Frieden schaffen bloss mit Gaffen

Bei Tamedia darf ein Schlaumeier schlaumeiern.

Wer gelegentlich in der NZZ zu Wort kommt, muss ein grosser Kopf sein. Denkt sich wohl die Chefredaktion von Tamedia und erteilt dem tschechischen Politologen Janos I. Szirtes das Wort.

Der möchte gerne, dass das Schlachten in der Ukraine weitergeht. Der möchte gerne, dass auf Kosten der Ukrainer der Wertewesten den Unwerteosten fertigmacht. So formuliert er es natürlich nicht, sondern so: «Die Stimmen, die nach Friedens­verhandlungen in der Ukraine rufen, mehren sich. Sie ignorieren, welche Voraussetzungen dafür nötig sind

Dabei ist sich Szirtes mit Rásony und anderen Grossdenkern von nah und fern einig. Zuerst greift er zur Schalmei: «Frieden ist eine zutiefst menschliche Sehnsucht. Mit Friedensforderungen kann man leicht die Herzen – nebenbei und nicht unerheblich auch Wahlstimmen und Ansehen – gewinnen.»

Kein Wunder: «Um Frieden in der Ukraine zu schaffen, gibt es bereits eine lange Schlange von Anwärtern auf Vermittlung: Brasilien, Indien, Südafrika, Türkei, Ungarn, Schweiz, Vatikan sind nur einige von den entsprechenden Ländern. Zusätzlich stehen Parteien und andere Organisationen, ja selbst Einzelpersonen in Bereitschaft. Alle wollen sie vermitteln.»

Aber all diese potenziellen Vermittler wissen nicht, was Szirtes weiss. Das ist alles nur Tand und Tollerei, wenn nicht eine ganze Latte von «bestimmten Voraussetzungen» erfüllt sei. Der tiefe Denker zählt auf:

– Beide Seiten müssen einverstanden sein
– der Vermittler müsse unparteiisch sein
– Die Kriegsparteien seien nicht dumm und könnten selbst Kompromisse finden
– Der Vermittler müsse selbst zur Lösung beitragen
– Dafür sei eine glaubwürdige Persönlichkeit vonnöten
– Es sei ein «sicherer Standort» zu finden
– Ein solcher Friedensvertrag müsse «neue Grundlagen für die internationalen Beziehungen» enthalten

Ganz schön viel. Triviales und Abwegiges. Aber berücksichtige man nicht all das, «muss man sich darüber im Klaren sein, dass Waffenstillstand und Friedensverhandlungen für die Ukraine ausschliesslich zu den Bedingungen Putins möglich sind». Wie Szirtes nach seiner Aufzählung zu dieser Schlussfolgerung kommt, bleibt sein dunkles Geheimnis.

Aber natürlich möchte auch er ein bisschen Frieden, logo. Blöd nur: «Es ist an der Zeit, sich ernsthaft um Frieden zu bemühen, ohne Sprüche und Selbstdarstellungen. Doch derzeit fehlen dafür sowohl die Staaten als auch die Organisationen und Persönlichkeiten.»

Das ist natürlich echt scheisse. Eigentlich sollte man sich ernsthaft um Frieden bemühen. Aber wie bloss? Verflixt auch. Da fragt sich der Laie, der nicht über diese Tiefe des Denkens und Analysierens verfügt, wie es denn überhaupt in der Geschichte der Menschheit möglich war, zu Friedensverhandlungen zu kommen. Denn all diese Voraussetzungen, die es laut diesem Flachdenker braucht, waren niemals nie vorhanden.

Aber irgendwie ging es dann doch. Seltener wegen der völligen Niederlage eines Kontrahenten, häufiger, weil eben doch Friedensverhandlungen stattfanden und erfolgreich endeten. Wahrscheinlich auch deshalb, weil niemand auf Szirtes hörte. Was auch keinen Verlust für die Menschheit darstellt.

 

2 Kommentare
  1. Beo B. Achter
    Beo B. Achter sagte:

    «Doch derzeit (. . .) fehlen Persönlichkeiten.» Was ist denn mit Herrn Orban? Eine Persönlichkeit, die es wagt, sich für Frieden in Europa einzusetzen und deshalb von allen KriegsgewinnlerInnen und RussenhasserInnen dafür verurteilt wird. Wer sich einsetzt, setzt sich aus – und dazu braucht es mutige Menschen wie Herr Orban.

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