Es darf geklittert werden

Ulrich M. Schmid will Slawist, Literaturkritiker und Hochschullehrer sein. Eine Schande.

Über das Niveau der HSG gibt es bereits genügend Darstellungen. Stammen sie nicht von der HSG selbst, sind sie alles andere als schmeichelhaft.

Dafür sorgt auch Ulrich M. Schmid mit seinen regelmässigen Beiträgen in der NZZ. Er perseveriert über die Zukunft des «Vielvölkerstaats Russland nach einer Niederlage in der Ukraine». Er vergreift sich auf tiefstem Niveau an «Lenin, der Untote». Er spielt den kältesten aller kalten Krieger, obwohl diese Zeit längst vergangen sein sollte, selbst in der NZZ.

Nun rezykliert er die Aufzeichnungen von Bogdan Staschinski. Ein KGB-Agent, der den «ukrainischen Nationalisten Stefan Bandera» in dessen Münchner Exil liquidierte. Den «ukrainischen Freiheitskämpfer und Exilpolitiker Bandera».

Dieser «autobiographische Bericht» wurde verfasst, nachdem Staschinski aus der DDR geflohen war, sich gegenüber dem westdeutschen Geheimdienst geoutet hatte und für seine Informationen eine milde Gefängnisstrafe erhielt, aus der er vorzeitig nach vier Jahren entlassen wurde. Seither ist er abgetaucht.

Immerhin bemerkt Schmid, es sei «allerdings bei der Lektüre von Staschinskis Bericht höchste Vorsicht geboten. Es ging dem Überläufer ja darum, für sich selbst ein möglichst günstiges Urteil zu erwirken». Das im Kleingedruckten, im Lead behauptet der Slawist Schmid munter, das Machwerk gebe «Aufschluss über die zeitlosen Methoden des KGB».

Von Quellenkritik hat der Wissenschaftler offenbar nicht viel gehört; eine aus so offensichtlichen Motiven verfasste Selbstentlastung soll die «zeitlosen Methoden des KGB» darstellen. Und morgen erzählen wir ein anderes Märchen.

Immerhin erwähnt Schmid in seiner begeisterten Nacherzählung dieser Schrift: «Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 kollaborierten die ukrainischen Nationalisten mit der Nazi-Besatzungsmacht. Staschinski erinnert sich daran, wie er als Knabe die Gründung der ukrainischen SS-Division «Galizien» in Lwiw miterlebte. Ebenfalls wurde er Zeuge des Holocaust, bei dem «ständig betrunkene» ukrainische Hilfspolizisten «besonders wüteten».

Das Fazit Schmids: «Man wird nie abschliessend entscheiden können, wo in Staschinskis Bericht die Wahrheit endet und wo die Dichtung beginnt. Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass sich der zweifache Mörder in einem besonders vorteilhaften Licht präsentieren wollte.» Besser wäre wohl die literaturkritische Bemerkung: da sich nichts an diesem Bericht überprüfen lässt, die Absicht überdeutlich ist, endet die Wahrheit vor dem ersten Buchstaben.

Aber Schmids Absicht ist eine ganz andere:

«Gleichzeitig zeigen einzelne Episoden deutlich, wie das KGB-Milieu funktioniert, in dem auch Wladimir Putin seine frühe Karriere absolviert hat. Das Grundprinzip lautet: Nichts ist, wie es scheint, und selbst der Schein ist sorgfältig konstruiert.»

Heissa, welch ein Bogen von einem Lügenmärchen eines Überläufers zu Putin. Aber das ist nicht mal das Schlimmste an dieser Eigenrufschädigung eines Slawisten.

Er bezeichnet Bandera als «Nationalisten, ukrainischen Freiheitskämpfer und Exilpolitiker». In Wirklichkeit war Bandera ein Mörder, ein übler Kollaborateur mit den Nazibesatzern während des Zweiten Weltkriegs. Seine politische Bewegung war massgeblich an Pogromen gegen Juden beteiligt, unter ihm als überzeugter Faschist.

Eines seiner Ziele war die «Säuberung» der Ukraine von Juden, Polen und Russen. Dafür wurde er in Abwesenheit in der Sowjetunion zum Tode verurteilt und floh 1946 nach München.

Im Westen der Ukraine wird der Verbrecher bis heute als Nationalheld gefeiert, mit Denkmälern und Briefmarken, so zu seinem 100. Geburtstag 2009 (siehe Titel).

Wie soll es mit der Tätigkeit eines Hochschuldozenten vereinbar sein, ein solch unwissenschaftliches, parteiliches, einäugiges, historische Fakten übersehendes Machwerk abzuliefern? Wie kann das die NZZ – welch ein Versagen der Qualitätskontrolle – publizieren?

Ein Überläufer will sich selbst im besten Licht darstellen, um ein möglichst mildes Urteil eines deutschen Nazirichters zu erwirken. Als KGB-Agent hatte er den Faschisten Bandera in seinem deutschen Exil getötet.

Darauf macht Schmid einen «Bericht», der angeblich «Aufschluss über die zeitlosen Methoden des KGB» gebe, in deren Tradition auch Putin erzogen wurde. Und aus dem zum Tode verurteilten Verbrecher Bandera macht Schmid einen «ukrainischen Freiheitskämpfer».

Wenn man ein Beispiel für das Wort Geschichtsklitterung bräuchte, hier ist es. Besser als der Duden kann man dieses Stück von Schmid nicht beschreiben: «aus einer bestimmten Absicht heraus verfälschende Darstellung oder Deutung geschichtlicher Ereignisse oder Zusammenhänge». Et voilà.

3 Kommentare
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Wundert sich noch irgend jemand in diesem Land?
    Ausser der ‹Mehrheit› die jedes Gift löffelt.
    ‹geklittert› ist ja noch beschönigend, zackbum kann auch zurückhaltend…..
    Keine Kritik; ZseiDank, dass jemand diese Schweinereien kommentiert, seziert und solche Schmierfinken bloss stellt.
    Hochschullehrer; sagt alles wo die Vergiftung noch ihren letzten ‹Schliff› verabreicht, bevor die Menschen für’s moderne Leben bereit sind.

    Diese NZZ-Krieg$propagandisten laufen auf kriminellem Niveau seit der WestDampfer am Untergehen ist, die Kapelle ächzt bis zum letzten Moment.
    Warten wir mal auf den Bericht der zeitlos edlen Methoden der CIAmossadM6; transparent wie alles im Wertesten.

    Antworten
  2. Peter Bitterli
    Peter Bitterli sagte:

    Ulrich M. Schmid hat sein Slawistenleben vorab mit russischer Literatur, Kultur, Zivilisation, Geschichte zugebracht; was halt Slawisten oft so tun. Ende Februar 2022 hat er als Erster in meiner Wahrnehmungssphäre sein Fähnlein scharf in den Wind gehängt, hat begonnen, von einer „Ukrainischen Literatur“ und ähnlichen Phantasiegebilden zu delirieren und alles Russische, das ihm Tage zuvor noch Leidenschaft und täglich Brot war, in die Pfui-Ecke zu stellen, als hätte er es, wie alle, die nie etwas wirklich gewusst haben, schon immer gewusst. Man muss ja gelebt haben und sein Gärtchen weiter kultivieren können. An einer zeitgeistigen Hochschule ebenso wie beim Leibblatt, auch wenn dieses nicht mehr so gut zahlt.
    Die Bandera-Sache ist mit ihrer „KGB-Charakteristik“ ein besonders peinliches Beispiel, weil dem Autor genau das unterläuft, was jedem Deppen passiert: Er kann die Sowjetunion nicht von Russland unterscheiden, da der Russ halt der Russ ist. Fakt ist, dass ein Fünftel der Sowjetbürger nicht böse Ruzzen, sondern liebe Ukrainer waren, ein Fünftel der Soldaten der Roten Armee, ein Fünftel der KGB-Mitarbeiter. Von sieben Generalsekretären der KP waren zwei Ukrainer. Wer im Nachhinein böse und liebe Russen gemäss der Kriegsideologie der USA, Nato und EU auseinanderdividieren will, wendet in der Tat im genauen Sinn „zeitlose Methoden“ an. Mit Wissenschaftlichkeit hat das nicht das Geringste zu tun.

    Antworten
  3. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Bandera war ein ganz besonders übler Bursche. Ein besonders
    ekelhafter Faschist ukrainischer Prägung. Dazu eine gehörige
    orthodoxe Frömmelei. Eine wahrhaft teuflische Mixtur. Dennoch
    gibt es bis heute auch Schweizer Verehrer.

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert