Huber geht: na und?

Der Chef der zweitgrössten Bank der Schweiz nimmt überraschend den Hut.

Und was gibt es heute zu Mittag in der Mensa? So kann man die Reaktion der Mainstream-Medien auf diesen Knall beschreiben. Die hochkompetente Wirtschaftsredaktion von Tamedia schnipselt eine SDA-Meldung zusammen, erst viel später machen sich dann zwei Redaktoren ein paar Gedanken. Die NZZ frönt mal wieder ihrem Prinzip: wann was aktuell ist, bestimmen immer noch wir. Abtritt Huber? Bis am Spätnachmittag Sendepause.

Weil (fast) alle Medien die SDA-Meldung übernehmen, kommt die Beschreibung sehr dezent, staatstragend und neutral daher. Nach sechs Jahren sei Heinz Huber halt gegangen, er wolle nun mehr strategisch tätig sein und klettere deshalb nächstes Jahr auf den Stuhl des VR-Präsidenten der Graubündner Kantonalbank. Der ist freigeworden, weil sich der aktuelle Amtsinhaber zu sehr in die Arme des gescheiterten Wunderwuzzis René Benko schmiss.

Ist daran nichts Merkwürdiges? Bilanzsumme GBKB: knapp 34 Milliarden Franken, 42 Geschäftsstellen im Kanton. Bilanzsumme Raiffeisen schweizweit: über 300 Milliarden Franken. Das ist so, wie wenn ein Porsche-Fahrer, der Huber ist, auf einen Tretroller umsteigt.

Nur – wie meist – «Inside Paradeplatz» bringt es schon im Titel auf den Punkt: «Raiffeisen-CEO Huber flüchtet zur Bündner KB». Lukas Hässig drischt munter los: «Huber macht sich damit komplett unglaubwürdig. „Ein Rücktritt ist für mich kein Thema“, meinte er im August im Blick.»

Und bringt es in den logischen Zusammenhang, dass das grosse IT-Vorhaben von Raiffeisen, auf einer App alle Bankfunktionen aufs Handy zu bringen, krachend gescheitert ist und ein Loch in der Höhe von bis zu 500 Millionen Franken hinterlässt. Eine solche Riesenübung findet nicht ohne Kenntnis des CEO statt.

Der versuchte es noch vor zwei Monaten mit einem Bauernopfer, ein Mitglied der GL wurde abgesetzt. Aber angesichts des Riesenschlamassels im ganzen Bereich IT reichte das dann doch nicht, um seinen eigenen Kopf zu retten. Auch das bringt Hässig auf den Punkt:

«Der Mann, der seit seinem Start im 2019 eine ruhige Kugel zuoberst in der Bauernbank schob und dafür 2 Millionen im Jahr kriegte, entpuppt sich als grosse Fehlbesetzung.
Fast 10 Jahre nach Vincenz erlebt die Raiffeisen-Gruppe ihr nächstes Waterloo. Diesmal geht es nicht um kriminelle Vorwürfe, sondern um gigantisch viel Geld.»

Interessant dabei ist: trotz möglichem Fehlverhalten (es gilt, kicher, weiterhin die Unschuldsvermutung) hat Pierin Vincenz die ehemalige Bauernbank fit gemacht und zur Nummer eins im Schweizer Hypothekarmarkt. Als Dank dafür kann er sich nun seit Jahren mit einer unfähigen Zürcher Staatsanwaltschaft herumschlagen, während die Bank ihn wie eine heisse Kartoffel fallenliess.

Wetten, dass Huber keinerlei persönliche Konsequenzen aus dem Desaster zu befürchten hat, das er hinterlässt? Multimillionen verlochen, ohne dass absehbar wäre, wann Raiffeisen mit einer App ins 21. Jahrhundert eintritt, gegen alle Warnungen an einem Produkt basteln, das nie funktionierte – na und? Shit happens, und schönen Aufenthalt im Abklingbecken in den Bündner Bergen, wo man flott Porsche fahren, wandern und skifahren kann.

Die Raiffeisen in ungeahnte Höhen heben? Na und, obwohl ein inkompetenter VR-Präsident alle Spesenabrechnungen abzeichnete, wird eine angebliche ungetreue Geschäftsbesorgung hinkonstruiert, um eine überlange U-Haft zu rechtfertigen.

Das ist weiterhin die grösste Schweinerei der Schweizer Bankenplatzes: einer der ganz wenigen Erfolgreichen wird albgewatscht und kommt in den Knast. Alle Unfähigen, die Milliarden verlochten, Banken fast oder ganz gegen die Wand fuhren und fahren – die können ihre unverdienten Millionen skrupellos geniessen und sind völlig haftungsfrei. Was für eine verkehrte, perverse Welt.

2 Kommentare
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Gut gebrüllt Löwe.
    Und ganz im Sinn, dass das filzige Mittelmaß in bester Boulevard-Attitude sich im Lift nach oben amüsiert.
    Verantwortung übernehmen für Fehlschüsse aller Art und Preisklasse, Fehlanzeige.

    Das heisst aber noch lange nicht, dass für Erfolg und Profit bei allen Schweinereien beide Augenklappen gegen unten verschweißt werden dürfen.
    Suchspiel: wo sind die erfolgreichen Anständigen, die noch Bodenhaftung haben?

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert