Ausgeknockt, ausgeloggt

Das haut selbst die Bärtschi-Peinlichkeitsskala durch die Decke.

Wer hat’s erfunden? Ringiers Marc Walder. Ein einziges Login für alle wichtigen Schweizer Medienmarken. Alles mit einem einzigen Eingang, ist doch super. Alles von Ringier, Blick & Co., Tages-Anzeiger, NZZ, CH Media. Der Hammer.

Sicher, einfach, zentral, praktisch, gut.

Nun ist der Burner aber durchgebrannt. Seit Donnerstag (!) letzter Woche geht nichts mehr. «Aufgrund eines Cyber-Angriffs», räumt OneLog zerknirscht ein. «Die mit dem OneLog-Login verbundenen Services sind ebenfalls nicht verfügbar. Nicht betroffen sind die Titel von NZZ und CH Media, da sie die Login-Lösung von OneLog noch nicht eingeführt haben.»

Offensichtlich sind alle registrierten Daten gelöscht, bzw. nicht mehr vorhanden. Ob die Hacker sie abgesaugt haben oder nicht, weiss man nicht. Man weiss eigentlich sowieso sehr wenig. Angefangen dabei, wie das überhaupt möglich war.

Natürlich ist nichts unknackbar, nicht einmal die NSA. Aber wie es möglich war, ausgerechnet dieses Teil zu killen, das ist schon unglaublich.

Erschwerend kommt noch hinzu: wer war das? Oder vielmehr: wer hat eine Interesse daran, wer hat das bezahlt? Denn ein Angriff vom Sohn des Nachbarn war das sicherlich nicht. Wenn doch, dann wäre es aber ein Riesenskandal. Es sind keine so sensiblen Daten, dass sich ein Erpressungspotenzial ergeben könnte. Und anscheinend wurden auch noch keine entsprechenden Forderungen gestellt.

Selbst wenn der Service irgendwann einmal wieder repariert werden sollte: das Vertrauen ist dahin, eigentlich kann man das Teil einstellen. Oder aber, es muss ziemlich viel Geld in die Hand genommen werden, um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Wie jeder Marketing-Mensch weiss: schwierig, teuer, richtig scheisse.

NZZ und CH Media können sich auf die Schulter klopfen. Noch nicht dabei, nicht betroffen. Das bedeutet, dass hier die Bezahlschranken weiter funktionieren. Um die Leute nicht stinksauer zu machen, sind sie aber bei Ringier und Tamedia weggeräumt worden. Alle können alles lesen – gratis.

Gut, die Verluste bei «Blick+» werden sich in Grenzen halten. Auf jeden Fall ist das unterste Amateurliga.

Denn da sich hier keine Staatsgeheimnisse versteckt hielten, da es eigentlich keinen mächtigen Player gibt, der bereit wäre, für so einen Scherz viel Geld aufzuwerfen, muss es sich eher um einen Amateurangriff gehandelt haben. Und wer weiss, vielleicht fand zuvor ein Erpressungsversuch statt. So nach der Devise: drückt Bitcoin ab, oder wir killen euer Teil.

Möglicherweise war die Antwort darauf dann, dass der Erpresser sich seine Drohung rollen und hinten rein stecken soll. Was er nicht tat.

Aber eigentlich ist es von A bis Z symbolisch für den Zustand der Medienhäuser. Da wird eine Idee ausgebrütet und umfangreich beworben. Dann werden Kunden draufgelockt. Mit den üblichen Versicherungen von super, sicher, stabil.

Dann schaffen es Hacker – ohne Riesenaufwand, steht zu vermuten –, das Teil zu knacken, einzudringen und mal kurz alle Daten zu löschen (oder abzuräumen). Dann dauert es Tage (und ein Ende ist noch nicht absehbar), und das Teil ist immer noch nicht wieder in Funktion.

Eigentlich kann man es auch wegschmeissen, nach dieser Peinlichkeit. Denn das ist nicht weit davon entfernt, dass eine Bank ihren Kunden sagen müsste: sorry, das Geld ist noch da, aber alle Eure Zugangsdaten sind weg. Wir arbeiten zwar dran, bitten aber dennoch um ein paar Tage Geduld.

Die Bank könnte wahrscheinlich die Bücher deponieren. Bei OneLog wird aber das passieren, was immer passiert in den Medien: allerhöchstens ein Sündenbock wird in die Wüste gejagt. Dass es hier offensichtlich an Leitung und Controlling fehlte, dass irgend etwas von vornherein schräg und schief war, das hätte eigentlich die oberste Nase zu verantworten. Aber die ist unkaputtbar.

Dabei sollten Pietro Supino und Marc Walder gemeinsam einen langen Trip auf der Coninx-Yacht unternehmen. In die Südsee. Rückkehr unbekannt. Dann hätte der Schweizer Journalismus vielleicht noch eine Überlebenschance.

11 Kommentare
  1. Karl Warth
    Karl Warth sagte:

    Es sind die letzten Tage des Tagi. Ab jetzt wird es Schlag auf Schlag gehen. Mit dem Gratis-Blick hinter die Paywall werden sich keine neuen Abonnenten mehr gewinnen lassen. Und niemand zahlt für Schund der gratis ist. Ich gebe Tagi keine zwei Jahre mehr. Der Abo-Content ist noch dürftiger als der frei zugängliche.
    Beste Pointe heute: Wie schon bei den Nachtzügen will Tragi Debatte beim Bargeld lancieren. Das man es abschaffen müsse und man es nicht mehr bräuchte. Während die SNB, neu mit Schlegel, just klar und deutlich sich zu Bargeld bekannt hat, in dem die SNB neue Banknoten-Serien ausarbeiten will. Tagi kommt mit seinen Kommentaren und Debatten nur noch nach gefällten Entscheiden – vergeudete Energie. Vor allem zu schreiben, Bargeld abzuschaffen, zu digitalisieren, nachdem man eine Woche lang weder Login noch Paywall in den Griff kriegen konnte – macht dann halt noch alles zunichte, was man von Tragi halten können wollte. Was für Versager.

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Ausgeknockt auf allen Ebenen. Im Management, in der IT, im Journalismus. Heute im TA und den RZ:

    Qualität von Schoggistängeli
    «Kassensturz»: Das beste Branchli hat seinen Preis-

    Jemand von der Werdstrasse hat «Kassensturz» geschaut und dann ein «Brichtli» geschrieben. Der/die «Jemand» hat sich nicht mit Namen geoutet, zu gross die Scham. Nun sind die Konsumenten die «Kassensturz» schauen, TA und RZ lesen die Dummen, sie zahlen 2mal für daselbe, über die SERAFE und die Abos. Scheint alles etwas anspruchsvoll für «Bärtschis Qualitätsjournalismus», aber abkupfern löst manche Probleme. Werdsteasse 2024.

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  3. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    An die Häkker-Geschichte glaube ich nicht. Da ging gröber etwas schief beim Backup- resp. Restore-Prozess. Habe ich selber zur Genüge erlebt solche Geschichten. Der Praktikant war’s! Nach aussen behaupten wir, dass es Häkker waren, am besten PUUUUUUUTin persönlich.

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    • Karl Warth
      Karl Warth sagte:

      Hacker ausschliessen würde ich nicht. Tragi ist hemmungslos ziemlich allem auf dem Schwanz getrampelt, das Kraft, Macht und Geld hat. Nicht wirklich abwegig, dass die irgendeinen primitiv angegangen haben, der dann halt reagiert hat.
      Tragi hat sich über Jahre eine ganze Gallerie an Feinden aufgebaut. Leute mit Einfluss, Geld, Beziehungen und Intellekt. Der kleine Stinker Supino kann da einpacken – der hat ein paar ziemlich schlagkräftige Leute hässig gemacht.

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  4. Peter Bitterli
    Peter Bitterli sagte:

    Es soll ja mal vorkommen, dass man zum Hackeropfer wird. Was das mit der Qualität eines Presseerzeugnis zu tun haben soll, bleibt allerdings schleierhaft. Es sei denn, der Tadler betreibt Symbolpolitik und will ein Zeichen setzen.

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  5. Rolf Karrer
    Rolf Karrer sagte:

    Der Reputationsschaden unbezahlbar. Eine Bank wäre gar in Gefahr Insolvenz anmelden zu müssen.

    Generell gesagt: An der Universität Zürich kann man beispielsweise Bibelwissenschaften, Ethik, Islamwissenschaften, Literaturwissenschaften und Philosophie studieren. Insbesondere Frauen studieren diese Gspürsch mi-Disziplinen noch so gerne.

    Nice to have – aber kaum von grosser Bedeutung. Wir sollten in der Schweiz endlich den Fokus auf Informatik setzen; advanced IT der Spitzenklasse nämlich.

    Wie oft wurden bereits unsere Bundesstellen inklusive VSB gehackt? Wie oft mussten IT-Projekte im Bund neue aufgesetzt werden mit Millionenabschreibern? Etliche Firmen wurden durch Troyaner lahmgelegt und erpresst. OneLog im tiefsten Jammertal.

    Mit einer Hobbytruppe wird sich die Schweiz im 21.Jahrhundert der internationalen Lächerlichkeit aussetzen. Bibelwissenschaften werden da kaum für Trost sorgen.

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    • A. Zurbuch
      A. Zurbuch sagte:

      Warum Sie bei Ihrem Post auf den Bibelwissenschaften herumtrampeln ist mit schleierhaft. Es ist mir auch schleierhaft, warum sie glauben, dass die Schweiz mehr Fokus auf Informatik setzen muss. Weniger Informatik an wichtigen Stellen würde die Resilienz steigern. Weniger Informatik für unnötige Projekte würde Ressourcen freimachen für wirklich sinnvolle Digitalisierungsvorhaben.

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    • Peter Bitterli
      Peter Bitterli sagte:

      Stimmt, Karrer. Und mit IT der Spitzenklasse würde dann noch mehr und noch besser gehackt. In Belarus wird aktuell praktisch nur noch IT studiert. Es fehlt dafür etwas an Handwerkern. Und da man dort auch glaubt, Philosophie sei ein Gschpürsch-mi-Fach, fehlt es zudem an der Denkfähigkeit, um dieses Problem zu erkennen.

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      • Beth Sager
        Beth Sager sagte:

        Bitte doch nicht diesen Schurkenstaat Belarus als Beispiel erwähnen P. Bitterli.

        Der baltische Staat Estland ist In Sachen Cyber-Sicherheit jedoch Weltklasse. Ansonsten kann das kleine baltische Land nicht nur mit einer digitalen Verwaltung glänzen, sondern auch mit einer enormen Kompetenz in Sachen Cyber-Sicherheit. Es nimmt weltweit eine Vorreiterrolle ein, von dem die Schweiz nur träumen kann.

        Auch Philosophen haben Platz in Estland. Es kommt eben auf den klugen Mix an.

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        • Peter Bitterli
          Peter Bitterli sagte:

          Schaun Sie, ich brauche diejenigen Beispiele, die ich will, die passen und die ich kenne. Jegliches andere Kriterium ist Ideologie, Kontaktschuldangst oder cancelling. Das wollen wir doch nicht, oder? Bitte!

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