Was ist Qualitätsjournalismus?
Auch in ZACKBUM steckt ein Lehrer.
Dürfen wir darauf hinweisen, dass Redaktor René Zeyer das Diplom für das Höhere Lehramt hat und – im Gegensatz zu Chefredaktorinnen – auch schon an Gymnasien unterrichtete.
So viel Selbstbespieglung muss sein, denn wir wollen heute auch mal oberlehrerhaft dozieren. Also, liebe Schüler, Handys weggelegt und aufgepasst.
Eigentlich sind seine Voraussetzungen banal. Qualitätsjournalismus beinhaltet, dass der Leser (oder Hörer oder Zuschauer) darauf vertrauen kann, dass das ihm Dargebotene ein möglichst korrektes Abbild eines Wirklichkeitsausschnitts ist. Oder einfach ausgedrückt: das Gegenteil von dem, was Claas Relotius oder Tom Kummer betreiben.
Wenn die beschriebene Wand grau ist und bröckelt, wenn das Gegenüber einen Satz gesagt hat, dann muss der Empfänger der Nachricht darauf vertrauen können, dass es so ist. Denn er war ja nicht dabei. Kann er das nicht, ist’s Fiktion, aber das ist eine ganz andere Baustelle.
Die im Ernstfall überprüfbare Faktizität ist das Fundament von Qualitätsjournalismus. Nun besteht die Wirklichkeit nicht nur aus einer Wand und einem Satz. Also ist die Auswahl und die Gewichtung des Beschriebenen der nächste Eckstein des Gebäudes. Man kann jede Situation, jedes Gespräch, jede Wirklichkeit so zurechtschnitzen, dass sie dem Vorurteil des Beschreibers entspricht. Damit bestätigt er zwar seine eigene (und auch die seiner Empfänger) Weltsicht, zur Erklärung oder zum Verständnis der Welt hat er damit aber nicht wirklich beigetragen.
Der dritte Eckstein ist der intellektuell anspruchsvollste. Hier geht es um die Analyse, um die Verarbeitung der Wirklichkeit. Dazu gibt es ein grossartiges Gedicht von Bertolt (der mit t, liebe Tamedia-Kulturredaktion) Brecht, «Der Zweifler»:
Immer wenn uns
Die Antwort auf eine Frage gefunden schien
Löste einer von uns an der Wand die Schnur der alten
Aufgerollten chinesischen Leinwand, so daß sie herabfiele und
Sichtbar wurde der Mann auf der Bank, der
So sehr zweifelte.Ich, sagte er uns
Bin der Zweifler, ich zweifle, ob
Die Arbeit gelungen ist, die eure Tage verschlungen hat.
Ob, was ihr gesagt, auch schlechter gesagt, noch für einige Wert hätte.
Ob ihr es aber gut gesagt und euch nicht etwa
Auf die Wahrheit verlassen habt dessen, was ihr gesagt habt.
Ob es nicht vieldeutig ist, für jeden möglichen Irrtum
Tragt ihr die Schuld. Es kann auch eindeutig sein
Und den Widerspruch aus den Dingen entfernen; ist es zu eindeutig?
Dann ist es unbrauchbar, was ihr sagt. Euer Ding ist dann leblos.
Seid ihr wirklich im Fluß des Geschehens? Einverstanden mit
Allem, was wird? Werdet ihr noch? Wer seid ihr? Zu wem
Sprecht ihr? Wem nützt es, was ihr da sagt? Und nebenbei:
Läßt es auch nüchtern? Ist es am Morgen zu lesen?
Ist es auch angeknüpft an vorhandenes? Sind die Sätze, die
Vor euch gesagt sind, benutzt, wenigstens widerlegt? Ist alles belegbar?
Durch Erfahrung? Durch welche? Aber vor allem
Immer wieder vor allem anderen: Wie handelt man
Wenn man euch glaubt, was ihr sagt? Vor allem: Wie handelt man?Nachdenklich betrachteten wir mit Neugier den zweifelnden
Blauen Mann auf der Leinwand, sahen uns an und
Begannen von vorne.
Schliesslich, damit wären die Eckpunkte aufgezählt, gehört zum Qualitätsjournalismus auch obligatorisch «et audiatur et altera pars». Oder für die Nichtlateiner unter den Kindersoldaten des Journalismus: man höre auch die andere Seite. Feste und vermeintlich richtige Positionen müssen es aushalten, dass ihnen kräftig widersprochen wird.
Ein kräftiges Trump-Bashing macht im Qualitätsjournalismus nur Sinn, wenn es durch eine Würdigung konterkariert wird. Die Beschreibung von Putin als unverstandenen, friedfertigen Staatsmann ist nur dann vollständig, wenn es durch die Aufzählung seiner kapitalen Fehleinschätzungen und verbrecherischen Handlungen ergänzt wird.
Der Tod jedes Qualitätsjournalismus ist aber die Färbung. Die Einfärbung. Das Framing. Die Reduktion der Wirklichkeit auf immer wiederholte Schlagwörter. Der Ersatz der Komplexität und Widersprüchlichkeit der Realität durch binäre Systeme. Ja, nein, gut, böse, schlecht, richtig, falsch. Eigentlich sollten die Journalisten es besser wissen. Ein Mensch ist nicht nur schlecht und böse. Auch nicht gut und weise. Er handelt nicht nur und ausschliesslich aus niederen oder edlen Motiven.
Eigentlich, liebe Schüler – alle noch da und wach – ist das doch gar nicht so schwierig.
So, und als Hausaufgabe bekommt ihr die einfache Frage mit auf den Weg: welche Medienorgane erfüllen diese Kriterien? Bitte eine Liste, und es wird dann abgefragt.
Meine voll Hochachtung – hätte nie vermutet dass unser Autor auch Oberlehrer ist 😉
Vieles identisch mit dem, was Richard David Precht heute im Interview mit der «SonntagsZeitung» darlegt. Zu schade, dass all dies 95% der Journalisten keinen feuchten Scheissdreck interessiert, bloss arrogant lächelnd den Kopf schüttelnd.
„Das MAZ ist das führende Schweizer Kompetenzzentrum für Journalismus und Kommunikation. Wir machen nicht alles. Aber was wir machen, machen wir gut“.
Dieses Schulungszentrum in Luzern preist sich sehr selbstbewusst an. Zumindest sollten diese herangezüchteten Elite-Journalisten René Zeyer‘s obenstehende Fibel als Hausaufgabe nehmen.
MAZ Kompetenzzentrum? Schauen Sie sich den Lehrkörper an, da sind die gleichen Kriecher und Loser wie in den Redaktionen sitzen!