Köppel klappert

Da wünscht man sich einen strengen Vater, der dem Bubi sagt: Schluss jetzt.

Wie zu erwarten mopst Roger Köppel natürlich noch nach. Schon die Ortsangabe kommt breitbeinig und mit geschwellter Brust daher: «Kiew, Moskau».

Dabei hat sich Köppel bereits beim Golfen entspannt und sitzt nun bequem in der sicheren Schreibstube. Aber er war eben als Schosshündchen dabei, wo vermeintlich Geschichte geschrieben wurde, hat wieder den missionarischen Eifer, der sein sonstiges beeindruckendes Werk überschattet.

Köppel kennt manchmal kein Mass und keine Mitte, randaliert verbal vor sich hin, was nur seinem eingefleischten Fanclub gefällt und viel zu viele abschreckt. Aber das ist ihm egal, für ihn gibt es nur noch «Helden und Horror-Clowns». Also genauer gesagt einen einzigen Helden.

Einen mittelkorrupten kleinen Herrscher mit autokratischen Tendenzen, der sich zu weltpolitischer Bedeutung aufblasen will. Dass Viktor Orbán für den Frieden weibelt, ist schön. Die Beatles sangen schon «All you need is love», John Lennon doppelt mit «Give Peace a Chance» nach. Wollen nicht wir alle Frieden, Freude, das Ende aller Kriege, ach, und verhungernde Kinder wollen wir dann auch nicht mehr sehen.

Nun ist Orbán nicht nur Ministerpräsident Ungarns, sondern Ratsvorsitzender der dysfunktionalen EU. Als solcher hat er eigentlich nichts zu sagen, hat kein Mandat für nix, glüht aber dennoch unermüdlich um die Welt. Dass das nicht mit Begeisterungsstürmen in der Politik und den Medien aufgenommen wird, ist nicht wirklich erstaunlich.

Aber das ist Orbáns Sache; dass die meisten Mainstreammedien intellektuell immer neuste Tiefstwerte ausloten, geschenkt. Deren Blindheit und Blödheit ist zu kritisieren, ohne Frage. Aber indem Köppel eigene Hirnrissigkeiten dagegenstellt?

«Schuld an allem sind selbstverständlich immer nur die Russen. Die Gerichtshöfe der Moral machen kurzen Prozess … Zustand tobender Hysterie auf Seiten der Regierenden … Orbán entlarvt seine Kritiker als Kriegstreiber, die zwar vom Frieden reden … In der Lavahitze fiebriger Kriegsbesoffenheit … In diesem allgemeinen Wahnsinn wirkt Orbán wie der letzte Besonnene gegen ein Stechschrittheer von Kriegsbeduselten. Als einziger Staatsmann von Statur scheint er gewillt, eine Wiederkehr der schlimmsten Dämonen der europäischen Geschichte zu verhindern …Millionen von Europäern sehen es ganz anders. Für sie ist Viktor Orbán ein Held.»

Es ist ja schön für Köppel, dass er einen Helden anhimmeln kann, wenn auch mit Schwurbelsätzen auf Pennälerniveau. Denn der zärtliche Blick eines Verliebten verstellt die Sicht auf die Wirklichkeit, das ist immer so.

Die Russen sind tatsächlich an den Verheerungen, Schäden, Greueltaten und all dem Leid schuld, das dieser von ihnen vom Zaun gebrochenen Krieg verursacht. Putin (und seine Apologeten mit ihm) ist der grösste Versager der jüngeren russischen Geschichte. Er ist den USA in die Fall getappt, hat mit seinem idiotischen Versuch, die Ukraine «nazifrei» zu machen, Russland einen Schaden zugefügt wie keiner seiner Vorgänger im 20. Jahrhundert. Das Verhältnis zum Westen ist zerrüttet, die wirtschaftlichen Kontakte auf das Niveau des Kalten Kriegs zurückgeführt. Putin ist ein Lügner, ein wortbrüchiger Politiker. Die einzige Frage ist, wie lange er und seine Kamarilla sich noch an der Macht halten können.

Köppel hingegen fragt einen russischen Journalisten, der für jedes einzelne Wort, das Köppel hier schreibt – wäre es gegen russische Medien oder Politiker gerichtet – im Arbeitslager landen würde (wenn er Schwein hätte), ob Russland eine Diktatur sei. Und erwartet ernsthaft eine ehrliche Antwort? Pardon, aber wie bescheuert kann man heldentrunken denn sein? Als Antwort bekommt Köppel, dass Putin dann immer noch besser sei als Biden oder Trump. Das ist ungefähr so intelligent, wie wenn man sagen würde, dass Cholera dann doch besser als die Pest sei.

Natürlich gibt es Kriegstreiber, aber hüben wie drüben. Die russische Soldateska und Generalität ist – in all ihrer Unfähigkeit – genauso kriegslüstern wie die Sandkastengeneräle der westlichen Medien und die echten Generäle dazu.

Auch ein EU-Ratspräsident hat seine Aufgaben und seine Tätigkeitsgebiete. Er hat dabei ausdrücklich kein aussenpolitisches Mandat. Er hat sich auch nicht darum bemüht. Dass also die übrigen EU-Staaten nicht wirklich begeistert auf diese Usurpation reagieren, wen verwundert’s? Das ist doch einfach eine kalkulierte Provokation, eine billige Showeinlage Orbáns, den EU-Wimpel immer wieder aufblitzen zu lassen und mit unschuldigem Gesicht zu sagen, dass das doch nichts zu bedeuten habe. Es ist natürlich reiner Zufall, dass er erst nach Amtsantritt auf seine «Love and Peace»-Tournee ging.

Selbstverständlich darf sich Orbán, statt die zerrütteten Finanzen Ungarns in Ordnung zu bringen, gerne als Friedensengel verkleiden und gewichtig allen wirklich Wichtigen der Welt die Hand schütteln. Ausser dem US-Präsidenten; der wäre zwar auch nicht unwichtig, aber vielleicht wollte der nicht (oder hatte Angst, Orbán mit Erdogan oder so zu verwechseln).

Noch mehr durcheinander gerät allerdings Köppel: «Die Rede von den «westlichen Werten», von «Demokratie vs. Autokratie» ist ein Rückfall in überwunden geglaubte koloniale Muster.» Spätestens hier muss man sich ernsthaft Sorgen um seinen geistigen Zustand machen.

Köppel benützt den westlichen Wert der Rede- und Meinungsfreiheit, um alle, die nicht seine Meinung teilen, wüst zu beschimpfen und als «Horror-Clowns» niederzumachen – und denunziert das gleichzeitig als Rückfall in koloniale Muster? Er darf etwas, was seine russischen Kollegen, denen er breiten Raum einräumt, bei ihm Schwachsinn abzusondern, nicht dürfen. Er ist entweder naiv oder bescheuert genug, einen russischen Journalisten zu fragen, ob der in einer Diktatur lebe. Er verkennt, dass Putin nur deswegen zu seinen idiotischen Entscheidungen kommt, weil es keine freie Debatte um ihn herum gibt, weil Putin das Schicksal jedes Autokraten teilt, dass ihm niemand zu widersprechen wagt.

Wer Putins lähmend-langen Ausflug in eine völlig falsch verstandene Geschichte des 20. Jahrhunderts (Stichwort Polen) in dessen monologisierendem Interview angehört hat, weiss, dass der Mann in einer Parallelwelt lebt.

Mag sein, dass Orbán – neben einer guten Portion Selbstbespiegelung – wirklich ernsthaft um Frieden bemüht ist. Das ist NicoleEin bisschen Frieden») allerdings auch.

Man kann nun beiden Respekt zollen, durchaus. Man kann sich auch über die gurgelnde Kriegsberichterstattung in den westlichen Medien mit ihren dummen Kriegstreibern lustig machen. Tut ZACKBUM auch. Aber «Orbán, du bist mein Hero, der Einzige, grossartig, überwältigend, ich knutsche dich ab» abzusondern, dass ist bedenklich.

Nebenbei: sowohl das offizielle Russland wie das offizielle China äussern sich viel reservierter zu dieser Friedensmission. Denn dort weiss man: erreicht Orbán nichts, hat er wenigstens super von internen Problemen Ungarns abgelenkt.

Aber was Köppel macht,  ist schlimmer als falsch. Das ist dumm. Dumm wie Putin, um es deutlich zu sagen. Immerhin noch nicht so senil wie Biden oder amokig wie Trump. Aber vielleicht ist Köppel dafür einfach noch zu jung.

12 Kommentare
  1. Ruedi Rudolf
    Ruedi Rudolf sagte:

    “Das Wort, Lied und Video zum Sonntag“

    Viele Menschen, völlig unsichtbar in den unendlichen weiten des Weltalls, unterliegen dem unwiderstehlichen Drang, sich eminent wichtig zu machen. Dafür opfern Sie ihre ganze Energie und Lebenszeit. Im Wissen oder eben “Nicht-Wissen“ das Sie am Ende nur ein Häufchen Staub der Evolutionsgeschichte sind. Beim Rennen nach Macht, Geld und Status, nur um über ihren Mitmenschen zu stehen, machen Sie alles. Auch über Leichen gehen, auch über ihre eigene Leiche gehen Sie, ohne Rücksicht auf das eigene Karma, das ihnen dann früher oder später unangenehm und schmerzhaft auf die Füße fällt…aua…ui tuet das weh.

    “All we are is Dust in the Wind”

    I close my eyes
    Only for a moment, and the moment’s gone
    All my dreams
    Pass before my eyes, a curiosity
    Dust in the wind
    All they are is dust in the wind
    Same old song
    Just a drop of water in an endless sea
    All we do
    Crumbles to the ground, though we refuse to see
    Dust in the wind
    All we are is dust in the wind
    Now, don’t hang on
    Nothin› lasts forever but the earth and sky
    It slips away
    And all your money won’t another minute buy
    Dust in the wind
    All we are is dust in the wind
    Dust in the wind
    Everything is dust in the wind

    Kansas – Dust In the Wind
    https://www.youtube.com/watch?v=1qxSwJC3Ly0

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    Müsste ich nun noch Köppel oder die Weltwoche lesen?
    Reicht es nicht, zu wissen (und schätzen), dass es anscheinend noch ein contra zum peinlich abgesifften Atlantiker-Chor des mainstream gibt? Sogar in der brav-biederen Schweiz, Edel-Sumpf eben dieses Atlantic-Clans.

    Ich lese die Artikel auf zackbum, weil hier einer (und mit Zugaben des Forums) etwas weiter denkt, mit grossem Fundus, zackigen Analysen, geschliffenem Stil.
    Aber immer wieder halte ich mich zurück (nicht grad meine Stärke), denn ich lege mich nicht einfach aus Prinzip mit dem Chef an.
    Zwischen ‹Die Russen sind tatsächlich an den Verheerungen, Schäden, Greueltaten und all dem Leid schuld› und ‹Er ist den USA in die Fall getappt› klappt in diesen 3 Zeilen eine gewaltige Lücke.
    In der Sache selbst, wie auch beim Autor.

    Erstens fehlt da die mit ganz viel Geld nach oben gespülte Bande, die für diese Verheerungen, Schäden, Greueltaten genau so in der Verantwortung steht.
    Und zweitens arbeitete der Fallen-Bauer seit Jahrzehnten gezielt an diesem weiteren dreckigen Krieg. Halt einer mehr in der endlos langen Reihe von schmutzigen, provozierten Kriegen, mit denen die USA ihre Machtstellung ‹verteidigt›, Geld verdient, jedes Recht dieser Welt desavouriert.

    Und dann tapst der dumme Putin da rein.
    Herr Zeyer, was auch immer Sie treibt, gleich im Multi-Pack auf Ihren Feindbildern – Köppel voran, Putin im immer gleichen und Orban am Rande auch noch etwas Haue&Häme – rum zu hauen; ich weiss es nicht, interessiert mich nicht, masse mir auch keine Vermutungen an.
    Ich vermisse viel mehr eine sachliche, faire, intelligente Analyse. Denn jedes bisschen Orientierung in dieser total Gaga gehenden Welt, tut uns gut.

    Einfach mal angefangen beim plumpen, ewigen Rumgepflaume über den dummen Putin:
    Vor 30 Jahren war die Ex-Sowjetunion am Boden, zum Frass hin geworfen den gierigen Gaunern des Westens. Gorbatschow hat erst danach realisiert, dass er (und Russland) betrogen wurde. Wer zu spät kapiert……
    Putin trat auf den Plan, als Russland auf dem schnurgeraden Weg nach unten, zum ‹failed state› war.
    Seither geht’s dort nur aufwärts, nicht für alle aber auch für die einfachen Leute.
    Sogar für die sanktionierte Wirtschaft, ganz im Gegensatz zur Wirtschaft im Westen, da boomt grad noch die Rüstungsindustrie (vorher die Pharma, in etwa das Gleiche………..) und die ÜberwachungsmafAI.
    So dumm ist der Mann überhaupt nicht, unfähig schon gar nicht.
    Ob diese Auferstehung Russlands nun Putin oder seiner Umgebung zuzurechnen ist – das mit Kamarilla (neues Wort, musste ich guglen) müssten Sie eher mal in unseren verseuchten Gewässern einführen.

    Und einmal mehr, ich sehn mich nicht nach Autokraten, weder russischen noch chinesischen Verhältnissen. Aber diese Völker kommen aus einer ganz anderen Vergangenheit, die haben despotische, diktatorische Verhältnisse zur Genüge erlebt. Wie weit die mit schöneren Ideen noch kommen, nachdem sie jetzt was auf dem Teller haben, to be seen.

    Wir werden hingegen und inzwischen fast flächendeckend von wirklichen Idioten, Psychopathen, Abhängigen, Kraftlosen oder Kriminellen ‹regiert›, die sich nicht scheuen, Demokratie in den Mund zu nehmen, obwohl der Politik die $ vom Arsch hoch bis zum Hirn alles geflutet haben.
    Und wir im ehemals etwas freieren Westen laufen, nein stürmen nur noch nach unten. Betäubt, bequem und überfordert.
    Sehr geehrter Herr Zeyer, Sie schreiben ja täglich, energisch, gekonnt und mit viel Logik und Biss über diesen Niedergang hier bei uns. Ich sehe weder Lösung noch Ihre Klasse darin, wenn Sie ‹den Gegner› versuchen klein, lächerlich, dumm zu machen.
    Die sind ziemlich sicher schon einige Schritte weiter, hin zu einer Zukunft ohne die senil schamlosen alten Imperialisten, die unsere westliche Welt in atemberaubendem Tempo und unerreichter Dummheit in den Abgrund reissen.
    Vom abgrundtiefen ethischen Standard, den unsere Gegenwart beweist, hören wir ja Tag für Tag weiter….

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  3. C. Wallens
    C. Wallens sagte:

    Wow, das hätte nicht einmal der Häsler so gut hinbekommen. Herr Zeyer, die NZZ sucht stets nach willigen Gastautoren, die nachdem sie das Transatlantiker-Gelübte feierlich abgelegt haben, eine Spalte in der «Qualitätszeitung» bekommen. Versuchen Sie’s!

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  4. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Köppel, Märchenerzähler und kein Journalist! Der ideale Berichter aus der Schweiz für Putin und Orban denen er die Füsse küsst!

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  5. W. Gloor
    W. Gloor sagte:

    Gut gebrüllt, Herr Zeyer. Als nächstes wird Köppel den Friedensnobelpreis für Orban fordern und beim Papst dessen Heiligsprechung. Ich (als langjähriger Weltwocheabonnent bis zum russischen Angriff auf die Ukraine) kann nicht fassen, wie Köppel einseitig die russische Seite vertritt und dabei jegliches Mass verloren hat.

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  6. Ast
    Ast sagte:

    Hoffentlich macht Köppel nicht den Zeyer, wenn Zeyer hier den Bitterli gibt.
    (Ja, ja, weiss schon, ist ihre eigene Seite und überhaupt sind sie viel objektiver, besser informiert und dürfen schreiben was sie wollen, in der richtigsten Ortographie und.. und widerlich das Mittelalter! …..)

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  7. Hans Keller
    Hans Keller sagte:

    Er wird dir nichts antun, er will ja nur spielen.

    Dies ist offensichtlich der Leitsatz der RUSlandversteher.

    Kein Wunder braucht es eine «gurgelnde Kriegsberichterstattung in den westlichen Medien mit ihren dummen Kriegstreibern», damit auch der letzte Naivling, den Ernst der Lage erkennen kann.

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  8. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Köppel ist nicht dumm wie Putin. Letzterer scheint tatsächlich in eine
    teuflische Falle getappt zu sein. Die Pläne der Fallensteller scheinen aber
    offensichtlich nicht aufzugehen. Denn wer anderen eine Grube gräbt, fällt
    früher oder später selbst hinein. Roger Köppel hat frische Luft unter die
    Käseglocke Marke «Medialer Einheitsbrei» gebracht. Jeder darf natürlich
    seine eigene Meinung vertreten. Wenn das auch weiterhin möglich ist,
    dann hat daran auch RK durchaus seine Verdienste.

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