«Blick» spinnt

Oder sagten wir das schon? Aber es gibt neue Beweise.

Zum einen erklimmt die Abteilung Service und Ratgeber, laut der leitenden Dame mit extrabreiter Visitenkarte eine der beiden grossen Stärken des enteierten Boulevardblatts, neue Gipfel der Lächerlichkeit:

Noch nicht geschnallt? Dann hilft vielleicht dieses anmächelige Video:

Einer geht noch? Immer:

Aber zuerst musst «du» Geld zum Fenster rausschmeissen, um «Blick+» lesen zu dürfen …

Das ist alles saukomisch, das hier dann nicht mehr:

«Wer in der Ukraine unsere Werte verteidigt, verdient einen anderen Umgang», irrlichtert «Ausland-Reporter» Samuel Schumacher. Das Einhalten von Recht und Gesetz in der Schweiz scheint allerdings nicht zu diesen Werten zu gehören. Da gibt es zum Beispiel den Artikel 94 des Militärstrafgesetzes.

Sicherlich kann auch Schumacher lesen:

«Der Schweizer, der ohne Erlaubnis des Bundesrates in fremden Militärdienst eintritt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, gegen diesen Artikel zu verstossen. Indem man sich an Kämpfen der PKK beteiligt. Sich fundamentalistischen Wahnsinnigen anschliesst. Oder einer linksradikalen Narco-Guerilla. Oder der Fremdenlegion. Oder in früheren Zeiten von seiner eigenen Obrigkeit als Reisläufer vermietet wurde. Was nicht ehrenvoll, sondern schändlich war.

Allerdings nicht in der verschoben-verschrobenen Weltsicht Schumachers: «Einst ehrte die Schweiz ihre Freiheitskämpfer mit protzigen Statuen. Heute schickt sie ihnen Strafbefehle.» Welche Freiheitskämpfer er da wohl meint? Gar eine Tell-Statue?

Vielleicht braucht er ein wenig Geschichtsunterricht. Tell verdingte sich nicht als Söldner in fremden Diensten. Oder die Schweizer Geschichte muss umgeschrieben werden.

Ein Strafbefehl, die logische Folge eines Gesetzesverstosses, ist für den Amok «falsch und obendrein rufschädigend». Die Schweiz schädigt ihren Ruf, indem sie die Einhaltung geltender Gesetze durchsetzt? In seinem Lauf hält ihn weder Ochs noch Esel auf: «In der Ukraine rümpft man ob des helvetischen Abseitsstehens ohnehin schon die vom dreijährigen brutalen Angriffskrieg zertrümmerte Nase.»

Eine zertrümmerte Nase wird gerümpft? Das wollen wir sehen. Und in der Verfassung definierte Neutralität als «Abseitsstehen» misszuverstehen, das muss man erst mal bringen. Ob da verbotene Substanzen im Spiel waren?

Als gälte es, das hohe Lied des Söldnerwesens zu singen, galoppiert Schumacher weiter nach Absurdistan: «Mutige Einzelmasken wie Neidhart und die zwölf anderen Ukraine-Söldner, die den Schweizer Behörden bekannt sind, zeigen: Nicht jedermann lässt sich von der offiziellen Lethargie anstecken

Nicht lächerlich, sondern bedenklich wird es, wenn wieder einmal ein Journalist meint, nicht der Rechtsstaat, sondern er selbst dürfe entscheiden, was richtig ist und was falsch. Was erlaubt, was verboten. Was lethargisch und was tatkräftig. Dass er damit nicht alleine steht, macht die Sache nicht besser: «Die Amnestie für Ukraine-Kämpfer, die der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult mit seinem Vorstoss einfordert, wäre ein Anfang.»

Schumacher ist wahrscheinlich zu ungebildet und in der Geschichte zu wenig bewandert, als dass er sich an das Schicksal der Schweizer Spanienkämpfer erinnern würde. Die eilten nicht einem korrupten Regime zu Hilfe, das sich gegen den Überfall eines anderen korrupten Regimes wehrt. Sondern rund 900 mutige Eidgenossen setzten für die gewählte Regierung Spaniens in ihrem Kampf gegen den von den Faschisten unterstützten Putschisten Franco ihr Leben aufs Spiel. Das war zwischen 1936 bis 1939; bekanntlich endet das mit dem Sieg Francos und einer jahrzehntelangen brutalen Diktatur.

Selbstverständlich wurden diese Schweizer, wenn sie den Einsatz überlebten, nach ihrer Rückkehr bestraft – und gesellschaftlich geächtet. 420 von ihnen wurden wegen «Eintritt in fremde Kriegsdienste» zu Gefängnisstrafen verurteilt. Sie wurden nie rehabilitiert, erst 70 (!) Jahre später wurden lauwarm die damaligen Urteile aufgehoben. Natürlich ohne Entschädigungen oder Genugtuungsleistungen.

Das hätten die Spanienkämpfer auch nicht erwartet. Sie wussten, was sie sich mit ihrem Eintreten für die spanische Republik einhandelten. Viele von ihnen wurden selbständig, da sie so gebrandmarkt keine Anstellung mehr fanden. Wer das Privileg hat, einige von ihnen gekannt zu haben, findet alleine deswegen diese Irrfahrt von Schumacher übelkeitserregend.

9 Kommentare
    • Rolf Karrer
      Rolf Karrer sagte:

      Sie sprechen von romantisieren……und verkennen die Fakten.

      In den fast 40 Jahren dieser schlimmen Herrschaft von General Franco, töteten seine Schergen wohl um 140000 Regimegegner in diesem Spanischen Bürgerkrieg. Die genaue Anzahl kann nicht genau beziffert werden, weil diese stillschweigend in Massengräbern verscharrt wurden.

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      • Guido Kirschke
        Guido Kirschke sagte:

        Aha, und die Sozialisten haben nur mit Wattebällchen geworfen? Die 140’000 Opfer des Franco-Regimes müssen sie belegen. Ich weiss von einigen Tausend (immer noch zuviel).

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  1. Peter Bitterli
    Peter Bitterli sagte:

    Aus welchem Landesteil stammen wohl die Ukrainer, die gestern in Luzern von einem Reisecar mit ukrainischer Nummer vor dem „Bucherer“ in Luzern zum fröhlichen Luxusshopping abgesetzt wurden und im Anschluss bestens gelaunt durch die Altstadt spazierten? Weiss es der „Blick“?

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  2. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Schumacher ist unbelehrbar. Podest und Schandpfahl ist nicht
    dasselbe. Für sich hat er die Wahl schon längst getroffen.

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  3. Marcella Kunz
    Marcella Kunz sagte:

    Es tönt wie ein Aufruf zum Nachahmen und hat natürlich schon seine Logik. Schliesslich müssen die Ukrainer, die sich vom Kriegsdienst freigekauft oder sonst wie davor gedrückt haben und sich in die Schweiz abgesetzt haben, kompensiert werden.

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  4. Beth Sager
    Beth Sager sagte:

    Gut, dass uns René Zeyer an das harte Los der Schweizer Spanienkämpfer erinnert. Viele wurden nach ihrer Gefängnisstrafe in der Schweiz stigmatisiert und oft ausgegrenzt. Fanden nirgendswo eine Anstellung und mussten als Taglöhner ihr Leben bestreiten.

    In vielen Gemeinden der Schweiz wurden bis in die 70er Jahren die Lehrkräfte durch die Gemeindeversammlung jährlich gewählt. Ein Lehrer der beispielsweise Mitglied der POCH (Progressive Organisationen der Schweiz) war, wurde kaum mehr wiedergewählt. Die höchst repressive Seite in der jüngeren Geschichte der Schweiz, darf nicht vergessen gehen.

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    • Guido Kirschke
      Guido Kirschke sagte:

      Was ist repressiv daran, die Kinder nicht durch ideologische Extremisten «ausbilden» zu lassen? Die Ausgewogenheit der Lehrer fehlt heute in unseren Schulen zum Teil komplett, zuviel Ideolgie und zu wenig Wissen. Wissen vor Glauben und Kompetenz vor Quoten – alles andere führt in die Irre.

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