Peinlich, kläglich, erbärmlich

Neuerlicher Totalflop. Die Journaille – auch bei Tamedia – blamiert sich ein weiteres Mal bis auf die Knochen.

Grosses Gedöns, wilde Anschuldigungen, Tamtam und Kriegstänze von vor Bedeutungsschwere kaum laufen könnenden Journalisten. Und dann? Nichts. Eine Firma ruiniert, viele Existenzen ruiniert, zwei klägliche Rücktritte, ein paar Pipifaxprozesse, sonst nichts.

Federführend im deutschen Sprachraum war die «Süddeutsche Zeitung». Die Julian Assange frech anrempelt. Der wahre Skandale aufdeckte, keine erfundenen. Auch Tamedia schäumte damals mit, behauptete neue Blicke in Abgründe, Verbrechen, Blutgelder, mindestens Steuerhinterziehung, furchtbar. War dann nix. Kleinlaut bringt Tamedia nun eine AFP-Meldung. Unrechtsbewusstsein? Zerknirschte Entschuldigung von Brönnimanns und Co., die sich wieder mal völlig vergaloppiert hatten? Niemals.

Wenn der Köter bellt, wedelt Tamedia mit. Das ist schändlich. Alles, was dazu zu sagen ist, sagte René Zeyer bereits 2016 in der «Weltwoche». Zeit, den Artikel zu rezyklieren. Denn es gibt journalistische Werke, die eine Halbwertszeit von mehr als 5 Minuten haben. Im Gegensatz zu vielem Geschrei und Geschreibsel …

Wenn der Panamahut hochgeht

Von René Zeyer _ Schon wieder: Der grösste Datendiebstahl aller Zeiten rüttelt die Besitzer von Briefkastenfirmen durch. Der eigentliche Skandal ist das Vorgehen der Ankläger.

Ein «John Doe» schickt einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung eine Nachricht: «Interessiert an Daten? Ich teile gerne.» Und dann kommt ein Berg in der Höhe von 2,6 Terabyte, 11,5 Millionen Dateien. Das überfordert die Kapazitäten der Süddeutschen, also wendet sie sich an das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), eine spendenfinanzierte US-amerikanische NGO, die bereits einschlägig in Erscheinung getreten ist.

Unter dem pompösen Titel «Swiss Leaks» nagelte das ICIJ 65 Personen an den Internet- Pranger, denen nicht viel mehr vorgeworfen wurde, als dass sie in Geschäftsbeziehungen mit der Grossbank HSBC standen. Man habe in den gestohlenen Datensätzen Hinweise für Steuerhinterziehung oder gar die Finanzierung von Terror-Organisationen und für andere kriminelle Handlungen gefunden, behauptete das ICIJ. Kleiner Schönheitsfehler: In keinem Fall reichte das für eine Anklage. Die einzige Straftat bestand im Diebstahl von mehr als 100 000 Kontounterlagen.

Zuvor gab es die «Offshore Leaks». Unter anderen wurde der verstorbene Millionär Gunter Sachs beschuldigt, mit Trust-Konstruktionen Steuern hinterzogen zu haben. Darüber hinaus gebe das ICIJ endlich einen Einblick in die geheime Welt von Trusts, Offshore-Paradiesen und asozialen Superreichen. Nach kurzer Zeit und entsprechender Erregungsbewirtschaftung lösten sich diese 260 Gigabyte gestohlener Daten in Luft auf; so konnte auch Sachs keinerlei illegales Tun nachgewiesen werden. Nur sein Ruf war postum ruiniert.

Mit den «Panama Papers» wird nun etwas höher gezielt. Die panamaische Kanzlei Mossack Fonseca, der die Daten gestohlen wurden, habe mehr als 200 000 Gesellschaften gegründet, die unter anderem dazu dienten, internationalen Sanktionen zu entgehen, Steuern zu hinterziehen oder Geld zu waschen. Rund 140 Politiker und Amtsträger weltweit gehören zu den Benutzern, darunter der Premierminister von Island – und «das Umfeld von Wladimir Putin». Schon wieder handle es sich um einen gigantischen Skandal: «Millionen von Dokumenten zeigen, dass Staatsoberhäupter, Kriminelle und Prominente geheime Verstecke in Steueroasen benützen», klagt das ICIJ auf seiner Website an.

«Unschuldsvermutung»

Der ehemalige Spiegel-Chefredaktor Georg Mascolo, in Deutschland federführend bei der Auswertung des Datenbergs, weist in einer Talkshow darauf hin, dass auch hier «die Unschuldsvermutung » gelte und selbstverständlich die Errichtung oder Benützung eines Trusts per se nicht illegal sei. Aber die auch nur behauptete Verbindung zu den Unwörtern Briefkastenfirma, Panama, Steueroasen reicht, um den Ruf zu ruinieren. Umso ferner und unsympathischer der Besitzer ist, umso besser. Sollte sich wieder herausstellen, dass keine Straftatbestände erfüllt wurden – na und?

Was nützt es da, darauf hinzuweisen, dass ein Trust, eine Holding, die Errichtung einer Gesellschaft im Rahmen völlig legaler Steueroptimierung nicht nur für Hunderttausende von kleinen Hausbesitzern in Grossbritannien, sondern auch für jede international tätige Firma notwendig sind? Deren Finanzchef müsste wegen Unfähigkeit entlassen werden, würde er diese Vehikel nicht nutzen. Selbst Bundesrat Schneider-Ammann kann ein Lied davon singen, was passiert, wenn man damit in Verbindung gebracht wird.

Legitim, aber unmoralisch

Die beteiligten Journalisten spielen Ankläger und Richter in einer Person, statt die gestohlenen Daten den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu übergeben. Sie ersetzen die Grenze zwischen legal oder strafbar durch «legitim, aber unmoralisch». Wieder fragen sie nicht: «Cui bono?» Obwohl die USA die grösste Steueroase der Welt sind, im Bundesstaat Delaware in einem einzigen Gebäude die grösste Ansammlung von Briefkastenfirmen existiert, ist bislang unter den «politisch exponierten Personen » kein einziger US-Bürger aufgeführt, keine dort angesiedelte Trust-Konstruktion. Die einfache Erklärung: In Delaware oder Nevada wäre ein Datenleck gar nicht möglich, weil diese Offshore-Zentren über keinerlei Informationen zu den wirtschaftlich Berechtigten verfügen.

Ramón Fonseca Mora weist in seiner bislang einzigen öffentlichen Stellungnahme darauf hin, dass die von ihm mitbegründete Kanzlei Mossack Fonseca in ihrer vierzigjährigen Existenz noch nie angeklagt, geschweige denn verurteilt worden sei. Man stelle lediglich für Zwischenhändler pro Jahr im Schnitt 20 000 solcher Konstrukte her, mit deren Verwendung man nichts zu tun habe. In den USA werden jährlich 200 000 solcher Vehikel verkauft, in Grossbritannien 250 000. Noch Fragen?

Macht es wirklich Sinn anzunehmen, dass ein einzelner Hacker – oder eine kleine Gruppe – diesen grössten Datenklau aller Zeiten bewerkstelligt und sich dann bei einer Zeitung meldet, um ohne die geringste Gegenleistung 2,6 Terabyte zu verschenken? Wichtiger noch: Das einzige erwiesene Verbrechen besteht bislang darin, dass eine Unmenge von vertraulichen Daten gestohlen und veröffentlicht wurde. Eine eklatante Verletzung der Privatsphäre, begleitet von der Anprangerung von Nutzern und Herstellern. Mossack Fonseca ist inzwischen mit umfangreichen Erklärungen zwischen Geschäft in die mediale Gegenoffensive gegangen. Das prallt aber an der aktuellen Pogromstimmung ab.

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