Wahn und Wirklichkeit

Die bekannte Unke Peter Burghardt sieht wieder einmal ein Ende nahen.

Der Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» sah schon das Ende der Demokratie in den USA kommen. Und versuchte verzweifelt, gegen den damals drohenden Wahlsieg von Donald Trump anzuschreiben. Vergeblich.

Aktuell übernimmt das Haus der Qualitätsmedien Tamedia seinen Stuss via München und setzt ihn seinen Lesern zahlungspflichtig vor.

«Weil sich «Post»-Besitzer Jeff Bezos dem US-Präsidenten beugt, laufen der einstigen Bastion für furchtlosen Journalismus Redaktoren und Abonnenten davon. Der frühere Chefredaktor Martin Baron findet deutliche Worte für den Verfall.»

Koinzidenz mit Kausalität verwechseln, ein beliebter Fehler.

Als Kronzeugen für sein Untergangsszenario hat er sich einer sehr glaubhaften Quelle versichert. Des ehemaligen Chefredaktors Martin Baron. Der leitete die WaPo von 2013 bis 2021. «Ich hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, aber es ist noch schlimmer», jammert Baron ins Mikrophon. Der Besitzer Jeff Bezos (Amazon) sei vor Trump eingeknickt, indem er der Redaktion untersagte, eine Wahlempfehlung für die gescheiterte Kandidaten Kamala Harris abzugeben. Seither seien «mehr als 300’000 Abonnemente inzwischen bei der «Washington Post» storniert» worden, «genaue Zahlen gibt es nicht». Dafür ist das aber eine ziemlich genaue Zahl.

Die Lage sei furchtbar, unkt Burghardt: «Fast täglich fragen jetzt ehemalige «Post»-Kollegen Martin Baron um Rat. Gehen? Bleiben? Baron spricht mit ihnen die Möglichkeiten durch.» Er erinnert an die glorreichen Zeiten, als zwei mutige Journalisten den damaligen Präsidenten Richard Nixon mit dem Watergate-Skandal zum Rücktritt zwangen.

Das ist Nostalgie, aber die Wirklichkeit sieht mal wieder ganz anders aus, als sie Burghardt beschreibt, der lieber in seiner Gesinnungsblase leben möchte.

Die reale Entwicklung der Abonnentenzahlen sieht so aus:

  • 1993: Die Washington Post erreichte ihren Höhepunkt mit einer durchschnittlichen werktäglichen Auflage von 832.332 Exemplaren und einer Sonntagsauflage von über 1,15 Millionen.

  • 2012: Die werktägliche Auflage sank auf 484.385, was einem weiteren Rückgang von 8,4 % gegenüber dem Vorjahr entspricht.

  • 2016: Die Auflage lag bei 507.615 Exemplaren.

  • 2023: Die durchschnittliche werktägliche Printauflage betrug 139.232 Exemplare.

Digital sieht es so aus:

  • 2018: Über 1 Million digitale Abonnenten.

  • 2023: 2,5 Millionen digitale Abonnenten.

Trotz dieses Wachstums verlor die Zeitung seit Ende 2020 etwa 500.000 Abonnenten und verzeichnete 2023 einen Verlust von rund 100 Millionen US-Dollar. So viel zum erfolgreichen Wirken von Baron.

Das Blatt war am Abserbeln, als es Bezos 2023 für 250 Millionen Dollar in Cash kaufte. Er verpasste ihm den Slogan «Democracy dies in darkness» und investierte seither viele weitere Millionen. Unter Bezos› Führung erlebte die «Washington Post» eine umfassende Digitalisierung und Modernisierung. Dazu gehörten der Ausbau des Entwicklerteams, die Optimierung für mobile Endgeräte und die Einführung neuer Einnahmequellen wie Softwarelizenzen und Partnerschaften mit anderen Medienhäusern.

Ohne diesen Investor gäbe es die WaPo nicht mehr, sicherlich nicht in der heutigen Form. Trotz Abgängen und Sparmassnahmen beschäftigt die Zeitung immer noch rund 940 Redakteure. Der «Tages-Anzeiger» hat dagegen noch rund 300 Mitarbeiter, die SZ ungefähr 450. Wobei es schwierig ist, bei den ganzen Rausschmissen den Überblick zu behalten.

Es ist aber keinesfalls so, dass die WaPo erst neuerdings Abonnenten verliert. Gleichzeitig steht Bezos für die Verluste gerade, die die Zeitung immer noch produziert.

Von den 940 Mitarbeitern verliessen eine Handvoll das Blatt unter grossem Getöse. Dennoch bemüht sich eine dreimal so grosse Redaktion wie beim Tagi, rund um die Uhr News zu produzieren, ohne dabei sehr viele Inhalte von einer anderen Zeitung im Ausland zu übernehmen.

Darunter ein Stück wie das von Burghardt, das an Realitätsferne nicht zu überbieten ist, wo Wille und Gesinnung wichtiger sind als eine nüchterne Betrachtung der Wirklichkeit. Es wäre für den Journalisten ein Leichtes gewesen, sich über die wirklichen Zahlen zu informieren und sie seinen Lesern zu präsentieren.

Stattdessen verliert er sich in solchen Nebensächlichkeiten: «Es ist neun Uhr morgens, Martin Baron, den die meisten einfach nur Marty nennen, beugt sich über seinen Laptop. Er wohnt inzwischen die meiste Zeit in Massachusetts. Hemd, Brille, grauer Bart – 70 Jahre ist er alt, einer der renommiertesten Journalisten der USA.»

Schön, dass wir das nun wissen. Aber wie es wirklich um die finanzielle Situation des Blatts steht, welche Bedeutung die Rettungsaktion von Bezos und seine tatkräftige Hilfe bei der Umstellung aufs Digitale hat, das unterschlägt Burghardt seinen Lesern.

Ebenso jede Erwähnung des aktuellen Inhalts. Da muss der Leser schon selber nachforschen, wenn er des Englischen mächtig ist. Dann wird er sehen, dass die WaPo keineswegs lauter Lobeshymnen auf Trump oder seinen Sidekick Elon Musk anstimmt.

Aber Burghardt schreibt lieber nach der Devise: was nicht passt, wird passend gemacht. Oder einfach weggelassen.

Dabei gehört es eigentlich zum Ehrenkodex jedes zurückgetreten Chefredaktors (wie auch jedes anständigen Politikers), dass er vom Altenteil aus nicht seine Nachfolger mit Kritik und launigen Bemerkungen überzieht.

Blöd auch, dass ihm sein Kronzeuge sogar selbst ins Knie schiesst: «Er» (Baron, ZACKBUM) «überfliegt während des Videocalls die aktuelle Ausgabe. Und? «Sieht ziemlich normal aus», sagt er. Da ist an diesem Tag unter anderem ein kritischer Artikel über Donald Trumps Strafzölle.»

Aber immerhin, ein gewünschtes Quote konnte er Baron entlocken: «Meine Sorge gilt dem Verhalten des Eigentümers. Das untergräbt den Ruf der Zeitung.» Das wird dann in einer Bildlegende hochgejazzt zu: «Der Eigentümer untergräbt den Ruf der Zeitung.» Eine solche Schludrigkeit würde man in der WaPo nicht durchgehen lassen.

Aber Burghardt schreibt halt in einer anderen Liga. Seine Art zu schreiben ist in Wirklichkeit Anlass zur Befürchtung, dass so der Journalismus stirbt, sich überflüssig macht, nichts zur Erkenntnis des Lesers beiträgt. Aber das merkt die Unke natürlich nicht.

 

 

 

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