Wem der Geruch der Worte egal ist
Schon wieder ein geschichtsvergessener SZ-Autor.
Sebastian Gierke «weiss, was schlechte Popmusik ist». Der Politredaktor der «Südeutschen Zeitung», degradiert vom Posten des stellvertretenden Ressortleiters, macht sich als Schreibtischgeneral so seine Gedanken über die Ukraine. Da weiss er eher wenig.
Das ist nun für den Kriegsausgang, die Welt und vor allem die Leser von Tamedia, die sich das Geseier auch zu Gemüte führen können, völlig unerheblich.
Der Schnösel Gierke (Jahrgang 1978) will aber ungebührlich von der Ungnade der späten Geburt und des Nichts-aus-der-Geschichte-Gelernt profitieren.
So fabuliert er in seinem Meinungsstück «Noch ist die Ukraine nicht verloren» ohne Rücksichten auf historische Parallelen seiner Aussagen. Fängt beim Titel an, eine Anspielung auf «noch ist Polen nicht verloren». Das geht ja noch, stammt allerdings von Tamedia. Denn der Originaltitel des Originaltexts in der SZ lautete: «Militärisch unbesiegt».
Anrüchiger wird es schon im ersten Absatz: «Aber die Ukraine ist nicht verloren. Sie ist militärisch nicht besiegt.» Genau das war der Kern der Dolchstosslegende nach dem Ersten Weltkrieg. Mit dieser Geschichtsfälschung versuchte die deutsche Oberste Heeresleitung, ihr eigenes Versagen zu kaschieren. Es habe sich um einen Hochverrat feiger Politiker (natürlich vor allem jüdische) gehandelt, während die tapfere Armee unbesiegt geblieben sei. Die Folgen sind bekannt, allerdings nicht Gierke.
Denn die Lage ist natürlich ernst: «Es sei vorbei, der Diktatfrieden – den der US-Vorschlag aus der vergangenen Woche de facto bedeutet – komme unweigerlich.» Das Wort Diktatfrieden ist auch aus dem Ende des Ersten Weltkriegs bekannt. So wurde der Friedensvertrag von Versailles bezeichnet. Dieses Schimpfwort benützten rechte Nationalisten, um der damaligen deutschen Regierung die Schuld an den wirtschaftlichen Folgen des verlorenen Weltkrieg in die Schuhe zu schieben. Die Folgen sind bekannt, allerdings nicht Gierke.
Nun begibt sich der Politstratege in weitere Sumpfgebiete: «Die Stärke des russischen Präsidenten wächst proportional in dem Mass, in dem der Defätismus bei den Unterstützern (von der Ukraine, R.Z.) steigt.» Auch das Wort Defätismus kam im Ersten Weltkrieg auf. Damit wurde Mutlosigkeit und Schwarzseher denunziert, die Vermutung, dass ein Krieg militärisch verloren sei. Wer öffentlich des Defätismus beschuldigt wurde, musste mit Gefängnisstrafen und Schlimmerem rechnen. Die Folgen sind bekannt, allerdings nicht Gierke.
Deshalb müsse Europa seine Unterstützung für die Ukraine deutlich steigern, behauptet Gierke, denn unsere westlichen Werte müssen bekanntlich auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung verteidigt werden. Dumm auch, dass der Popmusik-Kenner Gierke da nur vom Schreibtisch in München aus aufmunternde Worte rüberrufen kann.
Dann wird er, aus sicherer Distanz zum bösen russischen Bären, noch nassforsch: «Putin ist, wie jeder Verbrecher, zum ewigen Erfolg gezwungen – befindet sich deshalb aber ständig in Gefahr, zu scheitern.» Gierke ist, wie jeder Maulheld, zu ewigen Steigerungen gezwungen, befindet sich dabei aber nicht nur in der Gefahr zu scheitern.
Wie schon im Ersten Weltkrieg fehlt es in Deutschland einfach mal wieder an einem: «Woran es fehlt, sind Entschlossenheit und Einigkeit.» Woran genau mangelt es? «Nur wenn sich das ändert – erste Erfolge, etwa bei der Produktion von Artilleriemunition, werden gerade sichtbar –, wird Putin zu ernsthaften Friedensgesprächen bereit sein. Das ist die Chance der Ukraine.»
Früher sagte der Deutsche: «Jeder Schuss ein toter Russ.» Die moderne Version ist: Wenn die Granate explodiert, der Russ den Kopf verliert.
So sieht’s aus. Kaum sind alle tot, die noch dabei waren, geht der ganze Sch***s von vorne los.
Das ist wohl leider seit Shakespeare und im Gegensatz zur Aufklärung die bittere Wahrheit.
Diese sprachlichen Parallelen zu finsteren Zeiten sind leider schon seit Jahren in der deutschsprachigen Presse und Politik gang und gäbe, das und die Gaunersprache der Sprachpolizei. Dabei sind die deutsche Politik und Presse doch dauernd ganz tapfer und mutig im Kampf gegen Räächts. Finde den Fehler.
Ein Schnösel, o Gastgeber und Meister, mit 47 Jahren? Ist das zum Trost von alten weissen Heteros wie Ihnen und mir gesprochen? Nicht, dass der Popexperte nicht schwerste Prügel verdient hätte. Schön, hat er sie bekommen. Noch schöner, findet der Meister zu alter Prügelform.
Das Medium und sein Hausgeist. Beim Blick z.B. arbeitet FAM m. W. im
Auftragsverhältnis, geistreich…