Wetzel ist ein kluger Mann,
der nur nicht logisch denken kann.
Die Masseinheit ein Wetzel steht für die maximale Distanz zwischen einer Formulierung und der Wirklichkeit. Wenn also jemand beim Betrachten einer weissen Wand «die ist schwarz» sagt, dann drückt er damit ein Wetzel aus.
Sich selbst sieht der Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung», dessen Ergüsse dem zahlenden Tamedia-Leser zugemutet werden, sicherlich als Querdenker:
«Wenn Trumps Amerika den Europäern hilft, Chinas und Russlands hegemoniale Ansprüche in der Arktis einzudämmern, ist das eine gute Nachricht.»
Das meinte Hubert Wetzel zu Trumps Plänen, notfalls mit Waffengewalt Grönland einzunehmen.
Oder er sieht sich als Unke: «So sterben Demokratien», orakelte er 2020 nach dem ersten Amtsantritt Trumps. Dessen Wahlkampf zum zweiten Anlauf verfolgte er auf der erbitterten Suche nach jedem Fünkchen Hoffnung, dass Trump doch nicht der Kandidat der Republikaner werde.
Und überhaupt regelt Wetzel das gesamte Weltgeschehen: «Macron hat aussenpolitisch seinen Bankrott erklärt». Der französische Präsident hatte es gewagt, eine Meinung zu äussern, ohne Wetzel um Erlaubnis zu fragen, und dann war sie erst noch falsch, nämlich nicht seine. Da trifft ihn dann aber Wetzels volle Verachtung: «Er meint es also offenbar ernst. Allerdings fällt es schwer, den französischen Präsidenten auch ernst zu nehmen.»
Es fällt nicht schwer, sondern ist unmöglich, Wetzel ernst zu nehmen. Denn er hat schon wieder eine neue Idee, wie man den Inhalt des peinlichen Halbstarken-Chats höchster US-Regierungskreise sehen könnte.
Zunächst will er sich und dem Leser Angst einjagen: «Trotzdem kann einem natürlich der kalte Angstschweiss ausbrechen, wenn man sich vorstellt, über welche anderen Themen Amerikas wichtigste Aussen- und Sicherheitspolitiker noch so bei Signal chatten.»
Aber dann tut er etwas, was er wirklich lassen sollte. Er denkt nach:
«Solange die Europäer es aus Mangel an Geld, militärischer Kraft oder Interesse – die Amis machen das ja für uns – nicht schaffen, vor der eigenen Tür die eigenen Handelsinteressen gegen eine militärisch nicht besonders beeindruckende Truppe wie die Huthi zu verteidigen, müssen sie damit leben, im Klassenchat des Weissen Hauses verunglimpft zu werden. Höhnisches Kopfschütteln ist darauf die falsche Reaktion.»
Nun, wie soll man den Schwarzseher an die in Wirklichkeit weisse Wand heranführen? Zunächst einmal haben die Europäer die USA nicht darum gebeten, mal kurz – unter Inkaufnahme der üblichen Kollateralschäden – vermutete Huthi-Stellungen im Jemen zu bombardieren.
Dass die Huthi diesen Schiffsverkehr angreifen, könnte allerdings, so behaupten sie es zumindest, damit zu tun haben, dass in erster Linie die USA die israelische Armee dabei unterstützen, den Gazastreifen in Schutt und Asche zu legen und auch in Syrien oder dem Libanon Kriegsverbrechen zu begehen. Das alles angeführt von einem Ministerpräsidenten, der nur dank seines Amtes dem Knast entgeht und sich aller Justizorgane entledigen will, die ihm gefährlich werden könnten.
Wenn man schon beim Aufrechnen ist, wieso sollte Europa nicht den Kampfeinsatz seiner Truppen – auf Bitten der USA notabene – in Afghanistan in Rechnung stellen? Dort spielte sich ja ein weiteres Kapitel erfolgreicher US-Militärpolitik ab, so wie im Irak, in Libyen oder in Syrien.
Schliesslich könnte sich Wetzel auch fragen, in wessen Besitz eigentlich die Frachtschiffe sind, die via Suezkanal Waren von Asien oder Indien nach Europa transportieren.
Solche Überlegungen ergäben allerdings – um im Bild zu bleiben – eine bunt gesprenkelte Wand, die ungefähr so kompliziert, komplex und widersprüchlich aussehen würde – wie die Wirklichkeit.
Das ist aber für einen Schwarzweiss-Seher wie Wetzel viel zu anspruchsvoll und würde höchstwahrscheinlich Kopfweh auslösen.
Das ist sein Problem; wieso allerdings die gesamte Qualitätskontrolle von Tamedia, man denke nur an Raphaela Birrer oder an das Kommunikationsgenie Simon Bärtschi, ihren verbliebenen Lesern einen solchen Stuss zumuten, da ist gute Erklärung teuer. Oder vielleicht nicht.
Während sie nicht müde werden, ständige Sparmassnahmen als angebliche Qualitätssteigerung schönzuschwatzen, ist ihnen der Content, Hand aufs Herz, schlichtweg völlig egal. Solange irgendwelche Buchstaben unter oder neben irgendwelchen Fotos stehen.
Phuu, jetzt wird’s kompliziert. 1 Bärtschi definiert die Qualität des Informationsgehalts eines TA-Artikels (1 Bärtschi = 0 Qualität). 1 Wetzel definiert die Distanz der Information im Artikel zur Wirklichkeit (1 Wetzel = maximal von der Realität entfernt). Also kummuliert (Bärtschi-Wetzel Skala) ergeben die Zwei Werte eine Skala zwischen 0 und 2. 0 = top, 2 = flop. Als Zahlenmensch sind mir solche Definitionen schon wichtig 😉
Sagen wir es mal so, ohne dem Wetzel im übrigen auch nur im Geringsten beizustimmen:
„Der Wetzel hatte es gewagt, eine Meinung zu äussern, ohne Zeyer um Erlaubnis zu fragen, und dann war sie erst noch falsch, nämlich nicht seine. Da trifft ihn dann aber Zeyers volle Verachtung.“