Sommer mit Loch, Part II

Die «SonntagsZeitung» hat ein Problem? Das wäre gelinde untertrieben.

Ihr «Fokus» war früher einmal ein ernsthaftes Gefäss für Grossreportagen, Untersuchungen, Primeurs, gewaltige Stücke. Dann denaturierte es immer mehr zum Interview-Abfüllgefäss, wobei das Niveau der Interviewten (und der Fragen) immer mehr ins bodenlos Seichte abglitt.

In dieser Tradition steht auch die aktuelle Ausgabe. Nichts gegen den «Genusswanderer» Richi Spillmann. Aber will man wirklich auf zwei Seiten wissen, «warum er meist ein kaltes Plättli bestellt, wo es die beste Gerstensuppe gibt – und was er nicht mehr auf der Karte sehen will»? Eben.

Aber vorher ist’s auch nicht viel besser. Fällt dir keine andere Alternative zu einem leeren Blatt ein, dann gehe einer «neuen Umfrage» nach. Die zeige «enorme Zunahmen von homophoben, muslimfeindlichen und antisemitischen Teenagern in der Schweiz». Ja sage mal, echt jetzt? Und auch gleich noch mit Kästchen «Hier finden Eltern Unterstützung», und natürlich einem Interview mit der «Zentralpräsidentin des Lehrerverbandes».

Die wird mit knallharten Vorwürfen konfrontiert: «Man sei zu «woke». Daraufhin darf sie schwabbeln: «Mit solchen Aussagen läuft man Gefahr, dass die Schule sagt: Wir fassen heikle Themen gar nicht mehr an.» Ein anständiger Interviewer würde nun nachhaken und darauf aufmerksam machen, dass das wohl keine Antwort auf die Frage sei. Aber doch nicht Arielle Peterhans und Roland Gamp; war wohl zu heiss dafür.

Dann eine frohe Nachricht für alle Lohnabhängigen: «Mobben war noch nie so einfach». Davon können viele Männer bei Tamedia ein Lied singen.

Aber wenn alle Stricke reissen, dann liefert die SoZ wenigstens noch Nutzwert: «Wie viel Trinkgeld gibt man in anderen Ländern? Und wie gibt man es richtig?» Steht zwar in jeder Reiseapp, aber hallo, vielleicht gibt es ein paar ältere Leser, die sich diese Seite rausreissen und mitnehmen.

Das sollte man bei der Seite «Standpunkte» eher unterlassen. Hier vertritt Min Li Marti die ferienabwesende Jacqueline Badran mit dem «Korrigendum», das meist weitgehend aus Korrekturbedürftigem besteht. Wir wollen ja über ihn schweigen, aber wenn Historiker Markus Somm ein Ausschnittchen aus der langen, komplizierten und von beiden Seiten nicht gerade freundlich geführten konfliktiven Beziehung zwischen Polen und Russland nimmt, ohne ein Wort über die Folgen von Brest Litowsk zu sagen, dann wird er mal wieder zur Schande seiner Profession, zum oberpeinlichen Renegaten, der bis ins höhere Alter öffentlich Abbitte für jugendliche linke Verirrungen leisten muss. Zum Fremdschämen.

Zur Höchstleistung von SZ-Knobloch, die mal kurz das Model Bella Hadid als angebliche Antisemitin abwatscht, hat sich ZACKBUM bereits geäussert.

Aber auch die SoZ hat eine kleine Sternstunde, die besteht im Interview mit der Bankenprofessorin Anat Admati, die kein Blatt vor den Mund nimmt, gewaltig mehr Eigenkapital fordert und schlichtweg festhält: «Die UBS ist ein untragbares Risiko für die Schweiz».

Aber auch hier, wie gewonnen, so zerronnen. Das nächste Interview führen Alexandra Kadves und Andreas Tobler mit der Westentaschenphilosophin Barbara Bleisch. Vorbei die Hoffnung, von ihr nie mehr etwas in Tamedia lesen zu müssen. Aber das Sommerloch muss wohl grauenerregend gähnen. Wer sich dieses Stück antut, ist stärker als ZACKBUM und geniesst unsere Bewunderung. Oder auch nicht.

Aber, geben wir’s zu, das wollten wir doch immer schon mal wissen:

Blöd nur: so ein Text kommt jeden Sommer. Garantiert. Zwischen dem Badi- und dem Glacetest. Unglaublich gähn.

Dann aber, ist das ein Blick in die Zukunft von Tamedia, ein echt abkühlendes Thema:

Dann sind sie wenigstens eine Zeitlang nicht so einsam. Der Text ist es übrigens auch nicht; hier rezykliert die deutsche Autorin Shoko Bethke, was sie schon im «ND» oder in der «taz» breitschlug. Aber Schweizer Medien zahlen zweifellos besser als deutsche, verständlich.

Dann erhebt aber wieder der Klimawandel sein hässliches Haupt, ZACKBUM vermisste ihn schon:

Es geht doch nichts über ein knackiges Getty Images-Symbolbild über einem Text der Klimakreische Joachim Laukenmann. Apropos, wow ist eigentlich Corona-Kreische Marc Brupacher? In den Ferien oder Hitzschlag?

 

 

2 Kommentare
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Für TA LeserInnen mit Digitalabo gibt es keinen Grund die Sonntagszeitung zu abonnieren. Geschätzte 80% aller Artikel der SoZ können gleichentags im TA online gelesen werden.

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  2. Gabriel
    Gabriel sagte:

    Sind die massenhaft am Boden liegenden Sportler endlich ein Bericht über die unzähligen, plötzlich und unerwartet tot um gefallenen, jungen voll im Saft steckenden Menschen?
    Dann wäre da echt wieder mal ein Primeur den alten Medien!

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