Was ist bloss mit der NZZaS los?
Erfindet sie sich nicht neu, dann könnte sie untergehen.
Die NZZaS hat, ungewöhnlich für beharrliche und gemächliche alte Tante an der Falkenstrasse, einige Chefredaktorenwechsel hinter sich. Der erste Nachfolger von Felix E. Müller wurde als zu leicht befunden. Der zweite wurde von der Redaktion weggemobbt. Nun ist der dritte am Gerät, der eigentlich gar nicht dafür, sondern für einen Einsatz in Deutschland vorgesehen war.
Beat Balzlis Editorials merkt man an, dass er noch sehr in Deutschland verwurzelt ist, dass er ein Wirtschaftsjournalist ist und dass er niemandem auf die Füsse treten will. Seiner Redaktion, offenbar gewitzigt von den Erfahrungen seines Vorgängers, lässt er weitgehend Freiraum. Den sie dann auch – zum Leidwesen des Lesers – fleissig ausnützt. Egotrips, Geschmäcklerisches von Spesenkönig Peer Teuwsen, das Feuilleton tobt sich ungehemmt aus, das Magazin müsste eigentlich sofort eingestellt werden, bevor es noch mehr zur Lachnummer verkommt.
Von der erwarteten Online-Offensive ist nichts zu merken, intelligenter und unterhaltsamer Denkstoff auf Niveau, schön wär’s. Es ist die Frage, wie lange God almighty Eric Gujer hier noch zuschaut, bis er die Fusion mit der NZZ vollendet und den Chefredaktor der NZZaS zum Grüssaugust zurückstuft. Das wäre dann nicht mehr Balzli, der sich endlich der Aufgabe widmen könnte, für die er für teures Geld eingekauft wurde. WEr’s dann würde, schwer zu sagen. Nur eines ist klar: es wird eine Frau sein, wetten?
Aber zurück in die Gegenwart. Ein Editorial über das Klima-Urteil von Strassburg und die Reaktion der Ständeräte? Echt jetzt? Die Schlafpille zum Einstieg. Dann ein Stück Betrachten der Betrachter beim Betrachten. Die Betrachter betrachten Amal Clooney, an der sich Kritiker des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) abarbeiten, die wegen den Haftbefehlen gegen den israelischen Ministerpräsidenten und seinen Verteidigungsminister in Wallungen geraten. Sie behandeln sie dabei sexistisch wie ein Pin-up-Girl.
Clooney gehört nämlich einem hochkarätigen Expertenteam an, mit Juristen der allerersten Liga, die den Erlass von Haftbefehlen für alle für rechtens beurteilt haben. Ende der Durchsage. Oder höchstens noch das, was Clooney hinzufügt: «Kein Konflikt darf ausserhalb des Rechts sein, kein Täter über dem Gesetz.» Einfacher kann man es selbst für Blödköpfe und unreflektierte Israel-Groupies nicht sagen.
Aber immerhin, auch die NZZaS arbeitet zwar mit dem Glamour-Faktor, indem sie ein Foto verwendet, auf dem Amal in Designerrobe an der Seite vom nicht minder attraktiven George posiert. Aber sie würdigt deren Eintreten als Menschenrechtsanwältin; ein Gebiet, auf dem sie sich grosse Meriten erworben hat.
Selbstverständlich verübte und verübt die Hamas Kriegsverbrechen. Deren kann sie auch angeklagt werden, weil sie den ICC anerkennt. Israels Regierungspersonal kann nur angeklagt werden, weil es dort wütet; der Staat anerkennt (wie die USA, wie Russland, wie Syrien) den Gerichtshof nicht.
Also, das Foto ist der NZZaS unwürdig, der Text nicht.
Die nächste Seite ist mehr Bauchnabelschau, denn sie handelt vom Niedergang der deutschen FDP. Als klarer Warnhinweis an die Schweizer Freisinnigen: aufgepasst, so könnte es euch auch gehen. Überhaupt, die NZZaS beschreibt mit Lust Abgänge: «Da stand der britische Premierminister Rishi Sunak am Mittwoch vor dem Regierungssitz in Downing Street sprichwörtlich im Regen. Das englische Wetter, das die Himmelsschleusen immer zum richtigen Zeitpunkt öffnet, durchnässte seinen massgeschneiderten Anzug. Je länger die Rede dauerte, desto mehr klebte das Jackett an seinem Körper.»
Dann wird’s allerdings etwa zeitgeistig dünn, angefangen beim Titel: «Fremde im eigenen Bad». Hä? Gemeint ist, dass angesichts der Mietzinse nicht nur Studenten (Pardon «Studierende», wieso dann aber nicht Berufstätigende?) in WGs ziehen. Der Klassiker wird albgenudelt, Einzelfall, dann Aufschwung ins Allgemeine, dann der Fachmann, dann wieder Einzelfälle. Gähn.
Peer Teuwsen weiss genau, der bislang nicht gross als TV-Experte auffiel, was die neue SRG-Direktorin zu tun hat. Typischer Besserwisser-Journalismus.
Dann sozusagen das Herzstück dieser Ausgabe, eine Abrechnung mit der Migros. Ein echtes Sahnestück, gut recherchiert, munter geschrieben: «Doch das grosse M ist derzeit eher ein auf den Kopf gestelltes W: Es wankt, es wackelt, es wurstelt vor sich hin.» Ein Lob für Moritz Kaufmann und Janique Weder. Sie hätten allerdings eine bessere Illustratorin verdient; das Gekleckse schreckt den Leser eher ab, als dass es ihn animiert. Was schade wäre. Was da blaue Männchen mit zu Dreiecken verformten Pinseln wollen oder sollen, ein Graus:
Dass man das auch mit Texten kann, beweist dann Teuwsen, Rostock. Dorthin ist er geeilt, um ein paar Sätze mit der deutschen Erfolgsautorin Caroline Wahl zu wechseln. Die sei grossartig, besonders, was ihre Dialogführung betrifft, behauptet Teuwsen. Dann gibt er ein Beispiel dafür (ZACKBUM versichert eidesstattlich: das haben wir nicht erfunden):
«Tilda: Ida. Ich schüttle den Kopf. Ida: Nein, Tilda. Tilda: Ida. Ich weiss einfach nicht mehr, was ich machen soll. Wie ich dir helfen kann. Ich: Gar nicht. Ich brauche keine Hilfe. Tilda: Ich mache mir Sorgen. Ida: Musst du nicht. Ida: Ich habe es doch bis jetzt ganz gut allein geschafft. Habe ich das gerade wirklich gesagt?, frage ich mich, sehe in Tildas Augen, dass ich das gerade wirklich gesagt habe, und wir brechen tränend in Lachen aus. Ich korrigiere: Ich habe bis jetzt überlebt.»
Den Text von Teuwsen muss man auch überleben … Da kann man sich nur damit trösten, im Kino den Kracher «Furiosa: A Mad Max Saga» anzuschauen.
Aber einige Inserate verdienen durchaus Beachtung!