Dumm, dümmer, Verleger
Messen wir sie an ihrem Output. Und an den Kosten für den Konsumenten.
Am Samstag haben Tamedia, Ringier und CH Media insgesamt 119 Artikel online veröffentlicht. Die NZZ als einzigen Verlag, der ungebrochen auf die Kraft des Journalismus setzt, lassen wir aussen vor.
Für das E-Paper samt «Blick+» will Ringier 300 Franken im Jahr heuschen. Der «Tages-Anzeiger» versucht es mit dem Dumpingpreis von 99 Franken pro Jahr. Der verspricht umlimitierten Zugriff per App & Web und legt sogar noch den Zugang zur «New York Times» drauf. Und die «Carte Blanche».
Die NYT verlangt für die ersten sechs Monate pro Woche den absoluten Dumpingpreis von rund 45 Rappen, da halten sich die Unkosten mit Verlegerrabatt für Tamedia in engen Grenzen.
CH Media hat das Angebot digital zum Beispiel beim «Tagblatt» auf 2.80 Franken pro Woche gesenkt, also 145.60 pro Jahr, plus Zugang zu Guetzli und Spezialangeboten.
Dafür bekam der Konsument in einem Jahr insgesamt 83’889 Artikel auf Deutsch online serviert. Das heisst, wenn man die Gratisangebote mitzählt, sind das 0,007 Rappen pro Artikel Erlös.
Man stelle sich vor, dass Coop oder Migros (oder Aldi oder Lidl) in ihren Läden einen Teil des Sortiments gratis anbieten und im Schnitt für ihre Produkte den Bruchteil eines Rappens kassieren. Oder sie würden sagen: du kannst den Liter Milch im Shop kaufen – wahlweise bestellst du ihn im Internet, dann ist er meistens gratis.
Denn will man auch die Printausgabe, legt man bei Tamedia (inklusive «SonntagsZeitung» und umlimitierter digitaler Zugang) stolze 838 Franken hin. Ringier will für seinen «Blick» im Print ebenfalls heruntergesetzte 498 Franken im Jahr, inklusive E-Paper. Darin dürfte dann «Blick+» nicht inbegriffen sein.
Das ist hier etwas mit Arbeit verbunden, denn wählt man den «Abo-Shop» mit angeblich allen Angeboten an, wird einem nur der «SonntagsBlick» für 229 Franken im Jahr angeboten, mit «Gratis-Zugriff auf das E-Paper».
Die Print-Ausgabe des «Tagblatt» aus dem Hause CH Media kostet (inkl. abo+ und E-Paper) zunächst 9.25 pro Woche, nach 6 Monaten 13.70, also im Jahr knapp 600 Franken.
Oder man geht an den Kiosk, dann legt man für den «Blick» 3 Franken, für das «Tagblatt» 4.50 und für den Tagi 5.20 hin. Wären insgesamt für rund 300 Ausgaben pro Jahr stolze 3’810 Franken.
Das ist so, wie wenn die Migros für einen Liter Milch, gekauft im Laden, 1.85 verlangt. Schliesst man aber ein Abo mit Hauslieferung ab, fällt der Preis auf einen Bruchteil runter. Oder er wird sogar ab und an gratis geliefert.
Selbst im jetzigen Zustand der Migros würde ein Manager, der solche Zahlmodelle vorschlüge, fristlos entlassen.
In den grossen Medienhäusern der Schweiz herrscht zwar im Maschinenraum das grosse Rausschmeissen, aber in der Teppichetage wuseln weiterhin Scharen von überbezahlten Managern herum.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Führungsfiguren, also bei Tamedia Pietro Supino, darunter Jessica Peppel-Schulz samt plapperndem Avatar, bei Ringier Marc Walder und darunter Ladina Heimgartner, lange Routine darin haben, all ihre Flops den Untergebenen in die Schuhe zu schieben – und die zu feuern.
Bei CH Media ist es etwas anders, Patrik Müller erweist sich seit Jahren als geschickter Verwalter, der seinen Vorgesetzten, den unsäglichen Pascal Hollenstein, elegant abservieren liess und auch die zweite Generation des Wanner-Clans auf Distanz hält, was den Tageszeitungen guttut.
Wird eine neue «Strategie» vorgestellt, wie letzthin bei Tamedia, nach immerhin einjährigem Brüten, lachen selbst analphabetische Hühner und die verbliebenen Redaktoren rollen stumm die Augen nach oben und fragen sich, ob es noch bis zur Frühpensionierung reicht – und ob das die Leber aushält.
Man muss gar nicht das Fehlen eines nachhaltigen Plans beklagen, wie das denn wenigstens kostentragend, wenn schon nicht gewinnbringend, weitergehen soll. Dazu gibt es ausser dem üblichen Bullshit Bingo nichts Nennenswertes zu hören.
Alleine eine solche Verkaufspolitik ist dermassen aberwitzig, dass das selbst im verblichenen kommunistischen Lager Stirnrunzeln ausgelöst hätte.
Ein Jahresabo digital der internationalen Ausgabe der kubanischen Parteizeitung «Granma», immerhin auf Deutsch übersetzt, kostet knapp 20 Franken.144 Ausgaben der russischen Zeitung «Prawda» kosten digital rund 540 Franken, wenn man sie ergattert. Das dürfte kostendeckend sein.
Aus welcher Perspektive man das unseligen Wirken der Medienmanager in der Schweiz auch anschaut, man kommt immer auf die gleiche Steigerung: dumm, dümmer, Verleger.
Die machen ihrem Namen alle Ehre, indem sie nie um eine Ausrede verlegen sind. Und unermüdlich nach Staatssubventionen krähen.
Weil sie sonst ihrer staats- und demokratietragenden Funktion nicht weiter nachgehen könnten. Kriegen sie dann die verlangte Milliarde nicht, weil sie es selbst versemmelt haben, krähen sie einfach weiter, diesmal gleich nach 1,4 Milliarden.
Was hier als «Analyse» des Schweizer Medienmarkts verkauft wird, ist in Wahrheit ein rhetorisches Wutprogramm mit der intellektuellen Flughöhe eines Stammtischs kurz vor Sperrstunde.
119 Artikel an einem Samstag!
Skandalös! Wie können sich Redaktionen erdreisten, Inhalte zu produzieren? Und das auch noch online – womöglich sogar für Leute unter 70! Der Verfasser rechnet dann mit der Präzision eines Taschenrechners aus dem Migros-Katalog: 0,007 Rappen pro Artikel. Das klingt beeindruckend günstig – ist aber auch beeindruckend sinnlos.
Der Milch-Vergleich. Ah ja.
Der Lieblingsvergleich aller, die Journalismus nicht verstehen wollen: Medien = Milch. Wenn Tamedia ein digitales Abo billiger macht als einen Liter Milch, dann kann das ja nichts taugen. Dabei übersieht man galant, dass Nachrichten nicht pasteurisiert werden, keine Haltbarkeitsdaten haben und sich eher schlecht in Tetrapacks füllen lassen. Aber Hauptsache, es passt in die Pointe.
Führungs-Bashing à la Dudenhöfer
Supino, Walder, Peppel-Schulz – alle doof, alle unfähig, alle mit Avatar. Das ist keine Kritik, das ist ein rollender Stammtisch mit Tippfunktion. Wo Fakten fehlen, hilft Spott. Wo Analyse gefragt wäre, kommt persönlicher Groll. Die Unterstellung: Wer leitet, hat schon per Definition versagt.
Und am Ende: die «Granma».
Der Hohn gipfelt im Vergleich mit der kubanischen Parteizeitung. 20 Franken im Jahr! Seht her, so billig kann Propaganda sein! Offenbar wäre das für den Autor die Idealform: einheitlich, subventioniert, kostendeckend. Hauptsache kein Supino drin.
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Fazit:
Diese «Kritik» ist kein journalistischer Beitrag, sondern ein langgezogener Augenroller. Sie verwechselt Polemik mit Profil, Preis mit Wert – und Meinung mit Bedeutung. Wer so über Medien schreibt, sollte vielleicht tatsächlich lieber Milch verkaufen. Aber bitte ohne Kommentarspalte
Liebe Claudia
was auch immer Sie bewogen oder gekratzt haben mag, Chapeau, dass Sie sich melden. Mit halber Anonymität, wieso nicht mit ganzem Namen?
Den etwas launigen Überblick des Herrn Zeyer können Sie nicht mögen, nachvollziehbar. Wenn’s um Geld geht, ist’s ja auch nicht mehr lustig für Verleger. Wenn’s um persönliche Hiebe geht, tut’s halt weh.
Die entscheidenden Punkte lassen Sie aber aussen vor.
Herr Zeyer rumpelt seit 5 Jahren am lausigen Schaffen (ich persönlich finde es VERANTWORTUNGSLOS) der Schweizer Medien herum. Meistens fundiert, sachlich, hart. Hart für die, die uns diese Zumutungen zumuten.
Aber mehr als hart auch für die Leser-innen, wie immer Sie es gern geschrieben hätten. Die Schweizer Medien haben das Volk in den letzten Jahren betrogen, belogen, geschädigt, dauermanipuliert. Und die Aufmerksamen, die sich erlaubten zu kritisieren, warnen, reklamieren, die wurden diffamiert, ausgegrenzt, verhöhnt und werden weiterhin verschwiegen. Mit dem Segen der Verleger und im Auftrag der globalistisch verpflichteten Besitzer.
Ich mache Ihnen keine Rechnung mit billigem Taschenrechner, welchen Schaden diese kuschenden Medien an volkswirtschaftlichem und gesellschaftlichem Schaden in der Schweiz angerichtet haben.
Geschweige den menschlichen Verheerungen durch die Angstmacherei seit 5 Jahren, die Ihnen niemand in die Buchhaltung schreiben kann.
Die Opfer werden weiterhin solidarisch klein geredet und den Tätern öffnen Sie immer noch ganze Seiten, auf denen alles ’schön geredet› wird.
Nach dem Krieg gegen die Gesundheit widmen diese Medien jetzt ihre ganze Kraft der Kriegstreiberei und der Kriegstüchtigkeit.
Gott sei Dank gehen ihre Betriebsergebnisse in Richtung Keller,
die letzte Hoffnung, dass sich die Menschen so – schweigend – gegen den Terror der Führungsetagen wehren.
Denn es mag Ihnen nicht behagt haben, aber in diesem Punkt hat Herr Zeyer – leider – hundertprozentig Recht: die Verantwortlichen versagen grandios und mutlos in diesem Land. Auch absolut kein Trost für Sie und die Medien, dass das – noch mehr leider – fast alle Sparten der Politik, Justiz, Universitäten, Konzerne, Wissenschaft betrifft.
Aufzählung nicht komplett, eine verheerende Ausgangslage!
Vielen Dank, dass Sie sich gezeigt haben,
ich wünschte mir, die Diskussion sei endlich eröffnet.
Mit der aktiven Minderheit, die sich manchmal kaum zurückhalten kann, weil sie so anmassend ausgeschlossen ist.
Mit freundlichen Grüssen
René
Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich. Ein digitales Produkt (das beliebig ohne Kosten vermehrbar ist), mit einem Liter Milch zu vergleiche, ist ein Affront gegenüber Amazon – aber auch den Schweizer Kühen… Digitale Geschäftsmodelle sind für Medien-Boomer schwer zu verstehen. Das ist wie wenn Walti Frey noch der guten alten Pferdekutsche nachweinen würde…
Man könnte den Eindruck gewinnen, die Chefs der grossen Schweizer Verlage seien allesamt blitzkäsedumm.
Hervorragend, die Preise der Zeitungen im Zusammenhang mit den Subventionen aufs Tapet zu bringen. Das Pricing ist schwer intransparent und wenig nachvollziehbar. Bei Tages-Anzeiger ist inzwischen ganzjährig aufdringlich billiger Jakob, immer hübsch mit Countdown, wobei darauf die nächste „Chance“ folgt, mit der einem noch die SZ oder NYT aufgehalst wird. Schleierhaft, wie das finanziell aufgehen soll.
Der Vergleich mit dem Detailhandel hinkt allerdings. Im Detailhändel kann ich auch alleine die Milch meiner liebsten Molkerei einzeln kaufen. Bei Tages-Anzeiger bin ich nie sicher, von welchem Bauer meine Milch als nächstes kommt und wenn ich Pech habe, ist es die Saure von Philip Loser. Auch muss ich zur Milch immer noch Kraut und Rüben und komische deutsche Spezialitäten mitkaufen, auf die ich keinen Appetit und keine Verwendung in meiner Küche habe. Für einzelne Produkte wäre ich bereit zu bezahlen. Für die Kiste voll Fertigprodukte (Agenturmeldungen), lampigem Gemüse und mitunter faulen Eiern nicht.