«Unrecht darf sich nicht lohnen»

Damit hat Anwältin Rena Zulauf recht.

Das Urteil des Zuger Kantonsgerichts auf Gewinnherausgabe von rund 320’000 Franken ist Rechtsverluderung.

Rechnen mit Richtern. Im Prozess um den angeblich erzielten Gewinn mit vier Artikeln über die einschlägig bekannte Jolanda Spiess-Hegglin stellten die drei Richter das Betreten von Neuland als Rechtsgrundlage dar. Schlimmer noch: die Rechnung ist schlicht falsch.

Sie beruht darauf, dass es einen offiziellen Inserate-Tarif von Ringier von 40 Franken pro 1000 Sichtkontakte im Internet bei Werbung im Umfeld von Artikeln gibt. Daraus errechnet das Gericht einen Gewinn von insgesamt 200’000 Franken alleine für die vier Online-Artikel, die mit persönlichkeitsverletzendem Inhalt über den sexuellen Kontakt während einer Landammannfeier erschienen sind.

Kann es richtig sein, ohne gesetzliche Grundlage so zu rechnen? Schliesslich räumt das Gericht selbst ein, der Zusammenhang zwischen einer bestimmten Berichterstattung und der Gewinnerzielung lasse sich «naturgemäss nicht strikt nachweisen». Dann bezieht es sich auf ein Bundesgerichtsurteil, das mit der konkreten Berechnung rein gar nichts zu tun hat. Wer sich im 57-seitigen Urteil durch die Berechnungstabellen der Richter quält, meint, im kalkulatorischen Nirwana zu weilen.

Das Bundesgericht hob lediglich im Fall der Tennisspielerin Patty Schnyder das Urteil einer untergeordneten Instanz auf, dass deren Vater keine Gewinnherausgabe zustünde. Die Parteien einigten sich daraufhin auf einen Vergleich. Peinlich, dass die NZZ schreibt, das oberste Gericht habe «die Herausgabe des (geschätzten) Gewinns» zugesprochen. Eine konkrete Gewinnberechnung hat noch nie stattgefunden.

Das erfüllt den Tatbestand der Rechtserfindung. Denn entscheidend ist nicht eine Preisforderung, sondern das, was am Markt erzielt werden kann. Wirtschaftskunde für Anfänger: Der Anbieter kann für ein Produkt 10 oder 100 Franken fordern und das als Tarif bezeichnen. Alleinentscheidend ist, welchen Preis er am Markt dafür erzielt. Ein Haus, dass für eine Million am Markt ist, ist solange 0 Franken wert, bis es dafür einen Käufer findet. Zahlt der nur 500’000 Franken, ist das der Marktwert. Hat der Verkäufer dafür 400’000 Franken gezahlt, macht er einen Gewinn. Sonst nicht.

Ringier hat angegeben und durch ein Gutachten belegt, dass sich am Markt mit diesen vier Artikeln lediglich 4900 Franken erzielen liessen. Das Gericht stützte sich dagegen auf ein handgemachtes Gutachten eines selbsternannten Internet-Spezialisten, der sogar von bis zu 120 Franken pro 1000 Kontakte ausging und die herausgegebenen Geschäftsunterlagen dabei ignorierte. Wären die Berechnungen von Hansi Voigt richtig, würde er mit seinen eigenen Internet-Projekten wie «bajour» nicht Schiffbruch erleiden.

Wie absurd diese Unrechtssprechung ist, lässt sich auch noch auf einem zweiten Weg beweisen. Wäre dem so, würden sich die Verlage alleine im Internet mit ihren Publikationen dumm und dämlich verdienen. An einem durchschnittlichen Tag veröffentlicht blick.ch rund 100 Artikel. Selbst unter der Annahme, dass die pro Stück nicht 20’000, sondern lediglich 10’000 Franken in die Kasse spülen, wären das eine Million Franken pro Tag, 365 Millionen pro Jahr. Umsatz, nicht Gewinn. Der gesamte Umsatz des Verlags belief sich 2024 auf 918,9 Millionen Franken, der operative Gewinn auf 105,5 Millionen.

Nicht nur, dass so das Internet kein schmerzliches Verlustgeschäft wäre oder höchstens einen unbefriedigenden Return on Investment ablieferte, Ringier hätte gewaltige Profite gar nicht in seiner Konzernrechnung angegeben.

Darüber hinaus ist das Fehlurteil eine Gefährdung für alle Medien in der Schweiz. Jedes Verlagshaus müsste damit rechnen, dass nach der Feststellung einer Persönlichkeitsverletzung Forderungen nach Gewinnherausgabe in absurder Höhe gestellt werden könnten.

Immerhin hat das Gericht die genauso absurde Honorarforderung von Anwältin Zulauf auf 60’000 Franken zurechtgestutzt; wir wollen nicht erahnen, was ihre Mandantin ihr zahlen muss. Dass die beklagte Partei zudem noch das Gutachten der Klägerin mit über 70’000 Franken entschädigen muss, ist dann noch das Sahnehäubchen. Ringier hat angekündigt, das Urteil ans Zuger Obergericht weiterzuziehen; der Fall wird sicherlich beim Bundesgericht enden.

Natürlich ist es schwierig, den tatsächlich durch die Publikation von Artikeln – Print oder online – erzielten Profit zu berechnen. Wenn das aber mit einem fundamentalen und für jeden nachvollziehbaren Rechenfehler bewerkstelligt wird, werden falsche Überlegungen als Auslegung des Rechts verkauft.

Ladina Heimgartner, CEO von Ringier Schweiz, ist daher zuzustimmen:

«Das Gericht ignoriert in seinem erstinstanzlichen Urteil die von Ringier offengelegten Geschäftszahlen und den eingereichten Gutachten von PwC weitgehend. Hätten wir 2014 (als das Online-Geschäft noch bei Weitem nicht so entwickelt war wie heute) solche Gewinne erzielt, hätten wir heute keine Finanzierungskrise der Medien.»

Und auch ihrer Schlussfolgerung: «Dieses erstinstanzliche Urteil gefährdet die Medienfreiheit in unserem Land.» Dass die anfängliche Berichterstattung der «Blick»-Gruppe keine Sternstunde des Journalismus war, ist unbestritten; der Group CEO Marc Walder hatte sich dafür öffentlich entschuldigt. Dieses Urteil hingegen ist unentschuldbar.

8 Kommentare
  1. Monopoli
    Monopoli sagte:

    Das sind die Richter, welche dieses Urteil gefällt haben:
    Kantonsrichter R. Ackermann, Abteilungspräsident, FDP
    Kantonsrichterin D. Panico Peyer, SVP
    Kantonsrichterin M. Casutt, SVP

    Keine Ahnung von Wirtschaft, ein Justizskandal Marke Zug. Nur: Spiess har nur eine kleine Schlacht vorerst gewonnen, die nächsten Instanzen (OG, BG) werden das schon korrigieren.

    Der kleine Hansi Voigt leckt schon am Gewinn. Selber hat er nichts zustande gebracht. Bei Watson gefeuert, bei Bajour nur dank Oeri Millionen weiterhin Lohnempfänger.

    Eines mus man JSH lassen: Niemand von uns hat es fertig gebracht, sich nur als Fremdgängerin 10 Jahre in den Medien zu halten. Und für ihre Opferrolle werde ich sie als Oscar-Preisträgerin vorschlagen.

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  2. Roger Thiriet
    Roger Thiriet sagte:

    Zwei der rötesten Tücher in der Zackbum-Arena und die spannende Frage: Auf welches läuft der wütende Toro zu? Dank ihrer ausgeprägten Resilienz kommt die Torera mit der extrabreiten Visitenkarte diesmal mit dem Schrecken davon.

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  3. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Ebenfalls das Zuger Gericht wollte Michèle Binswanger ihr Recherche-Buch „Die Zuger Landammann-Affäre“ verbieten, obschon der Text noch nicht bekannt war. Eine Rechtsverluderung und faktische Buchverbrennung wie in übelsten Diktaturen. Nun wiederholt sich das üble Spiel dieses Gerichts mit Jolanda Spiess-Hegglin als über dem Recht stehenden Heiligen. Gut zieht Ringier den Fall weiter. Moralisch gesehen hat Jolanda Spiess-Hegglin, als Folge ihrer nachzulesenden Gebaren und Ränke sowie Streitereien, längst verloren.

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  4. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Justiz, Krieg mit anderen Mitteln: Wer bezahlt die nicht unbeträchtlichen Kosten für die juristischen Auseinandersetzungen von Frau Spiess Hegglin?

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    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Das ist die grosse Preisfrage, die bislang niemand beantworten kann. Ausser, dass es bei den Honoraren von RA Zulauf ein potenter Mäzen sein muss …

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      • Dr. Hetzcourage
        Dr. Hetzcourage sagte:

        Zehntausende von Franken sammelte Fairmedia für den Kampf gegen Ringier und damit direkt für die nicht von Erfolg verwöhnte Anwältin Zulauf. Wer war zu dieser Zeit Geschäftsführer von Fairmedia? RA Manuel Bertschi. Und wo landete der ehemalige BAKOM-Mitarbeiter Bertschi: In der Kanzlei von Rena Zulauf. Zuerst als Mitarbeiter, ab Dezember 2023 als Partner.

        Jetzt hat er sich von Zulauf beruflich getrennt. Beide vertreten Spiess aber weiterhin in unterschiedlichen Prozesssen.

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  5. Petra Hartmann
    Petra Hartmann sagte:

    Man könnte es auch Arbeitsverweigerung nennen. Kantonsrichter die nach Schätzung urteilen. Soll es doch das OG und BG richten. Ich glaube an die Rechtsstaatlichkeit. Somit bin ich zuversichtlich, dass das Urteil korrigiert wird.

    JSH hat ja unter X und FB alle Artikel fleissig verlinkt und thematisiert. Eigentlich müsste man die daraus resultierten Klicks, zum Abzug bringen.

    Sollte da wirklich mal eine Gewinnbeteiligung verfügt werden. Bin ich schon der Meinung, dass die Hälfte an Familie Hü überwiesen wird. Schliesslich wurde M.H. auch in den Artikeln erwähnt. JSH könnte natürlich diesen Betrag an den Bund zurück zahlen.

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