Tagi keift

Schlechte Verlierer erkennt man am Mundgeruch.

Da meinte doch Tamedia, man habe einen neuen Riesenskandal aufgedeckt. Ein Grundpfeiler der direkten Demokratie sei ins Wanken geraten. Die heilige Unterschriftensammlung für eine Initiative sei korrumpiert. Es würden nicht nur Unterschriften gegen Bezahlung gesammelt (legal), sondern auch gefälschte Unterschriften eingereicht (illegal).

Schlimmer noch: zu Tausenden. Schlimmer noch: unentdeckt. Schlimmer noch: daher könnten Initiativen zustande gekommen sein, anschliessend sei darüber angestimmt worden, obwohl gar nicht genügend gültige Unterschriften eingereicht worden seien.

Skandal, Skandal, Skandal.

Die Geschichte der Schweizer Initiativen muss neu geschrieben werden. Typisch, die Sesselfurzer in der Bundeskanzlei, die Überprüfer in den Gemeinden, alles Schnarchsäcke, Nichtstuer. Sie wussten dank Strafanzeigen schon lange von diesem «Bschiss», taten aber nix. Aber jetzt, dank Tagi & Co., wird endlich Licht in diese Dunkelkammer gebracht, tut sich was. Der Tagi rettet die direkte Demokratie, nächstens muss an der Werdstrasse ein Denkmal errichtet werden, für die mutigen Tellensöhne.

So die Mär. Tapfer aufgepumpt zu einer schillernden Blase. Erste Nadelstiche wurden noch tapfer ignoriert. Denn die Bundeskanzlei vermeldete, dass man durchaus untersuche, auch zusammen mit der Bundesanwaltschaft. Aber angesichts laufender Untersuchungen und so Kleinigkeiten wie der Unschuldsvermutung könne man halt nicht in das Geschrei des Tagi einstimmen.

Die Kollegen von der «SonntagsZeitung» brachten das Problem – zudem mit einer unverdächtigen Kronzeugin – auf den Punkt: dem ganzen Geschrei mangelt es jeglichen Beweises. «Insider» behaupten, der Konjunktivjournalismus feiert mal wieder Urständ. Bis das Soufflee aus dem Ofen kam und der Bundesrat verkündete: «Keine belastbaren Indizien». Bitter für den Tagi: «Bundesrat verzichtet auf notrechtliche Massnahmen». Noch leises Nachjapsen: «Trotz gefälschter Unterschriften».

Denn das Urproblem bei diesem «Skandal» war und ist: natürlich dürfte es zu Unterschriftenfälschungen kommen. Nur: zu wie vielen? Wie viele sind einfach ungültig, wie viele absichtlich gefälscht? Und vor allem: wie viele werden nicht entdeckt? Wie viele Verurteilungen deswegen gibt es? Dazu sendete der Tagi das Pausezeichen, weil solche blöden Fragen beim Aufpumpen der Blase nur gestört hätten.

Nun ist sie geplatzt, und eines der Pumpgenies nimmt übel. Thomas Knellwolf zeigt dem Bundesrat, wo der Hammer hängt: «Was macht die Regierung? Sie setzt auf Selbstregulierung. Das reicht nicht.» Nachsitzen, Strafaufgabe, die sieben Bundeszwerge müssen hundert mal an die Wandtafel schreiben: «reicht nicht».

Aber das ist erst der sanfte Anfang; schnell steigert sich Knellwolf zum Crescendo:

«Damit demonstriert die Bundeskanzlei erneut ihre Machtlosigkeit angesichts des schon seit Jahren immer krasser werdenden Missbrauchs der Volksrechte durch Kriminelle.»

Fahrlässig, Ihr Bundesräte ohne Rat: «Regeln oder gar ein Verbot für bezahltes Sammeln – das Grundübel – zieht er ebenfalls nicht in Betracht.» Ist schon erstaunlich, hätte Knellwolf die eingängige Begründung im Schwesterblatt SoZ gelesen, wieso bezahltes Sammeln sinnvoll ist, würde er solchen Unsinn nicht wiederholen.

Dann feuert er noch seinen letzten Böller ab: «Damit nimmt der Bundesrat hin, dass bei Initiativen und bei Referenden weiterhin getrickst und betrogen werden kann. Vielleicht bräuchte es nun im Bundeshaus einmal einen runden Tisch zum Thema konsequenter Schutz der Volksrechte.»

Ein weiterer Beitrag zu: Thema verfehlt, an der Sache vorbeigeschrieben. Setzen, nachdenken, Kurs wechseln, Logik anwenden. Vielleicht bräuchte es in der Breifabrik Zentralredaktion «Tages-Anzeiger» mal einen runden Tisch zum Thema: Blasenbildungen vermeiden.

Oder aber, Knellwolf kümmert sich angelegentlich weiterhin um die Unterleibsgeschichten eines Wetterfroschs, das ist vielleicht mehr seine Liga.

Spiegeln wir den fundamentalen Denkfehler von Knellwolf und allen «Bschiss»-Blasenbläsern an einem parallelen Beispiel.

ZACKBUM enthüllt: Bei Urnengängen werden massenhaft Stimmen absichtlich falsch gezählt. Insider berichten, dass die Resultate ganzer Abstimmungen dadurch verfälscht werden. Es komme vor, dass eine Ja-Mehrheit verkündet wird, obwohl die Neinstimmen überwogen.

Skandal.

Die Wahlbehörden bestätigen, nachdem ZACKBUM diesen Skandal enthüllt hat, dass es in Einzelfällen zu Nachzählungen gekommen sei. Dabei seien aber keine gravierenden Unregelmässigkeiten festgestellt worden; es sei kein Fall aufgedeckt worden, bei dem eine Nachzählung das Resultat umkehrte. Und ausserdem gäbe es keine Indizien für absichtliche Resultatfälschung.

Nochmal Skandal. Das ist Vernebelungstaktik, die Wahlbehörden wollen offenbar hinnehmen, dass weiterhin getrickst und betrogen werden kann.

So dümmlich, leicht durchschaubar und von Anfang an zum Platzen verurteilt kann man eine Blase aufpumpen. ZACKBUM ist sich zu fein für solchen Unsinn. Der Qualitätskonzern Tamedia nicht. Schlimmer noch: man könnte ja – wie bei all den «Papers», «Leaks» und «Secrets» – wenigstens grummelnd eingestehen, dass mal wieder nix am internationalen oder nationalen Gewaltsskandal war.

Aber bei diesem Sturm im Wasserglas muss der Tagi noch nachmopsen. Nach der Devise: wenn schon lächerlich machen, dann richtig.

1 Antwort
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Der Skandal ist das die Bundeskanzlei seit ca. 2 Jahren wusste was bei Unterschriftensammlungen ablaufen kann und nie davor gewarnt hat, damit möglichen Betrug mindestens toleriert hat. Da ist kein schlechter Mundgeruch spürbar, sondern FISHERMAN’S FRIEND!

    Antworten

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