Protestchen
Kläglich, ist das alles kläglich.
Die Redaktion von Tamedia greift zum Äussersten. Sie streikt? Ach was. Sie demonstriert? I wo. Sie besprayt das Glashaus mit Parolen gegen Supino? Niemals. Sie lässt leere Seiten erscheinen? Chasch dänke. Sie verklebt die Türen der Chefs? Hu, hu.
Nein, der «Protest der Tamedia-Redaktionen» ist mindestens so kläglich wie die Performance der Chefetage. Pietro Supino: Tauchstation. VR? Tauchstation. CEO Jessica Peppel-Schulz? Tauchstation. Publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi? Tauchstation. Chefredaktorin Raphaela Birrer? Tauchstation.
Die Leser toben und schimpfen über das verunglückte Redesign des Internet-Auftritts? Tauchstation, keiner antwortet, keiner erklärt, es wird nur kommentarlos vieles gar nicht publiziert.
Kläglich.
Und die Redaktion? Ballt die Faust im Sack und hat sich einen grossartigen Protest einfallen lassen. Da alle ihre tapferen Reaktoren zu feige sind, selber zu protestieren, wollen sie Prominente das erledigen lassen. Ein kleines Video mit Protestnoten wird zusammengeschnipselt.
Protesthämmerchen bei Tamedia.
Nur: ganze 20 Nasen konnten dazu motiviert werden, mehr oder minder gelinde Kritisches zu sagen. Mit wenigen Ausnahmen alles B-, C- und Überhaupt-nicht-Promis. Neben den usual suspects, die überall die Birne reinhalten, wenn eine Kamera läuft. Also Gerhard Pfister, Vinzenz Wyss, Daniel Leupi oder Mario Fehr oder Mattea Meyer. Badran? Aber sicher.
Auch eine «ZSC-Legende». Oder Lara Stoll. Lara who? Oder Michael Hermann. Seitdem der keine Kolumne bei Tamedia mehr hat, traut er sich was.
Aber sonst? Irgend ein Opinion Leader? Ein Schwergewicht? Jemand, bei dem man sagen müsste: aber hallo, wenn der auch protestiert, ist aber Feuer im Dach.
Nichts, nix, nada.
Kläglich.
Das – und ein pflaumenweiches Protestschreiben – ist alles, was die tapfere, meinungsstarke, nie um Ratschläge für andere verlegene Redaktion zustande kriegt. Muss sich da die Chefetage fürchten? Ja, aber höchstens davor, sich bei einem Lachanfall zu verschlucken. Oder davor, bei einer staatstragenden Antwort («verstehen gut, nachvollziehbar, aber eben, was muss, das muss») nicht laut herauszuprusten.
Neuer Rekordversuch auf der Bärtschi-Peinlichkeitsskala. Soll eine Gesamtnote für alle Redaktoren vergeben werden, ist das eine glatte 100. Milde gemessen.
Das mit den Boyköttli ist doch da ein Ding? Philip Loser und Fabian Renz sollten den Selecta-Automat in der Wandelhalle und den im Pressezentrum boykottieren. Um ein „Zeichen zu setzen“. Auch Tesla gehört boyköttliert und den Elon Musk wird das schwer plagen. Er ist schliesslich bekannt dafür, sich öffentlichem Druck zu beugen, finanziell erpressen zu lassen und am Ende nicht „Go f*ck yourself“ zu den Linksextremen und Nötiger zu sagen.
Es ist mir einfach nicht wohl damit, dass Renz und Loser im Bundeshaus gerkehren.
Wahrscheinlich war das ein Deal zwischen Supino, P-S, Bärtschi, Birrer und den feigen JournalistenInnen die immer so grossartig Kante von anderen fordern, wie beispielsweise Loser. Der Deal, ihr dürft ein Filmchen machen und veröffentlichen, aber kein böses, angriffiges, kritisches und keine persönlichen Statements von Redaktionsmitglieder, daran denken wir haben immer noch Flugwetter. Und die Journis, gehorchen, kuschen, keine persönlichen Stellungnahmen, kein Protest in Zürich, nichts.
Dafür produzieren sie wieder banale Texte. Schreiben über eine Region deren Vielfalt sie nicht kennen. So Zora Rosenfelder in der ZSZ: «Hier gibt es die besten Herbst-Spezialitäten am Zürichsee». Sie weist auf Kürbisse, Raclette, Metzgete (schlichtweg keine Kompetenz) und Vermicelles hin (Zora: «des Becks von Burg steuern die Leute jeden Herbst das Küsnachter Dorfzentrum an»). Rosenfelder weiss das Küsnacht am Zürichsee liegt aber nicht das von Burg im Landesinneren ist und daher die Küsnachter nicht mit dem Schiiff ansteuern sondern mit dem SUV hinfahren! Elendsjournalismus!
Es tut gut, wenn so ein mutiger, niemals mit den Einverstandenen heulender, niemals auf den Mann spielender Racletteliebhaber („Es mues e chli schtinke“) mit seiner Meinung zu guter Letzt auch noch nicht hinter dem Berg hält.
Auf Reduktions-Kosten fressen zu gehen ist die Kernkompetenz der ZSZ, des Landboten und des Zürcher Unterländers. Sich fremdfinaziert die Wampe voll hauen gilt da jetzt als „Lokaljournalismus“. Scheiss auf Gemeinderatsbeschlüsse und Investitionen von regionalen Zweckverbänden – was man in den paar verbleibenden Spunten fressen kann, das interessiert auf der Reduktion! Möglichst fancy, mit einem „twist“ – Hauptsache abnormal, und wenns die Blutwurst an der Metzgete ist.
Eigentlich gibt es Fachzeitschriften dafür und die sind womöglich auch dem Supino Pietro. Aber ganze Regionen nur noch auf deren Kulinarik reduzieren? Das wäre, wie wenn man Migration nur aus dem kulinarischen Aspekt betrachten würde. Was Tages-Anzeiger, alles Linke, Loser und Renz, und jede nervige Studentin zwischen 19 und 24 tut.
Gutmenschen betrachten Migration nur aus kulinarischer Warte.