Bange machen gilt nicht
Boulevard muss man können. Tamedia kann nicht.
Es ist der uralte Trick. Der Titel lautet «Droht der Weltuntergang?» Der Leser schrickt auf und will es natürlich wissen. Nach längerem Gelaber kommt dann gegen Schluss des Artikels die Entwarnung: «Der Weltuntergang kommt aller Voraussicht nach doch nicht.» Der Leser atmet auf, fühlt sich aber irgendwie gelackmeiert.
Die zweitbeste Verarschung ist die hier: «Solche Bilder wollen wir nie mehr sehen», und es wird ein grauenhaftes Bild gezeigt. Variante: «Sollen/dürfen wir solche Bilder zeigen?» Dann ein grauenhaftes Bild und die Entschuldigung, dass man das aus rein dokumentarischen Gründen publiziere. Inzwischen gibt es auch den woken Hinweis bei Videos, dass das Folgende «verstörenden Inhalt» haben könne, damit empfindlichere Seelen sich medikamentös oder durch Meditation darauf vorbereiten können.
Einen ähnlichen Trick versucht Quentin Schlapbach. Der «Korrespondent im Bundeshaus» von Tamedia ist zudem «Vorstandsmitglied beim gemeinnützigen Verein Lobbywatch, der sich für Transparenz in der Schweizer Politik einsetzt». Wunderbar, was man alles noch so für Nebenjobs haben kann.
Der will nun bei einem Thema, das den meisten Lesern nicht wirklich unter den Nägeln brennt, etwas für Einschaltquote sorgen:
Hui, informierte Tamedia-Leser wissen: in den USA wird manchmal so lange über das nächste Staatsbudget gefeilscht, dass dem Staat kurzfristig die Kohle ausgeht und nicht lebensnotwendige Tätigkeiten und Administrationen eingestellt, bzw. geschlossen werden. Und das droht nun auch der Schweiz?
Diese Drohung versteht allerdings schon mal nur der Leser, der weiss, was ein «Government Shutdown» eigentlich ist. Womit sich Schlapbach, ganz im Gegensatz zu seiner Absicht, bereits von ungefähr der Hälfte der potenziellen Leser verabschiedet haben dürfte.
Dann kommt er zur Sache: «Das Parlament berät das Budget 2025. Die Fronten sind verhärtet. Eine Ablehnung scheint möglich. Was passiert dann?» Ja Himmels willen, was passiert dann? Stürzt der Himmel ein, werden alle Ämter geschlossen, verweigert die Polizei den Dienst, bricht Chaos aus, herrscht Faustrecht auf den Strassen?
Einerseits soll bei der «internationalen Zusammenarbeit», vulgo nutzlose Entwicklungshilfe, und im Asylbereich gekürzt werden, andererseits das Militärbudget erhöht. Und dann gibt es noch die segensreiche Schuldenbremse, die nur Traumtänzer wie SP-Wermuth frischfröhlich ausser Betrieb setzen wollen.
Was Schlapbach von einer allfälligen Kürzung der Entwicklungshilfe hält, bringt er in aller gebotenen Objektivität auf den Punkt: «Die humanitäre Tradition der Schweiz steht in diesen Adventstagen auf dem Prüfstand.» Humanitäre Tradition? Es spricht sich halt immer mehr herum, dass es beispielsweise Schwarzafrika seit der Unabhängigkeit und trotz Entwicklungshilfe von über 1000 Milliarden Dollar schlechter und dreckiger geht als vorher. Kindersterblichkeit, Lebenserwartung, Analphabetenrate, Infrastruktur, Wertschöpfung: alle Indizes zeigen nach unten. Also könnte man es auch lassen. Aber nicht mit Schlapbach, der faselt von Prüfstand und humanitärer Tradition.
Was droht denn nun? «Für SP und Grüne ist das vorliegende Budget ein zahlengewordener Albtraum. Beide Parteien haben angekündigt, dass sie einer Erhöhung des Armeebudgets auf Kosten der Entwicklungshilfe und des Asylwesens nicht zustimmen werden. Die SVP wiederum will unter keinen Umständen einem Budget zustimmen, dass die Schuldenbremse ritzt oder höhere Steuern zur Folge hat. Das wird rein rechnerisch enorm schwierig. Zusammen haben die drei Polparteien im Nationalrat eine Mehrheit.»
Tja, und was passiert denn nun, wenn das Budget – zum ersten Mal – abgelehnt werden sollte? Shutdown à la USA? Ach was, Entwarnung: «Zu einem «Government Shutdown» wie in den USA dürfte es in der Schweiz aber aller Voraussicht nach doch nicht kommen.» Schon alleine deswegen: «Der Bundesrat hätte bei einer Ablehnung des Budgets immer noch die Möglichkeit, ein Übergangsbudget für die ersten paar Monate vorzuschlagen.»
Und kann man ernsthaft damit rechnen, dass die Schweizer Parlamentarier dem in der Schweizer DNS eingebrannten Hang zum Kompromiss widerstehen sollten? Niemals.
Also macht Schlapbach eigentlich nichts anderes als schlechten Boulevard. Titel zum Erschrecken des Publikums, Entwarnung am Schluss des Artikels. Gibt es bei Tamedia keine Qualitätskontrolle mehr, oder fragten wir das schon vergeblich? Hallo, Simon Bärtschi, noch da oder schon eingespart?
Zitat: “Und dann gibt es noch die segensreiche Schuldenbremse, die nur Traumtänzer wie SP-Wermuth frisch fröhlich außer Betrieb setzen wollen.“
“Wer glaubt das die Schuldenbremse die Schulden bremst – Der glaubt auch daran das die Handbremse die Hand bremst.“
“Wenn im Transportwesen Steinzeit ist – dann auch im ganzen Rest der Infrastrukturen eines Landes!“
Wenn man wissen will wie gut ein Land entwickelt ist, sieht man es daran wie gut die wichtigste Infrastruktur eines Landes ausgebaut ist. Strassen, Fahrzeuge, Schiene, Flug- Schiffs-Verkehr usw, neuerdings könnten auch Drohnen eine Rolle Spielen. Ohne eine gute Transport-Infrastruktur funktioniert in keinem Land etwas. Transport ist alles – ohne Transport ist alles nix. Es gibt beim Menschen nichts, was nicht von einem effizienten Transport-System abhängig ist.
Dass die Transport-Infrastruktur in vielen Ländern ein totales Desaster ist, trotz verteilter Milliarden Entwicklungshilfe, welche auf Grund von Korruption, auch Konflikten, nicht da ankommen wo sie sollte – kann man in der Doku-Serie “Deadlist Journeys“ sehen. Der absolute Alptraum an vielen Orten, Südsudan, Papua Neu Guinea im speziellen, aber auch viele Länder in Afrika totaler Horror. Aber nicht nur dort. Weltweit Steinzeit im Transportwesen, mit allen Katastrophalen Negativen Folgen in der Versorgung der Bevölkerung, in allen erdenklichen Bereichen, Nahrung, Medizin usw. die Liste ist endlos.
“Deadlist Journeys“ aktuell 124 Folgen:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLTOUyQcU3JG3Wum3SpE4eZx5-W19IaWNe
und:
Brasilien die armen kleinen Kinder. Nachkommen Portugiesischer Auswanderer am und im Amazonas-Fluss, die ihr Leben im Fluss riskieren um nicht zu verhungern – am Ende der Doku ist eines der Kinder Tod.
Amazonien, ein riesiges Gebiet, in dem das Leben kompromisslos schwierig sein kann. In seinen dichten Wäldern und komplizierten Wassersystemen kreuzen sich Riberinhos oder Flussbewohner mit den Garimpeiros, Goldjägern. Riberinhos leben von den Booten, die auf den Flüssen verkehren. Sie paddeln in kleinen, selbstgebauten Kanus dem Flussverkehr entgegen und riskieren ihren Tod, indem sie versuchen, sich an den oft schnell fahrenden Booten festzumachen.
Bemerkenswert ist, dass es sich bei vielen um Kinder im Alter von nur “fünf Jahren“ handelt, die versuchen, Dschungel-Delikatessen für ein paar Pennys an Passagiere und Besatzung zu verkaufen. Oftmals sind ihre Familien auf sie angewiesen, um über die Runden zu kommen. Jesses Familie zum Beispiel. Der 14-Jährige lernte schwimmen und den Umgang mit einem Kanu, fast bevor er laufen konnte.
Jesse wandte sich dem Verbrechen zu, in einem verzweifelten Versuch, der bitteren Armut zu entkommen, und wurde von einem Besatzungsmitglied an Bord eines Lastkahns erschossen, den er ausrauben wollte. Ein bewegender Einblick in das Elend und die Frustration derer, die die Gesellschaft praktisch im Stich gelassen hat.
An anderer Stelle im Dschungel fand kürzlich ein Waldarbeiter einen kleinen Goldklumpen an einem Ort namens: “Eldorado Do Juma.“ Es löste durch die Medien aufgebauscht einen Goldrausch aus, den Brasilien seit mehr als 30 Jahren nicht mehr erlebt hatte. Jung und Alt, erfahrene Goldsucher und Tyros strömten zu Tausenden in diese abgelegene Ecke Amazoniens, um ihr Glück zu suchen.
Mit ihnen kamen Geschäfte, Restaurants und sogar Bordelle, als der Wunsch des Menschen nach Reichtum den unberührten Dschungel in ein virtuelles Schlachtfeld verwandelte. Nur wenige haben Gold gefunden, und die slumähnlichen Bedingungen, in denen heute mehr als 10.000 Menschen leben, sind ein schwelender Nährboden für Malaria und Gewalt.
“Deadlist Journeys“ Brasilien: Leben und Tod auf dem Fluss | Tödlichste Reisen | Dok-Film auf Deutsch
https://youtu.be/jrpP-KUx1WM?list=PLTOUyQcU3JG3Wum3SpE4eZx5-W19IaWNe
Ja, alles himmelschreiend traurig, Herr Rudolf.
Aber nehmen wir doch den Teil des Planeten ‹Amazonas› als Ausschnitt und Beispiel.
‹….. die die Gesellschaft praktisch im Stich gelassen hat.›
Wenn diese Gegend von unserer ‹Gesellschaft› in Ruhe gelassen worden wäre, dann lebten diese Kulturen ein paar weitere Jahrhunderte ihr Leben wie die letzten tausend Jahre.
Dito viele Völker, Ethnien, Kontinente……
Also, where is the problem?
Wann beginnen wir in den Spiegel zu sehen, oder muss einfach unser System, wir, verschwinden für bessere Zeiten?
Das hat nichts mit Schuldgefühlen, Selbstanklage oder sonstigen Schutzbehauptungen zu tun, es ist einfach ganz nüchtern und ehrlich betrachtet.
Lesen ist schöner, Kommentare auch.
Danke Peter Bitterli, René Zeyer und Wolfgang (ach) Goethe.
Der linke Schlapbach hat für den linken Tagi, dieser Qualitätszeitung mit Haltung und Anspruch, alles richtig gemacht. Er darf seinen Job vorläufig behalten.
«Gibt es bei Tamedia keine Qualitätskontrolle mehr, oder fragten wir das schon vergeblich?»
Die gibt es nach wie vor. Doch bei all dem was veröffentlicht wird wollen Sie kaum die Artikel sehen, welche jeweils in der Kontrolle hängen bleiben.
„Kindersterblichkeit, Lebenserwartung, Analphabetenrate, Infrastruktur, Wertschöpfung: alle Indizes zeigen nach unten.“ Ganz und gar gegenteiliger Meinung, und dies mit einem Maximum an Fakten, ist Hans Rosling in „Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“. Mit „Entwicklungshilfe“ hat das allerdings wirklich kaum etwas zu tun.
Ach, lesen Sie doch mein Buch «Armut ist Diebstahl», mehr Fakten geht nicht. Und Rosling, ja, ja …
Das wäre doch jetzt in aller Ruhe, Gelassenheit und Dankbarkeit für einen ruhigen, gelassenen Hinweis auch ohne „Ach“ gegangen, oder? Zumal wir mit Goethe, ach, wissen, dass die Exklamation niemals an den Anfang des Satzes gehört.
Eben habe ich ein Buch bestellt mt dem Titel „Armut ist Diebstahl“. Bum! Alles richtig gemacht? Zack!
Ihnen zuliebe nehme ich hiermit das «ach» zurück.
Noch Abteilung Rechthaberei:
«Ach, das Wort,
worauf am Ende
er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!»
Goethe, Zauberlehrling …
Schon klar – kürzlich nachgelesen (Viktor Brunner) – Schlupfloch offengelassen – Mitbringsel für Gastgeber – kleiner Scherz.
Holcim verkauft soeben sein Nigeria-Geschäft aus gutem Grunde (die Chinesen kaufen alles). Shell hat Nigeria auch vor mehreren Jahren verlassen, obwohl dieses Nigeria eine qualitativ ausgezeichnetes Öl (sweet oil) hätte. Was will man in diesem Land wirtschaftlich positiv machen, wen ihnen von den Einheimischen die Pipelines angebohrt werden, um gratis Öl anzuzapfen? Shell wurde deswegen gar der Umweltverschmutzung angeklagt………. Unglaublich kaputtes Afrika ohne positives Vorbild.
Warum so überheblich, Herr Karrer?
In Afrika gab’s schon hochstehende Kultur, als hier noch in Höhlen gehaust wurde.
Ihr Kommentar sagt schon alles über weisse Perspektive seit 500 Jahren: was gibt’s zu holen?
Garniert mit ein paar ‹Letzte Meldungen› der Edel-Presse.
Damit wären wir dann wieder bei: „Kindersterblichkeit, Lebenserwartung, Analphabetenrate, Infrastruktur, Wertschöpfung: alle Indizes zeigen nach unten.“ Ja? Nein?
Und warum?
Was, die hatten nicht einmal Höhlen?
Gab, gab, gab…….
Ja warum René Küng? Es ist eben hausgemacht! Selbst das einst stabile Ghana, geht den Bach runter. Dort finden übrigens gegenwärtig Wahlen statt. Als dieses am 6. März 1957 von den Briten (in ordentlichem Zustand) seine Unabhängigkeit erlangte, war das GDP von Ghana und Südkorea nahezu gleich. Im Jahre 2024 ist das GDP von Südkorea mindestens 7x höher als dasjenige von Ghana.
Noch schlimmer, gemäss Fitch Rating: Im Jahre 2023 haben Länder wie Belarus, Ghana Libanon, Sri Lanka und Sambia einen Bankrott Status. Alles miserable, korrupte und unfähige Regierungen.
Ihre weissen Plünderungen seit 500 Jahren aus Afrika greifen zu kurz. Begnadete Regierungen hätten mit diesen enormen Einnahmen in den letzten 60 Jahren, sukzessive die richtigen Antworten gegeben. Kultur und Bildung gehen eben Hand in Hand, um Wohlstand zu schaffen!