Die persönliche Betroffenheit

Natürlich sind die Brände in Los Angeles für viele Menschen eine Tragödie. Aber es gibt auch individuelle Trauer.

Als ZACKBUM-Autor René Zeyer sein Auto irgendwo an den Strassenrand quetschte und am Tor einer riesigen Villa klingelte, antwortete eine weibliche Stimme mit unverkennbarem bayerischen Akzent: «Who’s there

Sie gehört der Dichterwitwe Marta Feuchtwanger, die in der Villa Aurora in Pacific Palisades den Nachlass von Lion Feuchtwanger verwaltete. Dessen Leben wäre eine eigene Story wert.

In der Villa befindet sich unter anderem die riesige Bibliothek Feuchtwangers mit ungefähr 30’000 Bänden, die sich der Erfolgsautor nach seiner Flucht aus Hitler-Deutschland und aus seinem Exil in Frankreich in den USA zum dritten Mal aufbaute.

Seit fast dreissig Jahren vergibt die Villa Aurora, zusammen mit dem Thomas Mann House ganz in der Nähe, eine Fellowship an Schriftsteller und Journalisten, die in der Villa bis zu sechs Monate arbeiten können.

Wie die NZZ berichtet, sind unter anderem die Getty-Villa in Malibu mit ihren unschätzbar wertvollen 44’000 Kunstwerken, das Thomas Mann House am San Remo Drive und auch die Villa Aurora it ihrem grossen Garten und den 600 m2 Wohnfläche nicht nur in der Gefahrenzone, sondern anscheinend bereits teilweise beschädigt oder zerstört.

Natürlich geht das Retten von Menschenleben vor. Aber auch darin scheinen die kalifornischen Behörden nicht besonders gut zu sein. Nicht nur Prominente beklagen sich darüber, dass Kalifornien und Los Angeles eine Steuerhölle sind, während aber bezüglich staatlicher Leistung eher Zustände wie in der Dritten Welt herrschen, die Feuerwehr völlig überfordert sei und nicht einmal für die Hydranten genügend Wasser zur Verfügung stehe.

Sollte es tatsächlich so sein, dass auch diese historischen Orte und die in ihnen enthaltenen Kunst- und Kulturschätze unwiederbringlich zerstört werden (oder es schon sind), dann erfüllt es René Zeyer, der über Feuchtwanger seine Dissertation geschrieben hat, mit tiefer Trauer und einem hilflosen Gefühl von Verlust. Da er sich noch daran erinnern kann, wie er an der Seite von Marta Feuchwanger durch diese Bibliothek schlenderte und von den wohngeordneten Bücherwänden edel eingebundener Erstausgaben, ebenso wie von Feuchtwangers Arbeitszimmer, zutiefst beeindruckt war.

Selbstverständlich fehlt ZACKBUM jegliches Fachwissen, um das Ausmass des Behördenversagens bewerten zu können. Bislang sollen mehr als 10’000 Gebäude zerstört sein und mindestens 10 Tote zu beklagen.

Was sind dagegen die Getty-Villa, das Thomas-Mann-Haus und Feuchtwangers Villa Aurora? Sind sie untergegangen, sind mit ihnen kulturelle Welten verschwunden, bleibt nur noch abstraktes Andenken. Ist die Bibliothek Feuchtwangers zum dritten Mal zerstört worden. Zweimal von den Nazis, einmal von der Inkompetenz kalifornischer Ämter.

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert