Wie Journalisten ticken

Eigentlich ist Trump II für viele wie ein Seitensprung.

Denn die psychologischen Mechanismen sind die gleichen. Die erste Phase ist ein dumpfes Misstrauen: da könnte doch etwas sein. Aber gleichzeitig das Verdrängen: da ist doch sicher nichts.

Genauso begann das Verhalten vieler, als Donald Trump ankündigte, er werde noch ein weiteres Mal als Präsidentschaftskandidat antreten. Bevor er das klar ausgesprochen hatte, gab es ganze Wellen von Artikeln, die das als ausgeschlossen, unmöglich, undenkbar verurteilten. Und während des Beginns der internen Ausmarchung unter den Republikanern klammerten sich viele an jeden Strohhalm, an jeden anderen, noch so aussichtslosen Kandidaten. Immer in der verzweifelten Hoffnung: noch hat Trump nicht gewonnen, noch ist alles möglich.

Die zweite Phase ist die Verdrängung. Nein, das ist sicherlich nicht so. Das kann ja nicht wahr sein. Es gibt genügend Indizien und Anzeichen, die doch ausreichend beweisen, dass nichts Schlimmes passiert ist, passieren wird. Hat sie nicht gelächelt beim Händedruck, hat Trump nicht deutliche Schwächezeichen gezeigt? Nein, es ist nicht, wie es ist, es ist, wie es sein soll:

Er war nicht der Einzige …

Die dritte Phase ist die Fassungslosigkeit. Wenn Verdrängen und Wegsehen nichts mehr nützt, dann kommt: wie konnte er nur. Wie ist es nur möglich, dass er/sie mich hinterging. Wie ist es nur möglich, dass Trump tatsächlich das Rennen bei den Republikanern gemacht hat.

Begleitet ist diese Phase der Erkenntnis von Schmerzen, Qualen und Wut. Es wird in der Vergangenheit gestochert, nach Vorfällen gesucht, die das Unfassbare hätten vorausahnen lassen. Bei Trump äusserte sich das so, dass unermüdlich seine versammelten Flops, seine Lügen, all das, wo er versagte, nochmal und nochmal durch die Sprachmühle gejagt wurde.

Besonders putzig ist das in den Medien. Denn während im Privaten in solchen Fällen auch zu schlimmen Ausdrücken gegriffen wird («du Schlampe, du notgeiler Bock») ist das natürlich im öffentlichen Diskurs nicht erlaubt. Sicher, «Faschist» als Ersatz für «Arschloch» tröstet etwas und ist Balsam auf die verwundete Schreiberseele. Aber eigentlich bewirkt das Sublimieren Sodbrennen und Herzrasen. Wahrscheinlich, wie früher bei Bankern, stieg die Nachfrage nach Psychopharmaka in der Nähe von Pressehäusern signifikant.

Die nächste Phase, aber davon sind wir noch weit entfernt, ist die Verarbeitung. Die Bewältigung. Das äussert sich entweder in einer gemeinsamen Beziehungstherapie, in der Trennung oder in der Versöhnung. Diese Möglichkeiten stehen der versammelten Journaille bei Trump allesamt nicht zur Verfügung.

Obwohl therapeutische Massnahmen, wenn man beispielsweise an Christof Münger, Daniel Binswanger oder den ganzen «Spiegel» denkt, durchaus sinnvoll, wenn aber wohl nutzlos wären. Trennung kann es nun nicht geben, Trump zu ignorieren, ist nicht möglich.

Bliebe noch die Versöhnung. Erste zarte Pflänzchen in diese Richtung wachsen bereits. Ist vielleicht doch nicht alles so schlimm, das mit Grönland kann man auch strategisch sehen, der Panamakanal gehörte doch lange Zeit den USA, haben ihn schliesslich gebaut. Und, nun, die USA scheinen tatsächlich ein Problem mit illegalen Immigranten zu haben. Ach, und vielleicht wurde an den Unis mit Wokeness, korrekter Gendersprache und überempfindlichen Schneeflocken, die save rooms brauchen, weil sie sich so schnell so unwohl fühlen, ein wenig übertrieben.

Aber echte Zuneigung wird’s wohl nie werden. War’s ja auch nicht, hier hinkt natürlich der Vergleich. Aber er hat so viele schöne Facetten.

Auch diese hier: begleitet wird der Prozess von ständiger Verdrängung eines Aspekts. Könnte ich Fehler gemacht haben in dieser Beziehung? Könnte ich versucht haben, dem Publikum zu verbohrt, zu rechthaberisch, zu abgehoben zugeredet zu haben? Könnte es sein, dass nicht Trump ein Amok ist und spinnt, sondern dass ich Probleme mit der Wirklichkeit habe, unter Realitätsverlust leide?

Da sagen der (oder die) Betrogene und der einordnende Schreiber im Chor: niemals. War das «Spiegel»-Cover mit Trump als Supernova und der Zeile «Das Ende der Welt» oder das Cover, wo er in der einen Hand ein Messer und in der anderen den blutigen, abgetrennten Kopf der Freiheitsstatue in der Hand hält, nicht vielleicht etwas übertrieben? So von  heute gesehen?

Hat der (oder die) Betrogene vielleicht den Partner durch sein Verhalten in die Arme eines anderen getrieben? Haben Journalisten durch ihre ständigen und gesteigerten Beschimpfungen Trumps, durch düstere Gemälde von drohendem Weltuntergang nicht Unentschlossene eher muff gemacht, abgestossen, zur Entscheidung getrieben: also wenn ihr mir einen senilen Biden und den Notnagel Harris anpreisen und verkaufen wollt, dann kann ich euch doch nicht ernst nehmen.

Natürlich wird es Wendehälse geben. Darin sind Journalisten Weltmeister. Wenn ein Daniel Ryser für Köppel schreiben kann, dann geht doch eigentlich alles. Schliesslich geht Kunst nach Brot, und Elon Musk ist ein sehr reicher Mann.

Und ein Letztes, das sich der Betrogene oder die versammelte Journaille, auch alle Politiker, die gegen Trump sind, niemals eingestehen wollen: ihre peinliche Lächerlichkeit. Ein Beispiel? Bitte, schön aufbereitet von der NZZ, die manchmal kleine Lichter im Tunnel aufblitzen lässt:

Wie reagiert eigentlich die EU auf Trumps wiederholte Ankündigung, sich Grönland einverleiben zu wollen? So:

«Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Rats-Chef António Costa brauchten gar zwei volle Tage, um auf Trumps unverhohlene Drohung zu reagieren. Von Kritik keine Spur: «Wir freuen uns auf eine positive Zusammenarbeit mit der neuen amerikanischen Regierung, die auf unseren gemeinsamen Werten und Interessen beruht. In einer rauen Welt sind Europa und die USA gemeinsam stärker», schrieben sie.Als hätte es noch eines Beweises für Europas derzeitigen Eiertanz bedurft, schalteten sie die gemeinsam verfasste Nachricht ausgerechnet auf X auf, Musks Plattform.»

Immerhin, für Spass und Unterhaltung ist gesorgt, auch mit erbärmlicher Unterwürfigkeit.

5 Kommentare
  1. Peter Bitterli
    Peter Bitterli sagte:

    Tatsächlich, es gibt immer noch Figuren, die so wie geschildert auf „Seitensprünge“ reagieren. Unausrottbar, unbelehrbar, untröstlich. Dumm. Das zerstörend, was sie erhalten wollen. Dass da die Journaille dazugehört, ist klar.
    Oder verwechsle ich jetzt die Metapher mit dem Gemeinten und umgekehrt?

    Antworten
  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Peinlich, Rene Zeyer der immer wieder seriösen und kritischen Journalismus fordert nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau. Das Bild, Biden wird gewinnen, erschien in einer Kolumne von Imfeld Herbst 2020. Biden hatte damals die Wahl gewonnen!

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert