Münger rides again
Der Mann ist reif für die Pensionierung. Als Auslandchef ungeeignet.
Natürlich ist es frustrierend, sich «Auslandchef» nennen zu dürfen, dabei ist er nur Sachverwalter, denn das Ausland beim Qualitätsmedienkonzern Tamedia (oder «Tages-Anzeiger», man weiss gar nicht mehr, wie der zurzeit heisst) wird bekanntlich von der «Süddeutschen Zeitung» bespielt. Oder besser gesagt grausam malträtiert.
Kann ich auch, sagt sich Christof Münger, und greift selten, aber umso heftiger zu dem, was ein Auslandchef ohne Ausland und Verstand halt bespielen kann: den Leitartikel.
Man kann sich nun darüber streiten, ob es gut oder schlecht ist, wenn schon der Titel keine Frage mehr offenlässt. Allerdings: rund die Hälfte der Amis wollen eine Gefahr wählen? Echt jetzt? Unbestreitbar bescheuert ist bereits der Lead:
«Es geht bei diesem Wahlkampf nicht um politische Programme, sondern darum, das Comeback von Donald Trump im Weissen Haus zu verhindern. Wie man zu Kamala Harris steht, wird zur Nebensache.»
Bei einem Wahlkampf gehe es nicht um politische Programme? Das gilt vielleicht für Venezuela. Es geht nicht darum, sich zwischen zwei Kandidaten zu entscheiden, sondern einen zu verhindern? What a nonsense, wie der Ami sagt. Was man von der Kandidatin hält, sei Nebensache? What a bullshit, wie der Ami sagt.
Es geht holterdipolter weiter: «… der politische Boxmatch des Jahres … Donald Trump foutiert sich um diesen traditionellen, überparteilichen Konsens … hat sich ein irritierender Both-Sideism breitgemacht, neudeutsch für die Tendenz, beide Kandidaten als gleichwertig zu behandeln … Trump lässt sich nicht «entteufeln» … Trump ist nicht nur Präsidentschaftskandidat, sondern eine Gefahr für die amerikanische Demokratie … man kann ihr nur viel Glück wünschen im Boxkampf für die Demokratie.»
Dieses Gelalle erinnert einen unwillkürlich an eine Rede von Joe Biden, wenn der sie nicht vom Teleprompter ablesen konnte. Es erscheint fast aussichtslos, Münger vorsichtig wieder an die Wirklichkeit heranzuführen. Die sieht nämlich so aus.
Trump ist der nominierte Kandidat einer der beiden vorherrschenden Parteien in den USA. Unabhängig von seinen Charaktereigenschaften, der Inhaltsleere seiner Versprechungen, seiner Unfähigkeit als Geschäftsmann und seiner Fähigkeit, sich selbst ständig zu widersprechen oder Lügen zu verbreiten: rund die Hälfte aller US-Stimmbürger wird ihn wählen. Und das ist ihr demokratisches Recht.
Wer ihnen das abspricht – wie Münger – ist selbst eine grosse Gefahr für die Demokratie, denn er ist ein Antidemokrat. Man kann auch als aussenstehender Beobachter persönliche Präferenzen haben, Und wenn die Wahl zwischen Biden und Trump derjenigen zwischen Pest und Cholera glich, so ist’s nun wohl zwischen Typhus und Cholera.
Denn Harris ist schlichtweg eine Blackbox. Sie hat kein Wahlprogramm, kein Profil; PR-Fuzzis und Spin Doctors bemühen sich inzwischen, diese leere Leinwand bunt anzumalen. Wer in vier Jahren als Vizepräsident dermassen blass und unscheinbar (und unbeliebt) blieb, dass die Demokraten mehrfach den bedenklich senil werdenden Biden ihr vorzogen, der wird nicht plötzlich ein anderer Mensch, nur weil er für Flachdenker wie Münger zur letzten Hoffnung gegen Trump wird.
Der aussenstehende Beobachter darf seine persönlichen Präferenzen haben, auch wenn er nominell Auslandchef eines Organs ist, das mit seinem Kopfblattsalat mehr als eine Million Leser beschallt. Aber er dürfte eigentlich nicht offen antidemokratische Ansichten äussern.
Einerseits ist das gut so. Denn damit lässt Münger keinen Zweifel an seinen Überzeugungen, seinem Tunnelblick – und seiner fehlenden Qualifikation, ein nicht unwichtiges Ressort zu leiten. Vorausgesetzt, man ist sich noch einig, dass es die Aufgabe einer Auslandredaktion ist, den Lesern das Ausland – fern, bunt, kompliziert – so gut wie möglich zu erklären und näherzubringen.
Zu behaupten, die Hälfte der US-Wähler wollten einen «Möchtegernautokraten» als Präsidenten, beleidigt rund 80 Millionen registrierte Stimmberechtigte. Wer ein so grobes Schwarzweissbild hat, ist für jede differenzierte Analyse ungeeignet: «schwarze Frau gegen alten weissen Mann, ehemalige Staatsanwältin gegen kürzlich verurteilten Straftäter». Wer das wieder einmal zum ewigen Kampf zwischen Gut und Böse hinaufschreibt, «der Jahrzehnte prägen könnte», hat Mass und Mitte verloren.
Wer demokratische Wahlen «als politischen Boxmatch» abqualifiziert, ist schon in der ersten Runde K.o. Und sollte den Ring Richtung Ruhestand verlassen. So wie Biden.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, hervorragend geschrieben. Hervorragend „eingeordnet“. Schön, sind Sie wieder am Start!
Da hat einer tüchtig in den Startlöchern gescharrt – welcome back.
Und leider ist’s bitter bitter nötig.
Wahrscheinlich vergebliche Müh, was die verbliebenen sichamPlatzhalter betrifft. Aber zum Glück schreibt’s noch einer, hart wie’s ist, was für traurige Gesinnungsbanden in den Redaktionen übrig geblieben sind.
Der jämmerliche Haufen, der die von oben diktierten Agenden und die PR- und Manipulations-Sauce der wässtlichen Vermögensverwalter, anStiftungen, Institutionen und Staats-Marionetten via die paar Presseagenturen brav wiederkäut.
Die noch selber Denkenden sind geschasst, wegrationiert, oder haben sich gerettet vor der Selbstaufgabe.
Es ist oft an der Schmerzgrenze – selbst für’s zackbum Publikum – wie schonungslos Zeyer Klartext schreibt und diesen Flohzirkus seziert.
Aber hey, diese Brüder und Schwestern erlauben sich soviel Schweinereien weit über die Schmerzgrenzen hinaus und verursachen horrenden Schaden an Land&Leuten.
Sie haben beissende und harte Kritik mehr als verdient, diese Handlanger der organisierten Gesellschaftsvernichter.
Wenn die Schreiberlinge hier nur wüssten, dass sie dem Wähler in den USA herzlich egal sind, dass sie dort niemand liest. Es würde ein herzzerreisendes Gewimmer in den Redaktionsstuben ausbrechen über die eigene selbst herbeigeführte Unwichtigkeit.
Noch schlimmer; es liest diesen ideologisch verbrämten Schmarren auch sonst Niemand, ausser der treudoofen Tagi-Leserschaft bestehend vornehmlich aus angejahrten Links-Romantikern aus dem oberen Mittelstand und Innen.
Wenn man sich im Tagi-Impressum einmal die Anzahl der gerade auf der Payroll stehenden Journalierenden (korrekt…?) reinzieht und sich vor Augen führt, dass der Münger und sein «Leitartikel» das Beste ist, was das Haus anzubieten hat, ist es eigentlich kaum verwunderlich, dass unsere «Qualitätsmedien» nach stets mehr Subventionen betteln.