Pfuibäh

Pirelli bringt den neuen Kalender heraus. Und die Süddeutsche schämt sich.

Der SZ-Autor Michael Neudecker liess es sich gutgehen. Er wurde von Pirelli ins Natural History Museum in London eingeladen und durfte futtern und glotzen: «Im Angesicht eines amerikanischen Mammuts wird Perlhuhn mit Rosmarin-Mangold gereicht, zwischen den Gängen räkeln sich Tänzerinnen an von der Decke hängenden Ringen, und man kommt dann also schnell zur Erkenntnis: Wo Gummi und Benzin verbrannt wird, ist offenbar noch Geld da.»

Aber natürlich ist er innerlich (und äusserlich) ganz dagegen:

«Man fragt sich, wie ein so teures Marketingprodukt voll nackter Nippel mit unseren Werten vereinbar ist.»

Das mit «unseren Werten» plappert artig Tamedia nach, denn im Rahmen der Qualitätsoffensive werden auch solche Nonsenstexte aus München einfach übernommen.

Sicherlich aus Gründen des Jugendschutzes hat Tamedia den Sermon hinter der wieder funktionierenden Bezahlschranke verstaut. Dabei hat sich Pirelli so viel Mühe gegeben, auch Frauen etwas fürs Auge zu bieten.

Das ist schon mal ein männlicher Nippel. Geradezu züchtig verhüllt dagegen das weibliche Pendant:

Und auch hier braucht es einige männliche (und natürlich schmutzige) Fantasie, um einen Nippel zu erahnen:

Aber es ist halt so, dass Neudecker eingeladen wurde und mit allen wichtigen Menschen redete. Auch mit dem Fotografen des aktuellen Kalenders, dem er folgendes Geständnis entlockt: «Dass er sich schwertat, männliche Models zu finden, die sich ausziehen wollten, sei schon interessant, sagt Ethan James Green, als er am Montag in einem Raum im Mandarin Oriental sitzt, und er wisse auch nicht, warum das so sei.»

So nebenbei lässt der SZ-Korrespondet fallen, dass er es auch noch ins Mandarin Oriental in London schaffte, was er sich ganz sicher nicht aus eigenen Kräften leisten könnte. Sein Problem ist hingegen, dass er ja irgendwie der Berichterstatterpflicht nachgehen muss. Also erzählt er so langfädig wie ermüdend die Geschichte des Pirellikalenders nach.

Aber das ist natürlich verzwickt. Wie soll er dabeisein, sich gleichzeitig aber entrüstet zeigen, dass da mehr oder minder nackte Frauen (und Männer) gezeigt werden? Schwierig, da muss er kräftig eiern: «Dass der viel geschundene Zeitgeist schuld daran sein soll, dass über die absurde Kalendersause überhaupt geschrieben und gesprochen wird, dass man also hinschaut, wenn Pirelli den Kalender aufmacht, das mag sogar stimmen

«Viel geschundener Zeitgeist»? Wie blöd ist das denn? Aber er muss halt Zeilen schinden: «Die Frage ist ja, ob und wie so etwas noch geht: ein teurer Angeberkalender mit nackten Nippeln.» Wieso soll das denn nicht gehen, wenn SZ und Tamedia 8000 A mit ein paar knackigen Bildern drauf verwenden? So nach der Devise: wir zeigen’s zwar, wollen so einen Schweinskram aber nicht mehr sehen.

So labert Neudecker vor sich hin und stellt dann immerhin drängende Fragen: «Zeitgeisttechnisch gesehen ist alles allerdings doch etwas komplizierter, es ist ja so, dass gerade noch andere Fragen drängen als jene der Nacktheit. Also: Was ist mit den Kosten, in Zeiten von Autokrise und anderen Widrigkeiten

Nur beantwortet der Recherchierjournalist diese zeitgeisttechnisch (was soll denn das sein?) drängenden Fragen nicht.

Was man für Perlhuhn mit Rosmarin Mangold und einigen sich an der Decke räkelnden Tänzerinnen (wie geht das?) kriegt? Also von der SZ einen Artikel wie ein Kolbenfresser, der streng wie verbrannter Gummi nach moralischer Entrüstung riecht, der aber nicht freie Bahn gelassen wird. Denn wahrscheinlich möchte Neudecker auch nächstes Jahr wieder eingeladen werden – damit er sich aufs Neue dezent entrüsten kann.

Allerdings auf Kosten des Lesers, der die Fotos betrachtet und über den Text den Kopf schüttelt.

Da traut sich der «Blick» schon noch etwas mehr:

«Der Schauspieler John Bodega posiert für den Pirelli-Kalender 2025
und hier mit Blick-Reporterin Flavia Schlittler im Hotel Mandarin Oriental in London».

 

8 Kommentare
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Bärtschis «Qualitätsjournalismus», jeden Schrott der Münchner übernehmen und dem TA und den RZ aufdiktieren. Dabei lesen die Dummköpfe an der Werdstrasse nicht einmal den Lead: «voll nackter Nippel mit unseren Werten vereinbar ist». Im Artikel 3 Fotos aus dem Pirelli, 2 Frauen, ein Mann, sichtbar 1 Nippel. Warum fragen diese Dummschreiber nach Werten wenn sie selber keine haben, wenn sie LeserInnen mit reisserischen Leads und falschen Aussagen über den Tisch ziehen.
    John Bodega hat sich einer Mutprobe gestellt und mit Flavia Schlittler ablichten lassen. Bleibt zu hoffen das sein Ruf nicht auf Dauer geschädigt ist und er noch Engagements bekommt!
    Einfach der Brüller die Zürcher Medienszene!

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    • Beth Sager
      Beth Sager sagte:

      Die Zürcher Medienszene kennt zum Glück auch Ausnahmen. Heute gelesen: Der NZZ-Auslandchef Peter Rásonyi wird abgestellt um internationalen Produkte der NZZ voranzutreiben. Soll da gar ein Economist geschaffen werden? Sonntagsblick-Wirtschaftsjournalist Thomas Schlittler geht auch zur NZZ.

      Man sehe einmal den beruflichen Werdegang von Peter Rásonyi an:
      https://www.nzz.ch/impressum/peter-rasonyi-ld.155166

      Die NZZ baut aus – und nicht ab. Bei der NZZ werden die Leute halt nicht nach Gender-Trivialitäten eingestellt, sondern nach Fachwissen. Alle diese Journalistinnen und Journalisten habe sich dies Schritt für Schritt erarbeitet. Rásonyi war anfangs gar einmal Wirtschaftsprüfer. Eine Kerstin Hasse (ex Mitglied Chefredaktion TA) müsste sich bei der NZZ vorerst über Jahre beweisen, bis sie mit einer Promotion rechnen könnte. Verkehrte Welten auf diesen Zürcher Redaktionen!

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  2. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Pirelli ist ja geradezu anständig, wenn man(n) sieht, was im Internet gratis und altersfrei abgeboten wird. Wie ist das mit unseren westlichen Werten?

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  3. Beth Sager
    Beth Sager sagte:

    Wo Gummi und Benzin verbrannt wird…….Zum Glück war das ungezogene Kind Greta Thunberg nicht vor Ort. Dieses Mädchen weitet ja das Tummelfeld für Manifestationen stetig aus.

    Nebenbei möchte ich die Ausdrücke „eiert“ und „ rhabarbert“ hochleben, die Autor René Zeyer gelegentlich verwendet in seinen Essays. Mag diese sehr.

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