Die Orbán-Festspiele

Wenn es keine Checks and Balances gibt …

Die «Weltwoche» bietet normalerweise einmal wöchentlich mehr Brainfood als Tamedia oder CH Media die ganze Woche hindurch.

Umso bedauerlicher, wenn mal wieder keiner den Besitzer, Verleger, Herausgeber, Chefredaktor und Tausendsassa Roger Köppel einfangen kann.

Der durfte bekanntlich als Journi-Groupie den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán begleiten. Von Budapest nach Kiew und zurück, dann nach Moskau und zurück. Nach Peking und nun in die USA fliegt Orbán dann alleine; Köppel muss erst mal öffentlich verdauen, was er alles erlebte.

Also quillt die WeWo online und im Print über vor Orbán. «Friedensmission 4.0», sülzt Urs Gehriger. «Kriegsgezeter gegen Orbán», zetert Köppel. «Russland, der Westen und das Völkerrecht: im Ukraine-Krieg haben alle Konfliktparteien die Uno-Charta gebrochen», sekundiert Michael von der Schulenburg.

«Orbán führt Cassis und die EU vor», schulmeistert wieder Köppel. Oder schlicht und einfach: «Orbán ist ein Held». Natürlich lässt sich nicht nur Orbán seins massieren, auch Köppel selbst steht seinem Mitarbeiter Roman Zeller und dessen überkritischen Fragen Red und Antwort.

Während sich Köppel nicht einkriegt: «… wirbelt für den Frieden durch die Welt … unbeirrt stürmte Orbán weiter … die Berichterstattung über Orbáns Friedensreisen ist peinlich für den Journalismus … zum Glück rettet wenigstens einer noch die Ehre Europas. Gott sei Dank gibt es einen wie Orbán».

Der Friedensnobelpreis wäre wohl fällig, wenn auch eigentlich zu klein als Wertschätzung.

Neun Seiten plus eine Seite Editorial, satte 47’000 A füllen die Print-Ausgabe der WeWo, wo mal wieder niemand dem Schnell- und Vielschreiber Köppel erklären konnte, dass in der Kürze die Würze liege. Und niemand traute sich, ihm das Zitat von Joachim Friedrich vorzuhalten: «Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache

Natürlich ist die übrigen Journaille grün und blau vor Neid, dass es Köppel gelungen ist, sich auf den Schoss von Orbán zu setzen. Natürlich ist es speziell, dass ein mit allen Wassern gewaschener Politiker einen Journalisten so nahe an sich ranlässt. Das tut er allerdings nur, weil Orbán ein guter Menschenkenner ist und schnell gemerkt hat, dass Köppel in seiner ewigen Suche nach einer Vaterfigur ein neues Objekt seiner Begierde gefunden hat.

Hymnische Verklärung, stolzgeschwelltes «es wurde Geschichte geschrieben, und ich war dabei», der Provokateur Köppel erkennt sich im Provokateur Orbán wieder. Orbán weht im In- und Ausland eine steife Brise entgegen, auch das ist Köppel nicht unbekannt. Orbán ist von sich, seiner Mission und der Richtigkeit seiner Ansichten und Handlungen überzeugt – wie sein eineiiger Zwilling Köppel.

Wird von diesem «Wirbel für den Frieden» etwas Nennenswertes übrigbleiben? Mehr als Orbán mit ernstem Gesicht mit Selenskyj, mit Putin, mit Xi, demnächst noch mit Trump? Natürlich nicht. Mit Belustigung werden die wirklich Mächtigen der Welt huldvoll Orbán empfangen haben. Nachdem sie sich zuvor schlau machten: wer ist das schon wieder? Ach so, Ungarn, 177 Milliarden US-$ BIP, weit hinter Tschechien, mit 27’000 Euro pro Kopf weit unter dem EU-Durchschnitt von 35’500 Euro, Staatsdefizit 4,5 Prozent, rund 9,6 Millionen Einwohner. Nur damit der Schweiz vergleichbar (BIP 818 Milliarden US-$, pro Kopf 93’200 US-$).

Also ist sozusagen ein Fünftel Schweiz durch die Welt gedüst. Niemand braucht Ungarn wirklich, niemand würde es vermissen, niemand zuckt zusammen, wenn Orbán richtig böse würde, niemand nimmt ihn wirklich ernst, auch wenn er EU-Ratspräsident ist. Denn die EU nimmt auch niemand wirklich ernst, zerstritten und handlungsunfähig und dysfunktional wie sie ist.

Abgesehen davon unternimmt Orbán seine Welttournee ohne Abstimmung mit oder Unterstützung durch die EU. «I come in peace» heisst ein wunderbares Lied von Joe Cocker selig, das er in seinen späten Jahren grossartig mit einer Wunderband einspielte. Statt all das WeWo-Geschwurbel zu lesen, sollte man sich zurücklehnen, die Lautsprecher auf volle Dröhnung stellen – und geniessen.

22 Kommentare
  1. Hugo Liebknecht
    Hugo Liebknecht sagte:

    Zum BIP: Darum geht es ja indirekt beim NATO-Gipfel. Steigerung des BIPs durch Ankurbeln der Waffenschmieden für die Produktion von noch mehr überteuerten Wunder- / Vergeltungswaffen. Wird niemandem etwas bringen ausser Rheinmetall, Raytheon und Konsorten – und den Anlagefonds die in ihnen investiert sind. Umverteilung nach oben auf Steroiden.

    Zu Köppel: er ist genauso Hofberichterstatter wie der ganze Pack auf der anderen Seite auch. Er hat aber sein Zielpublikum, vermehrt in Deutschland. Im Sinne der Medienvielfalt (räusper) ist das eigentlich zu begrüssen…

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  2. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Ich schätze ihre Beiträge und das Schaffen von Herr Zeyer ungemein. Auch dieser Artikel ist gut, sehr gut geschrieben und trifft ins Herz, was diese WW und RK betrifft. Es geht um eine wirklich berechtigte Medienkritik.

    Jedoch etwa die letzten 200 Worte des Artikels machen den Rest fast wieder zunichte. Sie missverstehen die Mission Orbans. Ihre Abschätzigkeit darüber wer oder was oder wieviel Orban und Ungaren sind, finde ich absolut falsch.

    Sie ignorieren in diesem Artikel (sonst nicht) total, dass wir einen extrem gefährlichen und tödlichen Konflikt quasi ante portas haben, aus dem uns nur die Diplomatie herausführen wird. Dass es nicht darum gehen kann und darf, wieviel BIP Selenski resp. Putin tief in die Augen sieht, sondern dass es überhaupt jemand tut. Er spricht nicht für die EU, kann und will Orban auch nicht. Orban belehrt die Parteien nicht, er hat auch keinen Friedensplan. Er fordert alle massgeblich beteiligten Parteien lediglich dazu auf, wieder direkt miteinander zu sprechen, um den Krieg zu beenden.

    Die EU ist nur Vasall, nicht massgebend, daher gibt es in diesem Stadium keine ernsten Gespräche mit Flintenuschi, keine mit der Makrone und auch keine mit Sunak oder wer gerade sonst so in DS10 ein und aus geht, vom Bacon of Hope wollen wir schon gar nicht sprechen. Essenziell im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg sind die direkt massgebenden Parteien: RU, die USA, und zu einem Teil auch China (wirtschaftlich) und die Ukraine (direkt betroffen).

    Indien tritt als neutrale Vermittlerin auf, genau wie Brasilien. Orban in seinen offiziellen Funktionen ist eben nicht neutral, er ist NATO-Mitglied und gleichzeitig der Repräsentant der EU. Trotzdem setzt er sich dem Shitstorm aus, er weiss was auf dem Spiel steht. Als vermutlich direkte Folge seiner Initiative erleben wir jetzt, dass Selenski direkte Gespräche mit den Russen nicht mehr kategorisch ablehnt.

    Die heisse Kartoffel haben gerade die USA in den Händen, denn nur der US-Präsident kann abschliessend die Bedingungen mit Russlands Präsidenten verhandeln. Darum wird sich dieser Krieg leider zumindest noch bis zu den nächsten US-Wahlen hinziehen. Und dabei werden jede Woche weiterhin bis zu 30’000 junge Männer verwundet, verkrüppelt oder gar getötet – dazu noch die zivilen Opfer.

    Orban wird definitv zum Held, wenn er die Friedensgespräche in Gang bringt und gar einen baldigen Waffenstillstand vermitteln kann.

    Im Gegensatz zum peinlichen Birkenstockanlass, gibt es jetzt berechtigte Hoffnung, dass wirklich ein Waffenstillstand Realität werden könnte und damit unzählige Leben verschont werden.

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  3. Frido
    Frido sagte:

    Was soll falsch sein an den Friedensbemühungen von Orban, Herr Zeyer? Da reicht die gelbe Karte nicht mehr. Ich habe irgendwie wie, beim lesen den Eindruck bekommen, Zeyer will sich irgendwo einschleimen. Wird irgendwie qualitativ immer schlechter hier. Oder geht es um Neid, Herr Zeyer?

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    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Es geht nicht um die Friedensbemühungen von Orbán, sondern das Anhimmeln von Köppel, kann ja nicht so schwer sein. Für Ihre falschen Eindrücke kann ich nichts; wenn es hier für Sie mit Ihrer mangelhaften Orthografie immer schlechter wird, dann sage ich Ihnen schleimfrei: die Lektüre ist nicht nur gratis, sondern auch freiwillig …

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  4. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Natürlich sind wir ja alles nur Menschen. Aber unter Blinden ist nun mal
    der Einäugige König. Und wenn man sich da die Bilder des letzten Natod-Treffens
    ansieht….. Der kranke Mann vom Bosporus als Retter des Abendlandes!
    War das eigentlich ein Treffen des Türkenbundes mit dem «Pianospieler»
    von Kiew als Ehrengast?

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    • W. Gloor
      W. Gloor sagte:

      «Natod» ist so orignell wie «Elendinsky». Orban biedert sich wieder einmal bei Putin an – wenn er wieder die Millionen aus Brüssel braucht, wird er wieder handzahm. Aber Putin ist natürlich froh, dass ihn ausser Xi Jinping, Kim Jong-un, Modi und Lukaschenko auch noch einer aus dem Westen besucht.

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  5. Ruedi Rudolf
    Ruedi Rudolf sagte:

    Wer für Frieden ist und die Initiative ergreift ist auf dem guten Weg. Bei den West Medien und Politikern sind ja alle anderen initiativlos am Kriegsgurgeln. Der Westen hat sich komplett verirrlichtert.

    Euge Groove – Prayer For Peace
    Sister Rosetta – There’ll Be Peace in the Valley
    Ellis Mano Band – The Fight for Peace
    Doors – Peace Frog
    Cat Stevens – Peace Train
    High South – Peace Love and Harmony
    Peter Kent – Take A Ride In The Peace Train
    The Eagles – Peaceful Easy Feeling
    Curtis Stigers – What’s So Funny Bout Peace Love and Understanding
    Jimmy Cliff – Peace
    Boston – Peace of Mind
    John Lennon – Give Peace A Chance
    U2 – Peace On Earth
    Taylor Swift – Peace

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      Scho luschtig – alles änglischi songs………

      Fehlt eigentlich nur noch deutscher Schlager, wie hiess das bisschen noch?
      Macron singt inzwischen sein eigenes ‹terrain mimé›.

      Bemerkungen über die hebräische Hitparade lass ich bleiben, das ist so himmeltraurig was da unter dem grossen Schweigen der freien Welt abgeht…… Nemo als Sinnbild für eine enteierte, sich orientierungslos wegduckende betäubte Welt.

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      • Ruedi Rudolf
        Ruedi Rudolf sagte:

        “Düütsch und düütlich”

        Nena – 99 Luftballons
        Stephan Eicher – Hemmige
        Nicole – Ein Bisschen Frieden
        Karat – Der blaue Planet
        Karat – Albatros
        Karat – Jede Stunde
        Karat – Über sieben Brücken musst du gehn
        Hans Hartz – Die Weissen Tauben Sind Müde
        Hans Hartz – Der letzte Soldat
        Hans Hartz – Was Bleibt sind die Politiker
        Hans Hartz – Sturm
        Spliff – Kill
        Spliff – Augen zu
        EAV – Die Russen kommen
        EAV – Neandertal
        EAV – Dummheit an die Macht
        EAV – God Bless America
        EAV – Die Geschichte
        Georg Danzer – Die Letzte Eisenbahn
        Georg Danzer & Gandalf – Die Ruhe vor dem Sturm
        Georg Danzer – Weiße Pferde
        Santiano – Könnt ihr mich hören (nur immer weiter, schließt die Augen)

        Die Russen sind da!
        https://www.youtube.com/watch?v=SeeVJg1jmtA

        Hot Chocolate – I Believe in Miracles
        https://www.youtube.com/watch?v=_-p8bOoFlPo

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  6. W.Gloor
    W.Gloor sagte:

    Ich denke, Köppel aspiriert auf einen Job als Orban-Berater, wenn sein Blättchen WW am Ende ist. Die Foristen der WW sind jedenfalls begeistert: Sie huldigen Orban und Köppel in geradezu sektiererischer Art und Weise (Danke Gott, dass es solche Politiker und Journalisten gibt etc.)

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  7. C. Wallens
    C. Wallens sagte:

    Aha, das BIP ist jetzt also ausschlaggebend, ob sich jemand für Frieden einsetzen darf oder nicht. Wenn einem dazu noch «eine steife Brise» entgegenweht, macht man in Zeiten der Meinungs- und Gesinnungseinfalt ganz sicher alles falsch – schon klar. Und weil niemand Orbans Bemühungen «wirklich ernst» nimmt, können wir ja beruhigt sein und weiter eskalieren, bis uns die Kinschal-Raketen um die Ohren fliegen. Die Häslers und Müngers wussten halt schon immmer, wie man’s richtig macht.

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  8. Henri Leuzinger
    Henri Leuzinger sagte:

    Putziges Märchen: Kobold Köppel auf dem Schoss von Orban. Rumpelstilzchen Roger hat wohl auch ihm versprochen, Stroh zu Gold zu machen, bzw. in Wewo-Huldigungen zu verwandeln. Ob der das glaubt, spielt keine Rolle, aber mit Rogers Stroh lässt sich ein hübsches Feuerchen anzünden, das allerdings schnell erlischt. Immerhin reichts, dass der Kobold nachts ein paar Runden um die Flammen tanzen kann.

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    • C. Wallens
      C. Wallens sagte:

      Sie müssen mit Ihrer Lebensleistung nicht auf andere schliessen Herr Leuzinger. Sie können aber stolz sein auf Ihre Gesinnnung und Haltung. Damit sind Sie ganz sicher auf der Seite der Guten. Ihre Feindbilder sind breit abgestützt und geben Ihrem Tag Struktur.

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          • René Zeyer
            René Zeyer sagte:

            Nein. Hier soll argumentiert, nicht persönlich angerempelt werden. Und verschiedene Ansichten toleriert, wie von mir.

          • rene kueng
            rene kueng sagte:

            Ganz auf Ihrer Seite Frau Kunz.
            Zuerst getrampelt (auf peinlich üble Art) hat der Neider L, das war nicht mal mehr angerempelt.
            Da war auch kein Strohhalm Ansicht dabei, nur miese Absicht.

            Aber wahrscheinlich hat der Herr Leuzinger so was wie Promi-Status – in etwa so wie der Herr Toni Kroos, der einen Kreativen zusammen treten kann, zweimal innert 5 Minuten, ohne auch nur verwarnt zu werden.

            Und dem Orban zumindest Creativität zuzugestehen – neben all den Schlächtern, Heuchlern und Lügnern dieser Welt, würde zackbum gut anstehen.
            Wär auf jeden Fall näher am Schwarzer-Wagenknecht Aufruf, über Verhandlungs- und Friedens-Optionen zu sondieren.
            Die Kriegstreiberei wird schon flächendeckend von den Verbrecher-Medien betrieben.

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