Dem Tagi kommt’s
Sex sells, sell Sex. Das Niveau einer Qualitätszeitung.
Das Thema Sex wurde schon mehrfach abgehandelt. Zum einen redaktionell («Ich bin 42 und hatte noch nie einen Orgasmus»), aber auch mit aufgeilender Werbung. Die Pimmel-Postille gab schon mehrfach gute Ratschläge für einen männlichen Ständer. In nur fünf Minuten. Wieder und wieder.
Nach der bezahlten Bekümmerung um lendenlahme Männer das Thema Geld («Ein Anbieter garantiert jetzt sogar einen günstigeren Kreditzins – oder zahlt 150 Franken!»).
Nun aber wieder zurück zum Sex. Diesmal lässt Tamedia frustrierten Frauen helfen. Von keinem Orgasmus zum einfachen und dann gleich zum doppelten. Wenn das keine Lebenshilfe ist.
Dabei braucht es nicht mal unbedingt einen stehkräftigen Macker. Wenn dieser Text keine feuchten Höschen verursacht:
«Der Next Duo bietet Ihnen «Double the Pleasure»: Er kombiniert die innovative Womanizer-3D-Pleasure-Air-Technologie für die Klitoris mit tiefen, vibrierenden G-Punkt-Vibrationen. Das Ergebnis? Intensivere, länger anhaltende Orgasmen, die Ihr Wohlbefinden steigern, Stress abbauen und Sie von innen heraus strahlen lassen.»
Wer also auf der Strasse und im Büro bemerkt, dass es zunehmend mehr von innen strahlende Frauen gibt – hier ist des Rätsels Lösung.
Gut, es steht mal wieder schamhaft «Sponsored» über dem Text, der täuschend ähnlich wie ein redaktioneller Beitrag daherkommt. Und sich einer pseudowissenschaftlichen Sprache befleissigt, inklusive angeblichen Tests:
«Das haben auch die Testerinnen bestätigt: 97 Prozent gaben an, mit Next DUO eher einen doppelten Orgasmus zu erleben, und 91 Prozent fühlten sich danach glücklicher, entspannter und weniger gestresst.»
An der Anzahl der testenden Frauen sind aber leichte Zweifel erlaubt. Denn in der Abteilung Testimonials sind die Orgasmusapparate etwas schlapp aufgestellt.
Da gibt es nur die «Testerin Simona», der zwar der Nachnamen abhanden kam, aber nicht die Orgasmusfähigkeit:
«Nach jedem neuen Womanizer Toy denke ich mir, dass definitiv kein besseres mehr kommen kann – zumindest so lange, bis ich wieder eine Neuheit testen darf, wie letzte Woche den Next DUO. Da ich beide Modelle, also den Next und den DUO 2 gut kenne, habe ich mich natürlich umso mehr gefreut, die Kombi aus beiden zu testen. Was ich schon mal sagen kann: mit keinem Toy habe ich je so intensive, tiefgehende Orgasmen erlebt.»
Wow. Aber da geht doch noch was. «Das sagt Testerin Simona zum Womanizer DUO 2.0: «Bereits der Vibrationsarm fühlt sich unglaublich gut an, in Kombination mit dem Stimulationskopf ist das Gefühl aber wirklich unbeschreiblich.»»
Huh, Wahnsinn, da muss Testerin Simona ja nudelfertig sein. Aber keineswegs: «Das sagt Testerin Simona zum Womanizer Next … Das sagt Testerin Simona zum Womanizer Enhance …»
Wir wagen uns nicht vorzustellen, welche Welten von Orgasmen Testerin Simona durchlebt hat. Die muss ja von innen stärker als ein ausser Kontrolle geratenes AKW strahlen. Da kann Mann nur neidisch zuschauen und sich fragen, wozu er denn eigentlich wieder eine Erektion bekommt, wenn sich Frauen wie Simona durch eine ganze Latte (Pardon) von Sextoys stimulieren lassen.
Aber auch ihm kann noch geholfen werden: «Arcwave Ion 2 ist der weltweit erste Stroker auf den Markt, der mit Pleasure-Air-Technologie für den männlichen Körper ausgestattet ist.»
Während sich also sie mit einem Vibrator einen Orgasmus nach dem anderen verschafft, begleitet er sie mit dem «weltweit ersten Stroker».
Wieso muss man unwillkürlich an den genialen Satiriker Robert Gernhardt denken?

© Robert Gernhardt
Und noch ein weiterer Höhepunkt: «Ohne Risiko zum Orgasmus – mit der Womanizer-100-Tage-Vergnügungsgarantie». Kein Orgasmus – kein Problem, dann gibt’s das Geld zurück. So ein «Womanizer» kostet doch nur schlappe 159 Franken im Sonderangebot, das sollte einem doch schon der einfache Orgasmus wert sein, vom doppelten ganz zu schweigen.
In die Tasten gehauen haben diese Koryphäen der weiblichen und männlichen Lust: «Dieser werbliche Beitrag wurde von Bluebox Shop AG erstellt. Er wurde von Commercial Publishing, der Unit für Content Marketing, die im Auftrag von 20 Minuten und Tamedia kommerzielle Inhalte produziert, für die Publikation aufbereitet.»
Sozusagen kommerziell-redaktionell. Zweifel an den Erfahrungen der «Testerin Simona», gar an ihrer Existenz? Nun ja, «wobei die Haftung für Inhalte (Wort, Bild) und externe Links bei Bluebox Shop AG liegt».
Man fragt sich immer wieder, was dazu die ehemals erregten 74 Tamedia-Frauen sagen, die sich über ein unerträglich sexistisches Klima, Frauenfeindlichkeit und demotivierende, übergriffige männliche Arbeitskollegen beschwerten. Aber nichts dagegen haben, sich von solchen Anzeigen ihr Gehalt mitbezahlen zu lassen.
Oder sollte es gar so sein, dass weibliche (und männliche) Mitarbeiter einen Sonderrabatt bekommen? Geld genug sollten sie ja haben, wenn sie ihre Kredite umgeschichtet haben.
Machen wir doch einen Test. Wir nähern uns des Nachts dem Glashaus an der Werdstrasse und schauen mal, ob es von innen leuchtet …










Wie schon Cole Porter wusste:
„Cold Cape Cod clams, ′gainst their wish, do it,
Even lazy jellyfish do it.“
Oder auch:
„Even educated fleas do it.“
Wenn faule Quallen, kalte Muscheln und gebildete Fliegen es tun, darf es die faule aber ungebildete Journaille bei der Frauentageszeitung wohl auch noch testen und propagieren. Die Kastraten der Redaktion mussten halt zuerst zuhause bei der kalten Muschel nachfragen. Oder nach Veröffentlichung gar nicht nach Hause gehen und in der Helvetiabar durchsaufen.
Ob die Frauen auf der Redaktion auch prüfen was den LeserInnen empfohlen wird? Einigen der Redaktion dürfte einmal kräftig durch schütteln gut tun!
Genau der hat zur definitiven Offenbarung Ihres Charakters noch gefehlt.
Wenn eine Sexbombe ruft: «Ich komme!». Ist das dann eine Bombendrohung?
Nur wenn die Bombe scharf ist.