Biden ist überall

Warum treten nicht Journalisten reihenweise zurück?

Fast die gesamte Journaille war sich noch vor einem halben Jahr einig: Biden ist der richtige Kandidat, um Trump zu verhindern. Denn wenn Trump wieder an die Macht käme, drohte der Weltuntergang Nummer zwei. Nummer eins fand allerdings – zum grossen Erstaunen der Journaille – nicht statt.

Zuvor nahm die Journaille jeden kleinen Hoffnungsschimmer, dass Trump nicht nominiert werden könnte, zum Anlass für grosse und grossartige Analysen und Alternativszenarios. Als dann feststand, dass ein Gaga-Greis gegen einen Gröwa-Greis antreten würde, ein seniler Alter gegen einen Amok-Alten, wurde alles geschrieben, das Joe Biden gut aussehen liess, während so geschrieben wurde, als ob kein vernünftiger Mensch auch nur einen Moment darüber nachdenken könnte, Donald Trump zu wählen.

Unvorstellbar, wie die Journaille alle ihre Fehler wiederholt, die sie im Wahlkampf Hillary Clinton gegen Donald Trump begangen hatte. Herausragend war damals das Schweizer Farbfernsehen, dass noch bis tief in die Wahlnacht hinein von der Hoffnung nicht lassen wollte, der ersten US-Präsidentin gratulieren zu dürfen.

Nun ist Informationsvermittlung ein Geschäft wie jedes andere. Der Konsument hätte gerne für sein Geld einen Gegenwert. Wenn nun die Migros ständig saure Milch oder Coop fauliges Gemüse verkaufen würde, dann würden die Kunden zunehmend Reissaus nehmen. Auch wenn Migros und Coop betonten, dass ihre Produkte in Wirklichkeit superfrisch und von höchster Qualität wären.

Ähnliches geschähe, wenn Migros plötzlich einen halben Liter Milch für den Preis eines ganzen oder Coop ein Pfund Kartoffeln zum Preis eines Kilos anbieten würden. Mit der Begründung, dass zwar weniger drin sei, dafür aber viel konzentrierter, besser und kompakter.

Und dann gibt es noch etwas, was die beiden Grossverteiler nicht tun: ihre Kundschaft ständig mit den persönlichen Ansichten, Meinungen, mit der Bauchnabelschau des Managements und sogar der Verkäufer belästigen. Die Kunden mit guten Ratschlägen bedrängen, mit Aufforderungen, wie sie ein besseres Leben führen könnten, mit Schulmeistereien, wie inkludiertes, diskriminierungsfreies Sprechen und Schreiben ginge.

Bei dem, was die Journaille betreibt, ist es noch viel schlimmer. Gross in der Betrachtung des eigenen Bauchnabels, ganz klein in der Fähigkeit, ein Abbild der Wirklichkeit zu vermitteln, das einigermassen mit ferner Realität zu tun hat.

Dass Biden gegen Trump die Wahl zwischen Pest und Cholera wäre, musste eigentlich jedem USA-Kenner klar sein. Dass beide Kandidaten Personal in einem demokratischen Trauerspiel sondergleichen sind. Stattdessen gab es Durchhalteparolen für Biden und Unkenrufe Richtung Trump (Prozesse, vielleicht landet er noch im Gefängnis statt im Weissen Haus).

In solchen Meinungsstücken überboten sich die Korrespondenten der Süddeutschen und der einsame Korrespondent von Tamedia. Ringier zählt sowieso nicht, die lassen ihre US-Berichterstattung von einer Anfängerin plus dem altbackenen Peter Hossli bestreiten, der auf so originelle Ideen wie eine Reise durch die abgehängten Gegenden der USA kommt. Die NZZ schliesslich geht ihrer Lieblingsbeschäftigung bei solchen Fragen nach: sie eiert.

Es ist menschlich verständlich, dass all diese Journaille, die sich in der USA-Berichterstattung von einer Fehlanalyse zur nächsten hangelt, nicht aus Einsicht in die eigene Unfähigkeit selbst entlässt. Denn wovon soll man denn leben, wenn man nichts anderes gelernt hat und selbst dieses Handwerk nicht beherrscht?

Es ist aber weder menschlich noch sonstwie verständlich, wieso die Journaille die gleichen Fehler immer wieder begeht. Ungefähr die Hälfte der US-Stimmbürger zu Volltrotteln erklärt und darauf hofft, dass die andere Hälfte die grössere ist und selbst einen Biden, eine Harris oder wen die Dummdemokraten nun aufstellen, brav wählen wird.

Man bekommt fast Mitleid mit Biden, wenn man zusieht, wie seine unverbrüchlichen Kampfgenossen in den Medien, die am liebsten nicht mehr daran erinnert werden möchten, was sie noch vor Kurzem schrieben, nun auf dem Absatz kehrtmachten und auf ihn eindreschen. Aber erst, als sich die Zeichen mehrten, dass die wichtigsten Entscheidungsträger bei den Demokraten von Biden abrückten. Nein, das ist nicht die Parteileitung, schon gar nicht die Parteibasis. Das sind die Grossspender und die Grossspendensammler.

Also ein sehr demokratisch legitimiertes Häufchen.

Was allerdings verwundert: diese immer wieder krachend scheiternden USA-Analysten, Kenner und Spezialisten und Korrespondenten können weiterhin vor eigener Bedeutungsschwere  kaum geradeaus laufen. Aber zu Selbstkritik, zur Besserung, zur Einsicht, dass eine ideologische Brille hinderlich ist, dazu gelangen sie nicht.

Noch weniger wird ihnen bewusst, wie unglaublich lächerlich sie sich machen. Wie sie in des Kaisers neuen Kleidern daherstolzieren, während das Publikum prustet und lacht: die sind doch nackt.

3 Kommentare
  1. Oliver Brunner
    Oliver Brunner sagte:

    Die Journalisten bei der Süddeutschen (die Schreibwerkstatt von TA) machen den Fehler, der z.B. im Agentenlehrgang als erstes ausgetrieben wird. Perception over Perspectives. Anstatt die Perspektive der Handelnden (hier der US-Wähler) einzunehmen, wird die eigene Sichtweise als Wahrheit angeschaut und präsentiert. «Ich finde Trump ganz ätzend und wääh – und Harris wird ihn hinwegfegen». Das solche Prognosen meist falsch sind, kümmert niemanden. Die Zeitung von heute, ist morgen Altpapier… (gilt auch digital).

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  2. Jürg Casanova
    Jürg Casanova sagte:

    Der säkularisierte Wertewesten hat zwar Gott abgeschafft, aber auf den Teufel können sie nicht verzichten: Trump oder Putin oder Weltverschwörer oder Ungeimpfte. Bösewichte sind austauschbar, helfen aber beschränkten Weltbildern ungemein, sich mit Bedeutungsschwere aufzuladen. Die sogenannten Analysen der MS-Journalisten sind in der Regel nichts anderes als ungeniessbare haltungsverseuchte Elaborate, die sie für ihresgleichen von sich geben. Sie weisen sich gegenseitig auch Preise zu, um sich in ihrer Haltung zu bestätigen und mit den Nestbeschmutzern, den Freien, glauben sie, spielend fertig zu werden. Sie machen wirklich immer wieder die gleichen Fehler, lernen nichts aus der Geschichte, weil die meisten auch keine Bücher mehr lesen, vor allem Praktikanten, die sich dafür umso wichtiger vorkommen und ihre Köpfchen nicht hoch genug tragen und ihre Näschen nicht genug oft rümpfen können. Was sie gestern geschrieben haben, interessiert sie heute nicht mehr. Der miserable Gesundheitszustand von Biden – für Leute mit Augen im Kopf seit Jahren ersichtlich – war bis gestern eine Verschwörungstheorie. Kamala Harris, die Nichtexistente, wird jetzt hochgeschrieben, und die Haltungsjournalisten werden bis zuletzt überzeugt sein davon, dass sie die nächste Präsidentin der V. St. sein wird und zusammen mit der hochkorrupten Ursula von der Leyen und der kriegsgeilen Kaja Kallas den Teufel im Kreml bändigen wird. Lachhaft und traurig zugleich!

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    • Ast
      Ast sagte:

      Ob diese «Elaborate» wirklich «haltungsverseucht» sind, wage ich zu bezweifeln, dreiviertel ist sowieso irgendwo abgeschrieben und der Rest meist schlecht helvetisiert und schlampig ergänzt. Ich glaube eher an den unendlichen Opportunismus von halbbegabten aber hochambitionierten Journalisten (und den meisten Anderen), ausserdem müssen Haus, Ferienhaus, Swimmingpool und der Ballettunterricht für den genderfluiden Nachwuchs finanziert werden.- In den vergangenen zwei Wochen beim gelegentlichen Durchblättern und -klicken der News fälllt auf, dass Trumps möglichst unvorteilhaften Fratzenfotos die alle von uns kennen, praktisch verschwunden sind. Andererseits darf man im TA plötzlich «lame duck» mit Biden in Zusammenhang bringen. Etwas, dass noch vor zwei Monaten in den Kommentarspalten mit dem Hinweis das man Beleidigungen, Häme etc. nicht dulde, abgelehnt worden wäre.- Ich denke die meisten Journalisten habe recht gute Antennen dafür, was ihre Chefredaktoren und deren Financiers lesen wollen. Wenn nötig schrei(b)en dann halt alle das Gleiche.

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