Aktivismus statt Journalismus Teil 2
«Rundschau»-Beitrag über Schaffhauser Prügelattacke: ein demagogisches Meisterwerk. Die minutiöse Aufarbeitung.
Von Thomas Baumann
Hier geht es zu Teil 1.
Eine Vergewaltigung zur Einschüchterung — in der Wohnung eines Anwalts? Starker Tobak!
Selektive «Filmrisse»
All diese geschickten rhetorischen Verknüpfungen verdecken einige Widersprüche:
Fabienne W. soll möglicherweise zweimal innerhalb von etwas mehr als einer Woche vergewaltigt worden sein. An beide Vergewaltigungen kann sie sich nicht mehr explizit erinnern, in beiden Fällen wird ein Filmriss geltend gemacht.
In beiden Fällen erfolgt weiter der Hinweis auf die Aufnahme von Speisen oder Getränken. Im ersten Fall behauptet der Sohn, jemand habe der Mutter etwas ins Getränk gemischt — die Begründung dafür steht allerdings argumentativ auf ziemlich schwachen Füssen.
Im zweiten Fall ging es Fabienne W. nach dem «Dessert» nicht mehr gut. Das Dessert ist an sich völlig unerheblich — entsprechend wird nicht einmal gesagt, was es zum Dessert gab. Trotzdem wird es erwähnt.
Auch das ist kein Zufall. Das meiste Unwohlsein nach dem Genuss einer Nachspeise wird durch verdorbene Lebensmittel hervorgerufen. Wäre tatsächlich ein solches Unwohlsein vermutet worden, wäre nach der Art des Desserts gefragt worden. Doch natürlich ist nicht eine solche Form von Unwohlsein gemeint: Das Dessert ist in der Schilderung ein rein ‹neutrales› Medium, in das man gegebenenfalls KO-Tropfen geben könnte.
Im Widerspruch zu diesem Filmriss-Narrativ steht allerdings, dass an dem Abend, an dem Fabienne W. gemäss ihrem Sohn «etwas ins Getränk gemischt» wurde, diese einen sexuellen Kontakt ausgerechnet mit der Begründung «Weil ich davon nichts weiss» in Abrede stellt. Auch SRF scheint dieser Widerspruch nicht aufgefallen sein: Ist es doch gerade die Eigenschaft von KO-Tropfen, dass sich das Opfer an nichts mehr erinnern kann.
Geschickte Verknüpfungen und strategische Auslassungen
Schaut man sich die Sendung wiederholt an, fallen einem immer neue geschickte rhetorische Verknüpfungen und Auslassungen auf:
Obwohl es um eine «Einladung zum Abendessen» ging, wird mit keinem Wort erwähnt, welche Speisen dort verzehrt wurden. Ein richtiges Festessen würde natürlich dem Narrativ widersprechen, dass es sich bei der Einladung bloss um einen geschickt kalkulierten Hinterhalt handelte. Eine wohlkalkulierte Auslassung.
Dennoch wird erwähnt, dass es Dessert gab. Weil sich damit ein neuer Verdacht bedienen lässt.
Auch die Auswahl aus dem Videomaterial ist selektiv. So meint SRF zu einer Sequenz: «Die Aufnahmen zeigen auch, wie der Anwalt den Kampfsportler auffordert, auf W. loszugehen.» Ganz offensichtlich hat SRF aus dem gesamten Videomaterial bloss die Szenen ausgesucht, welche ihr Narrativ unterstützen.
Widersprüche — und eine versteckte Agenda?
Während rund der Hälfte des Beitrags lässt sich SRF darüber aus, dass die Behörden die Beweismittel offenbar unsachgemäss sicherstellten. Währenddessen werden den Zuschauern die Aufnahmen der Überwachungskameras in allen Details serviert.
Auch diesen Widerspruch vermag SRF nicht aufzulösen: Entweder sind auch die Strafverfolgungsbehörden im Besitz dieser Aufnahmen — und damit ist mehr als genug Beweismaterial für eine Verurteilung der Täter vorhanden. Die ganzen Vorwürfe an die Strafverfolgungsbehörden lösen sich in nichts auf.
Oder aber SRF verfügt tatsächlich exklusiv über diese Aufnahmen — und die Strafverfolgungsbehörden nicht. Dann fragt sich aber, wie SRF in deren Besitz gelangt ist. Der Anwalt dürfte sie ja kaum an SRF durchgestochen haben.
Einen Hinweis, worum es SRF in seiner Berichterstattung wirklich gehen könnte, zeigt eine Sequenz ganz am Schluss des «Rundschau»-Berichts vom 22. Mai: «Das Verfahren wegen Vergewaltigung beziehungsweise Schändung [in der Nacht vom 16. Dezember 2021] wurde inzwischen eingestellt. Fabienne W. hat dagegen Beschwerde eingelegt.»
Warum wird das erwähnt? In erster Linie hat diese Angelegenheit mit der Prügelattacke vom 28. Dezember 2021, welche im Zentrum der Berichterstattung steht, erst einmal nichts zu tun. Auch SRF dürfte zudem klar sein, dass es aufgrund der erdrückenden Beweislage in der Prügel-Affäre mit grösster Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung der Täter kommen wird.
Die Frage stellt sich: Warum rennt SRF mit der Berichterstattung über die Ereignisse in der Anwaltswohnung quasi offene Türen ein? Geht es letztlich gar nicht um diese Angelegenheit, sondern etwas anderes, eine Angelegenheit, wo SRF keine offenen Türen einrennen würde und wo die Beweislage viel dünner ist — nämlich die Ereignisse vom 16. Dezember 2021?
Dem Anwalt geht es an den Kragen
Auch in den Anwalt scheint sich SRF recht eigentlich verbissen zu haben: «Der Anwalt praktiziert weiter. Obwohl ihm das Anwaltspatent entzogen werden könnte, wenn die Aufsichtsbehörde zum Schluss kommen würde, dass er nicht mehr handlungsfähig oder vertrauenswürdig ist.»
SRF bedient sich hier derselben Methoden wie die Antifa: Man begnügt sich nicht mehr mit Kritik, sondern versucht, den Gegner auch in seiner beruflichen Existenz zu zerstören. Der Hinweis auf einen möglichen Entzug des Anwaltspatents ist nur zu durchsichtig: Es ist geradezu ein Wink mit dem Zaunpfahl an die zuständigen Behörden.
Dabei geht es hier nicht etwa um einen Anwalt, der seine Klienten schlecht beraten hätte und vor dem deshalb das Publikum geschützt werden müsste. Nein, hier soll ein Anwalt dafür bestraft werden, dass er sich mit den falschen Leuten abgibt.
Macht dieses Beispiel Schule, sind wir auch in der Schweiz bald bei chinesischen Verhältnissen: Dort werden nach den Angeklagten jeweils auch gleich noch deren Anwälte verurteilt und ins Gefängnis gesteckt.
Feministische Kreise dürften sich die Hände reiben: Haben wegen Vergewaltigung Angeklagte keinen oder nur noch eingeschränkten Zugang zu Anwälten, weil das Berufsrisiko für diese zu gross wird, dürfte die Zahl der Verurteilungen zunehmen.
Funiciello verirrt sich nach Schaffhausen
Eine klassisch unehrliche Masche ist auch das Lead zum verschriftlichten Bericht: «Der Polizei wird kriminalistisch unhaltbares Vorgehen und Unprofessionalität vorgeworfen», so SRF. Ja, von wem stammt denn dieser Vorwurf? Doch bloss von SRF selber.
Erst wirft SRF der Polizei Unprofessionalität vor und schreibt dann, der Polizei werde Unprofessionalität «vorgeworfen». Der Trick ist nur zu durchsichtig. Dass SRF zu diesem Zweck einen Experten herbeizieht, ändert nichts an der Masche.
Voreingenommene journalistische Arbeit hin oder her: Der Schaden ist angerichtet und die übrigen Verdächtigen springen auf den anfahrenden Zug auf, sofern sie nicht gleich von SRF selber eingeladen werden, wie die «Expertin für geschlechterspezifische Gewalt» Agota Lavoyer.
So krakeelte SP-Nationalrätin Tamara Funiciello an einer Demonstration in Schaffhausen: «Soll ich dort beginnen, wo einmal mehr eine Frau von einer Gruppe Männer zusammengeschlagen, gedemütigt, vergewaltigt wurde?»
Aus sechseinhalb Minuten in einem Schlafzimmer ohne Überwachungskamera und einer unbelegten Insinuation, dass dort eine Vergewaltigung passiert sein könnte, wird so eine scheinbare ‹Gewissheit›: Es gab dort eine Gruppenvergewaltigung — ausgeführt von einer Horde Männer innerhalb von sechseinhalb Minuten, inklusive dem Opfer die Kleidung wieder vollständig anzuziehen.
Was eine Berner Nationalrätin überhaupt im Kanton Schaffhausen verloren hat und ob es wirklich ihre Aufgabe ist, die Arbeit der Ermittlungsbehörden in einem anderen Kanton zu kritisieren — danach fragt schon gar niemand mehr.
Fortsetzung folgt.
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