Die Judenfrage
ZACKBUM begibt sich mutig auf dünnes Eis.
Ist Kritik an Israel, einem jüdischen Staat, erlaubt? Oder ist das gleich Kritik an «den Juden» und damit antisemitisch?
«Der jüdische Schriftsteller Thomas Meyer findet die Parteinahme von Nemo «dumm» und erklärt, warum wir Schweizer ein sehr spezifisches Antisemitismus-Problem haben.»
So leitet die «SonntagsZeitung» das Interview mit Meyer ein. Ginge es nach dem Schriftsteller, stünde bereits das Adjektiv «jüdisch» unter strengem Antisemitismusverdacht. Allein darin zeigt sich die Absurdität seiner Position.
Er wertet, urteilt, qualifiziert und denunziert. All das mit der Massgabe: «Ich finde jegliche Parteinahme dumm.» Also sind seine Parteinahmen auch dumm. Oder ist das bereits antisemitisch?
Dabei widerspricht er sich gleich selbst.
Auf die Frage, ob denn in keinem Konflikt eine Parteinahme erlaubt sei, antwortet er: «Natürlich nicht. Beim Ukraine-Krieg oder den Nazigräueln ist der Fall klar. Der Israel-Palästina-Konflikt aber ist so alt und komplex, dass man sich als vernünftiger und intelligenter Mensch keine Parteinahme leisten sollte.»
Ist im Ukrainekrieg der Fall wirklich «klar»? Ist dessen Geschichte nicht auch alt und komplex? Und worin bestünde dann diese «Klarheit»? Urteilen also nur unvernünftige und blöde Menschen über den Palästina-Konflikt? So wie er es weiter unten auch tut.
Man dürfte also weder die Verbrechen der fundamentalistischen Wahnsinnigen von der Hamas, noch die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung verurteilen? Es wäre nicht erlaubt, darauf hinzuweisen, dass der Ministerpräsident Netanyahu, der sich an sein Amt klammert, um dem Knast wegen Korruptionsanklagen zu entgehen, auf einer Fahndungsliste steht und eigentlich in jedem Land, das er besucht und das die Hoheit des Internationalen Strafgerichtshof anerkennt, verhaftet werden müsste?
So wie Putin, so wie die führenden Verbrecher der Hamas?
Noch mehr Unausgegorenes: «Parteinahme wertet bloss. Sie sagt: Dieses Leid ist schlimmer als das andere. Das halte ich für zynisch.» Man sollte also angesichts der völligen Zerstörung der Infrastruktur im Gazastreifen, der verbrecherischen Blockade jeglicher Hilfslieferungen an die leidenden Hunderttausenden von unschuldigen Zivilisten nicht parteilich werten dürfen, weil man dann bereits Antisemit sei? Und das Leiden der israelischen Geiseln sowie den terroristischen Angriff der Hamas damit als weniger schlimm taxierte?
Dass Meyer diese naheliegenden Fragen nicht gestellt wurden, zeugt von der Beisshemmung des Interviewers Christian Brüngger. Der ist «ist Redaktor, er kam 2001 zum Tages-Anzeiger. Er schreibt für das Ressort Reportagen & Storytelling. Davor arbeitete er viele Jahre fürs Sport-Team. Er studierte Geschichte und Filmwissenschaften in Zürich.» Also ein rundum qualifizierter, gut vorbereiteter Journalist, der hier seine Schleimspur hinterlässt.
Genauso hanebüchen ist Meyers Unterstellung aller Schweizer unter einen Generalverdacht. Die Schweiz habe seit den Pogromen im 14 Jahrhundert keine «Extreme» erlebt: «Viele Schweizerinnen und Schweizer glauben deshalb, das Land sei frei von diesem Problem. Das verleitet zu sagen: «Ich bin kein Antisemit, weil ich ja Schweizer bin. Und ausserdem ein guter Mensch.» Das führt dazu, dass man sein antisemitisches Gedankengut nicht als solches erkennt.»
Schön, dass Meyer, im Besitz eines geeichten Messgeräts für Antisemitismus, «vielen Schweizern» in die Fresse hauen kann, dass sie eben doch Antisemiten seien, es bloss nicht merkten. Denn auch wenn sie es nicht wissen, er weiss es:
«Alle Menschen, die mir antisemitische Dinge ins Gesicht sagten, waren überzeugt, keine Antisemiten zu sein. Vielmehr war in ihren Augen ich das Problem, weil ich angeblich überall Antisemitismus wittere.»
Wer also Meyer vorwirft, wie so viele andere, die die Antisemitismuskeule missbrauchen, selbst mit dieser Arroganz Antisemitismus zu befördern, ist in seinen Augen ein Antisemit. Dabei ist Kritik an den Untaten der israelischen Regierung keinesfalls per Definition antisemitisch. Sondern nötig und berechtigt. Es steht Meyer nicht an, hier den Schiedsrichter zu spielen, was zu sagen erlaubt ist und was nicht.
Seiner Logik folgend, dürfen nur Juden wie er Israel kritisieren: «Ich selber finde es, gerade als Jude, absolut unerträglich, in was für einen blindwütigen Verbrecherstaat sich Israel verwandelt hat.» Aber würde ZACKBUM als Nichtjude dasselbe sagen, stünde es bereits unter Antisemitismusverdacht, hätte Partei genommen, was Meyer ja eigentlich verurteilt, ausser, er tut es selbst.
Dass er die Parteinahme von Nemo und anderen Kunstschaffenden als «dumm» abqualifiziert, ist sein gutes Recht. Ist es dann auch möglich, seine Absonderungen als «dumm» zu bezeichnen? So als Nichtjude einem Juden gegenüber?
Folgte man seiner Aberwitzlogik, dürfte das allerhöchstens ein Jude tun. Das ist die gleiche woke Verpeiltheit, die fordert, dass nur Schwarze etwas über Angelegenheiten von Schwarzen sagen dürfen. Nur ein schwuler Schauspieler einen Schwulen spielen darf. Nur eine Frau über den Feminismus öffentlich nachdenken darf.
Meyer fordert einen «safe room» für alles, was mit dem Palästinakonflikt zu tun hat. In dem nur Juden Partei ergreifen dürfen, obwohl das eigentlich dumm sei.
Ein freier Diskurs, seit der Aufklärung unser probates Mittel zu Erkenntnisgewinn zu kommen, soll hier wieder in mittelalterliche Kerker der unberührbaren Themen gesperrt werden. Was die katholische Kirche damit angerichtet hat, ist bekannt.
Jeder Versuch einer Wiederholung ist strikt zurückzuweisen. Die Kirche masste sich an, als Verkünder des Wort Gottes über eine unumstössliche und nicht bezweifelbare Wahrheit zu verfügen. Wenn vergleichsweise kleine Lichter wie Meyer das auch für sich beanspruchen, machen sie sich nur lächerlich. Ein solches Urteil als antisemitisch zu denunzieren, was ja Meyers einziges, ärmliches Argument wäre, lässt die Frage aufkommen, ob dumm steigerbar ist.
Vermutlich ja.
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Der Artikel erschien zuerst auf «Inside Paradeplatz».
Interessant dass dieser Artikel von IP entfernt wurde.
Interessanter, dass er noch auf IP steht:
https://insideparadeplatz.ch/2025/05/11/die-judenfrage/
Antisemitismus ist zu einem Gaunerwort verkommen. Berechtigte Kritik und auch Polemik gegen die Politik der israelischen Regierung als antisemitisch zu deklassieren, ist Mobbing. Jemand hier, der mir das Gegenteil erklären kann? Per se ist anitsemitsch ja ein Rassismus begriff, antijüdisch geht aber gegen die Religion. Die Legionen von Neosozialsisten werfen das ganze aber wieder in einen Topf. Hatten wir schonmal.
Heikles Thema: Sobald man zum Thema etwas schreibt, läuft man sofort Gefahr, in eine Ecke gestellt bzw. geschrieben zu werden, in der man nicht steht.
Mutig vom Autor, hierzu zu schreiben.
Das Stadtzürcher Zürich mit der Schweiz verwechseln ist gängig. Man muss sich Meyers Milieu vor Augen führen: Die gleichförmig homogene, urbane Kulturszene, die sich mehr oder weniger offen zur extremen Linken stellt. Seine „Ratgeber“-Literatur („Trennt euch!“) richtet sich vor allem an feministisch-narzisstische Frauen. Im Umfeld solcher Leute kann man tatsächlich auf die Idee kommen, in der Schweiz seien alle antisemitisch. Die problematische Haltung, die er richtigerweise anprangert, ist ein Übel dieser Szene, nicht der Schweiz. Umso mehr Respekt habe ich vor Thomas Meyer (neu) dafür, wie mutig und klar er öffentlich Position bezieht. Dass er sich zum Sprecher der jüdischen Bevölkerung hochstilisiert, ist nicht ideal, wird aber wohl dafür überhaupt angefragt.
Der geschmacklose Seitenhieb auf die heilige katholische Kirche ist unpassend. Es ist noch nicht einmal nachtragend, weil seit Jahrhunderten niemand mehr betroffen war davon. Ja, die Kirche hat Fehler gemacht, doch sich selber diszipliniert und hat heute eine umfassende und gesunde Soziallehre und Katechese. Es ist unredlich und bigott, dass bösartig zu verkennen und auf der Klaviatur des Katholiken-Bashings zu spielen. Eine unheilbare Krankheit des lutherisch-zwinglianischen deutschsprachigen Raumes.
Thomas Meyer ist ja sonst selbst Teil dieser woken, linken Kulturblase, welche ihren Haltungs-Senf zu Allem und Jedem absondert. In diesem Fall macht ihm seine ethnische Herkunft halt einen Strich durch die Rechnung und er muss für einmal kontra sein eigenes Nestchen gehen. Blöd gelaufen könnte man sagen.
Wenn sogenannte „Künstler“ (in diesem Fall ESC-Teilnehmer Das Nemo…) zu politischen Themen Stellung nehmen, wirds mehr als schwierig. Vor vier Jahren machten alle brav Impfwerbung, dann waren alle brav gegen „Rechts“ und jetzt ist man halt gemeinsam ganz fest gegen Israel. Mitmachen ist wichtiger als Gewinnen, um im ESC-Jargon zu bleiben.
„Dass er die Parteinahme von Nemo und anderen Kunstschaffenden als «dumm» abqualifiziert, ist sein gutes Recht.“ Das stimmt nun auch wieder, obwohl Meyer natürlich Vielen mit seinem Suhlen in woke untermauerter Opferrolle seit Jahren auf den Sack geht. Wenn es niemand sonst tut, ist es vielleicht sogar seine Pflicht. Wobei die Teil-Absolution Meyers in etwa so formuliert werden müsste: „… Parteinahme von Nemo und den Kunstschaffenden…“. Das Nemo wird so zumindest nicht mit Kunst in Verbindung gebracht. Dafür entsteht – o sancta aporia, – ein Pleonasmus, denn wann immer „Kunstschaffende“ meinen, sich zu vermeintlichen Aktualitäten äussern zu müssen, wird es schnell rasend dumm.