NZZaS: unser Sorgenkind
Geistesnahrung in Sonntagszeitungen: stattdessen Hungerspiele.
Es gibt Grenzen für alles, vor allem nach unten. Daher hat ZACKBUM die Lektüre des «SonntagsBlick» aufgegeben. Die «Sonntagszeitung» schwankt auf der dünnen Linie zwischen Abfall und Beifall hin und her. Ein einigermassen sicherer Wert war bis anhin die NZZaS, wenn man ihre grenzdebile Beilage aussen vor lässt.
Aber auch das Mutterblatt schwächelt in letzter Zeit in einer Art, die besorgniserregend ist. Da ZACKBUM nur diagnostizieren und nicht therapieren kann, eine weitere Bestandsaufnahme der Merkwürdigkeiten, Flachheiten und Haltlosigkeiten.
Das fängt wie immer mit der Coverstory und ihrer Bebilderung an:
Auch bei dem Blatt aus dem Hause NZZ wogt nun Wokes? Mit Verlaub, Fussball, auch wenn das sexistisch und diskriminierend empfunden werden mag, gar als Ausdruck unserer «Rape Culture», ist ein Männerspiel. Von Männern, mit Männern, für Männer. Es gibt auch Frauenfussball, zugegeben. Aber das ist eine Verirrung wie Zwergenwerfen.
Warum nur, warum, muss dann die NZZaS zwei weibliche Fans ins Bild rücken? Und abgesehen davon, ist «Warum berührt Fussball unsere Seele?» wirklich ein Aufmacherthema für das Blatt der Richter und Denker? Die höchstens Kopfball spielen, und wer ist hier schon in der Lage, die Abseitsfalle richtig zu erklären.
Und daneben eine Blödelei über Garfield? Und weiter unten die überschätzte, aber von der NZZaS gehätschelte Krimiautorin Christine Brand? Dazu «Russische Hackerangriffe rollen an», eine Schlagzeile von zeitloser Aktualität.
Muss Beat Balzli den Leser in seinem Editorial wirklich damit belästigen, dass er schlecht geschlafen hat? Vom Start eines Jets auf einer Schweizer Autobahn zurück zur Landung in der Normandie: «Welch historische Klammer, welch Gänsehautmoment.» Welch Geschwurbel. Offen bleibt, ob Balzli beim Lesen seines Texts ein Feuerzeug oder das Handylicht geschwenkt hat.
Denn, es ist mal wieder so weit: «Sie ist die Zeitenwende, und sie ist gekommen, um zu bleiben. Die Welt, wie wir sie gekannt haben, existiert nicht mehr.» Und die Geschichte muss umgeschrieben werden. Und als Konzernlautsprecher muss Balzli natürlich auch noch das «Swiss Economic Forum der NZZ» erwähnen. Sich dafür aber mit quietschen Reifen in die Kurve legen.
Dann die übrige Doppelseite am Anfang zum brandheissen Thema: «Was soll das Ganze überhaupt?». Ist halt schon blöd, wenn der Bundesrat, der das Birkenstock-Theater inszeniert, zu den Freisinnigen gehört.
Dann aber eine lustige Sammlung von Europaparlamentariern als Ansammlung von Skandalnudeln und Ausgemusterten. Immerhin ein sinnvoller Beitrag zu den Wahlen, die den meisten Wahlberechtigten in der EU schwer am Füdli vorbeigeht.
Dann wirft die NZZaS das Dreigestirn Georg Humbel, Daniel Friedli und Simon Marti in die Schlacht. Allerdings hätten die ein besseres Thema verdient. Denn «Das Zürcher Liebesnest» des deutschen NSU-Terroristen, na ja. Die brandheisse Story:
«Der dringende Verdacht: Die Frau soll vor Jahren eine intime Beziehung mit einem der meistgesuchten Rechtsterroristen Deutschlands unterhalten haben. Sie soll die ehemalige Freundin von Uwe Mundlos sein. Der Terrorist habe sich während der brutalen Anschlagserie auf Ausländer immer wieder in der Schweiz aufgehalten, berichtet das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel».»
Also die Story ist vom «Spiegel», was können die drei – ausser abschreiben – sonst noch bieten? «Das Bundesamt für Justiz erklärt gegenüber der «NZZ am Sonntag», dass die Schweiz die deutschen Ermittlungen unterstützt». Hallo, Breaking News, der Hammer, wieso wird das nicht auf die Front gehämmert?
Vielleicht, weil das eigentlich die einzige News in diesem ellenlangen Artikel ist, der nochmals die längstbekannte Geschichte der rechten NSU-Terroristen nacherzählt. Und die Geschichte des «Spiegel». Angereichert mit solchen Hammerquotes: «Kenner des NSU halten Mundlos’ Schweizer Beziehung für plausibel.»
Aber nun kommt noch die Eigenrecherche, ganz gegen Schluss:
«Gemäss Recherchen der «NZZ am Sonntag» verkehrte die mutmassliche Freundin des Rechtsterroristen im Umfeld einer bekannten Band aus der Szene, für die sie Konzertsäle gemietet haben soll. Von deutschen Rechtsextremen wurde sie als wichtige Organisatorin bezeichnet. Die Frau lebte zeitweise in einer Wohngemeinschaft mit anderen Rechtsextremen in einer Zürcher Vorortsgemeinde.»
Wenn man «gemäss Recherche» schreiben muss, macht man sich eher lächerlich.
Aber leider: «Die Frau hat auf mehrfache Kontaktversuche dieser Zeitung nicht reagiert.» Richtig blöd ist dann: «Bei der Befragung im März soll die mutmassliche Freundin des Terroristen bestritten haben, Mundlos gekannt zu haben. Auch die Durchsuchung der Wohnung soll keine Ergebnisse geliefert haben, schreibt der «Spiegel». »
Oder auf Deutsch: dünne Geschichte, vom «Spiegel» angerührt, von der NZZaS nacherzählt, für den Schweizer Leser von sehr beschränktem Wert.
Dann begibt sich die NZZaS aber mutig in die Todeszone, in den Feminismus (oder das, was vom ihm heute noch übrig ist):
Streitende Frauen beim Frauenstreik? Kann man das mit Schlammcatchen regeln? Stutenbissig? Darf auch an Haaren gerissen werden? Warum müssen Frauen nur immer männliche Vorurteile bestätigen?
Wieso dann die NZZaS der Autorin Brand eine Doppelseite einräumt, obwohl die bekannt dafür ist, dass sie Crimestorys so erzählt, dass der Leser völlig verwirrt zurückbleibt? Dürfen wir den Anfang ihrer letzten in der NZZaS zitieren? «Noch denkt niemand etwas Schlimmes». Das wird schon bei Schulaufsätzen in der oberen Primarschule moniert.
Aber sehr lustig ist dann die Fortsetzung der Häme über die Migros, diesmal das «MMMuskelspiel». Der Migros-Kommunikationschef soll beim «Blick» interveniert – und indirekt mit einem Inserateboykott wegen zu kritischer Berichterstattung gedroht haben. Das ist grossartig, denn Christian Dorer war zuvor lange Jahre der erfolgreiche Oberchefredaktor der «Blick»-Gruppe, bis er von seiner Vorgesetzten wegen nie substantiierter, schwammiger Vorwürfe von einem Tag auf den anderen abserviert wurde.
Rache soll man kalt geniessen, obwohl der Mann mit dem Schwiegersohncharme das natürlich abstreiten würde.
Das sagte sich offenbar auch Peer Teuwsen, der sich immerhin die Feder an den Hut stecken kann, auf die skandalöse Behandlung des Autors Alain Claude Sulzer aufmerksam gemacht zu haben. Der sollte über die Verwendung des Wortes «Zigeuner» in einem eingereichtem Manuskript ernsthaft nachdenken, obwohl die Handlung in den 70er-Jahren spielt, wo der Begriff diskriminierungsfrei in aller Munde war. Sonst bekäme er halt keine Fördermittel.
Sulzer zog daraufhin sein Gesuch zurück. «Was wurde er verhöhnt und als Mimose belächelt. Er hätte doch sehr wohl zu einem Gespräch mit der staatlichen Förderungsstelle erscheinen können», schreibt Teuwsen. Aber: es war alles noch viel schlimmer: Die Baselbieter Kulturchefin «Esther Roth hatte ihr Veto eingelegt, sie sei laut GPK (Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rats, Red.) nicht bereit gewesen, «Mittel zu sprechen». Entgegen der Empfehlung des Fachausschusses, der das Gesuch «aufgrund seiner literarischen Qualität» fördern und dies dem Autor schriftlich mitteilen wollte».
Roth hatte zuvor noch den Vorwurf der Zensur weit von sich gewiesen. Nun will sie «keine Stellung nehmen», der Autor Sulzer ist «nur noch sprachlos angesichts dieser staatlichen Willkür». Es bleibt zu hoffen, dass die von Anfang an laut gewordenen Rücktrittsforderungen gegen Roth endlich erfüllt werden.
Der intellektuelle Gehalt eines Blattes misst sich am Zeitaufwand, den man zum Verstehen der Lektüre braucht. Ich mühte mich diesmal in der NZZaS über 35 Minuten ab um eine knappe halbe Seite zu verstehen. Erst mit Googeln gelang es mir – und so konnte ich ermattet aber erfüllt den Bleistift weglegen.