Gehirnamputiert

Der Intellektuelle ist ein merkwürdiges Wesen.

Einerseits haben wir ihm die Aufklärung und den Versuch zu verdanken, aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit den Ausgang zu finden.

Der Intellektuelle gibt sich eigentlich nie mit der Wirklichkeit zufrieden, wie sie ist. Sondern er will sie verändern. Mit Ideen, die bekanntlich zur revolutionären Kraft werden, wenn sie die Massen ergreifen. Und ergriffen sind ganze Massen von Studenten weltweit. Vor allem in den USA, aber auch in der Schweiz. Sie zeigen ihre Solidarität mit Palästina, setzen Zeichen, rufen auf, demonstrieren und besetzen, fordern und fühlen sich überhaupt ganz aufrührerisch.

Natürlich sind sie, wie eigentlich jeder Intellektuelle – je kleiner sein Besteck, als Hirn vom Himmel regnete, desto fanatischer – zutiefst davon überzeugt, Recht zu haben. Auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Dem Fortschritt zu dienen. Dem Rückschritt entgegenzuwirken. Verbrechen zu denunzieren, Gerechtigkeit zu fordern. Und wer nicht für sie, ist nicht nur gegen sie, sondern gegen alles Gute auf der Welt, deren Last sie klaglos auf ihren schwachen Schultern tragen.

Denn geborgtes Leiden, Mitempfinden mit anderen, das ist die einfachste Form von Betroffenheit. Nun gibt es Intellektuelle, die gegen die Entscheidung anquengeln, auch gegen mutmassliche israelische Kriegsverbrecher Haftbefehle zu erlassen.

Intellektuelle können sich eben alles zurechtquatschen. Dagegen zu sein bedeutet, rundweg in Abrede zu stellen, dass die israelische Armee und ihre Oberbefehlshaber dazu in der Lage wären, Kriegsverbrechen zu begehen. Das ist der Traum vom Ritter in der schimmernden Rüstung, der nur edel und gut ist, während er dem unbezweifelbar Bösen den Garaus macht. So kindisch können Intellektuelle sein.

Damit stelle man Hamas und die israelische Regierung auf eine Ebene, wird behauptet. Bescheuert. Wenn ein hungerleidendes Prekariatsmitglied im Warenhaus klaut, daneben die kleptomanische Dame der höheren Gesellschaft, dann kann man doch auch nicht sagen, mit einer Anzeige wegen Diebstahl stelle man die auf die gleiche Stufe, also sei das im Fall der Dame zu unterlassen.

Allerdings erreicht der Intellektuelle gelegentlich Höhe- oder Tiefstpunkte, die nicht nur an seiner Intelligenz, sondern überhaupt an seiner Geistesverfassung zweifeln lassen. So soll einer, falls das kein Fake ist, doch tatsächlich an einer Studentendemonstration an der US-Uni von Alberta dieses Plakat hochgereckt haben, das hier den Titel ziert: «Queers 4 Palestine». Also entweder Schwule oder Nicht-Heterosexuelle für Palästina.

Nun ist es unbestreitbar so, dass Palästina heutzutage in erster Linie als Symbolbegriff für den Gazastreifen verwendet wird. Es ist ebenfalls so, dass dort die radikalfundamentalistische Hamas von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt wurde. Nun ist es auch so, dass nach deren strikter Auslegung des Korans und deren Verständnis der Scharia homosexueller Geschlechtsverkehr Unzucht (Zina) sei. Darauf steht mindestens Auspeitschen, eher die Todesstrafe.

Beides wird angewendet. Überhaupt sind Abweichungen von einer angeblichen Norm, auch so Kleinigkeiten wie Frauenrechte, in radikal-religiösen Kreisen nicht nur verpönt, sondern ein Verstoss gegen den geoffenbarten Willen Allahs.

Also ist so ein Schild herumzutragen etwa so intelligent wie «Juden für Hitler». Oder «Metzger für Veganismus». Oder «Dicke für Kannibalismus», «Zwerge für Hochregale».

Es ist schlichtweg unbeschreiblich bescheuert. Es ist ein Missbrauch unserer Meinungsfreiheit. Mit einem solchen Schild würde der Idiot im Gazastreifen keine fünf Meter weit kommen, und nicht etwa wegen israelischem Bombenterror.

Auf der anderen Seite: wie auch viele Kommentatoren, Meinungsträger, Redaktoren bei Massenmedien und auch bei Randgruppenorganen täglich beweisen: Dummheit ist nicht strafbar. Zumindest, wenn sie in Form von Meinungsäusserungen daherkommt, die nicht «Alles für Deutschland» lauten. Das ist nicht nur ein dummer Spruch, sondern auch noch ein in Deutschland strafbarer.

Queers for Palestine, das ist zwar sträflich dumm, aber erlaubt. Genauso wie das Palästinensertuch in der falschen Farbe zu tragen. Oder keine Ahnung vom brutalen Inhalt des Korans zu haben. Oder nicht zu wissen, wie diese sanftmütige Religion mit Kritikern oder gar Karikaturisten umgeht.

Eigentlich müsste es auch für den dümmsten Intellellen sonnenklar sein: wer sich in welcher Form auch immer und aus welchen Gründen auch immer mit der Hamas gemein macht, bei dem herrscht tiefe Sonnenfinsternis im Hirn. Das gilt natürlich ähnlich für unkritische Lobhudeler Israels, die jeden Kritiker mit dem Missbrauch des Begriffs «Antisemitismus» niedermachen wollen. Womit sie ihm nicht allzu selten Vorschub leisten.

Aber eben, Intellektuelle sind eigentlich zu allem fähig. Obwohl der Begriff Intellekt bedeutet, etwas geistig zu erfassen. Aber das ist halt nicht so einfach.

 

5 Kommentare
  1. Beo B. Achter
    Beo B. Achter sagte:

    Da bin ich doch etwas irritiert. «Alles für Deutschland» ist strafbar und das im Land der lupenreinen Demokraten, die ihre Kartell-Demokratur noch per Gesetz «schützen» wollen. Ich dachte, Rede- und Meinungsverbot gibt es nur im bösen Russland, wo freiheitsliebende «Nawalnys» in Arbeitslagern gezielt umgebracht werden? Wenn der Deutsche Gesinnungs- äh Verfassungsschutz, mit schwerst bewaffneten Sondereinheiten aber auf Rentner losgeht, sie einsperrt und dabei einer noch während der U-Haft stirbt, ist das alles zum Schutze der Deutschen Demokratie – eben alles für Deutschland, einfach von der Seite der Gerechten! Allen voran Nancy . . . oh Graus.

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  2. Karl Warth
    Karl Warth sagte:

    „Intellektuelle“ ist ein zu vermeidendes Reizwort. Wäre der Verweis auf den Intellekt am Ende des Artikels nicht gewesen – ich hätte ihn ergänzen müssen.
    Vielleicht sollten wir das Wort „Akademiker“ wieder an Stelle der „Intellektuellen“ verwenden. Was von den Akademien und Universitäten kommt, hat nur noch am Rande mit Intellekt zu tun. Und das Intelligenz so gar nichts mehr mit unserem Bildungssystem zu tun hat – geschenkt. Im Berufsleben begegne ich sehr viel intelligenteren und intellektuelleren Menschen als jeder studierte Tagi-Journi – und die Leute arbeiten aber im Gemüse- und Gartenbau, überflügeln dennoch geistig jeden Publizistik- oder Journalismus-Studenten. Zu den Studentinnen nur so viel: Jede Gärtnerin und Malerin bei uns, auch jene aus der Ukraine mit marginalen Deitschkenntnissen, ist agiler und pointierter als jede, absolut jede Studentin.

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  3. Niklaus Fehr
    Niklaus Fehr sagte:

    Dass Sprüche wie «Alles für Deutschland» oder «Arbeit macht frei» strafbar sind kann ich nicht nachvollziehen. Das sind inhaltlich keine bösen Aussagen. Man kann das Historische auch bewahren ohne eine bestimmte Anordnung von an sich harmlosen Wörtern unter Strafe zu stellen, die in der Vergangenheit von bösen Menschen benutzt wurden. Die Angst, dass sich die Geschichte wiederholen könnte bewahrt uns nicht davor. Unsere Gesellschaft ist krank und sie wird nicht heil durch das Bekämpfen der Symptome wie derjenigen die «Heil Hitler» rufen. Die wirklich Bösen sind die, die sich durch die Macht des Geldes ein «too big to fail» System aufgebaut haben und dadurch kaum mehr angreifbar sind. Aus dieser Nummer kommen wir nicht mehr heraus. Nach meinen Forschungen bringt erst der Vierte Weltkrieg, das Armageddon der Bibel eine Wende. Viel Spass noch. Und wählt eure Wiedergeburten sorgfältig aus wie ich.

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    • Simon Ronner
      Simon Ronner sagte:

      «Dass Sprüche wie «Alles für Deutschland» oder «Arbeit macht frei» strafbar sind kann ich nicht nachvollziehen.»

      Ob Strafbarkeit oder Delegitimierung jedwelcher Art: Können z.B. plump Verweise zur Zeit von 1933-1945 hergestellt werden, so wird dies von den Linken gezielt dazu genutzt, den Gegner verächtlich zu machen, zu beschämen, niederzuknüppeln, auszugrenzen. Und das ist dann auch das Einzige, was diese Lebensversager beabsichtigen. Sie lieben es, brauchen es, können nicht ohne.

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    • Beo B. Achter
      Beo B. Achter sagte:

      «too big to fail» meint «too big to jail». A propos Nazi Parolen, wer von den heutigen geschichtsvergessenen Youngsters, die sich in die Politik verirren, kann sich noch an solche Details erinnern? Ich erinnere mich gerne an eine junge, neu gewählte Nationalrätin, die voller Inbrunst posaunte: «Die Vergangenheit interessiert mich nicht. Ich schaue in die Zukunft». Ja na dann, proscht Nägeli.

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