Tagi mit Glaskinn

Forumszeitung, offener Dialog? Widerworte? Aber nein.

Die Oberchefredaktorin Raphaela Birrer von Tamedia hat vor Kurzem in einem selbstbeweihräuchernden und um Abonnenten bettelnden Editorial rausgehauen, dass die vielen Journalisten von Tamedia «den Geschichten nachgehen, die sonst nicht erzählt werden». Sie behauptete: «Mit einem Tagi-Abo leisten Sie sich Qualitätsjournalismus.» Sie säuselte: «Wir bilden die Argumente aller politischen Lager ab, bei uns werden die grossen Debatten geführt.»

Was sie nicht schreibt: auch beim Tagi dürfen Geschichten nicht erzählt werden, werden Debatten nicht geführt. Dort trug es sich nämlich zu, dass ein einschlägig mit Vorurteilen belasteter Gastautor einen Kommentar schrieb:

Freie Meinung für freie Bürger. Selbst, wenn sie falsch ist. Klar doch. Allerdings: da sich ZACKBUM-Autor René Zeyer bei diesem Thema etwas auskennt, raffte er sich zu einer Erwiderung auf (folgt im Anschluss hier) und reichte sie bei zuständiger Stelle ein.

Die blieb solange stumm, dass man sich schon Sorgen machte, ob der Redaktor der neusten Sparwelle zum Opfer gefallen sei. Ist er aber nicht; und zu seinem sicher grossen Bedauern (denn er selbst ist durchaus noch ein aufrechter Mann) musste er als his master’s voice dann Folgendes bekanntgeben:

«Sehr geehrter Herr Zeyer
Vielen Dank für Ihre Zuschrift. Die Chefredaktion hat aufgrund wiederholter persönlicher Diffamierungen von Mitgliedern unserer Redaktion auf Ihrem Blog entschieden, keine Beiträge mehr von Ihnen zu publizieren. Danke für Ihre Kenntnisnahme.»

Wir wischen uns die Lachtränen ab und halten kurz fest: wiederholte Kritik ja, Diffamierungen, das verbitten wir uns. Schlimmer ist aber: selbst wenn die Mädels in der Chefredaktion (denn genau um die geht es ja) persönlich furchtbar beleidigt sind, dürfte das in einem Qualitätsmedium doch kein Grund sein, eine Erwiderung nicht zu bringen. Vor allem, wenn die überhaupt keinen Bezug zu Tamedia hat.

Es ist keine Diffamierung, wenn ZACKBUM festhält: peinlich. Erbärmlich. Niveaulos. Dabei ist die Wirklichkeit  noch erbärmlicher. Denn vor einiger Zeit diffamierte der Tagi selbst den Autor René Zeyer und warf ihm ohne den geringsten Beleg vor, er treibe ein «Doppelspiel». Dass Zeyer, angefragt, zuvor alle Anwürfe widerlegte hatte, interessierte nicht im Rachefeldzug.

Damals war dem Tagi über die Leber gekrochen, dass kritisiert wurde, seine unerträgliche Verwendung von Hehlerware in Form von angeblichen Leaks oder Papers führe zu existenzvernichtenden Vorverurteilungen und öffentlichen Hinrichtungen, wie im Fall von Gunter Sachs oder einem angolanisch-schweizerischen Geschäftsmann. Daran war nicht zu rütteln, also sollte der Bote geköpft werden.

Und welcher Beitrag wurde den Tagi-Lesern vorenthalten? Bitte sehr.

Entwicklungshilfe schadet

Edler Zweck, tödliche Wirkung. Entwicklungshilfe ist Todeshilfe. Sagt nicht nur die sambische Wissenschaftlerin Dambisa Moyo.
René Zeyer
Ein Unmensch, der nicht einem Armen helfen will. Einen Verhungernden ernähren. Ein krankes Kind vor dem Tod retten. Und überhaupt das Elend der Welt bekämpfen, das wir Nachfahren der Kolonialisten doch mitverschuldet haben.
So geht das Narrativ, geht die Mär. Damit leben auch in der Schweiz viele NGOs, leben ihre Funktionäre und Mitarbeiter mit exorbitanten Managerlöhnen und lernen auf Entdeckungsreisli viele Gegenden der Welt kennen. So war der SP-Nationalrat und Co-Präsident von Swissaid Fabian Molina gerade auf Erkundungstour in Kolumbien. Bezahlt von Spenden- oder Steuergeldern.
Aber die bittere Wahrheit ist: Entwicklungshilfe nützt nicht, sie schadet nur. Schwarzafrika, wenn man den Teil zwischen der arabischen Welt und Südafrika so nennen darf, ist exemplarisch dafür. Seit der Unabhängigkeit der Staaten floss rund die Hälfte aller Entwicklungshilfsgelder dorthin, rund eine Billion Dollar. Gleichzeitig verdoppelte sich dort die Zahl der absolut Armen, also der Menschen, die kaufkraftbereinigt weniger als 1,9 Dollar pro Tag zur Verfügung haben.
Schlimmer noch: Länder wie der Tschad bestreiten den Grossteil ihrer Staatsausgaben mit Entwicklungshilfsgeldern. Die korrupte Oberschicht und das herrschende Regime entledigen sich so der eigenen Verantwortung für das Wohlergehen seiner Bürger. Damit stabilisiert die Entwicklungshilfe solche Unrechtsstaaten, wird zum Helfershelfer von Ausbeutung und Unterdrückung und Vernachlässigung.
Andererseits hat Armut weltweit deutlich abgenommen. Nur nicht wegen Entwicklungshilfe, sondern wegen des wirtschaftlichen Aufschwungs in China und Indien. China hat niemals Entwicklungshilfe in Anspruch genommen …
Deshalb fordert nicht nur Moyo, Autorin des Weltbestsellers «Dead Aid», Todeshilfe, der im deutschen Sprachraum totgeschwiegen wurde, eine sofortige Einstellung jeglicher Hilfe dieser Art. Wegen erwiesener Untauglichkeit und weil sie unerträgliche Zustände nicht lindert, sondern perpetuiert.
Dagegen behauptet Toni Frisch, ehemalige Mitarbeiter des Deza, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit: «Wer Entwicklungshilfe plündert, schadet sich selbst». Damit hat er völlig recht, allerdings anders, als er meint. Weniger Entwicklungshilfe heisst weniger Geld für Sesselfurzer im Deza, weniger Geld für Entwicklungshilfsorganisationen wie Swissaid, die fast zur Hälfte von Steuergeldern lebt, die ihr vom Deza rübergeschoben werden. Um völlig unsinnige und wirkungslose Projekte in Ländern der Dritten Welt zu betreiben. Darunter die Diktaturen Nicaragua, Myanmar, Niger oder Tschad.
Eine Untersuchung und Analyse der Verflechtungen zwischen Bürokratien wie das Deza, NGOs in der Schweiz und dem Pöstchengeschacher von SP und Grünen wäre sowieso überfällig.
All diesen Ländern der Dritten Welt geht es trotz jahrzehntelangem Einsatz von Swissaid und anderen heute entschieden schlechter als früher. Kürzungen bei der Schweizer Entwicklungshilfe schaden nicht dort, sondern helfen dabei, die Ausgaben für eine veritable Helferindustrie in der Schweiz zu verkleinern, die in erster Linie sich selbst hilft.
René Zeyer ist Publizist und Autor des Buchs «Armut ist Diebstahl. Warum die Armen uns ruinieren».

7 Kommentare
  1. Karl Warth
    Karl Warth sagte:

    Es ist sehr lustig. Sehr lustig, wie sich der Tragi hier so hochanständig gibt. Sehr lustig, wie ernst es dem Tragi mit „Debatte“ ist.
    „Debatte“ heisst beim Tragi nicht Meinungsaustausch oder Streitgespräch, sondern es steht für „verkrampfter Versuch ein Thema zu lancieren“.
    Aber bitte keine Äusserung oder gar Denken ausserhalb der Kakophonie. Was für eine Nichtzeitung..!

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  2. Oliver Brunner
    Oliver Brunner sagte:

    Mir fällt auf, dass der Tagi Online-Kommentare mit dem immer gleichen Standardschreiben abschmettert, die ihm nicht in den Kram passen. Dabei schreibe ich nicht diskriminierend, verwende keine Schimpfwörter und verbreite keine politische Werbung. Ich weise lediglich auf offensichtliche Fehler, Versäumnisse hin oder habe stelle dar, dass man mit den gleichen Fakten völlig anderer Meinung sein könnte. Immer, immer «es tut uns leid…»

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  3. H.v.Atzigen
    H.v.Atzigen sagte:

    Entwicklungshilfe gehört abgeschafft?
    Nein, umgestaltet in Hilfe zur Selbsthilfe, logo als Angebot für jene die das WOLLEN.
    Die Religionen auch die Christlichen predigen das Teilen.So nebenbei wie der Realsozialismus auch.
    Teilen kann man nur das verfügbare was für den Einzelnen abfällt ergibt sich aus der Menge
    der zu Beglückenden.
    Die Bibel hat auch rational nüchternes zu bieten, wenn man es findet und erkennt. Zb. gib einem hungernden einen Fisch und er hat einen Tag zu essen lehre in Fischen und er hat (sofern nicht zu faul) ein Leben lang zu essen.
    Ergänzende Anmerkung:
    Auch das funktioniert nur, solange der See nicht überfischt wird.
    Damit sind wir beim nächsten Punkt wie sollen Versager anderen Hilfe zur Selbsthilfe anbieten oder andere dazu nötigen?
    Armut ergibt sich aus der Missachtung der NATURGESTZE hier wiederum spielt die Mengenfrage durchgehend eine zentrale Rolle.
    (Leider scheiterte die Einführung der Mengenlehre vor gut 40 Jahren.)
    Der Verfasser des, Wohlstand der Nationen, Adam Smith ahnte was wir heute wissen könnten und wissen sollten.
    Die sog. unsichtbare Hand, das sind die Naturgesetze mit all ihren„Unterabteilungen„ Zb. Mathematik usw. (obendrauf sind alle Faktoren auch noch relativ wirkend) die unerbittlich Fehlentwicklungen korrigieren. lnnzwischen ist das Wissen, verfügbar mit der Akzeptanz und der Anwendung hapert es immer noch gewaltig.
    MfG.

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  4. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Birrer: «den Geschichten nachgehen, die sonst nicht erzählt werden». Richtig wäre, mangels Kreativität und fehlender journalistischer Neugier schreiben wir auch ab. Gestern ein Artikel von Lukas Hässig, InsideParadeplatz: «Zürcher Edel-Bar verlangt 1 Stutz pro Eiswürfel». Heute im TA und den RZ, ein Artikel von der Teilzeitmitarbeiterin an der Werdstrasse Helene Arnet: «Ein Eiswürfel erhitzt die Gemüter». Die billigste und peinlichste Art von Journalismus, abkupfern, noch etwas Recherche, publizieren. Das ist BLICK, Nau Niveau.

    Bei diesem bedenklichen Niveau ist es doch verständlich das Frau Birrer sich nicht auf kritische, anspruchsvolle Diskurse einlassen will/kann. Es ist nicht neu das Entwicklungshilfe vielfach das Gegenteil bewirkt, Länder spaltet, lähmt, von korrupten Machthabern Gelder zweckentfremdet werden, das Toni Frisch als ehemaliger DEZA Chef gutgläubig wie er ist und war einen eingeschränkten Fokus hat. Die Verweigerung des Diskurses ist Instrument um Klärung zu verhindern, die «gegebene» Sicht nicht in Frage stellen. Dies bei einem Medium das «Leitmedium» sein will, peinlich allemal, aber TA nicht untypisch!

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  5. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    «Entwicklungshilfe schadet» ist absolut richtig.
    Gehörte grösstenteils abgeschafft.
    Für RB von Tam sollte sie aber dringend
    aufgestockt werden!

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  6. Petra Hartmann
    Petra Hartmann sagte:

    Die Gutmenschen der Medien werden, wie auch die Politik, vom feinsten für ihre Arroganz und Heuchelei abgestraft. Man ist immer wieder peinlich berührt, wenn berechtigte Kritik, als Diffamierung dargestellt wird.

    @zackbum: weiter so!

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