Die grossen Schweiger der Postfinance

Rufen Sie nicht an. Schreiben Sie auch nicht. Wir antworten nicht.

Die Eigenwerbung kommt geschleckt daher: «PostFinance gehört zu den führenden Finanzinstituten der Schweiz und ist für über 2,6 Millionen Menschen die zuverlässige Partnerin für Privat- und Geschäftskunden, die ihre Finanzen selbstständig verwalten möchten.»

Über 3200 Mitarbeiter bemühen sich angeblich bei der systemrelevanten Staatsbank darum, «Ihnen den Umgang mit Geld so einfach wie möglich zu machen». Das ist der schöne Schein. Dahinter verbirgt sich aber ein hässliches Sein.

Nach zehn Tagen brandschwarzer Lüge, dass die Postfinance eine Überweisung aus den USA nicht bekommen habe, räumte die Bank ein, dass das Geld doch bei ihr angelangt sei. Durch eine kleine publizistische Offensive sah sich die Postfinance dann dazu gezwungen, telefonisch die Erklärung nachzuschieben, dass der Betrag nicht auftragsgemäss dem Kunden gutgeschrieben wurde, weil es hier eine «Sanktionsproblematik» gebe.

Auf den Hinweis, dass das schlecht sein könne, weil weder der Absender, noch die beteiligten Banken, noch der Empfänger nachweislich auf irgend einer Sanktionsliste stünden und man das problemlos einsehen könne, verstummte das Finanzinstitut.

Die Compliance-Mitarbeiterin wollte nicht mal ihre E-Mail-Adresse rausrücken und warnte mündlich, dass die nötige «Überprüfung» noch ein Weilchen dauern könne und man von täglichen Anrufen absehen solle.

Der frustrierte Kunde folgte dann ihrer Anregung, er solle sich doch, wenn ihm das nicht passe, mit einer Beschwerde an den CEO der Postfinance wenden. Also bekam Hansruedi Köng ein Beschwerdeschreiben. Und schweigt.

Die mit einigen journalistischen Fragen angeschriebene Medienstelle teilte knapp mit, dass sie diese Fragen an das «Beschwerdemanagement» weitergeleitet habe. Das sei aber nicht der Sinn der Anfrage gewesen, stocherte der Kunde und Journalist nach. Seither schweigt die Medienstelle.

Natürlich schweigt das «Beschwerdemanagement» auch. Ein freundlicher Tippgeber enthüllte die Mail-Adressen der Rechtsabteilung und der Compliance der Bank. «legalpf@postfinance.ch» und «compliancepf@postfinance.ch». Raffiniert, darauf muss man erst mal kommen, mit dem angehängten pf hält man sich ungebetene Belästigungen durch Kunden vom Leib.

Auch diese Instanzen wurden angeschrieben und – Überraschung – schweigen. Eine weitere Möglichkeit, mit der Postfinance in Kontakt zu treten, ist ihre einzige und gebührenpflichtige Telefonnummer. Hier schweigt sie nicht, sondern berieselt den Anrufer minutenlang mit Dudelmusik und dem Hinweis, dass leider alle Mitarbeitenden im Gespräch seien. Wer das übersteht, kann dann tatsächlich mit einem lebenden Menschen sprechen. Nur: der weiss von nix und versteht von Bankgeschäften oder gar Überweisungen nix. Ein Call-Center-Mitarbeiter der Post weiss immerhin, was bei einem Päckchen die Tracking-Nummer ist. Ihre Geldentsprechung UETR ist für Postfinance-Angestellte hingegen Bahnhof. Nix verstan.

Der Gerechtigkeit halber sei noch angefügt, dass man ganz modern auch chatten kann mit der Postfinance. Vorausgesetzt, man verfügt über E-Banking und eine Engelsgeduld. Denn zuerst muss man sich hier durch einen Chat-Bot arbeiten, ein automatisiertes Programm, das auf vernünftige Fragen bescheuerte Antworten gibt. Und einem erst nach einem kräftigen Nein auf die abschliessende Frage, ob die Antworten genützt hätten, verspricht, den Kunden an ein menschliches Wesen weiterzuleiten.

Nun bedeutet Chat eigentlich, dass schriftlich ein Gespräch geführt wird, Frage, Antwort, Frage, Antwort. Bei der Postfinance nimmt man es aber gemütlich. An dieser Stelle des Chats wird lediglich versprochen, dass «innert zwei bis fünf Arbeitstagen» mit einer Antwort zu rechnen sei. Daran hielt sich die Postfinance immerhin in diesem konkreten Fall. Nur: die Antwort war falsch.

Ach, dann gibt es ja noch reale Filialen der Postfinance. Wenn der Kunde persönlich dort aufschlägt, wird er sogar ausnahmsweise ohne vorherige Terminvereinbarung empfangen. Bedient wäre dann wohl das falsche Wort, denn der Postfinance-Mitarbeiter weiss auch nach einem Blick in seinen Bildschirm nichts Genaues. Auf die Frage, ob er sich nicht vielleicht intern erkundigen könne, gibt er die verblüffende Antwort, dass auch er nur die gleiche Telefonnummer habe wie der Kunde.

Der Angestellte reiht sich in die gleiche Warteschlaufe wie 2,6 Millionen Postfinance-Kunden ein, das ist wohl weltweit einmalig.

Nun wäre das alles brüllend komisch, wenn die Post nicht seit inzwischen 15 Tagen auf einem recht ansehnlichen Geldbetrag sitzen würde, den sie eigentlich im Auftrag des Absenders dem Kunden hätte gutschreiben sollen. Aber aus reiner Willkür, ohne rekursfähige schriftliche Begründung, haftungsfrei und verantwortungslos hat sie sowohl dem Absender wie dem Empfänger die Verfügungsgewalt über deren Geld entzogen.

Da müsse zuerst eben eine «Sanktionsproblematik» abgeklärt werden. Nicht etwa von der Postfinance, sondern von einer nicht näher genannten staatlichen Behörde, die aber überarbeitet sei, weshalb das eine unbekannte Zeitspanne lang dauern könne.

Wer die Hand auf ihm nicht gehörendes fremdes Gut legt, ohne das rechtlich wasserdicht begründen zu können, wird normalerweise als Dieb bezeichnet. Natürlich darf man diesen Ausdruck nicht auf die Postfinance anwenden, sonst würde man sicherlich eher schnell etwas von der Rechtsabteilung hören. Zudem kann die Postfinance ja behaupten, dass sie das Geld nicht etwa verfrühstücken will, sondern nur beschlagnahmt, eingefroren hat, kommissarisch verwaltet.

Selbstverständlich nur im Dienst des Kunden, um dessen Wohlergehen bemüht und besorgt.

PS: Zeichen und Wunder. Weiterhin verkniffen schweigend hat die Postfinance am Freitagnachmittag die Überweisung gutgeschrieben. Eine Mitteilung, eine Entschuldigung gar? Irgend eine geheuchelte Anteilnahme, wenigstens das übliche Gequatsche: ist nicht ganz optimal gelaufen, bitten um Verständnis, werden die Abläufe überprüfen? Ach was, die Postfinance doch nicht. Das wäre doch kundenfreundlich, und das geht gar nicht.

Deutsches Gewäffel

Fortsetzung unserer Serie über copy/paste-Tamedia.

Das «Classic-Jahresabo» der Qualitätszeitung «Tages-Anzeiger» kostet 605 Franken. Oder im Monats-Abo 64 Franken. Für so viel Geld kann man doch einiges auf Papier und digital erwarten. Recherche, Analyse, Einordnung, Eigenleistung. Erwarten kann man viel, geliefert kriegt man wenig.

So veröffentlicht die «Süddeutsche Zeitung» einen Kommentar unter dem Titel: «Scholz lässt sich von Abbas vorführen». Autorin ist Alexandra Föderl-Schmid. Seit Juli 2020 stellvertretende Chefredakteurin dort, zuvor Israel-Korrespondentin. Sie erregt sich nicht zu Unrecht darüber, dass der Palästinenserführer Mahmud Abbas beim gemeinsamen Auftritt nach seinem Besuch im Kanzleramt gesagt hatte, dass Israel gegenüber den Palästinensern seit 1947 50 Holocausts begangen habe.

Geschmacklos, unappetitlich, widerlich. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz reagierte darauf erst mit länglicher Verzögerung. Dafür wird er nun von Föderl-Schmid abgewatscht. «Er verabschiedete Abbas sogar noch mit Handschlag – eine Geste, die völlig deplatziert war und für die er allein verantwortlich ist.» Dazu «inhaltlich zu wenig eingearbeitet», «Vertrauen erschüttert», «Beziehungen zwischen Deutschland und Israel in schwieriger Phase», «Gefahr, dass dem Eklat im Kanzleramt ein weiterer folgt».

Zackbum. Da hat’s die Österreicherin dem deutschen Kanzler aber gegeben. Sozusagen eine innerdeutsche oder reichsdeutsche Angelegenheit, vorgetragen in diesem schneidigen Ton, den man im grossen Kanton im Norden so gerne anschlägt. Nur: was hat das mit der Schweiz zu tun? Richtige Antwort: nichts.

Moment, das sieht das Haus des Qualitätsjournalismus, der stupenden Eigenleistungen für üppige Bezahlung aber anders. Hier wird aus dem Kommentar schwups grossspurig eine «Analyse», die unter einem angespitzten Titel erscheint:

Aber nach dieser Gewaltsleistung sinkt die Ausland-Redaktion von Tamedia ermattet in ihre Verrichtungsboxen; schon der Lead wird eins zu eins übernommen, der übrige Text auch. Natürlich minus ß, so viel Anstrengung muss dann schon noch sein.

Da der Kommentar sich auf dem Weg von München nach Zürich zu einer «Analyse» gemausert hat, wäre es doch eigentlich angebracht, dass Ausland-Chef Christof Münger seinerseits einen Kommentar zum Kommentar, Pardon, zur Analyse, schreibt. Aber das wäre wohl zu viel der Mühewaltung. Für läppische 605 Franken kann man doch nicht mehr erwarten.

Um dem Tamedia-Leser eine eigene Analyse über Themen von schweizerischem Interesse zu servieren, dafür müsste der Kellner schon vierstellig kassieren dürfen. Aber die Redaktions-Kellner werden halt an der ganz kurzen Leine geführt und zu Tode gespart. Sonst könnte Tx-Boss Pietro Supino sich selbst und die Mitaktionäre vom Coninx-Clan doch nicht mit einer Sonderdividende erfreuen.

Haut den Trump

Was tun, wenn die Nachrichtenlage flau und das Wetter heiss ist?

Da möchte auch der Redaktor aus seiner Verrichtungsbox heraus und etwas die Füsse ins Wasser halten, solange es das noch gibt. Also bietet sich doch ein Objekt der Berichterstattung an, bei dem man die Titel wirklich aus dem Stehsatz nehmen kann. Man muss sie nicht mal abstauben, denn sie werden fleissig rezykliert.

Beginnen wir mit dem absoluten Klassiker, dem all time favorite, der kann nur über einem Artikel eines einfallslosen SZ-Redaktors stehen, der es ins Qualitätsorgan von Tamedia geschafft hat:

Mit Verlaub, für Trump wird es schon seit Jahren eng und enger. Inzwischen ist es so eng, dass nicht mal mehr ein einziges Haar seiner Fönfrisur noch in den Spalt passt.

Gleich zwei Standards verbrät nau.ch in einem einzigen Titel:

Der arme Mann, in seiner bedrängten Enge gerät er auch noch unter Druck, zudem wird er mit Fragen beworfen.

Fehlt da noch einer? Richtig, aber die SDA schafft Abhilfe und füllt die schmerzliche Lücke:

Eng, Druck, Fragen, im Visier, Kampf, viele Fronten. Kein Wunder, muss sich der arme Mann jeden Tag orange Farbe ins Gesicht malen.

Wo’s um die Wiederaufbereitung abgenudelter Titel geht, darf natürlich «watson» nicht fehlen:

Auch ein Doppelmoppel der Einfältigkeit. «Akte Trump», das hört sich immer so schön nach Strafuntersuchung, nach Gerichtsakte an. Ergänzt durch eine von zwei Möglichkeiten. Der Konjunktiv oder das Modalverb. Gut, für «watson»-Redaktoren: Die Möglichkeitsform oder das Modulieren einer Aussage. Modulieren bedeutet, aber lassen wir das, hopeless.

Fehlt noch einer im Reigen? Natürlich, der Blöd-«Blick». Bitte sehr:

Wurde Trump ausgeliefert? Ist er verzweifelt? Gibt es einen Verräter? Ein einziger Titel, so viele offene Fragen.

Behält denn wenigstens die NZZ trotz hoher Temperaturen einen kühlen Kopf? Nicht unbedingt:

Auf den fiesen Vergleich muss man auch erst mal kommen.

 

Willkür, Wildwest und Rechtsstaat

Es existiert eine klare rote Linie zwischen Willkür und unserer Bastion gegen Barbarei.

Aus gegebenem Anlass und für Compliance-Mitarbeiter der Postfinance (aber nicht nur dort) zum Mitschreiben. In einem funktionierenden Rechtsstaat gibt es einfache Mechanismen und Regeln, deren Befolgung allen Beteiligten Rechtssicherheit gibt.

Wer in die Rechte oder den Besitz eines anderen eingreift, hat sich dabei an wenige, banale Regeln zu halten.

  • Der Eingriff hat mit einer Begründung zu erfolgen. Diese Begründung sollte einen Verweis auf die rechtlichen Grundlagen für den Eingriff enthalten.
  • Diese Begründung hat zeitgleich mit dem Eingriff zu erfolgen. Zudem muss aufgeführt sein, wer mit welcher Berechtigung diesen Eingriff durchführt.
  • In der Begründung muss obligatorisch eine Rechtsmittelbelehrung enthalten sein. Es muss erklärt werden, innert welcher Frist der Betroffene wo dagegen Beschwerde einlegen kann.
  • Bei schwerwiegenderen Eingriffen braucht es eine anfechtbare Verfügung. Es muss etwas Schriftliches vorliegen, gegen das auf dem ordentlichen Rechtsweg, also vor Gericht, vorgegangen werden kann.
  • Bei solchen Eingriffen muss der Betroffene angehört werden, er muss die Möglichkeit haben, dazu Stellung zu nehmen.

Das sind ein paar leicht verständliche Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit sich ein Eingriff in die Rechte eines Individuums (oder einer Firma) im rechtsstaatlichen Rahmen abspielt.

Im geschilderten Fall wurde von der Postfinance kein einziges dieser Kriterien erfüllt.

  • Der Auftrag, eine überwiesene Geldsumme dem Konto des Empfängers gutzuschreiben, wurde nicht ausgeführt. Begründungslos.
  • Dem so um sein Eigentum geprellten Empfänger wurde dieser Eingriff nicht mitgeteilt, ebenso wenig dem Absender. Dem Empfänger wurde 10 Tage lang wahrheitswidrig gesagt, dass keinerlei Überweisung wie von ihm angegeben und belegt, eingetroffen sei. Obwohl sich die Postfinance seit Tagen im Besitz dieser Überweisung befand, stritt sie das ab.
  • Nachdem sich die Postfinance nach 10 Tagen dazu bequemte, den Eingang der Überweisung vor zehn Tagen einzuräumen, schob sie zunächst eine weitere unwahre Begründung vor, wieso der Betrag dem Kunden nicht gutgeschrieben werde.
  • Es wurde keine Erklärung geliefert, wer mit welcher Berechtigung diesen Eingriff ins Eigentum eines anderen vorgenommen hatte. Es wurde lediglich schlussendlich behauptet, die Compliance der Postfinance habe eine «Sanktionsproblematik» entdeckt.
  • Diese Auskunft wurde nur mündlich erteilt, schon die Herausgabe einer sachdienlichen E-Mail-Adresse, um den Vorgang zu verschriftlichen, wurde verweigert.
  • Dieser vagen Begründung fehlte ein Verweis auf die zugrunde liegenden Vorschriften, ebenso erfolgte keine Rechtsmittelbelehrung. Auf die Frage nach einer Beschwerdemöglichkeit wurde geantwortet, dass man sich an das «Beschwerdemanagement» der Postfinance oder gleich an ihren CEO wenden solle. Auch hier wurden keine sachdienlichen Adressangaben gemacht. Anscheinend wurde dem «Beschwerdemanagement» eine an die Medienstelle gerichtete Anfrage des Journalisten und Empfängers weitergeleitet, ohne dass eine Reaktion erfolgte.
  • Da keinerlei schriftliche Bestätigung dieses Vorgangs vorliegt, ist es auch nicht möglich, dagegen Rechtsmittel wie eine Anfechtung vor einem ordentlichen Gericht zu ergreifen.
  • Da die Beschlagnahme ohne Wissen des Absenders oder des Empfängers der Überweisung erfolgte, hatte keiner der Besitzer die Möglichkeit, zu diesem Vorgang Stellung zu nehmen.
  • Worin diese angebliche «Sanktionsproblematik» bestehe, wurde nicht erklärt. Es wurde nur mündlich darauf verwiesen, dass eine nicht identifizierte staatliche Behörde nun überprüfe, ob dieser Betrag dem Empfänger gutgeschrieben werden könne oder nicht. Wie lange diese Überprüfung dauert, von wem genau sie ausgeführt werde – keine Angaben.
  • Seit bald einmal zwei Wochen sitzt die Postfinance auf einem nicht ihr gehörenden Geldbetrag und weigert sich, ihrer Verpflichtung als Dienstleister nachzugehen, ihn auftragsgemäss einem Kunden gutzuschreiben. Das Geld ist also sowohl für den Absender wie für den Empfänger blockiert. Der Absender wurde darüber nicht informiert, der Empfänger erst nach mehrfachem Insistieren und der Veröffentlichung des Vorgangs.
  • Die einzige Kontaktperson der Postfinance besteht auf Mündlichkeit, will keine Adresse für schriftliche Eingaben herausrücken und weist zudem darauf hin, dass diese «Überprüfung» wegen angeblicher Überlastung der Behörde dauern könne und man von täglichen Anrufen absehen solle.
  • Wieso eine «Sanktionsproblematik» existieren könnte, obwohl weder der Absender der Überweisung, noch die darin involvierte Bank des Absenders, noch die Korrespondenzbank, noch der Empfänger auf einer Sanktionsliste stehen, vermochte bei Postfinance niemand zu beantworten.

Man sieht an diesem ausführlich geschilderten Verhalten der Postfinance, was passiert, wenn das Einhalten rechtsstaatlicher Vorschriften, Regeln, Abläufe ausser Kraft gesetzt wird. Und durch Willkür, selbstherrliches Handeln unter dem Schutz der Anonymität  in einem rechtsstaatfreien Raum ohne Haftbarkeit oder Verantwortlichkeit ersetzt wird.

Es greifen Sitten wie im Wilden Westen um sich, inklusive Faustrecht. Denn die Postfinance missbraucht den Geldbetrag dieser Überweisung einfach mal als Faustpfand. Ohne jegliche Legitimation ausser der Tatsache, dass er sich in ihrem Einflussbereich befindet. Ob und wann und wie sie ihn wieder hergibt, ist offenbar reiner Willkür überlassen, da es keine Handhabe gibt, die Postfinance in den Bereich der Rechtsstaatlichkeit zurückzuzwingen.

Ein Einzelfall? Wohl eher nicht, Auf jeden Fall ein Skandal, ein ungeheuerlicher Vorgang, der dringlich das Eingreifen staatlicher Aufsichtsbehörden erforderlich macht. Sie sind darüber orientiert. Werden sie auch entsprechenden handeln?

Rechtsausübung in Wildwestmanier: «give him a fair trial – then hang him.»

Einerseits – andererseits

Kann man so oder so sehen. Und Analyse nennen.

Ein unbedarfter und mit wenig Fachkenntnis beleckter Journalist ist die Pest. Vor allem, wenn er kräftig austeilt, Regierende, Handelnde und Verantwortungsträger wohlfeil belehrt, was sie alles falsch machen, was sie stattdessen tun sollten. Dabei wird der Redaktor von seiner zunehmenden Bedeutungslosigkeit geschützt. Er gibt zwar haftungsfrei und verantwortungslos seinen Senf zu allem. Wie der Chefredaktor des St. Galler «Tagblatts» mit seinem Stinkefinger-Kommentar. Aber keiner hört auf ihn.

Eine andere Variante ist, sich in ein Einerseits-Andererseits zu flüchten und das dann «Analyse» zu nennen. Damit ist der Redaktor dann für alle Eventualitäten gerüstet. Geht’s tatsächlich in die eine Richtung: er hat’s analysiert. Geht’s aber in die andere Richtung: kein Problem, hat er ja analysiert. Ein schönes Mängelexemplar dieser Methode bietet, wer denn sonst, das Intelligenzblatt «watson».

Denn neben Listicals, den lustigsten Irgendwas und schlüpfrigen Sex-Tipps will «watson» ja auch feste Nahrung anbieten. Also auch etwas zum Ukrainekrieg sagen. Nur ist es da, wie meist bei Kriegen, etwas unübersichtlich. Also ist «die Ukraine gerade im Aufwind». Einerseits. «Aber das muss dennoch nicht die Wende bedeuten», andererseits.

Die Bezeichnung «Analyse» für das, was dann folgt, ist allerdings eine Mogelpackung. Denn es ist einfach ein Zusammenschrieb längst bekannter Meldungen aus teilweise trüben Quellen. «Ein in den sozialen Medien verbreitetes Video soll zeigen, wie sich Soldaten eines LNR-Bataillons weigern, weiterzukämpfen», eine mit Russland verbündete Miliz. Einerseits. «Gleichzeitig wird die Ost-Offensive der russischen Armee unvermindert weitergeführt.» Andererseits.

«Auf dem Süden ruhen die Hoffnungen der sich erbittert verteidigenden Ukrainer.» Einerseits. «Experten sind sich jedoch weitgehend einig, dass der Ukraine sowohl Waffen als auch Soldaten fehlen, um eine gross angelegte Gegenoffensive zum Erfolg zu bringen.» Andererseits.

Analytischer Höhepunkt zum Schluss: «Kiews Truppen rücken zwar vor, aber nur sehr langsam. Beobachter vor Ort berichten, dass seit Wochen und vonseiten beider Kriegsparteien kaum relevante militärische Geländegewinne gab. Die Gefechte bestehen aus einem langwierigen Abnützungskampf. Dieser könnte sich weiter hinziehen, nachdem Russland fortwährend Truppen in den Süden verlegt.»

Nun kann «watson» natürlich als mildernden Umstand anführen, dass dieser analytische Wackelpudding von der «Aargauer Zeitung» hergestellt wurde. Also ein Qualitätsprodukt aus dem Hause CH Media sei. Vielleicht sollte der Wanner-Clan weniger Geld in den eigenen Weinberg, dafür mehr Kohle in die Qualität seiner Redaktion stecken.

Sonst muss der Leser leider Goethes Faust zitieren (kann man googeln, keine Panik): «Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.»

Entgleist

Ein neues Opfer des Faschismus.

Auf ihrer Webseite kommt die «Kulturbar Gleis» locker flockig daher: «Unser Verein bemüht sich, ein möglichst vielfältiges und zugängliches Kulturangebot auf die Beine zu stellen. Mit deinem Beitrag ermöglichst du nicht nur Kunst und Kultur im GLEIS – ein Raum für alle – sondern unterstützt du auch Künstler*innen und Kulturschaffende.»

Das ist löblich, kein Wunder, wird die Bar vielfältig unterstützt:

Unter anderen vom Kanton Zürich, der Stadt Zürich, dem Migros-Kulturprozent. Hier sind lauter engagierte, lustige, aufgestellte Mitarbeiter am Werk, in diesem Raum «für alle». Hier herrscht noch wahre Gastfreundschaft: «Im GLEIS wird die Gastronomie nicht neu erfunden, sondern es wird auf eine übersichtliche Karte mit fairen Preisen gesetzt.»

Auf der Webseite des österreichischen Guitarreros Mario Parizek sind seine nächsten Tourdaten aufgeführt:

War sicher ein wunderbares Zusammentreffen am 16. August. Der Strassenmusiker und die Kulturbar, muss ein beschwingter Abend gewesen sein. War’s nicht. Denn vielleicht hat «Gleis» tatsächlich faire Preise, aber Fairness ist sonst nicht so das Ding der aufgestellt-sauglattem Betreiber. Denn in einem Kurzvideo, aufgenommen notabene im «Gleis», teilt der etwas entgleiste Künstler mit, dass er kurz vor seinem Auftritt darüber informiert wurde, dass er abzischen soll. Warum?

Ganz einfach; er ist weiss und trägt Dreadlocks. Wir ahnen es: kulturelle Aneignung. Es hätte Konzertbesucher geben können, denen es spontan unwohl würde. Die hätten dann vielleicht auf den Teppich gekotzt, denn ein freiwilliges Verlassen eines Unwohlsein auslösenden Anlasses, das geht natürlich nicht.

Der Künstler vermeldet, dass er schon vor Wochen für dieses Konzert eingeladen wurde und auch pünktlich nach Zürich angereist ist. Aber kurz vor dem Auftritt habe man ihm mitgeteilt: kein Auftritt.

«Weil ich weiss bin und Dreadlocks habe. Gratulation für diese mehr oder weniger faschistische Einstellung.»

Nun hatte Parizek allerdings auch schon vor Wochen Dreadlocks, laut eigenen Angaben trägt er sie, seit er 13 Jahre alt war. Um in dem rechten Kaff, in dem er aufwuchs, zu zeigen, dass es auch noch anderes auf der Welt gibt. «Ich hab› keine Worte dafür», sagt der fassungslose Musiker.

Da geht es dem «Gleis» ähnlich. Der «Tages-Anzeiger» berichtet, dass die Bar laut «Züri Today» auf eine Stellungnahme verzichtet habe. Man werde einen anderen Weg finden, um einen Kommentar abzugeben.

Aber nein, da ist jeder Kommentar überflüssig. In manchen US-Kneipen hängt noch heute ein Schild, das sagt: «No shirt, no shoes, no service». Andere Bars haben das abgewandelt: «No shirt, no shoes, no problem

Es ist der Bar in Ausübung ihres Hausrechts unbenommen, Menschen wegen Äusserlichkeiten zu diskriminieren. Es ist Kulturinstitutionen unbenommen, das auch noch mit Steuerfranken zu unterstützen. «Gleis» kann Rasta-Men, Glatzenträger, falsche Blondinen, Grauhaarige oder Perückenträgern den Ein- oder Auftritt verbieten.

Aber einen Musiker anreisen zu lassen, über dessen Haartracht ein kurzer Blick auf seine Webseite erschöpfend informiert, um ihm dann vor Ort und kurz vor dem Auftritt mitzuteilen, dass er seine Gitarre wieder einpacken und abzischen darf, das ist nun wirklich der Gipfel der Geschmacklosigkeit.

Einer der vielen Orte in Zürich, die man meiden sollte. Unsere schlechtesten Wünsche begleiten «Gleis» in den hoffentlich baldigen Abgang.

Willkür bei der Postfinance

Der gelbe Riese ist ausser Rand und Band.

Natürlich ist es ein Einzelfall. Natürlich ist der Schreibende persönlich betroffen. Aber wenn ein Einzelfall jedem passieren kann, wird er zur nötigen Mitteilung. Obwohl das Thema für einmal nicht direkt mit Medien zu tun hat.

Indirekt aber schon, denn selbst Riesen fürchten Reputationsschäden. Das Problem ist schnell erzählt. Am 5. August überwies eine Firma aus den USA einen Geldbetrag an die Postfinance, mit dem Auftrag, es dem Konto des ZACKBUM-Redaktors gutzuschreiben. Als am 11. August immer noch keine Gutschrift erfolgt war, begann eine kleine Odyssee.

Die grosse Postfinance bietet ihren immerhin 2,7 Millionen Kunden nur eine einzige Telefonnummer zur Kontaktaufnahme an. Deshalb verröchelt man dort gerne einmal in der Warteschlaufe und gibt auf. Ein Besuch in der Postfinance-Filiale in Zürich ergab, dass man dort auch nichts Genaues weiss, keine Überweisung da, nix. Der Kunde wurde darauf verwiesen, es doch telefonisch zu probieren. Und nein, hier habe man auch keine andere Nummer, hätte ein Postfinance-Schalterangestellter eine Frage, müsse er die gleiche Nummer wie der Kunde wählen.

Unfassbar, aber halt Postfinance. Der Kunde versuchte auf allen Kanälen, eine Auskunft zu erhalten, wo denn die Kohle abgeblieben sei. Vergeblich. Es wurde ihm einzig immer wieder empfohlen, doch beim Absender nachzufassen vielleicht klemme es ja dort. Der Absender hatte aber längst alle Beweise erbracht, dass das Geld bei der Postfinance liegen müsse. Dazu gibt es einen Tracking-Code UETR, der wie bei einem Paket ermöglicht, den genauen Standort einer Überweisung zu checken. Und der war bei der Postfinance.

Am 15. August dann die Wende. Nach zehn Tagen brandschwarzen Lügens teilte die Bank plötzlich mit: doch, es ist am 5. 8. eine entsprechende Überweisung bei uns eingegangen. Aber Compliance, die interne Kontrolle, habe da ein paar Fragen, weshalb ein Fragen-Katalog an die sendende US-Bank übermittelt worden sei. Man rechne morgen mit einer Antwort.

Darauf reichte es dem Kunden und er publizierte auf «Inside Paradeplatz» eine Beschreibung des Trauerspiels. Das brachte ihm dann einen Anruf einer Mitarbeiterin von Compliance ein; das erste aktive Lebenszeichen der staatsnahen Bank.

Sie habe den Artikel auf IP gelesen, gab die Dame bekannt, aber das Problem sei ein anderes. Also nochmal April, April, kein zu beantwortender Fragenkatalog. Nein, es handle sich um eine «Sanktionsproblematik». Wie das? Nun, das werde zurzeit von der zuständigen staatlichen Behörde abgeklärt, und das dauere halt ein Weilchen. Der Kunde solle daher von täglichen Anrufen Abstand nehmen. Das wäre allerdings die einzige Kontaktmöglichkeit, da sich die Dame weigerte, eine E-Mail-Adresse anzugeben («das machen wir nicht»). Typisches Verhalten in einer Dunkelkammer.

Die Dame wollte nicht von tagelangem Lügen sprechen, vielleicht sei es da zu einer «Fehlinformation» gekommen. Eher schmallippig wurde sie, als der Kunde sie fragte, worin genau denn diese «Sanktionsproblematik» bestünde. Denn die überweisende Firma, international tätig, seriös und völlig legal, steht auf keiner Sanktionsliste. Ebenso wenig der Empfänger. Das müsse halt noch genauer abgeklärt werden, sagte die Compliance-Frau.

Compliance steht eigentlich für die Einhaltung von Regeln. Hier herrscht aber regellose Willkür. Einem Algorithmus oder einem Mitarbeiter passt eine Überweisung nicht. Obwohl es keinen stichhaltigen Grund dafür gibt, beschlagnahmt er sie einfach mal. Das wird aber dem Betroffenen nicht mitgeteilt, der wird Mal ums Mal auf die Piste geschickt, er solle doch in den USA nachforschen, hier sei nix angekommen.

Das war aber gelogen. Dann wurde das durch die nächste Unwahrheit abgelöst, man warte auf die Beantwortung eines Fragenkatalogs durch die überweisende US-Bank. Stimmte auch nicht, aber wozu auch dem Kunden die Wahrheit sagen.

Das ist ein Skandal. Eine selbstherrliche Kontrollstelle, haftungsfrei und verantwortungslos, erfindet eine «Sanktionsproblematik». Als ob es nicht glasklar und einfach wäre: entweder steht eine Firma oder eine Person auf einer Sanktionsliste, in der Schweiz auf der öffentlich einsehbaren schweizerischen – oder nicht. In diesem Fall gilt zweimal «oder nicht».

Mit ihrem Verhalten verstösst die systemrelevante Bank mit Millionen von Kunden gleich mehrfach gegen Regeln und Vorschriften. Sie hebelt mal kurz das Auftragsrecht aus. Denn sie hat den Auftrag bekommen, einen überwiesenen Geldbetrag einem ihrer Kunden gutzuschreiben. Tut sie aber nicht. Sie setzt sich über die Vertragsfreiheit hinweg. Jedem Postfinance-Kunden ist es freigestellt, mit jedem beliebigen legalen und unbescholtenen Unternehmen in Geschäftsbeziehungen zu treten. Das geht die Postfinance überhaupt nichts an.

Und schliesslich verstösst sie gegen Treu und Glauben. Starker Tobak im Finanzbereich. Die FINMA, die Bankenaufsicht, ist orientiert. Hier sollte es mindestens eine Rüge absetzen, wenn nicht die Gewähr, also die Lizenz zum Banking, einigen nassforschen Mitarbeitern der Postfinance entzogen werden müsste.

Statt den Kunden tagelang anzulügen, wäre es auch ein Gebot des Anstands gewesen, ihn sofort über diese angebliche «Sanktionsproblematik» zu informieren. Das hätte aber die Postfinance dazu gezwungen, eine Begründung zu geben, worin die denn bestünde. Und es hätte dem Kunden die Möglichkeit gegeben, sofort entsprechende Schritte einzuleiten.

Stattdessen wird hier selbstherrlich, haftungsfrei und unverantwortlich über das Geld anderer verfügt. Ob der Kunde auf diese Einnahme angewiesen ist? Ist doch sein Problem. Dass der Kunde keinerlei Möglichkeit hat, sich gegen diese Willkür zu wehren («wenden Sie sich doch an unser Beschwerde-Management, das hustet ihnen dann irgendwann irgendwas»), ist eines Rechtsstaats unwürdig.

Es gibt genügend klare Regeln, Vorschriften, es gibt das Prinzip der Eigentumsgarantie, es muss gegenüber jeder Entscheidung die Möglichkeit einer sofortigen rechtlichen Überprüfung geben. Es kann nicht sein, dass selbstherrliche Mitarbeiter neue Kriterien wie «Sanktionsproblematik» erfinden. Wird das zugelassen, sind wir unterwegs in den Wilden Westen der Willkür und Verantwortungslosigkeit.

Wumms: Stefan Schmid

Früher hatte das «Tagblatt» noch Niveau. Heute hat es Stefan Schmid.

Als das St. Galler «Tagblatt» noch der NZZ gehörte, legte man Wert auf ein gewisses Niveau. Seit es zu CH Media gehört, amtiert zwar immer noch der gleiche Chefredaktor. Aber der ist längst zum Mann am Fenster runtergestuft; die Inhalte (ausser Lokales) kommen von der Zentralredaktion in Aarau. Das Einzige, was zur Frustbekämpfung bleibt, ist der Kommentar.

Bundesrat Ueli Maurer ist einer der Lieblingsfeinde von Schmid, und der hat sich doch tatsächlich zur SVP Ausserrhoden begeben, also ins Terrain von Schmid. Das muss der natürlich verbellen und verbeissen. Gnädig kanzelt Schmid den Bundesrat ab, denn dessen «Lageanalyse, die in den Grundzügen zwar nicht falsch» sei, «in der Substanz aber keineswegs in Einklang mit der Aussenpolitik des Bundesrats ist». Logische Folgerung: dann ist die Aussenpolitik des Bundesrats in den Grundlagen und in der Substanz falsch. Aber Schmid und Logik, wahrscheinlich bei Geburt getrennt.

Ginge es nach Schmid, «Maurer wäre seinen Posten im Kabinett wohl längst los». Leider geht es aber nirgendwo mehr nach Schmid, obwohl der doch die ganze Welt ordnen könnte. Maurer sehe im Ukrainekrieg nur einen «Stellvertreterkrieg», wo es doch in Wirklichkeit «ein gefährlicher Angriff auf eine europäische Ordnung» sei, «der im Kern auch einen Kleinstaat wie die Schweiz bedroht».

Wie steht es denn um die guten Dienste des Kleinstaats, nach Schmid? «Es scheint, vorsichtig formuliert, naiv, dem skrupellosen Zyniker Putin ein Schutzmachtmandat in der Ukraine anzubieten. Das gab diesem bloss die Gelegenheit, der Schweiz genüsslich einen vermeintlichen Neutralitätsbruch wegen der Übernahme der EU-Sanktionen vorzuhalten.»

Frechheit aber auch von Putin, die folgsame Übernahme ohne Prüfung von EU-Sanktionen ist doch kein Neutralitätsbruch. Überhaupt: «Schutzmachtmandate, also die Vertretung konsularischer Interessen anderer Staaten, sind wie andere gute Dienste schön und nett.» Aber eigentlich «von untergeordneter Bedeutung», urteilt Weltenkenner Schmid wegwerfend.

Vergesst Russland, rät er, denn: «Die Schweiz muss sich stattdessen im Grundsatz neu positionieren. Der Elefant im Raum ist der Umgang mit China.» Diesen Elefanten meint nur Schmid zu sehen, daher hat er noch weitere Ratschläge parat: «Neutralität gegenüber autokratischen Herrschern ist weder in unserem Interesse, noch liegt sie realpolitisch drin.»  Hurra, wir haben eine Neudefinition der Schweizer Neutralität. Erfunden von Schmid.

Zum Schluss hat er einen geschmackvollen Vorschlag auf Lager: «Ja, wir werden auch den Chinesen den Finger zeigen müssen.»

Wie gut, dass niemand auf Schmid hört und der so unbedeutend ist, dass man ihm nicht mal den Stinkfinger zeigen mag.

Kuba ist weit weg

Erschütterndes Niveau der Auslandberichterstattung bei Tamedia.

Am 5. August veröffentlichte der Redaktor der «Süddeutschen Zeitung» Benedikt Peters den Artikel «Ans Eingemachte. Auf der sozialistischen Karibikinsel öffnet nach vielen Jahren wieder eine Marmeladenfabrik. Doch den eklatanten Mangel kann das nicht überdecken», vermeldete der Recherchierjournalist, der für solche Analysen überqualifiziert erscheint: «Stammt aus Mönchengladbach und ist immer wieder gern im Rheinland, wo er inzwischen eine zauberhafte Nichte hat», vermeldet seine Autorenseite.

Diese News hat Peters natürlich nicht etwa vor Ort recherchiert, sondern im Internet. Denn schon vor einigen Wochen berichteten diverse spanischsprachige Medien innerhalb und ausserhalb der Insel darüber. Also kalter Kaffee aufs Brötchen, sozusagen. Aber nicht so alt, dass ihn Tamedia nicht nochmal aufwärmen würde.

Nach zehntätiger Bedenkzeit überrascht das Haus des Qualitätsjournalismus am 15. August mit diesem Artikel:

Einfach einen schlechteren Titel drüberkleben, den Lead etwas einschweizern, schon hat die Auslandredaktion ihres Amtes gewaltet. Wir vermissen nur einen fäustelnden Kommentar des Auslandchefs Christof Münger. Aber vielleicht kommt der noch.

Nun ist das Abschreiben spanischer Quellen die eine Sache. Das Recherchieren von zusätzlichen Fakten eine andere. Peters will einen Einblick in die Lebensmittelkosten geben. Ein Karton Eier koste inzwischen 1200 Pesos. Auf dem Schwarzmarkt. Das ist noch einigermassen realistisch, der Durchschnittspreis liegt bei 1000 Pesos für 30 Eier. Auch den Preis für einen Liter Speiseöl hat Peters korrekt gegoogelt: 700 Pesos.

Was dem fernen Kuba-Kenner allerdings entgangen ist: bis heute existiert noch die sogenannte «Libreta», eine Rationierungskarte, auf der Grundnahrungsmittel wie Reis, Bohnen, Zucker, Salz, Speiseöl oder Milchpulver für Kinder sowie spezielle Diätnahrung für Schwangere oder Chronischkranke zu staatlich subventionierten Preisen abgegeben werden. Zwar in bescheidenen Quantitäten, aber dafür kostet das alles den Kubaner kaum mehr als 50 Pesos.

Natürlich machen solche Zahlen nur Sinn, wenn man sie mit den Einkommen vergleicht. Und da hat Peters schwer danebengehauen beim Googeln. «Eine Ärztin», also wohl auch ein Arzt, verdiene «5000 Pesos im Monat». Da würden Ärztinnen und Ärzte aber eine Flasche Rum aufmachen, wäre das so. In Wirklichkeit oszilliert das Jahresgehalt zwischen 13’000 bis maximal 40’000 Pesos.

Wir betreten ganz dünnes Eis mit einer Angabe zum Durchschnittseinkommen in Kuba. Denn statistische Angaben sind auf der letzten Insel des Sozialismus eine ziemlich schmutzige kapitalistische Erfindung. So etwas wie ein statistisches Jahrbuch gibt es nicht, den Zahlen, die gelegentlich aus der Staatsbürokratie heraustropfen, kann man glauben – oder auch nicht. Aber sagen wir mal rund 1000 Pesos im Monat. Welche Kaufkraft haben die nun? Wenn wir den Wechselkurs zur weiterhin inoffiziellen Zweitwährung US-Dollar nehmen, entspricht das etwas mehr als 8 Dollar.

Nun weiss Peters noch, dass «seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre und dem damit einhergehenden Wegfall der sozialistischen Wirtschaftshilfe Kuba in einer Art Dauerkrise» stecke. Auch das ist Unsinn; es gab die «spezielle Periode in Friedenszeiten» bis zur Jahrtausendwende, als in Venezuela eine linke Regierung an die Macht kam und die Rolle der Sowjetunion übernahm. Bis sie selbst vor ein paar Jahren in existenzielle Probleme geriet und die brüderliche Unterstützung zurückfahren musste.

Das und der Zusammenbruch der zweitwichtigste Deviseneinnahmequelle Tourismus durch die Pandemie treiben inzwischen Kuba an den Rand. Bis zu 18-stündige Stromausfälle im brütend heissen Sommer, mitverursacht durch ständige Ausfälle der angejahrten Ölkraftwerke. Versorgungsprobleme aller Art, Kleptokratie, Schlamperei, Korruption, Behördenversagen wie im Fall des Grossbrands eines Tanklagers in Matanzas, bei dessen Bekämpfung 17 Feuerwehrleute starben, das sind die wahren Probleme Kubas heute.

Peters sieht da ganz andere Ursachen: «Schuld an der Misere sind verunglückte Wirtschaftsreformen der Regierung ebenso wie US-Sanktionen, die zum grossen Teil noch unter Ex-Präsident Donald Trump beschlossen wurden.» Der zweite Grund ist die ewige Entschuldigung des Regimes für hausgemachtes Versagen. Abgesehen davon, dass die US-Sanktionen seit Jahrzehnten in Kraft sind. Eine fruchtbare subtropische Insel, die über 80 Prozent ihrer Nahrungsmittel importieren muss, darunter auch Zucker (und bis vor der Revolution Nettoexporteur von fast allem war), es braucht keine weiteren Zahlen, um das krachende Versagen der Revolution in der Landwirtschaft und in der Wirtschaft zu belegen.

Seit dem Tod des charismatischen Fidel und dem Rückzug seines Bruders Raúl Castro von öffentlichen Ämtern sieht man zum ersten Mal immer wieder Protestaktionen der Bevölkerung. Trotz drakonischen Strafen von bis zu 12 Jahren für die blosse Teilnahme an einer Manifestation gelingt es dem Regime nicht, solche Zeichen des zunehmenden Unbehagens zu unterdrücken.

Mit einem hat Peters dann allerdings wieder recht: alleine in den letzten Monaten haben über 140’000 Kubaner ihre Insel fluchtartig verlassen. Vor allem Jugendliche sehen keinerlei Zukunftsperspektive mehr und haben eigentlich nur einen Wunsch: nix wie weg.

DAS ist offenbar auch der unermüdlich arbeitenden Auslandredaktion von Tamedia aufgefallen. Denn, wozu gibt’s das Digitale, wieso nicht einen schlechten Titel durch einen anderen ersetzen und den Lead noch etwas umformulieren? Merkt doch keiner (leider doch). Also sah die Einschenke nach wenigen Stunden dann so aus:

Weg mit der Konfi im Titel, aber der Inhalt bleibt gleich …

Kuba ist kompliziert – und faszinierend. Oberflächliche und uninformierte Ferndiagnosen, aufgezäumt an einer völlig unwichtigen Ankündigung der möglichen Wiedereröffnung einer Marmeladenfabrik, sind eine Schande für ein Qualitätsorgan, das für solche Leistungen aus dritter Hand auch noch Geld verlangen will. Ein solcher Bericht ist keinen Peso wert.

Der Blöd-«Blick» verstolpert sich allerdings schon beim Setzen eines korrekten Titels, Luft nach unten ist immer:

Vielleicht hätte Erklärungsnot nicht mehr auf die Zeile gepasst, also wurde das Wort passend gemacht …

Was wollten Sie immer schon sagen?

CH Media rollt für Cédric Wermuth den roten Sprachteppich aus.

Der Co-Präsident der SP Schweiz und Mitglied des Hobbyflieger-Clubs der Sozialdemokraten hat ein Problem. Trotz seines zarten Altes von 36 Jahren sitzt Wermuth bald einmal seit 12 Jahren im Nationalrat. Um Sesselkleber zu verhindern, hat seine Partei eine Amtszeitbegrenzung beschlossen. Aber es wäre keine sozialdemokratische Position, wenn sie nicht ein «im Prinzip, aber …» enthalten würde.

Im Prinzip ist Wermuth, wie auch der andere Vielschwätzer Fabian Molina, wie wohl auch deren Bundesrat Alain Berset, gegen unnötige Fliegerei. Aber so im Privaten oder für einen schnellen Besuch bei Genosse Scholz in Berlin …

Auf jeden Fall muss sich Wermuth nun einer Abstimmung der Delegierten der SP Aargau stellen, wo er eine Zweidrittelmehrheit braucht, um den Nordmann machen zu können. Also nochmal vier Jahre dranhängen, sollte er wiedergewählt werden. Das ist für ihn ziemlich existenziell, denn der Familienvater und Zeuger zweier Kinder hat sonst nicht viel gelernt im Leben, ausser Politik.

2005 machte er an der Kantonsschule Wohlen die Matur, zehn Jahre später wurde er «lic. phil./MA in Politikwissenschaft, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und Philosophie an den Universitäten Zürich und Bern.» Jobmässig ist’s eine typische Funktionärskarriere. Zentralsekretär Juso Bern, Mitarbeiter eines SP-Parlamentariers, «Mitarbeiter Kampagnen und Kommunikation», «Beratung Kommunikation und Strategie», Juso-Präsident Schweiz, Vize-Parteipräsident, Co-Parteipräsident.

Sollte er seine Einkommensquelle Nationalrat verlieren, wäre er wohl ein Fall fürs RAV. Aber so weit will er es nicht kommen lassen, also frisst er in CH Media öffentlich Kreide. Dabei hilft ihm Rolf Cavalli mit Fragen nach dem Muster: dazu wollten Sie doch immer schon etwas sagen.

Wie steht es denn nun mit dieser Amtszeitbegrenzung? «Gut, dass wir das klären können – denn es ist eigentlich nicht so kompliziert: Nach 12 Jahren braucht man 2/3 der Stimmen, um nochmals antreten zu können.»

Ach so, das hat also Tradition bei den Genossen: «Es ist kein Zufall, dass die grossen Figuren in der Sozialdemokratie lange Amtszeiten haben: Helmut Hubacher war 34 Jahre im Parlament, Susanne Leutenegger Oberholzer auch 30 Jahre. 80 Prozent der Politik ist Erfahrung.»

Und welche Auswirkungen hat dann diese Erfahrung, diese zunehmende Reife, wie war Wermuth früher?

«Ich war wie die meisten jungen Männer: oft arrogant, oft ein Macho. Ich habe viele Menschen mit dieser Art auch brüskiert und verletzt, gerade auch Frauen. Das sehe ich heute klarer.»

Das ist mal eine Selbstkritik, wie man sie auch im Sozialismus nicht besser hinkriegte. War denn der Anfänger Wermuth gar überfordert? «Ja, und ich war ungeduldig. Es ging mir alles zu langsam. Ich fragte mich: Was soll ich da? Aber ich kam zum Schluss: Nein, du kannst nicht nach nur einer Legislatur wieder aufhören. Ich habe mich dann in die Details der Arbeit in der Finanzkommission reingekniet. Da habe ich enorm viel gelernt.»

Wermuth weiss, warum er sich als geläuterten Macho outet. Denn was naheliegend wäre, sich Cavalli aber nicht zu fragen traute: da gab es doch die hässlich Episode, als Frauenversteher und Feminist Wermuth 2019 den Ständeratssitz von Pascale Bruderer erobern wollte – und sich damit gegen die Mitbewerberin Yvonne Feri stellte. Da eierte er dann wirklich belustigend herum: «Ich greife keine Frau an, wir beide bieten der Partei eine Auswahl.» – «Was mich an der aktuellen Debatte stört, ist, dass nur noch die biologische Frage interessiert.» Und nach dem Sieg über seine Konkurrentin:«Ich muss jetzt beweisen, dass ich feministische Themen im Wahlkampf einbringen kann.»

Was sagt der reifere, erfahrenere Wermuth zu Kritikern, die ihm vorwerfen einfach eine grosse Klappe zu haben und noch nie etwas Anständiges gearbeitet? «Ich bin glücklicher Vater zweier Töchter und bis zur Wahl als SP-Co-Präsident habe ich neben dem Mandat als Nationalrat auch in anderen Jobs gearbeitet. Mit 36 vertrete ich heute einen Teil der Bevölkerung, der im Parlament sonst kaum noch abgebildet wird: eine junge Familie, die in einer normalen Wohnung in einem Block in einer Schweizer Kleinstadt wohnt.»

Also der nette Nachbar von nebenan, Familienvater, Blockbewohner, trägt sicher den Abfall selber runter, nachdem er beim Abwasch geholfen hat. Natürlich nur dann, wenn ihn seine zahlreichen Ämter und Ämtchen dafür Zeit lassen. Denn das läppert sich:

 – Mitgründer und Co-Präsident des Komitees «Bahnanschluss Mittelland»
– Organisationskomitee «Fest der Solidarität» im Arbeiterstrandbad Tennwil
– Stiftungsrat Arbeiterstrandbad Tennwil
– Stiftungsrat Solifonds für die SP Schweiz
– Vorstand des Unterstützungsvereins der «Archive der Aargauer Arbeiterbewegung»
– Siedlungskomitee der Wohnbaugenossenschaft Trilogie, Zofingen
– Co-Präsident der Parlamentarischen Gruppen Schweiz-Kosovo (mit Nationalrätin Doris Fiala, FDP und Nationalrat Alfred Heer, SVP) und Schweiz-Suryoye (mit Nationalrat Lukas Reimann, SVP)

– Diverse Patronats- und Unterstützungskomitees, darunter: Swiss Comittee on Reparations for Slavery SCORES; Verein «Doppeltür – lebendig vermittelte Schauplätze jüdisch-christlichen Zusammenlebens in der Schweiz», etc.
– Moderation einer eigenen Radiosendung auf Kanal K «Wermuth fragt»

Also, liebe SP-Delegierte: habt ein Einsehen, ihr wollt doch nicht etwa dieser glücklichen Durchschnittsfamilie schnöde die Existenzgrundlage entziehen?