Kris Kristofferson †
In der Stratosphäre der Musik wird es leerer.
Dass ein Enkel schwedischer Einwanderer die uramerikanische Countrymusik prägte, ist nur im Land der unbegrenzten (musikalischen) Möglichkeiten denkbar.
Kris Kristofferson (1936 – 2024) stand vielleicht im Schatten der Überhelden Johnny Cash und Bob Dylan, aber mit Waylon Jennings, Willie Nelson und Cash feierte er Erfolge als «The Highwaymen».
Er war bedingungsloser Linker, unterstützte die sandinistische Revolution in Nicaragua und bereicherte seine Konzerte mit klaren politischen Botschaften in seinen Songs («Sandinista», «Don’t let the Bastards get you down»).
Er war Poet, Schauspieler, Sänger und Songwriter. Er hatte eine grossartige Rolle im gigantischen Film «Heaven’s Gate», der allerdings gigantisch flopte. Er hatte eine bedauerliche Rolle im Action-Kracher «Blade». Er war mit der Sängerin Rita Coolidge verheiratet, bis die Ehe an seinen Alkoholproblemen scheiterte. Seit 1983 war er mit Lisa Meyers verheiratet und lebte abseits von jeglichem Trubel auf der Insel Maui.
Er war wie ein flackerndes Licht am Firmament der Country-Musik; Tourneen wechselten mit Bühnenabstinenz ab. 2006 meldete er sich mit This Old Road zurück, es folgte noch Closer to the Bone und schliesslich zu seinem 80. Geburtstag The Cedar Creek Sessions.
Wäre er nicht ein solches Multitalent gewesen, wäre er vielleicht als One-Hit-Wonder in die Geschichte eingegangen. Denn trotz all seinen anderen Songs ragt natürlich einer heraus, mit dem nicht einmal er selbst, sondern Janis Joplin weltberühmt wurde: «Me and Bobby McGee».
Der Song hat eine verwickelte Entstehungsgeschichte. Kristofferson schrieb ihn zusammen mit Fred Foster, zunächst wurde er von Roger Miller aufgenommen. Kristofferson spielte ihn dann 1970 selber ein.
Aber seinen weltweiten Siegeszug trat er in der Version von Janis Joplin an, die den Text auf sich selbst anpasste. Er erschien im Januar 1971 und eroberte erste Plätze in den Pop-Charts. Joplin war bereits am 4. Oktober 1970 gestorben und erlebte diesen Triumph nicht mehr.
«Me and Bobby McGee» ist eine Ballade, die perfekt ein damals aktuelles Zeitgefühl widerspiegelt, ihm Wort und Ton verleiht. Sie handelt von zwei Hippies, die durch die USA driften und verdichtet dieses Lebensgefühl zu Zeilen, die selbst von Dylan oder Cash nicht übertroffen wurden. Schon der Anfang ist ein Monument eines Lebensgefühls:
«Busted flat in Baton Rouge, waitin› for a train
When I’s feelin› near as faded as my jeans Bobby thumbed a diesel down, just before it rained And rode us all the way into New Orleans»Schwierig, das in aller Lakonik auf Deutsch zu übersetzen:
Abgebrannt in Baton Rouge, wir warteten auf ’nen Zug
Ich fühlte mich fast so ausgewaschen wie meine Jeans.
Bobby hielt ’nen Laster an, gerade bevor es anfing zu regnen.
Er brachte uns den ganzen Weg bis nach New Orleans.
Um schliesslich eine beeindruckende Lebensweisheit in einfache Worte zu fassen:
«Freedom is just another word for nothin› left to lose
Nothin›, don’t mean nothin› hon› if it ain’t free, no-no And feelin› good was easy, Lord, when he sang the blues You know feelin› good was good enough for me Good enough for me and my Bobby McGee»
Freiheit ist nur ein anderes Wort für nix zu verlieren haben
Doch nichts bedeutet nichts, Süsser, wenn es nicht umsonst ist.
Selten ist ein Verlust so mit leichter Hand hingetuscht worden, wobei hinter jedem Wort unendliche Trauer hervorlugt, dass Freiheit eben wirklich bedeutet, nichts zu verlieren zu haben, nicht mal eine Liebesbeziehung:
«One day up near Salinas, Lord, I let him slip away
He’s lookin› for that home, and I hope he finds it But, I’d trade all of my tomorrows, for one single yesterday To be holdin› Bobby’s body next to mine.»Da war ein genialer Funke entstanden; die poetische und musikalische Kraft von Kristofferson, der selbst kein sehr begnadeter Sänger war, und die einmalige, schwärzeste weisse Blues-Stimme aller Zeiten einer Janis Joplin, die jeden ihrer Songs so sang, kreischte, stöhnte, als ginge es um ihr Leben. Das sie so intensiv lebte, dass sie allzu früh starb.
In seinen letzten Lebensjahren war Kristofferson von Krankheiten geplagt, die er aber stoisch ertrug. Nun spielt er irgendwo seine akustische Gitarre, bläst in seine Mundharmonika und bleibt ein guter Mensch, der so frei ist, wie man nur sein kann. Und hoffentlich jammt er mit Johnny Cash, während beide auf Willie Nelson warten.
Bei aller Trauer um diesen Verlust: ist dann langsam gut, Kommentare zu kommentieren, okay? Singen wir doch lieber alle im Chor «Me and Bobby McGee». Oder vielleicht lieber nicht.
The Highwaymen – «Help Me Make It Through the Night» (American Outlaws: Live at Nassau Coliseum, 1990)
https://www.youtube.com/watch?v=5x0b7XOUmH0&list=PLE6CQ31RK9-pM2wfx1uR3zhNwTD06byG3&index=11
R.I.P. Kris Kristofferson
So richtige Loser-Lyrik über dem wackligen Fundament banalster Harmonik. Für Leute, die jeden Massstab und jeden Halt im Leben verloren haben, wie unser aller Gastgeber und Meister mit unnachahmlichem Charme sagen würde. Wer um Himmels Willen braucht sowas?
Geben Sie doch bitte bekannt, wann sie in Ihrer Selbstermächtigung soweit fortgeschritten sind, um Ihren eigenen Blog zu tätigen. Es wird gedankt.
Es wird immer gedankt, wenn man mit seinen Vorurteilen in Ruhe gelassen wird.
Ich gebe es ja zu: Es beziehen sich diese philologisch und musikwissenschaftlich fundierten Betrachtungen auf den von Frau Slavica Bernhard empfohlenen Alkoholiker-Song. Technisch ist da etwas verrutscht, und der Kommentar erscheint nun missverständlich platziert.
Wichtige und schöne Würdigung eines ganz Grossen, dessen Authentizität seine poetischen und treffenden Songs zu überzeugenden Lebenbegleitern gemacht hat. In Kristoffersons eigenen unerreichten Zeilen klingt das dann so::»Dreaming was as easy as believing it was never gonna end.»
Andres
Ganz grosse Klasse, dieser Nachruf. Danke!
Ja, war nett! Aber obwohl gleich acht Buben zusammen unterwegs waren, hat keiner eine Squaw mit body next to his gefunden, waren die selbstverfassten roadsongs doch eher dröge, die französischen flics dafür umso schärfer, und dass man nach einem Monat thumbing down von der Mutter zunächst einmal in die Badewanne gesteckt wurde, hat man dankbar über sich ergehen lassen. Dann begann ja auch schon wieder die Schule, wie die Enkelin der alten Schweden sagt.
Hä?
Lieber Bitterli, Sie sollten Hilfe suchen!
Schade, Brunner, dass ich es Ihnen mit gar keiner Textsorte recht machen kann. Vielleicht sollte ich mich zwecks besserer Verständlichkeit auch auf eine einzige beschränken.
Sie brauchen einen starken Kamillentee. Er ist nämlich krampflösend.
Stimmt. Wirkt aber nur bei Mägen von anonymisiert auftretenden Bahnhofbuffetgästen.
Für Ihre nächste Presse-Kritik der Sonntagspresse…
https://youtu.be/vbqGWTxwZEA?feature=shared