Erhabener Quatsch

Westentaschen-Philosophie im Qualitätskonzern Tamedia.

Der normale Tamedia-Journalist ist nur durchschnittlich peinlich. Gut, es gibt Ausnahmen wie Loser oder Tobler, aber auch sie kommen nicht über die Kategorie «schweres Fremdschämen» hinaus. Die Gazetten sind allerdings, mangels Eigenleistungen, und wirklich alles kann man auch nicht aus München übernehmen, von Kolumnitis befallen.

Also keiner zum klein, Kolumnist zu sein. Das gilt auch für keine. Das gilt besonders für die Westentaschen-Philosophin Barbara Bleisch. ZACKBUM ist sich sicher: hätte sie ein anderes Geschlecht, sie wäre schon längst entsorgt worden. Das hätte allerdings zur Voraussetzung, dass es noch ein Qualitätsmanagement und/oder einen minimalen Qualitätsanspruch gäbe.

Da es den nicht gibt, wird der zahlende Leser hiermit gequält:

Schon der Titel ruft: lies mich nicht. «Post-Ferien-Kater»? Abgesehen von der geholperten Form: kann man im Zeitalter der korrekten Genderei überhaupt noch Kater verwenden?

Aber gut, der Leser ist vorgewarnt, wer sich dennoch auf den Text einlässt, wird nicht enttäuscht: der Adrenalinspiegel steigt, man greift sich an den Kopf, man ist kurz belustigt, dann ernsthaft beleidigt. Und fühlt sich bemüssigt, Schmerzensgeld einzufordern. Jeder ist selber schuld, wenn er auch noch den ersten Satz übersteht: «Seit Montag hat uns die Scholle wieder.» Nein, sie meint damit nicht den Goldbutt, sondern ein Stück Erde. Als ob die Leser alle Bauern wären.

Dann lässt sich die Schande für den Begriff Philosoph darüber aus, dass alle Ratschläge, wie man am Arbeitsplatz Ferienstimmung bewahren könne, nichts nützen. Erkenntniswert bis hier: null. Unterhaltungswert: minus eins. Aber dann wird’s noch schlimmer, denn Bleisch erinnert sich auch in dieser Kolumne plötzlich daran, dass sie ja eigentlich als «Philosophin» schreiben sollte. Und die Hälfte des Platzes hat sie schon mit luftleeren Allgemeinplätzen gefüllt.

Nun aber, der Aufschwung: «In der Philosophie ist in diesem Zusammenhang von der Kategorie des «Erhabenen» die Rede.» Wow. Erhabenheit hat zwar null und nix mit einem «Post-Ferien-Kater» zu tun, aber nach einem Blick in Wikipedia unter das entsprechende Stichwort kann Bleisch mit Namen klimpern: «Erhabenheit hat, wie man beispielsweise bei Edmund Burke oder Immanuel Kant nachlesen kann ..

Denn worum geht’s? Erhabenheit habe «mit der Erfahrung überbordender Quantität zu tun: mit der unendlichen Weite des Ozeans, der überwältigenden Tiefe einer Schlucht, der gigantischen Grösse eines Dschungels, dem endlosen Sternenhimmel über uns». Ist doch praktisch, dass in Wikipedia die Entwicklung des Begriffs von der Antike bis Burke und dann ab Kant dargestellt wird. Leider hat Bleisch aber nicht weitergelesen, was Kant denn über den Ozean sagt:

«So kann der weite, durch Stürme empörte Ozean nicht erhaben genannt werden.»

Ups.

Dass sie dann Hegel, Schiller, Adorno und das Erhabene in der Musik aussen vor lässt – es sei ihr verdankt, denn mehr erträgt der philosophisch ein wenig gebildete Leser wirklich nicht.

Aber Bleisch hat ja im Holper-Titel noch Rezepte versprochen; wunderbar, dass sie noch ganz am Schluss sich daran erinnert. Da muss der Leser noch ein letztes Mal ganz stark sein, tief einatmen, Nase zuhalten und durch:

«Wer in den Ferien dem Gefühl des Erhabenen auf der Spur war, wird im Alltag die Ehrfurcht vermissen, die einen beim Anblick schneebedeckter Alpenketten, weiter Täler und endloser Ozeane erfüllt. Zurück im Büro helfen dann am ehesten ein Paar Kopfhörer und Beethovens Fünfte, gern brechend laut. Mit einem guten Beamer lässt sich abends ausserdem die Wohnung mit David Attenboroughs atemberaubenden BBC-Naturfilmen fluten. Beides reicht vielleicht nicht ganz an die Erhabenheit in wilder Natur, dürfte die Dimensionen aber zumindest kurzfristig wieder zurechtrücken und den Ferienkater vertreiben.»

Was ist eigentlich das Gegenteil von erhaben? Vielleicht lächerlich, erbärmlich, niedrig. Oder aber, wir haben ein neues Antonym entdeckt, um es mal hochstehend bis hochtrabend auszudrücken. Das Gegenteil von erhaben ist «Bleisch-Kolumne».

Wumms: Peter Sloterdijk

Rent a Rentner. Und mach Werbung damit.

Auch Philosophie geht immer mehr nach Brot. So überrascht der Tagi mit dieser Ankündigung:

Brandaktuelles Thema, diesen Schnauz unter der auf die Nasenspitze geschobenen Brille kennt man doch. Richtig, es handelt sich um den Gebrauchs-Philosophen Peter Sloterdijk, dem sogar noch im Halbschlaf bedeutungsschwangere und hochphilosophische Sätze zu eigentlich allem einfallen.

Daher mag es nur kurz überraschen, dass Sloterdijk im «Salon Public – kluge Köpfe erklären die Welt» einen Vortrag «über die Energie der Zukunft» halten wird. Er ist ein eleganter Redner, diese holprige Ankündigung hat er nicht verdient: «Mit fünfzehn Auszeichnungen, darunter sowohl Kritik- als auch Rednerpreise darf sich das Publikum auf einen anregenden Vortrag am Salon Public freuen.» Lassen wir die mangelhafte Beherrschung der Interpunktion weg, aber hat nun das Publikum 15 Auszeichnungen eingeheimst?

Auch die Ankündigung des Conférenciers ist etwas unbeholfen: «Roger de Weck, Schweizer Publizist und Manager sowie ehemaliger Generaldirektor des SRF moderiert die Veranstaltungen am 6. Und 7. Oktober im Hotel Schweizerhof in Luzern. De Weck wurde 2020 mit dem Bruno-Kreisky Preis für das politische Buch mit dem Hauptpreis für «Die Kraft der Demokratie. Eine Antwort auf die autoritären Reaktionäre» ausgezeichnet und wird durch den informativen Vormittag führen.»

Gegen die Form der Ankündigung der Teilnehmer eines Podiums ist hingegen nichts einzuwenden, allerdings lässt hier das Niveau doch schwer nach: «Die Podiumsplätze werden besetzt von Konjunkturforscher Jan-Egbert Sturm, Völkerrechtlerin Martina Caroni und Wirtschaftshistoriker Jakob Tanner

Organisiert wird das Ganze von «#wir sind die zukunft». Dahinter steht eine PR-Bude, unterstützt von diesen Firmen:

Eine gesamtgesellschaftliche Betrachtungsweise ist sicherlich garantiert. Genug Kohle ist schon mal vorhanden, wenn man sich diese Teilnehmer leisten kann und Tamedia noch satt Moneten in die Kasse spült, indem das nicht etwa als popeliges Inserat aufscheint, sondern als einem redaktionell täuschend ähnlicher Werbeblock mit dem diskreten Hinweis «sponsored». Neudeutsch für: bezahlte Werbung.

Der See ist getötet worden

Lukas Bärfuss leidet. Und lässt die Leser mitleiden. An ihm.

Dem grossen Büchner-Preisträger ist kein Anlass zu klein, Betroffenheit zu zeigen. Er leidet bekanntlich unter der Last der ganzen Welt, insbesondere der Schweiz, und weil ihn kein Qualitätsmedium mehr perseverieren lassen will, müssen die armen Leser des Blöd-«Blick» dran glauben.

Erschauert und vernehmt die schröckliche Kunde: ein See ist ausgetrocknet. Der Bodensee? Der Vierwaldstättersee? Der Genfersee? Nein, es handelt sich um den Lac des Brenets. Hä? Keine Bange, muss man nicht kennen. Die Pfütze ist in besseren Zeiten gerade mal 800’000 m2* gross:

Der liegt im Jura und wird normalerweise von der Doubs gefüttert. Ohne dem lokalen Tourismus zu nahe zu treten: kann man besuchen, muss man nicht besuchen.

Nun sieht der See auch dieses Jahr, was bei Trockenzeiten nicht ganz unüblich ist, halt so aus:

Das ist nicht besonders schön, für Bärfuss ist es aber Anlass, mal wieder richtig Guzzi zu geben:

Verschwörung, Schweigen? Jawohl, der Schriftsteller wirft sich extra aus diesem Anlass in eine neue Pose, denn der streng-tragisch-grimmige Blick reicht angesichts dieser Katastrophe natürlich nicht mehr aus:

Die Politik sei sprachlos, behauptet der Dichter, er selber ist’s leider nicht. Ganze 8257 Buchstaben mutet er dem «Blick»-Leser zu, der nun ehrlich gesagt eher ein Kurzstreckenläufer ist. Aber der Schriftsteller kann das Wasser, Pardon, die Tinte nicht halten.

Letzten Mittwoch hätten die Nachrichtenagenturen den Tod des Sees gemeldet. Und? Nichts und. Ging ein Aufschrei durch die Schweiz, eilten Politiker zur Leiche, wurden Sofortmassnahmen beschlossen, wurde wenigstens Wasser herbeigeschafft? Nein: «Er war kein politisches Traktandum, kein Menetekel, kein Zeichen an der Wand, kein Bild für die Falle, in die sich unsere Gesellschaft begeben hat. Wer vermisst hierzulande schon einen See

Der Tod fand in aller Stille statt. Das stimmt zwar nicht, aber ein Dichter ist nicht verpflichtet, mit der Wirklichkeit Kontakt zu halten. «Das minimale touristische und landwirtschaftliche Gewerbe hingegen, das von diesem See abhängig war, wird man mit vergleichsweise wenig Geld entschädigen können», weiss der Barde. Nur melden die Medien anderes:

«Auf Anfrage von Nau.ch bestätigt Urs Niederberger, der Besitzer des Campingplatzes «Lac les Brenets», dass wohl weniger Menschen die Region wegen See, Schifffahrt und Wasserfall besuchen. «Doch auch das Gegenteil ist der Fall», freut sich Niederberger. «Der Eine oder die Andere kommt gerade zu uns, um das Phänomen persönlich vor Ort zu sehen.» Jetzt kommen die Katastrophen-Touris!

Ausserdem werde der Campingplatz glücklicherweise nicht nur wegen dem See besucht. Niederberger zählt auf: «Die Gäste kommen in unsere Region und schätzen die Natur, die Ruhe, die Wanderwege, die Bikestrecken, und vieles mehr.»»

Also doch kein Weltuntergang, aber Bärfuss hat’s halt nie eine Nummer kleiner. Schnell wechselt er vom Ereignis auf die Metaebene der Sprache, denn da kennt er sich auch nicht so aus: «Die Verarmung der Sprache ist ein Zeichen für die Verarmung der Politik. Und wie der See, so trocknet auch die Sprache aus, sie verödet, flüchtet sich in Floskeln und Worthülsen.» Eigentlich spricht er hier nicht über die Politik, sondern über sein eigenes Schaffen, aber das fällt ihm nicht auf.

Denn Bärfuss will, muss schimpfen, auch wenn er die Anlässe an den Haaren herbeiziehen muss. Denn, wie schrecklich, zwei Tage «bevor der See verschwand», gab der Finanzminister eine Pressekonferenz, ohne auf dieses tragische Ereignis einzugehen. Stattdessen: «Die Pressekonferenz war reine Routine, ein totes Ritual ohne Bezug zur Wirklichkeit, die Sprache des Finanzministers hölzern, plump, angeödet von der Stumpfsinnigkeit und von der eigenen Entfremdung. Ausgestattet mit den Privilegien des Amtes, das jede persönliche Gefährdung ausschliesst, sprach der Bundesrat seinen ewigen, tödlich langweiligen Text.»

Geht’s noch schlimmer? Oh ja, auch Bundesrätin Sommaruga erregt das höchste Missfallen des Leidensmannes. Sie hielt eine Ansprache zum 1. August, was schon ein Weilchen her ist, aber dennoch ereilt sie sein Zorn: «Als wären die Anwesenden Kinder oder Schwachsinnige, so spricht die Bundesrätin. … Ausgerechnet eine sozialdemokratische Politikerin ergeht sich in einem nationalistischen Phantasma, das immer wieder zur Stilisierung dient und im Film «An heiligen Wassern», gedreht von einem alten Nazi, endgültig den Eingang in die lokale Mythologie gefunden hat. Die Walliser Weissweinseligkeit wird bei ihr zum Exempel für den sozialen Zusammenhalt in dieser Berggemeinde. Ihre Worte sind losgelöst von der Wirklichkeit und von den Menschen, an die sie sich wendet.»

Versteht hier einer das Dichterwort? Macht nichts, dunkles Geraune hat auch eine üble Tradition. Aber wer bis zum Schluss durchhält, und das sind sicher nicht viele, wird endlich aufgeklärt, worum es hier geht und was eigentlich die Ursachen für das Austrocknen des Sees sind. Hitze, mangelnde Wasserzufuhr? Ach was: «In dieser Wirklichkeit verschwindet nach vierzehntausend Jahren ein See. Niemand weiss, was das für die Gefühle, die Umwelt und unsere Kultur bedeutet, aber alle wissen, was die wesentlichen Ursachen dafür sind. Sie lauten «Steuersubstrat», «Wettbewerbsfähigkeit», «Arbeitsplätze» und «wirtschaftliche Rahmenbedingungen».»

Der See ist wegen diesen Begriffen ausgetrocknet? Da braucht es schon einen dichterischen Seher, um auf diesen Zusammenhang zu kommen. Aber leider widerspricht sich der Sprach- und Denkholperer dann noch am Schluss: «Totschweigen nennt man dieses Prinzip, es ist eines der Gewalt, denn tatsächlich tötet diese Methode. In der vergangenen Woche ist ihm unter anderem ein See zum Opfer gefallen.» Obwohl über die Auswirkungen des Austrocknens ausführlich berichtet wurde, soll das Schicksal des Sees totgeschwiegen worden sein. Das sei Gewalt, meint Bärfuss, diese Methode töte. Sogar ein unschuldiger See sei ihr zum Opfer gefallen.

Die einzig richtige Frage ist allerdings: was lösen 8257 Buchstaben von Bärfuss aus? Dagegen ist der Tod eines Sees ein Klacks …

*Nach Leserhinweis korrigiert.

Doppeltreffer

Im Magazin der NZZaS sind zwei Artikel über den Journalismus.

Hier ist der Redaktion ein seltener Doppeltreffer gelungen. Zwei Artikel beschreiben den aktuellen Zustand und die Zukunft des Journalismus. Wie es sich für das Blatt für die gehobenen Stände und die Intelligenzler gehört, muss man von etwas Metaphorik abstrahieren können, denn sonst wäre es ja zu platt. Aber die Ähnlichkeiten sind nicht zufällig, sondern frappant.

Die erste Beschreibung journalistischer Tätigkeiten hat es sogar aufs Cover geschafft:

Wir sehen hier die Entwicklungsgeschichte eines Artikels. Oben links die Recherche, symbolisiert durch eine Ernte. Dann folgen die verschiedenen Stadien der Weiterentwicklung. Der Artikel wird verpackt, gut abgehangen, dann verläuft er verschiedene Stadien der Verwesung, Pardon, der Reifung. Ressortleiter, Blattmacher, Produzent, Korrektor, vielleicht auch das Rewrite und auf jeden Fall die Chefetage geben ihren Saft dazu. Natürlich werden diese Entwicklungsschritte leicht verfremdet dargestellt:

Statt Fermentieren muss der schlaue Leser  Produzieren lesen. Das Magazin geht dann noch in die Einzelheiten, ohne Rücksicht auf zarte Gefühle des Lesers:

Sagt da einer «pfuibäh»? Also bitte, das ist ein Teller des weltberühmten Restaurants «Noma» in Kopenhagen. Mit monatelanger Warteliste. Das Magazin hingegen kann man direkt käuflich erwerben und geniessen.

Aber damit nicht genug, neben dem Produkt ist es dem Magazin auch gelungen, ein gültiges Porträt des Herstellers all dieser Köstlichkeiten, also des Journalisten, nur leicht verfremdet ins Blatt zu heben:

Wir sehen hier den frei herumschweifenden Journalisten in seiner typischen Arbeitshaltung. Er verschafft sich einen Überblick, beobachtet die Entwicklungen genau und ausführlich. In seiner Beschreibung wird besonders betont, dass der Journalist ein sehr empfindsames und sensibles Wesen sei. In Gefangenschaft überlebt er nur selten, am liebsten will er in aller Ruhe seiner Tätigkeit nachgehen.

Erschütternd, wie dargelegt wird, dass es für Faultiere, Pardon, Journalisten, immer schwieriger wird, ihrem Daseinszweck nachzugehen. Wobei zugegebeneermassen auf diesem Foto die Frisur eines Journalisten ziemlich gut getroffen ist (wir wollen um Himmels willen nicht hoffen, dass es sich um eine kulturelle Aneignung handelt). Der Gesichtsausdruck hingegen, meint jedenfalls ZACKBUM, ist fast zu aufgeweckt-neugierig, um zu einem typischen Journalisten zu gehören:

Wir gratulieren dem «NZZ am Sonntag Magazin» für diesen Ausflug in die metaphorische Beschreibung der eigenen Zunft. Damit nimmt das Magazin natürlich mit modernen fotografischen Mitteln die grosse Tradition eines Grandville auf (Kindersoldaten, googeln):

 

 

 

Es darf nicht gelacht werden: Publikums-Verarschung

Was die Sonntagspresse diesmal bietet, ist bodenlos.

Die «SonntagsZeitung» versucht, dem Publikum etwas Angst einzujagen:

Oben die «Büezer Buben», links etwas Gebibber, rechts ein Blick auf die Schönen und Reichen und ganz schön Reichen in der Schweiz. Alles lauwarm, alles seicht, alles gähn.

Damit man den Mund kaum mehr zuklappen kann, kommt dann noch das:

Wahnsinn, wer hätte das gedacht? Online-Bewertungen sind mit Vorsicht zu geniessen. Da wäre ja ein Artikel über den Gender-Stern noch aufregender gewesen, und das will etwas heissen.

Aber wir kommen noch zur Bankrotterklärung:

Unfassbar, aber in ihrer Not greift die SoZ sogar aufs Monster in Loch Ness zurück. Damit dürfte der absolute Nullpunkt erreicht sein. Nichts Positives zu vermelden? Doch, das hier ist die mit Abstand informativste Doppelseite in der aktuellen SoZ.

Klar, die Hoffnung stirbt zuletzt, daher wagen wir einen Blick auf das Cover des «SonntagsBlick». Eine rennt schneller als die anderen, das ist natürlich eine Erwähnung wert. Aber sonst? Eine Bildergalerie von «Putins Opfern» echt jetzt?

Aber dann, fast versteckt, leicht zu übersehen. Die SoZ jubiliert noch über die Mammut-Konzerte in Zürich, aber Ringier hat halt bessere Beziehungen:

Manche werden das als gute Nachricht verbuchen. Aber dann? Was dann kommt, ist besser als Schäfchenzählen. Aber auch teurer. Nein, zu berichten gibt es über die Berichte nichts. Ausser, wir wollten Frank A. Meyer – aber wir sehen schon, ein Wald von abwehrenden Händen erhebt sich. Also lassen wir Gnade walten.

Daher ruhen mal wieder alle Hoffnung hierauf:

Aber die Hoffnung stirbt zwar zuletzt, doch sie stirbt auch. Ein Lebenszeichen von Widmer-Schlumpf, ein launig illustrierter Bericht übers Schulegeben, und auch ein wenig bibbern: nur geht hier nicht Strom und Heizung aus, sondern die Medikamente. Wir werden uns also bald einmal ohne Hustensirup in der dunklen Wohnung den Hintern abfrieren. Schöne Aussichten.

Ansonsten frönt auch die NZZaS immer mehr der Unsitte, dass riesige Fotos im wahrsten Sinne des Wortes Platzhalter sind. Weil dem Autor offenbar die Luft ausging, und wenn man halt eine Seite einplant:

Wenn’s dann gleich eine Doppelseite ist, bläht sich das Foto zu Postergrösse auf:

Ohne das abstossende Riesenfoto wäre das Interview problemlos auf einer Seite abgehandelt. Womit im knappen Platz der Schrumpfblätter eine Seite für etwas anderes frei geworden wäre. Aber vielleicht fiel der Schrumpf-Redaktion nichts ein.

Noch ein Beispiel gefällig? Bitte sehr:

Das ist fast die halbe Seite. Ein Foto zu einem Beitrag über Tunnelbau? Ach was, es geht hier um Wasserkraft, wie man doch unschwer erkennen kann.

Und ein Absackerchen. Auch fast eine halbe Seite, ein völlig überflüssiges Symbolbild, über das sich zudem sicherlich eine Firma furchtbar freuen wird:

Bevor wir auch hier aufgeben, dieses Symbol-Foto widerspiegelt immerhin den Gemütszustand des Lesers:

Wenn man bedenkt, was man statt dieser Platzverschwendung für stolze 6.80 dem Leser, der ja nicht Schauer ist, hätte liefern können …

Rasta-Raserei

Sie halten Covid19 für gefährlich? Denken Sie nochmal nach.

Diese Story mit kurzem Sinn und brüllendem Wahnsinn kann man ganz kurz erzählen. Als Vorbereitung werfen wir die Stichworte Rasta, Dreadlocks, kulturelle Aneignung in die Runde. Sie sind auf das Schlimmste gefasst? Ach, «you dreamer, you», würde Martullo Blocher sagen. Es ist nicht nur schlimm. Es wird nicht nur immer schlimmer. Es ist offenbar ansteckend. Macht krank im Hirn. Und es gibt kein Gegenmittel.

Wir müssen uns natürlich selbst an der Nase nehmen und die Haare (echt, ungefärbt, in einem Haarschnitt präsentiert, der wohl für einen weissen, alten Mann okay ist) raufen. Darauf hätte man kommen können.

Hä? Das sind doch diese beiden Komiker, bei deren Scherzen es einem regelmässig die Fussnägel hochrollt. Schon, aber, Dummerchen, das ist doch nicht das Problem:

DAS ist das Problem, und was für eins. Die Perücke muss weg, völlig klar. Aber: Sie lächelt. Das ist kulturgeschichtlich fragwürdig, schon mal was vom Land des Lächelns gehört? Er stützt den Kopf mit der Hand, Denkerpose. Was wohl Rodin dazu sagen würde, dass man ihm einfach seinen «Denker» nachahmt? Dann die Kleidung, der Ausschnitt, der T-Shirt, und überhaupt: Zirkus. Zirkus geht gar nicht. Tiere und Zwergwüchsige quälen? Das ist ja noch schlimmer als kulturelle Aneignung.

Wir sagen nur: pfui. Pfui. Uns wird ganz unwohl. Wir müssen wohl kotzen gehen.

Was geht in Hirnen unter Haaren vor?

Früher litten Langhaarige, heute Dreadlocks-Träger.

Ein Phantomschmerz geht um. Also genauer ein «Unwohlsein». Es äussert sich in anonymen Rülpsern, und es trifft ausserhalb der «Republik» auf einhellige Ablehnung. Dort wird um Differenzierung gebeten und um den Begriff «kulturelle Aneignung» herumgeeiert.

Aber bei Menschen, die im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind, ist die Meinung einhellig: Wer etwas dagegen hat, dass Menschen welcher Hautfarbe, Rasse, Geschlechts, Alters oder Landeszugehörigkeit ihre Haare so tragen wie es ihnen passt, ist ein reaktionärer, rassistischer Idiot.

Ältere Leser erinnern sich noch, dass es eine Zeit gab, als «Langhaarige» in haarige Situationen gerieten. Sie wurden gerne in gewissen Kreisen aufgefordert, sich einen «anständigen» Haarschnitt verpassen zu lassen. Sie lösten damit gelegentlich auch hysterische Reaktionen aus, wurden aufgefordert, sich zu verpissen. Das waren die Zeiten, als man auch schnell Gefahr lief, «Moskau einfach» zugerufen zu bekommen.

Das mit «Moskau einfach» ist etwas aus der Mode gekommen, aber Kritik an Haartrachten feiert ihre Wiederauferstehung. Allerdings, sonst wäre es ja kein schlechter Witz, pflegten vor allem Konservative und Rechte das Tragen langer Haare zu kritisieren. Neuerdings sind es Alternative und Linke, die allergisch auf gewisse Arten, das Haupthaar zu tragen, reagieren.

Sie selbst haben unter ihren Haaren, so noch vorhanden, meistens einen Hohlraum, der mit wenigen Hirnzellen und vielen unverdauten Absichten, möglichst gut und gerecht zu sein, angefüllt ist. Dazu gehört natürlich, dass niemand auf dieser Welt diskriminiert werden darf. Nicht wegen seines Geschlechts, auch nicht wegen seiner Hautfarbe, keinesfalls wegen seiner körperlichen Befindlichkeit. Dick, dünn, gepflegt, ungepflegt, auch beispielsweise gefärbtes, zum Punk-Stachel gegeltes, teilweise rasiertes, zu kunstvollen Knoten verwobenes Haupthaar, auch getöntes, geföntes oder gelocktes, echtes oder falsches, muss toleriert werden.

Aber, so schaut’s aus, es gibt eine Ausnahme. Geboren aus dem Missverständnis, dass Dreadlocks der Ausdruck einer bestimmten Musikrichtung seien und eigentlich nur von Jamaikanern getragen werden dürfen, bürgert sich ein, dass weisse Träger dieser Haartracht diskriminiert werden. Immerhin unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Nationalität.

In Bern traf es Schweizer, nun in Zürich einen Österreicher. Die Begründung für solche Diskriminierung von Künstlern ist immer die gleiche. Irgend welche anonyme Verpeilte hätten angeblich ihr «Unwohlsein» geäussert ob dieser angeblichen «kulturellen Aneignung». Es ist denkbar, dass diese anonymen Spassbremsen dabei einen Poncho tragen, sich mit einem japanischen Sonnenschirm beschatten, einen Mojito schlürfen, in eine Kartoffel beissen, den Kaffee aus einer Porzellantasse trinken. Also «kulturelle Aneignungen» im Multipack begehen.

So wie jeder von uns das ständig tut, ohne dass das jemanden stören würde. Ausser, in der verzweifelten Suche nach geliehenem Leiden in der eigenen, ärmlichen und langweiligen Existenz, kommt jemand auf die hanebüchene Idee, sich beim Anblick eines weissen Dreadlocks-Trägers plötzlich «unwohl» zu fühlen.

Der Betroffene (generisches Maskulinum, gell) könnte nun sich übergeben, mit einer angeeigneten Cola den Magentrakt durchspülen oder aber, solange die Teilnahme an einem Konzert noch freiwillig ist, das Weite und frische Luft suchen, um sein Unwohlsein auszukurieren.

Diejenigen, die er mit seinem Unwohlsein belästigt, könnten ihm eine Kotztüte zuhalten, ihres Mitgefühls versichern, ihm den Vogel zeigen oder sich fürsorglich erkundigen, ob es Probleme mit dem Medikamentennachschub gebe.

Stattdessen eiert nun der Veranstalter des nächsten Festivals, an dem Dreadlocks getragen werden könnten (von Musikern. Von weissen Musikern. Von weissen Musikern, die Reggae spielen. Pfuibäh), unsicher rum, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet:

««Wir haben uns als Organisationskomitee noch keine abschliessende Meinung zum Thema gebildet», sagt Co-Präsident Kevin Heutschi auf Anfrage, «und wir fühlen uns auch noch nicht in der Lage dazu. Zuerst wollen wir uns informieren.»»

Es gelte aber «im Zweifel für den Künstler», murmelt der SP-Veranstalter des Röntgenplatzfestes, aber er weiss, was er ein paar Fundamentalisten unter seinen Festivalbesuchern schuldig ist: «Eines ist für Heutschi und das OK hingegen klar: «Wir müssen inklusiver und diverser werden.»» Denn bislang stünden vor allem «weisse Menschen, die meisten von ihnen Männer, auf dem Programm. Das müsse sich ändern.»

Wir bei ZACKBUM haben’s einfach. Hier schreibt nur ein alter, weisser Mann. Plus gelegentlich ein paar andere weisse Männer. Wir sehen aber überhaupt nicht ein, wieso wir «inklusiver» oder gar «diverser» werden müssten. Denn wir sind der altmodischen Auffassung, dass es völlig egal ist, wie der Autor eines Textes aussieht, welches Geschlecht, welche Hautfarbe, welche Haarfarbe, wie viele Zähne, Finger oder Zehen er hat. Wenn der Text gut ist, ist das alles egal. Ist er schlecht, rettet mehr Inklusivität oder Diversität auch nichts.

Eine non-binäre Drag-Queen, die entweder asexuell werden will oder sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen, ist als Autor eines guten Textes jederzeit willkommen. Ist der Beitrag scheisse, dann wird er, nicht der Urheber, gnadenlos diskriminiert.

Oder anders formuliert: es gab mal Zeiten, da wurde ein Musiker nach der Qualität seiner Musik bewertet. Aber das waren noch Zeiten, bevor Vollidioten an die Macht kamen.

Konzernjournalist Tobler

Der Prototyp des Niedergangs des Qualitätsjournalismus.

Wer im sich zu Tode sparenden Journalismus überleben will, muss flexibel sein. Sehr flexibel. In alle Richtungen dehnbar, verwandelbar, immer zur Stelle, wenn es gilt, eine Meinung abzusondern. Die eigene? I wo.

Andreas Tobler ist der Mann für alle Fälle bei Tamedia. Einen unliebsamen Konkurrenten niedermachen? Tobler begeht sogar Rufmord am Rufmord.  Es geht gegen den Chefredaktor der NZZaS? Auf ihn. Es geht gegen die neue Radiostation «Kontrafunk»? Hau drauf. Faktenbefreit und meinungsstark.

Es geht drum, einen Kritiker des Schweizer Staatsfernsehens niederzumachen? Tobler liefert die Schmiere dafür. Verständnis für den Genderwahn und für Frauen im Allgemeinen heucheln? Tobler ist zur Stelle.

Schon ganze 32 Mal musste sich ZACKBUM mit dieser Zierde seines Berufs befassen. Jedes Mal dachten wir: eine Steigerung ist nicht mehr möglich. Jedes Mal zeigt uns Tobler: doch. Tamedia hilft dabei. Denn offenbar stockt der Nachschub mit Secondhand-Artikeln aus München. Was  tut da ein Qualitätsmedium, um dem Konsumenten den Kauf schmackhaft zu machen? Es rezykliert ausgewählte Artikel und präsentiert die auf seiner Homepage, als wären sie gerade aus dem Ei geschlüpft.

Vielleicht ein Test des Kurzzeitgedächtnisses des Lesers. Oder man will die Reaktion provozieren: über diesen Unsinn habe ich mich doch schon mal geärgert. Das trifft eigentlich auf jeden Artikel der Literaturchefin Nora Zukker zu. Ganz trübe wird’s bei der regelmässig, wenn Alkohol im Spiel ist:

Das beschwipste Interview ist vom 11. Juni, aber es prangt stolz wieder auf der aktuellen Homepage des «Tages-Anzeiger». Vielleicht soll das ZACKBUM provozieren, aber wir bleiben nüchtern.

In diesem Ringelreihen «empfiehlt» die Redaktion aktuell besonders auch diesen Artikel:

Diese «exklusive Recherche» gerann zu einem Buch von Andreas Tobler. Darüber durfte er selbst ganz exklusiv am 24. April 2022 auf zwei Seiten in der «SonntagsZeitung» berichten. Tobler erzählt hier die Geschichte der WG in der Bändlistrasse in Zürich nach. Dafür blendet er zum April 1972 zurück. Es waren wilde Zeiten damals. 1968 waren die Studenten in Europa und in den USA auf die Strasse gegangen und wollten alles ändern. Das System, den Kapitalismus, die Welt. Hatte nicht ganz geklappt.

Danach splitterte sich die Bewegung auf. Die einen traten den Marsch durch die Institutionen an, die anderen gaben auf und verschwanden in Landkommunen, im Drogenrausch oder setzten sich zu Füssen eines Gurus. Wieder andere kamen zur Überzeugung, dass das herrschende Schweinesystem nur mit Gewalt geändert werden könnte. Gewalt gegen Sachen, Gewalt gegen Personen. Gegen die Charaktermasken des Kapitals.

Da sprang im April ’72 ein junger Mann im LSD-Rausch durch die Scheibe der WG in der Bändlistrasse und landete schwer verletzt auf der Strasse. Die Polizei durchsuchte, fand Waffen, Sprengstoff, die kindische Inschrift RAF an der Wand. Das stand für «Rote Armee Fraktion», eine Gruppe von Linksterroristen in Deutschland. Ihre militanten Mitglieder um Andreas Baader, Gudrun Enslin und der ehemaligen «konkret»-Kolumnistin Ulrike Meinhof hatten gerade ihr erstes Autobombenattentat verübt. Später sollten sie mehrere deutsche Wirtschaftsführer ermorden, berühmt wurde die Entführung und Hinrichtung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Schleyer.

Es gab damals enge Kontakte zwischen der Bändlistrasse und der RAF. Es gab enge Kontakte zwischen Schweizer Linksradikalen und Linksterroristen in Deutschland und in Italien, insbesondere zu den Brigate Rosse, den Roten Brigaden.

Tobler hatte einen Überlebenden und Zeitzeugen aufgetrieben, der ihm offen Auskunft über die damaligen Zeiten gab. Dazu stellt Tobler die üblichen Geschichten von André Chanson und Co. Im Mai gab es dann eine Buchvernissage, moderiert vom Westentaschen-Co-Chefredaktor Mario Stäuble vom «Tages-Anzeiger».

Dabei wäre ein ehemaliger Chefredaktor des Tagi viel geeigneter gewesen, über dieses Thema zu diskutieren. Er hätte viel aus eigenem Erleben beisteuern können. Das hätte sich auch prima bebildern lassen. Denn vom Augenzeugen des damaligen Fenstersprungs veröffentlichte Tobler das Polizeifoto:

Nun hätte man Res Strehle genau gleich für den Anlass porträtieren können:

Screenshot Artikel «Weltwoche».

Die Verhaftung von Strehle fand 1984 statt, also 12 Jahre später. Diesmal waren es die Zeiten der 80er-Jugendbewegung. Der nicht mehr so ganz jugendliche 32-jährige Strehle hatte mit Gesinnungsgenossen ein Gebäude nahe dem Zürcher Stauffacher besetzt, sozusagen einen Steinwurf von seiner späteren Wirkungsstätte beim «Tages-Anzeiger» entfernt. Auch damals waren Brandanschläge im Schwange, so wurde die McDonald’s-Filiale am Stauffacher von «Aktivisten» abgefackelt.

Im Februar 2013 veröffentlichte der damalige «Weltwoche»-Redaktor Philipp Gut unter dem Titel «Der süsse Duft des Terrorismus» die Ergebnisse seiner Recherche in der linksradikalen Vergangenheit des damaligen Tagi-Chefredaktors. Der hatte sich inzwischen dem Marsch durch die Institutionen angeschlossen und war bequem auf einem Chefsessel gelandet. Während er sich allerdings früher noch für die Unterdrückten und Entrechteten eingesetzt hatte, exekutierte Strehle damals die ersten Sparrunden des Konzerns mit brutaler Effizienz.

Was wohl der jüngere Strehle vom älteren gehalten hätte? Denn noch 1993 «verfasste Strehle einen krachenden Nachruf auf die Schweizer Terroristin Barbara Kistler», der sei dann sogar der von Strehle mitbegründeten WoZ  zu radikal gewesen, merkt Gut süffisant an, sie verweigerte, auch wegen inhaltlichen Fehlern, den Abdruck. Kistler hatte sich in der Türkei einer leninistischen Splittergruppe angeschlossen, «sie ist nicht im Bett gestorben, sondern mit der Waffe in der Hand, wie es ihr Wunsch war», schwärmte Strehle damals. Ebenfalls vom konsequenten Handeln, die Revolutionärin habe «für viele Genossinnen und Freundinnen einen Massstab gesetzt».

Aber nicht für Strehle, der solche Kämpfe lieber aus Distanz wohlwollend mit Worten begleitete. Schon 1986 hatte er über eine portugiesische Terrorgruppe geschwärmt und den Lesern erklärt: «Revolutionäre Gewalt ist die Antwort auf die Repression des Staates, die den Arbeitern zeigen soll, dass es auch andere Formen des Klassenkampfs gibt.» Klassenkampf wurde für Strehle dann aber immer mehr der Kampf um einen Platz in der Business Class, mit möglichem Upgrading in First.

Noch 1984 war er Fan von «der Zerstörung des kapitalistischen Staats durch die sozialistische Revolution». Aber spätestens ab 2009 war er dann für die Zerstörung eines kleinen Teils des Profits des Coninx-Clans, indem er erst als Co-, dann als alleiniger Chefredaktor ein exorbitantes Gehalt bezog.

Also wer wäre prädestinierter gewesen, die Vernissage des Buchs von Tobler mit eigenen Erfahrungen zu bereichern. Aber so meinungsstark Strehle als Chefredaktor auch war, indem er unzählige staatstragende Kommentare absonderte, so schweigsam ist er, was seine linksradikale Vergangenheit betrifft. Als alter Medienprofi machte er das einzig Richtige: er sagte nichts. Keine Stellungnahme, keine Erwiderung, keine Erklärung. Nichts. Er setzte nur juristisch die Streichung einiger Passagen im WeWo-Artikel durch und beschwerte sich beim Presserat, der als Köppel-Hasser natürlich eine «Verletzung der Privatsphäre» Strehles monierte.

Einen besonders widerlichen Geruch bekommt diese alte Affäre dadurch, dass Tobler bekanntlich einen sogenannten «künstlerischen Mordaufruf» gegen den WeWo-Chefredaktor Roger Köppel verharmloste. Das sei doch nur ein «Theatermord», der als Reaktion auf Äusserungen Köppel «verstanden werden» könne, sülzte Tobler. Und sein damaliger Chef Strehle sah darin keine «journalistische Fehlleistung».

Vielleicht ein kleiner nostalgischer Rückfall in seine eigene Vergangenheit. Nun ist es aber so, dass in dem ganzen Buch von Tobler über die Bändlistrasse, Linksterrorismus und die bewegten Zeiten in den 70er- und 80er-Jahren zufällig ein ziemlich prominenter Name fehlt. Der ist dem Recherchiergenie irgendwie entgangen. Durchs Raster gefallen. Entwischt. Welcher Name? Ach, den wollen wir nicht enthüllen; unsere intelligenten Leser kommen sicherlich nach reiflichem Nachdenken auf das richtige Resultat. Kleiner Tipp: Der Mann mit diesem Namen ist zwar schon längst pensioniert, veröffentlicht aber jährlich einen «Qualitätsbericht» über das Schaffen von Tamedia. Jeweils ein Quell unbändigen Gelächters für die Leser.

Die grossen Schweiger der Postfinance

Rufen Sie nicht an. Schreiben Sie auch nicht. Wir antworten nicht.

Die Eigenwerbung kommt geschleckt daher: «PostFinance gehört zu den führenden Finanzinstituten der Schweiz und ist für über 2,6 Millionen Menschen die zuverlässige Partnerin für Privat- und Geschäftskunden, die ihre Finanzen selbstständig verwalten möchten.»

Über 3200 Mitarbeiter bemühen sich angeblich bei der systemrelevanten Staatsbank darum, «Ihnen den Umgang mit Geld so einfach wie möglich zu machen». Das ist der schöne Schein. Dahinter verbirgt sich aber ein hässliches Sein.

Nach zehn Tagen brandschwarzer Lüge, dass die Postfinance eine Überweisung aus den USA nicht bekommen habe, räumte die Bank ein, dass das Geld doch bei ihr angelangt sei. Durch eine kleine publizistische Offensive sah sich die Postfinance dann dazu gezwungen, telefonisch die Erklärung nachzuschieben, dass der Betrag nicht auftragsgemäss dem Kunden gutgeschrieben wurde, weil es hier eine «Sanktionsproblematik» gebe.

Auf den Hinweis, dass das schlecht sein könne, weil weder der Absender, noch die beteiligten Banken, noch der Empfänger nachweislich auf irgend einer Sanktionsliste stünden und man das problemlos einsehen könne, verstummte das Finanzinstitut.

Die Compliance-Mitarbeiterin wollte nicht mal ihre E-Mail-Adresse rausrücken und warnte mündlich, dass die nötige «Überprüfung» noch ein Weilchen dauern könne und man von täglichen Anrufen absehen solle.

Der frustrierte Kunde folgte dann ihrer Anregung, er solle sich doch, wenn ihm das nicht passe, mit einer Beschwerde an den CEO der Postfinance wenden. Also bekam Hansruedi Köng ein Beschwerdeschreiben. Und schweigt.

Die mit einigen journalistischen Fragen angeschriebene Medienstelle teilte knapp mit, dass sie diese Fragen an das «Beschwerdemanagement» weitergeleitet habe. Das sei aber nicht der Sinn der Anfrage gewesen, stocherte der Kunde und Journalist nach. Seither schweigt die Medienstelle.

Natürlich schweigt das «Beschwerdemanagement» auch. Ein freundlicher Tippgeber enthüllte die Mail-Adressen der Rechtsabteilung und der Compliance der Bank. «legalpf@postfinance.ch» und «compliancepf@postfinance.ch». Raffiniert, darauf muss man erst mal kommen, mit dem angehängten pf hält man sich ungebetene Belästigungen durch Kunden vom Leib.

Auch diese Instanzen wurden angeschrieben und – Überraschung – schweigen. Eine weitere Möglichkeit, mit der Postfinance in Kontakt zu treten, ist ihre einzige und gebührenpflichtige Telefonnummer. Hier schweigt sie nicht, sondern berieselt den Anrufer minutenlang mit Dudelmusik und dem Hinweis, dass leider alle Mitarbeitenden im Gespräch seien. Wer das übersteht, kann dann tatsächlich mit einem lebenden Menschen sprechen. Nur: der weiss von nix und versteht von Bankgeschäften oder gar Überweisungen nix. Ein Call-Center-Mitarbeiter der Post weiss immerhin, was bei einem Päckchen die Tracking-Nummer ist. Ihre Geldentsprechung UETR ist für Postfinance-Angestellte hingegen Bahnhof. Nix verstan.

Der Gerechtigkeit halber sei noch angefügt, dass man ganz modern auch chatten kann mit der Postfinance. Vorausgesetzt, man verfügt über E-Banking und eine Engelsgeduld. Denn zuerst muss man sich hier durch einen Chat-Bot arbeiten, ein automatisiertes Programm, das auf vernünftige Fragen bescheuerte Antworten gibt. Und einem erst nach einem kräftigen Nein auf die abschliessende Frage, ob die Antworten genützt hätten, verspricht, den Kunden an ein menschliches Wesen weiterzuleiten.

Nun bedeutet Chat eigentlich, dass schriftlich ein Gespräch geführt wird, Frage, Antwort, Frage, Antwort. Bei der Postfinance nimmt man es aber gemütlich. An dieser Stelle des Chats wird lediglich versprochen, dass «innert zwei bis fünf Arbeitstagen» mit einer Antwort zu rechnen sei. Daran hielt sich die Postfinance immerhin in diesem konkreten Fall. Nur: die Antwort war falsch.

Ach, dann gibt es ja noch reale Filialen der Postfinance. Wenn der Kunde persönlich dort aufschlägt, wird er sogar ausnahmsweise ohne vorherige Terminvereinbarung empfangen. Bedient wäre dann wohl das falsche Wort, denn der Postfinance-Mitarbeiter weiss auch nach einem Blick in seinen Bildschirm nichts Genaues. Auf die Frage, ob er sich nicht vielleicht intern erkundigen könne, gibt er die verblüffende Antwort, dass auch er nur die gleiche Telefonnummer habe wie der Kunde.

Der Angestellte reiht sich in die gleiche Warteschlaufe wie 2,6 Millionen Postfinance-Kunden ein, das ist wohl weltweit einmalig.

Nun wäre das alles brüllend komisch, wenn die Post nicht seit inzwischen 15 Tagen auf einem recht ansehnlichen Geldbetrag sitzen würde, den sie eigentlich im Auftrag des Absenders dem Kunden hätte gutschreiben sollen. Aber aus reiner Willkür, ohne rekursfähige schriftliche Begründung, haftungsfrei und verantwortungslos hat sie sowohl dem Absender wie dem Empfänger die Verfügungsgewalt über deren Geld entzogen.

Da müsse zuerst eben eine «Sanktionsproblematik» abgeklärt werden. Nicht etwa von der Postfinance, sondern von einer nicht näher genannten staatlichen Behörde, die aber überarbeitet sei, weshalb das eine unbekannte Zeitspanne lang dauern könne.

Wer die Hand auf ihm nicht gehörendes fremdes Gut legt, ohne das rechtlich wasserdicht begründen zu können, wird normalerweise als Dieb bezeichnet. Natürlich darf man diesen Ausdruck nicht auf die Postfinance anwenden, sonst würde man sicherlich eher schnell etwas von der Rechtsabteilung hören. Zudem kann die Postfinance ja behaupten, dass sie das Geld nicht etwa verfrühstücken will, sondern nur beschlagnahmt, eingefroren hat, kommissarisch verwaltet.

Selbstverständlich nur im Dienst des Kunden, um dessen Wohlergehen bemüht und besorgt.

PS: Zeichen und Wunder. Weiterhin verkniffen schweigend hat die Postfinance am Freitagnachmittag die Überweisung gutgeschrieben. Eine Mitteilung, eine Entschuldigung gar? Irgend eine geheuchelte Anteilnahme, wenigstens das übliche Gequatsche: ist nicht ganz optimal gelaufen, bitten um Verständnis, werden die Abläufe überprüfen? Ach was, die Postfinance doch nicht. Das wäre doch kundenfreundlich, und das geht gar nicht.

Deutsches Gewäffel

Fortsetzung unserer Serie über copy/paste-Tamedia.

Das «Classic-Jahresabo» der Qualitätszeitung «Tages-Anzeiger» kostet 605 Franken. Oder im Monats-Abo 64 Franken. Für so viel Geld kann man doch einiges auf Papier und digital erwarten. Recherche, Analyse, Einordnung, Eigenleistung. Erwarten kann man viel, geliefert kriegt man wenig.

So veröffentlicht die «Süddeutsche Zeitung» einen Kommentar unter dem Titel: «Scholz lässt sich von Abbas vorführen». Autorin ist Alexandra Föderl-Schmid. Seit Juli 2020 stellvertretende Chefredakteurin dort, zuvor Israel-Korrespondentin. Sie erregt sich nicht zu Unrecht darüber, dass der Palästinenserführer Mahmud Abbas beim gemeinsamen Auftritt nach seinem Besuch im Kanzleramt gesagt hatte, dass Israel gegenüber den Palästinensern seit 1947 50 Holocausts begangen habe.

Geschmacklos, unappetitlich, widerlich. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz reagierte darauf erst mit länglicher Verzögerung. Dafür wird er nun von Föderl-Schmid abgewatscht. «Er verabschiedete Abbas sogar noch mit Handschlag – eine Geste, die völlig deplatziert war und für die er allein verantwortlich ist.» Dazu «inhaltlich zu wenig eingearbeitet», «Vertrauen erschüttert», «Beziehungen zwischen Deutschland und Israel in schwieriger Phase», «Gefahr, dass dem Eklat im Kanzleramt ein weiterer folgt».

Zackbum. Da hat’s die Österreicherin dem deutschen Kanzler aber gegeben. Sozusagen eine innerdeutsche oder reichsdeutsche Angelegenheit, vorgetragen in diesem schneidigen Ton, den man im grossen Kanton im Norden so gerne anschlägt. Nur: was hat das mit der Schweiz zu tun? Richtige Antwort: nichts.

Moment, das sieht das Haus des Qualitätsjournalismus, der stupenden Eigenleistungen für üppige Bezahlung aber anders. Hier wird aus dem Kommentar schwups grossspurig eine «Analyse», die unter einem angespitzten Titel erscheint:

Aber nach dieser Gewaltsleistung sinkt die Ausland-Redaktion von Tamedia ermattet in ihre Verrichtungsboxen; schon der Lead wird eins zu eins übernommen, der übrige Text auch. Natürlich minus ß, so viel Anstrengung muss dann schon noch sein.

Da der Kommentar sich auf dem Weg von München nach Zürich zu einer «Analyse» gemausert hat, wäre es doch eigentlich angebracht, dass Ausland-Chef Christof Münger seinerseits einen Kommentar zum Kommentar, Pardon, zur Analyse, schreibt. Aber das wäre wohl zu viel der Mühewaltung. Für läppische 605 Franken kann man doch nicht mehr erwarten.

Um dem Tamedia-Leser eine eigene Analyse über Themen von schweizerischem Interesse zu servieren, dafür müsste der Kellner schon vierstellig kassieren dürfen. Aber die Redaktions-Kellner werden halt an der ganz kurzen Leine geführt und zu Tode gespart. Sonst könnte Tx-Boss Pietro Supino sich selbst und die Mitaktionäre vom Coninx-Clan doch nicht mit einer Sonderdividende erfreuen.