der Senf rationiert

Dass ihre Erfolgsbilanz sehr überschaubar ist, ist das eine. Dass ihr Einkommen umgekehrt proportional zu ihren Fähigkeiten in die Stratosphäre abgeschwirrt ist, das andere. Dass sie null Ideen haben, wie ihre Medienhäuser aus eigener Kraft aus dem selbstverschuldeten Schlamassel rauskommen könnten, ist das dritte.

Dass sie gleichzeitig behaupten, unverzichtbare vierte Gewalt zu sein und dem Staat mitsamt seinen Behörden kritisch auf die Finger zu klopfen, aber handkehrum mit übelster Lobbyarbeit im Parlament durchdrückten, dass der Steuerzahler sie mit ein paar Milliarden in den nächsten Jahren für ihr Versagen belohnen soll, ist das vierte.

Das ist so absurd, wie wenn die Corporate Communication einer Grossbank sagen würde: Wir sind zwar finanziell von unserem Brötchengeber abhängig, aber wir werden trotzdem kritisch seine Geschäftspolitik begleiten.

Solchen Stuss kann nur jemand erzählen, der seine Konsumenten, seine Leser wirklich für brunzblöd hält. Das kann nur jemand behaupten, der jede Sparmassnahme, jede neue Abmagerungskur für die Skelette, die früher einmal unabhängige Redaktionen waren, als Verbesserung des Angebots verkaufen will. Das würde sich nicht einmal der schmierigste Teppichhändler auf dem Basar trauen; immer kleinere und miesere Teppiche für gleich viel Geld anbieten.

Absurd, realitätsfern, ohne Steuergelder zum selbstverschuldeten Untergang verurteilt

Das kann nur jemand verzapfen, der bei seinen Regionalzeitungen das Regionale vernachlässigt, auch das Kantonale; so tut, als ob in Basel, Zürich, St. Gallen, Luzern, Aarau oder Bern politische Entscheidungen gleich aufgenommen würden. Und deshalb, wie Wirtschaft, Politik, Kultur – und Sport – von einer Zentralredaktion zugesosst werden kann. Wobei immer grössere Brocken aus «Kooperationen», zum Beispiel mit der «Süddeutschen Zeitung», übernommen werden.

Also immer weniger Angebot für gleich viel Kohle, für immer weniger zahlendes Publikum, dessen gelichtete Reihen mit Säcken voller Steuergeld nachgefüllt werden sollen. Damit’s wieder besser wird? Ja wie denn? Werden die einfallslosen, nur auf Gewinn bedachten Manager als Vertreter der Besitzerclans so schlauer? Fallen ihnen plötzlich Lösungen ein, auf die sie in den letzten 20 Jahren nicht kamen?

Absurd. Deshalb ist das Berichts-Desaster über den Einzug der Schweiz ins Viertelfinal auch für Nicht-Fussballfans ein weiteres Fanal. Soll dieses Rundum-Versagen wirklich mit Milliarden versüsst werden? Mit Milliarden für Multimillionäre? Für Kunstsammler, Aston-Martin-Fahrer, Yacht-Besitzer, denen ihre Aufgabe als vierte Gewalt so was von egal ist? Ausser, sie können damit hausieren gehen?