Elend in Zahlen

Kann man das Sumpfgebiet Journalismus ausmessen?

Schwierig, aber man kann’s versuchen. Indem man einfach gewisse Wörter in der Mediendatenbank sucht und ihre Häufigkeit feststellt. Nehmen wir als Beobachtungszeitraum ein Jahr.

Zunächst schauen wir mal auf den Bauchnabel. Das ist auch der Lieblingsblick der modernen Journaille. Nicht nur Ursina Haller, so viele, allzu viele Journalisten meinen, ihre Meinung sei dermassen rasend interessant, dass sie sie der Welt nicht vorenthalten können. Obwohl die Welt eine bessere wäre ohne. Oder auch nicht, aber auf jeden Fall ist es völlig überflüssig.

Dennoch kommen die beiden Formulierungen «meine Sicht» und «meine Meinung» in diesem Jahr insgesamt fast 90’000 mal vor. Natürlich können das auch Interviewpartner oder zitierte Protagonisten sagen. Also ziehen wir grosszügig zwei Drittel ab. Dann bleiben aber immer noch 30’000, also jeden Tag rund 80 mal.

Ganz in der Nähe liegt die Journalistenfloskel «wäre gut beraten». Diese Formulierung für einen Befehl hat sich aus dem Norden in die Schweiz geschlichen; natürlich verwenden die Schreiber der «Süddeutschen Zeitung» diese Sprachhülse gerne und häufig, wodurch es in Tamedia diffundiert. Über 1000 mal wurde das im letzten Jahr gebraucht.

Kommen wir gleich zum absoluten Kernbegriff im Journalismus, zum Wort «ich». Ganze 670’000 mal wurde das verwendet. Ziehen wir auch hier grosszügig zwei Drittel als Fremdgebrauch ab, bleiben dennoch rund 220’000 Ichs übrig. In seinem Schlepptau segelt das Wort «Befindlichkeit». Eigene oder fremde, 3268 mal wurde der Begriff gebraucht. Sicherlich meistens als Selbst-, nicht als Fremdbeschreibung.

Nun schauen wir mal, wie häufig in der Gesinngsblase gerne und zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit verwendete Begriffe vorkommen. Spitzenreiter ist hier «Rassismus», fast 15’000 Verwendungen. Dicht gefolgt wird er von «Diskriminierung», knapp 13’000 mal. Abgeschlagen sind Sexismus (3316) und «faschistisch» (3300) auf den Plätzen.

Immerhin über 4000 mal wurde der Begriff «rechtsradikal» gebraucht. Sein Zwillingsbruder «linksradikal» dagegen nur 980 mal. Ähnlich verhält es sich auch mit «Rechtspopulist». Das Wort wurde 1617 mal verwendet, sein Pendant «Linkspopulist» hingegen nur schlappe 329 mal.

Man kann hier eine leichte Einseitigkeit konstatieren, eine Schlagseite. Dafür wurden die etwas dümmlichen Begriffe Framing und Narrativ erfunden. Das findet vor allem bei umstrittenen Persönlichkeiten seine Anwendung. Es ist eher selten, dass mit Donald Trump oder Wladimir Putin Adjektive wie nachdenklich, besonnen, fürsorglich, überlegen verwendet werden. Es ist eher häufig, dass mit beiden Wortfelder um Verbrecher, Irrer, unkontrolliert, widersprüchlich, brutal usw. verwendet werden.

Der Vorteil von Framing und Narrativen liegt auf der Hand. Sie sind selbstverstärkend; schreibt es einer, schreiben viele ihm ab. Sie erhöhen den Wiedererkennungswert. Zudem sparen sie viel überflüssige Denkarbeit. Wie verhält sich Putin? Klar, wie ein Verrückter, Krimineller; brutal, rücksichtslos, gefährlich. Das hat er mit Trump durchaus gemeinsam.

Wer sich hingegen in Worten wie besonnen, verständnisvoll, ausgleichend, staatsmännisch sonnen kann, gehört eindeutig zu den Guten und Netten.

All das drückt eine schreckliche Verarmung des Journalismus aus. Es ist tatsächlich verrückt. Gerade bei schrumpfenden Mannschaften wäre es doch so einfach, dass sich die überlebenden Redaktoren halt mit mehr Grips und Gedankenschläue dem Leser nähern. Der könnte dann sagen: okay, vom Umfang her nur noch die Hälfte wie früher, aber dafür ist der Inhalt viel konzentrierter und anspruchsvoller.

Aber in Wirklichkeit schmieren Losers, Hallers, Toblers, Häslers und Heerscharen mehr die Blätter voll. Egozentrisch, flach, unintelligent, unanimierend. Die dünnen Gedanken werden meist zudem mit rumpelnden Worten ausgedrückt, denn elegante Scheiber, die spritzig sind, den Leser zum Lachen und Nachdenken bringen, die sind noch an den Fingern einer Hand abzuzählen. Allerdings der Hand eines Metzgers oder Sägemeisters nach einigen Jahren Berufserfahrung, der ein paar Finger zum Opfer fielen.

Ist das die Schuld von Supino oder Walder? Oder vom Wannerclan, von den Lebruments? Zum Teil auch, denn wie heisst es so richtig: sind Würstchen an der Macht, wird der Senf rationiert.

Aber eigentlich hindert niemand die verbliebenen Schreibkräfte, interessant, animierend, mitreissend, leserfreundlich zu schreiben. Wieso tun sie’s dann nicht?

Leider liegt der Grund auf der Hand. Weil sie’s nicht können.

5 Kommentare
  1. Sam Thaier
    Sam Thaier sagte:

    „denn elegante Schreiber, die spritzig sind, den Leser zum Lachen und Nachdenken bringen, die sind noch an den Fingern einer Hand abzuzählen“.

    Würde mich wirklich interessieren, wie René Zeyer das Ressort für sicherheitspolitische Themen bei der NZZ führen würde? Auch ein Chefbeamte im Asylwesen (neu besetzt mit Vincenzo Mascioli) kann sich dort bloss die Finger verbrennen.

    Den Leser zum Lachen bringen, geht in beiden erwähnten Jargons kaum. Dickste Elefantenhaut wohl nötig!

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    • Ruedi Rudolf
      Ruedi Rudolf sagte:

      “Sicherheitspolitische Frage:“

      Als CH-Zeitung vor allem Neutral, Objektiv, Analysierend, über Konsequenzen national und international informieren. Keine kriegsgurglerische, einseitige transnaziatlantische Propaganda mit Verhetzung und Lügen.

      Militärisch sind die extrem teuren US-Flugis eine Fehlinvestition, die im Ernstfall schnell von einem echten Feind ausgeschaltet werden können. Dass eine militärische Verteidigung in den Bergen, mit vielen Flüssen und Seen nicht teuer sein muss, hat man in Afghanistan gesehen. Das Hauptproblem aber sind die Fragen:

      Ob in dieser extremen CH-Multikulti-Gesellschaft überhaupt noch ein ausreichender Wehrwille vorhanden ist – Wer da Wen und Was noch verteidigen soll oder will, ob es im Ernstfall nicht einfacher, bequemer ist in sein Herkunftsland zu flüchten. Die meisten sind sowieso nur da solange es besser ist – und was zu holen gibt.

      Und:

      Das die Schweiz durch die Überbevölkerung im Ernstfall schnell kapitulieren müsste, da die Selbstversorgung mit der Grundversorgung nicht mehr gewährleistet ist – sondern total vom Ausland abhängig ist.

      Und:

      Der Feind ist durch diese Politik bereits im Land.

      —-

      “Asyl-Frage:“

      Da müsste die Schweiz sich nur an geltendes Recht und Gesetz in der Schweiz und der EU halten. Im Übrigen besteht keine Aufnahmepflicht, diese ist freiwillig. Beispielsweise hat Japan im letzten Jahr nur 300 Asylgesuche vorübergehend bewilligt. Ein Flüchtlings-Status ist immer ein provisorischer vorübergehender Status. Es ist eigentlich ganz einfach, wenn man eine Regierung hätte, welche die Bezeichnung Regierung auch verdient – tut sie aber ganz und gar nicht, ist wie bei den meisten Medien.

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  2. Peter Bitterli
    Peter Bitterli sagte:

    Sowohl „Framing“ wie „Narrativ“ sind klar definierte Begriffe, die sich hervorragend zur Beschreibung von intellektuellen und sprachlichen Prozessen und Zusammenhängen eignen, gerade auch dazu, der Journaille gegenüber eine Beschreibungshaltung auf einer Metaebene einzunehmen.

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  3. Kurt Schönbächler
    Kurt Schönbächler sagte:

    Interessant, wie das Wort Narrativ seit etwa fünf Jahren bis zum totalen Überdruss verwendet wird. Einen Journalist Haller kenne ich nicht. Theodor Haller, der langjährige England-Korrespondent ist vor über 20 Jahren verstorben.

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    • Victor Brunner
      Victor Brunner sagte:

      Ursina Haller, 39, ist eine ehemalige Snowboarderin, schreibt Berichtli für das Magazin damit sie nicht ganz vergessen wird!

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