Ach, NZZ wohin nur?

Wir führen auch hier eine Sonde ein.

NZZ online, später Mittwochnachmittag. Womit erfreut das Blatt der weitsichtigen Intellektuellen den Leser, badet man hier im Meer interessanter Anregungen? Nun ja.

Das nennt man nun nicht gerade einen Knaller als Aufmacher. Ein Schwarzweissfoto der Post von anno dazumal, dazu ein liberaler Kommentar «ohne Staatskontrolle ginge das noch besser». Endlich wagt es die NZZ mal wieder, den alten Slogan «Mehr Freiheit, weniger Staat» aufleben zu lassen.

Dann folgt eine merkwürdige Mischung:

Links ein Porträt des Spitzenkandidaten des Rassemblement National Frankreichs, durchaus originell. Rechts wird’s dann unverständlich: «Gegen das Zögern und Zaudern: Eine Gruppe Intellektueller proklamiert eine Neutralität für das 21. Jahrhundert. Ein Zehn-Punkte-Manifest fordert den Bundesrat auf, die Neutralität konsequent auf die Uno-Charta auszurichten. Eine verstockte Debatte erhält neuen Sauerstoff.»

Eine Gruppe von Rentnern, darunter der unerträgliche Wutbürger Daniel Woker, hat sich ein paar Gedanken gegen Blochers Neutralitätsinitiative gemacht. Das Problem, das im Artikel (wie die Teilnahme Wokers) nicht erwähnt wird: wer den Mann auf seiner Seite hat, braucht keine Gegner.

Eine Duftnote aus seinem polemischen Schaffen: «Rechtsnationale Rumpelstilzchen», «Euro-Angsthasen», das ist noch harmloses Dummschwätzen. Ein «Grossmaul aus Herrliberg» mit seinen «gleichgeschalteten Kohorten» habe sich «eine Mehrheit gekauft», die SVP insgesamt vertrete «teilweise faschistoides Gedankengut» und «bedient sich entsprechender Methoden», angeführt von «einem einzigen Rattenfänger von Herrliberg».

Auch ZACKBUM ist der gepflegten Polemik nicht abgeneigt, aber das geht nun überhaupt nicht.

Schauen wir uns auch bei der NZZ die «Empfehlungen» genauer an:

Da hätten wir einen Artikel des auf den Schoggi-Job Italienkorrespondent für Unwesentliches abgeschobenen Luzi Bernet. Der geht der Frage nach, wie der italienische Waffenfabrikant Beretta 500 Jahre überleben konnte. Das ist sicherlich putzig und von zeitlosem Wert, denn der Artikel stammt vom 3. Mai; immerhin 2024.

Dann singt Nicole «Ein bisschen Frieden». Nein, knapp daneben, Samuel Misteli und Artete Bashizi (Fotos) sind tief in den Kongo eingedrungen, um «Das Rätsel von Idjwi» zu lösen: «Weshalb herrscht auf einer Insel im Kongo Frieden, während ringsherum Krieg tobt?» Der Artikel ist sogar etwas aktueller als der von Bernet, er stammt vom 11. Mai. Blöd nur: Schon im Dezember 2023 berichtete genau darüber der «Spiegel» und löste auch das Rätsel bereits im Titel: «Wie guter Sex auf der Insel Idjiwi den Frieden sichert». Dann berichtete am 19. Januar «Echo der Zeit» über die Friedensinsel, schliesslich am 26. Januar SRF.

Das ist doch alles kein Grund, sich eine hübsche Reise auf Redaktionskosten vermiesen zu lassen, nicht wahr. Aber immerhin, der nächste Artikel über das Leben von Arbeitern, die in ehemaligen «Junggesellenheimen» leben, die einstmals für Gastarbeiter gebaut wurden, hat Charme.

Und schliesslich die Reportage «Die Finnen sind die Glücklichsten – Und glauben selbst nicht daran». Linda Koponen macht «eine Reise im Land der Widersprüche. Das Wetter ist schlecht, die Steuern hoch, und jetzt will die Regierung auch noch sparen. Die Finnen sind unzufrieden – und angeblich doch die Glücklichsten.»

Wenn man Ausflüge in den hohen Norden und einen Text als Elchtest mag, bitte. Auch er ist nicht mehr ganz taufrisch, aber die NZZ hatte schon immer das Credo: was aktuell ist, bestimmen wir.

Dann aber zwei Stücke, die doch das Alleinstellungsmerkmal der NZZ unterstreichen:

Wo liest man schon über das Ungemach des ehemaligen Regierungschef Thailands oder über eine Kanufahrt auf dem Rio Grande, der Grenze zwischen Mexiko und den USA.

Dann drischt die alte Tante Vollgas auf das linksalternative Radio Lora ein:

Und schliesslich redet das Hoforgan der kapitalistischen Freiheit den Stimmbürgen ins Gewissen:

Ein besonderes Lob verdient auch der aktuelle Online-Auftritt. Davon könnten sich die Mitbewerber eine grosse Scheibe abschneiden. Konsequent eine grösser aufgemachte Story neben einer kleineren, unterbrochen von Artikelbändern, dann auch mal ein bildschirmfüllendes Bild, und erst bei «Neu in den Ressorts» gibt es drei Spalten mit Artikeln. Dann noch «Bellevue» und «the market», hier verweilt das Auge wohlgefällig, auch wenn das Hirn nicht immer gefordert ist.

Aber von der Themenvielfalt her, von der ganzen Aufmachung über die Gewichtung bis zur deutlichen Trennung nach Nachricht und Kommentar: nur bei wenigen Ausnahmen gibt es etwas zu meckern. Das alles erinnert an eine alte Autowerbung, als England noch ziemlich vorne dabei war und die Marke Rover für gehobene Ansprüche stand. Die kreierte den Slogan «A class of its own».

Könnte man wiederbeleben und auf die NZZ anwenden.

3 Kommentare
    • Simon Ronner
      Simon Ronner sagte:

      Als die SVP einen Wähleranteil von 30% hatte, bezeichnete er im Tagi-Interview just diesen Anteil der Menschen explizit als dumm. Auch sonst ist der Herr Professor früher im Tagi immer wieder mal mit diesbezüglich ähnlich primitiven Ausfällen aufgefallen.

      Ausserdem habe er nach einer Analyse bei Blocher ein «Sprachproblem» attestiert. Im Tagi wurde dies damals als Anfang einer geistigen Umnachtung Blochers gedeutet. So tief können diese Leute sinken.

      Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert