Verdünnter Brei
Auch die NZZ kocht manchmal mit viel Wasser.
Ist doch ein Thema. Zumindest für Vielflieger (also sollte das Cédric Wermuth nicht so interessieren, der fliegt nur gelegentlich, dafür sehr, sehr weit). Es gibt anschwellendes Gemecker über die nachlassende Qualität des Gebotenen bei der Swiss.
Die wurde bekanntlich von der deutschen Lufthansa für ein Butterbrot nach dem peinlichen Grounding der Swissair aufgekauft und liefert sprudelnde Gewinne ab.
Aber Service, Essen, Qualität der Sitze, Pünktlichkeit, es wird lautstark gemeckert. Die Swiss hält natürlich dagegen. Also nimmt sich Malin Hunziker bei der NZZ des Themas an. Okay, sie ist Volontärin in der «Wirtschaft». Das entschuldigt aber auch nicht alles.
Es gibt Artikel, die kommen wie Schulaufsätze daher. Schön nach Schema F. Einstieg (hier das Gemecker), Stellungnahme der Swiss, der «Aviatikexperte» meint, Hin und Her, und Schluss. Allerdings ist schon der Lead etwas grosssprecherisch: «Heike Birlenbach ist bei der Airline für das Kundenerlebnis verantwortlich. Jetzt nimmt sie Stellung.»
Da könnte der Leser meinen, sie sei von Hunziker gegrillt worden. Aber nein, es gab da nur ein sogenanntes «Mediengespräch», also eine kleine Pressekonferenz. Und was sagt die Swiss denn Inhaltliches? «Die Vorwürfe seien Anekdoten einzelner Personen». Logo. Aber Tausende von Rückmeldungen würden zeigen: «Wir stehen in ganz vielen Bereichen gar nicht so schlecht da.»
Ds ist nun eine Aussage von unübertrefflicher Allgemeinheit im Bereich des höheren Wischiwaschi. Dazu noch Bullshit-Bingo: «Emotionale Marke … grosse Verpflichung, der man sich aber stellen wolle». Statt vor ihr davonzurennen. Mit solchem Blabla sollte man eigentlich ein Mitglied der Geschäftsleitung nicht davonkommen lassen.
Nun darf der Aviatikexperte der HSG das Wort ergreifen:
«Er beobachte, dass sich die Swiss als Konstrukt immer mehr der eher durchschnittlichen Lufthansa-Qualität anpasse, sagt Wittmer und fügt an: «Sie kommt dann ihrem Versprechen, premium zu sein, nicht mehr ganz nach.»»
Schnitt, Gegenschnitt: «Wir glauben, dass die Swissness in keiner Weise negativ berührt wird», darf Birkenbach wieder mit Blabla dagegenhalten.
Was ist eigentlich der Anlass für dieses «Mediengespräch»? «Bei der Swiss soll es nun eine Reihe von Massnahmen zur Verbesserung des Kundenerlebnisses geben. Heike Birlenbach sagt, die Airline starte nächste Woche mit einer Kampagne, die auf Swiss Senses, also Schweizer Sinne, ausgerichtet sei: Kulinarik, Hören, Gerüche – das gesamte Erlebnis im interkontinentalen Bereich werde sich für die Kundschaft über alle Klassen hinweg ändern.»
Ach so, das ist einfach der Startschuss zu einer Werbekampagne, mit dem sich Swiss auch gleich mal Platz im redaktionellen Raum erobern kann. Das ist ja erlaubt. Aber zu Qualitätsjournalismus gehörte eigentlich, dass man eine Vertreterin von Swiss, die natürlich ihre Kernbotschaften möglichst unbeschädigt rüberbringen will, nicht so unkritisch davonkommen lässt.
Wäre das ein «Advertorial» oder ein «Paid Content», also bezahlte Werbung, die möglichst täuschend ähnlich wie ein redaktioneller Beitrag daherkommt, wohlan. Nach diesem Vermerk sucht man aber vergeblich.
Nun hat jeder (auch jede and everybody beyond) im Journalismus mal klein angefangen. Auch aus Hunziker kann sicherlich noch was werden. Aber man wünschte schon, dass die ersten tastenden Schritte einer Volontärin nicht unbedingt auf dem Nervenkostüm des unschuldigen Lesers stattfinden. Dabei ist es schon laut Medienarchiv der 16. Artikel aus der Feder der Jungautorin. Wäre an der Zeit, dass sie wie eine Erwachsene schreibt.
Oder anders gefragt: Wo bleibt hier die Qualitätskontrolle der alten Tante? Muss denn ZACKBUM alles alleine machen?
Nun hat halt auch die NZZ unbedarfte Kindersoldaten in der Redaktionsstube was solls. Medien Schweiz 2024! Lufthansa Süd (im Volksmund noch SWISS) freut das artige Berichtli!
Brunner, zu „Kindersoldat“ (übrigens das Gegenteil von Bramarbasseur) gehört „Verrichtungsbox“, nicht „Redaktionsstube“! Wir lernen, dass Sie gegen Berufsanfänger sind was solls.