Aktivismus statt Journalismus Teil 1
«Rundschau»-Beitrag über Schaffhauser Prügelattacke: ein demagogisches Meisterwerk. Die minutiöse Aufarbeitung.
Von Thomas Baumann
Geschickte rhetorische Verknüpfungen, strategische Auslassungen: SRF lässt in seinem Bericht keinen Trick aus, um die Zuschauer auf den Weg seines Narrativs zu lotsen.
Vor zweieinhalb Jahren wurde eine Frau in Schaffhausen brutal verprügelt. Die Staatsanwaltschaft eröffnete daraufhin ein Verfahren, stellte Beweismittel sicher. So weit, so normal.
Weil das Opfer mit dem Fortgang der Ermittlungen offenbar unzufrieden war, gelangte es an SRF. Die Sendung «Rundschau» zimmerte daraus einen reisserischen Bericht. Seither rätselt und streitet die Öffentlichkeit darüber, was hinter dieser Tat im nordwestlichsten Zipfel der Ostschweiz steckt.
Fast täglich melden sich weitere Akteure zu Wort, kommen neue Fakten und Sichtweisen zum Vorschein. Die Affäre ist in Bewegung und für ein Fazit ist es definitiv noch zu früh.
SRF schafft ein eigenes Narrativ
Es lohnt sich aber, an dieser Stelle einmal einen genauen Blick darauf zu werfen, wie die «Rundschau» ihre Berichterstattung ursprünglich aufgebaut hat. Denn es ging offensichtlich nicht darum, neutral ein paar Fakten aufzulisten. Vielmehr sollte ein eigentliches Narrativ geschaffen werden. Die Sendungsmacher taten dies mit viel Geschick.
Die zwei Hauptvorwürfe, welche in der Sendung erhoben werden: 1. Schlampige Polizeiarbeit; 2. Ein Vergewaltigungsopfer sollte dazu gebracht werden, von einer Anzeige abzusehen. Als es nicht kooperierte, wurde es verprügelt, eingeschüchtert — und möglicherweise gleich nochmals vergewaltigt.
Die Klammer, welche die beiden Teile zusammenhält: Über das Opfer sagte SRF, «nicht nur die massiven Angriffe hätten sie traumatisiert, sondern auch das Vorgehen der Behörden, welche die Männer mit Samthandschuhen angefasst hätten.»
Mit anderen Worten: Das Opfer hat nicht bloss direkte rohe Gewalt erfahren, sondern ist darüber hinaus auch noch Opfer struktureller Diskriminierung und dadurch re-traumatisiert worden. Am Horizont zeichnet sich das Schreckgespenst des ‹Patriarchats› ab.
Ein Überblick über die Sendung vom 22. Mai:
Der Beitrag wird anmoderiert: «Eine Frau wird zum Essen eingeladen und dann von einer Gruppe von Männern spitalreif geschlagen. […] Bei der Aufklärung des Kriminalfalls aus Schaffhausen spielt die Polizei eine fragwürdige Rolle.» 10 Sekunden Prügelbilder von der Überwachungskamera, daraufhin Fabienne W., welche auf einem Sofa sitzt.
Eine Stimme sagt in bedeutungsschwangerem Tonfall: «Fabienne W. [das Prügelopfer] ist in Behandlung wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Eine Folge der Misshandlungen, die sie erlebt habe, sagt sie.» Fabienne W. erzählt von ihrer angeschlagenen psychischen Gesundheit.
2. Minute: «28. Dezember 2021: Fabienne W. wird zum Abendessen eingeladen — in die Privatwohnung eines Anwalts, den sie flüchtig kennt.» Wieder Bilder der Überwachungskamera, erst friedlich, danach Prügelszenen. Dazu die Stimme aus dem Off: «In der Wohnung sind noch drei weitere Männer anwesend, alle Kumpel des Anwalts. […] Eine wehrlose Frau, vier Männern ausgeliefert.»
Nicht gesagt wird, wer die Einladung ausgesprochen hat. Fernsehzuschauer dürften stillschweigend davon ausgehen, dass die Einladung vom Hausherrn, d.h. dem Anwalt kam: Einladen kann man üblicherweise nur zu sich selbst — nicht in die Wohnung eines anderen. Eine Einladung zu einem Anwalt, den man persönlich nicht näher kennt, ist im Übrigen eher unüblich.
«Extreme Schmerzen»
3. Minute: «Am nächsten Morgen wird Fabienne W. in der Schaffhauser Altstadt gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Sie macht eine erste Aussage: Ich habe an den Beinen, zwischen den Beinen, an den Armen und am Kopf extreme Schmerzen. […] Den extremen Schmerzen zwischen den Beinen wird nicht nachgegangen.»
Ungesagt bleibt: Einer der beteiligten Männer hat die Sanität angerufen. Durch die Unterlassung geht der Fernsehzuschauer davon aus, dass Fabienne W. entweder von den Tätern verletzt ‹am Strassenrand› liegen gelassen und von Dritten «gefunden» wurde — oder sich mit letzter Kraft selber aus der Wohnung retten konnte.
4. Minute: Auftritt eines «unabhängigen Experten», in der Person des renommierten Strafverteidigers Konrad Jeker. Dieser findet es «nicht verständlich», dass den laut SRF extremen Schmerzen zwischen den Beinen nicht forensisch nachgegangen wurde.
SRF blendet den Namen des Juristen falsch ein: «Roland Jeker, Strafverteidiger». Solche kleinen Fehler sind oft ein Hinweis, dass auch im Grossen nicht sauber gearbeitet wird: Man glaubt, sich um Details foutieren zu können.
Nichtwissen als Dreh- und Angelpunkt
5. Minute: Der Anwalt wird mit den Worten «Ich habe nichts gesehen und nichts gehört. Ich weiss es nicht» zu den Vorfällen in seiner Wohnung zitiert. Der Experte kritisiert den Anwalt für diese Aussage.
Grundsätzlich ist diese Aussage aus dem Einvernahmeprotokoll des Anwalts kaum relevant. Sie erfüllt aber zwei Zwecke: Einerseits gerät dadurch der Anwalt ins Visier und wird zu einem möglichen Nebenziel. Andererseits erlaubt das Stichwort des ‹Nichtwissens› eine elegante Überleitung:
«Später zeigt sich: Der Anwalt weiss weit mehr, als er anfangs behauptet. Er weiss zum Beispiel, dass sein alter Kollege, nennen wir ihn Peter, in grossen Schwierigkeiten steckt. Denn Peter soll Fabienne W. vergewaltigt haben, vor etwas mehr als einer Woche, am 16. Dezember 2021.»
Innert zwei Minuten und mit einem rhetorischen Kniff wird so aus einer ‹einfachen›, wenngleich brutalen, Prügelei eine potentiell gleich zweifache Vergewaltigung!
SRF zerrt den Sohn der Opfers vor die Kamera
6. Minute: SRF zerrt den Sohn des Opfers vor die Kamera. «Ihr Sohn glaubt, jemand habe seiner Mutter an jenem Abend [16. Dezember 2021] etwas ins Getränk gemischt.» Den Grund dafür nennt der Sohn mit treuherzigem Blick: «Ich kenne meine Mutter so nicht. Ich habe meine Mutter auch schon gesehen, als sie ein paar Gläschen zu viel gehabt hatte. Damals war sie niemals so gewesen, wie an jenem Abend dort.»
Peter wird mit der Aussage zitiert, es habe schon an der Party am 16. Dezember 2021 einen sexuellen Kontakt zwischen ihm und Fabienne W. gegeben. Fabienne W.: «Das ist nicht möglich!» Interviewer: «Warum nicht?» Fabienne W.: «Weil ich davon nichts weiss.»
7. Minute: In der Nacht kam es in der Wohnung von Fabienne W. gemäss Peter dreimal zu «einvernehmlichem» Geschlechtsverkehr. Fabienne W., wieder auf dem Sofa sitzend, schildert, dass sie am Morgen beim ersten Toilettengang herauslaufende Flüssigkeit zwischen ihren Beinen feststellte.
Anwesender Abwesender
8. Minute: Peter bekommt mit, dass herumerzählt wird, dass er Fabienne W. vergewaltigt habe. Er sucht juristischen Rat beim Anwalt. Dieser rät ihm, nichts zu tun. «12 Tage nach der mutmasslichen Vergewaltigung wird Fabienne W. zum Abendessen eingeladen — zum Anwalt nach Hause. Dessen Kumpel Peter ist an diesem Abend nicht anwesend.»
Wiederum ein rhetorischer Kniff: Obwohl der Abend offenbar nichts mit Peter zu tun hat, wird durch die explizite Erwähnung seiner «Abwesenheit» trotzdem eine Verbindung hergestellt.
9. Minute: «Der Anwalt sei an jenem Abend schnell auf die Vergewaltigung zu sprechen gekommen.» Fabienne W.: «Ich musste an den Tisch sitzen und mit dem Anwalt sprechen, dass ich keine Anzeige machen werde.»
In der Zwischenzeit ist aus weiteren Recherchen bekannt, dass Fabienne W. nicht vom Anwalt eingeladen wurde und dieser erst später dazu stiess. Der «Rundschau»-Beitrag vermittelte hingegen wiederholt den Eindruck, dass die Einladung vom Anwalt stammt.
Das ominöse Dessert
15. Minute: «W. habe angefangen zu randalieren, werden die Männer später sagen. Sie hätten lediglich versucht, sie zu beruhigen. W. vermutet hingegen, es sei um Einschüchterung gegangen. […] Zu sehen ist aber auch, wie die Männer mit der Frau im Schlafzimmer verschwinden. Erst nach sieben Minuten kommen sie wieder mit ihr raus. Was ist hier passiert? Auffällig, W. trägt nun Handschellen. Sie weiss von all dem nichts mehr.» Fabienne W.: «Ich weiss einfach, nach dem Dessert-Essen ging es mir nicht mehr gut.» Sie habe einen Filmriss gehabt.
Auch hier wieder rhetorisch geschickt verknüpft: Erst wird das Wort «Einschüchterung» in den Raum gestellt, dann eine mögliche Vergewaltigung insinuiert. Die schon früh in der Sendung — unter anderem durch den ersten Auftritt des Experten — thematisierten «extremen Schmerzen zwischen den Beinen» erlangen hier ihre volle Bedeutung.
Es bleibt jedoch bei der Andeutung, der schwere Vorwurf wird nicht weiter ausgeführt. Was haften bleibt: Die Assoziation von Vergewaltigung und «Einschüchterung». Eine Vergewaltigung zur Einschüchterung — in der Wohnung eines Anwalts? Starker Tobak!
Fortsetzung folgt.
Wieso leisten eigentlich ausgerechnet die Leute, die die höchsten Zwangsgebühren (der Welt) erhalten keine Qualität, finden nicht zu objektiver, neutraler Berichterstattung?
Der angerichtete Schaden ist gravierend.
1. Die erforderliche Glaubwürdigkeit von srf ist verspielt
2. Durch die mediale Vorverurteilung der mutmasslichen Täter, ergibt sich im Strafmass eine Milderung
3. Die erforderliche Glaubwürdigkeit vom mutmasslichen Opfer ist verspielt. Nicht nachvollziehbar ist folgendes: wenn ich doch mutmasslich vergewaltigt wurde, gehe ich doch nicht ein paar Tage später, eine solche Einladung ein. Frau W. wusste doch, es wird Alkohol und Drogen konsumiert. Sie hat die Wohnung beim ersten verlassen unbeschadet überstanden. Wenn sie sich doch so sehr bedrängt fühlte, warum ist sie dann nicht gleich gegangen? Es steht alles sehr im Widerspruch
4. Selbstverständlich ist die Gewalt in keiner Weise entschuldbar.
5. Ob die Polizei, Stawa und Rechtsmedizin wirklich Fehler machten, kann nur mit fundierter Akteneinsicht beurteilt werden
Mario Poletti rauswerfen und die Rundschau abschaffen! Wie tief muss das journalistische Niveau von SRF eigentlich noch in den Keller, bis endlich harte Konsequenzen folgen? Solcher „Journalismus“ wurde auch in der DDR betrieben, wo die Resultate von Berichten durch die Kommunisten im Voraus diktiert wurden. Unfassbar müssen wir für solchen Schrott noch immer Zwangsgebühren bezahlen.