Im Sudan verrecken Millionen

Ein Lob an Arne Perras. Der Redaktor der SZ berichtet über eine vergessene Katastrophe.

Fast alle Länder der Welt unterstützen die Sanktionen der NATO-Länder gegen Russland nicht. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass sie die Heuchelei von Europa und die Doppelmoral der USA und ihrer Verbündeten unerträglich finden.

Wenn’s ins politische Machtkalkül passt, geht es um die Verteidigung angeblicher westlicher Werte, um Humanität, Menschenrechte, deren Verteidigung gegen russische Untermenschen und einen kriegslüsternen Autokraten in Moskau.

Da wird grosses Geschrei erhoben, die Gazetten sind täglich wohlgefüllt, jedes tote Kind, jede bombardierte zivile Einrichtung löst einen Aufschrei aus – wenn es auf ukrainischem Gebiet stattfindet. Viele Seiten werden vollgeschmiert mit Darstellungen der besonderen asiatisch-slawischen Grausamkeit der Russen, der Skrupellosigkeit ihres verbrecherischen, verrückten Anführers.

Gleichzeitig finden in anderen Orten der Welt viel grausamere, menschengemachte Katastrophen statt. Nur haben hier die Opfer die falsche Hautfarbe, sind die Gebiete nicht von geopolitischem Interesse, gibt es keine nennenswerten Rohstoffe auszubeuten, besteht kein Anlass für einen Stellvertreterkrieg.

Der Sudan ist so ein Elendsloch, in dem rund 25 Millionen Menschen leiden und dem Hungertod geweiht sind. 25 Millionen, die Hälfte der Bevölkerung.

Das interessiert die empfindsamen Woken, die schon lange neben der Regenbogenfahne eine Ukraineflagge schwingen, einen Dreck. Das interessierte die westliche Wertegemeinschaft einen feuchten Kehricht. Das entlockt den Journalisten höchstens ein gelangweiltes Gähnen. Sudan? Wo ist das schon wieder? Worum geht es dort? Ach, immer diese Neger, Pardon, Schwarzen, mit diesen Kindern mit Hungerbäuchen, diese Elendsgestalten, die klaglos und stumm wie die Fliegen sterben.

Immerhin weist Arne Perras immer mal wieder auf diese Menschheitstragödie hin, dafür gebührt ihm grosses Lob. Er beschreibt nüchtern das Desaster im Sudan, was seinen Kommentar noch beklemmender macht:

«Viele Zonen sind militärisch abgeschottet und lebensgefährlich. Dort herrschen Milizen, denen das Leben eines Menschen nur dann etwas wert ist, wenn es taugt für den Kampf, für militärische Hilfsdienste, Aufklärung oder Nachschub. … Der Krieg ist der Vater des sudanesischen Hungers, daran besteht kein Zweifel. Und solange sich die Kämpfe weiter durchs Land fressen, treiben sie Hunderttausende ins Verderben. Mindestens. Potenziell sind es noch viel mehr. 25 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen.»

Und weiter:

«Es ist ein seelisches Martyrium, das sich in der wohlgenährten Welt kaum jemand vorstellen kann. Und doch geschieht all das im Sudan, fernab globaler Aufmerksamkeit, die sich auf Gaza und die Ukraine richtet.
Sicher ist: Der Westen wendet viel zu wenig Zeit und Kraft auf, um daran etwas zu ändern. Wann kommen Aussenminister oder Staatschefs schon einmal zusammen, um sich mit der sudanesischen Katastrophe zu befassen

Dabei ist ein Staat, der sich immer mehr zum Bundesgenossen des Westens mausert, hier übel beteiligt: die Vereinigten Arabischen Emirate.

«Die Gleichgültigkeit, mit der die Weltgemeinschaft ein von ihr selbst verhängtes Waffenembargo kollabieren lässt, ist bezeichnend: Die leidende Bevölkerung im Sudan kann sich nicht nur keineswegs darauf verlassen, dass ihr die internationale Diplomatie beispringt. Sondern sie muss zudem befürchten, dass opportunistische Länder wie die Emirate Nutzen aus ihrem Leid ziehen, der Milizenführer und Goldminenbetreiber Hemeti ist ihr Geschäftspartner.»

Wenn die Achtung vor den Menschenrechten und die Verteidigung angeblicher westlicher Werte glaubwürdig sein will, dann müssen diesen Prinzipien doch weltweit gelten. Nicht nur da, wo es aus machtpolitischen Gründen in den Kram passt.

Ist es nicht verständlich, dass allen afrikanischen Staaten, den meisten lateinamerikanischen und asiatischen das Geseier des Westens über die Ukraine und ihren Freiheitskampf nicht nur zum Hals raushängt, sondern Übelkeit verursacht?

 

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