Dröhnendes Schweigen
Ex-Bundesrichterin, grün, kritisch. Aber in die falsche Richtung.
Zunächst wollte Philipp Gut sein Mütchen an ihr kühlen. An der Kanti Baden habe «Klimapropaganda» stattgefunden, unter Teilnahme lauter Befürworter der Verurteilung der Schweiz im Klimaprozess in Strassburg.
Aber die «Weltwoche» pflegt noch Rede und Gegenrede. Also durfte die ehemalige Bundesrichterin Brigitte Piffner ebenfalls in der WeWo richtigstellen: «Ich vertrete die Auffassung, dass der EGMR zunehmend ins Gebiet der Politik hineinfunkt; das ist nicht seine Aufgabe.» Das habe sie auch in Baden unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
Reaktion ihrer politischen Bundesgenossen: fassungsloses Schweigen. Da sagte sich Rico Bandle von der «SonntagsZeitung» als Einziger: das will ich genauer wissen – und interviewte Pfiffner ausführlich. Schöner Titel: «Grüne Alt-Bundesrichterin kritisiert Urteile gegen die Schweiz scharf».
In der Tat:
«Ich habe zwei der letzten Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die die Schweiz betreffen, sehr intensiv studiert: jenes zu den Klimaseniorinnen und jenes zum Racial Profiling (Diskriminierung eines Dunkelhäutigen bei einer Polizeikontrolle, Anm. der Red.). Beide sind aus meiner Sicht juristisch nicht haltbar.»
Und noch schlimmer: «Ich bin zwar eine Grüne, in diesem Punkt muss ich Albert Rösti aber recht geben. Das Gericht überschreitet klar seine Kompetenzen, wenn es Gesetzgebung und gar Volksabstimmungen eines Landes übersteuert.»
Auch das Urteil zum Thema Racial Profiling, in dem die Schweiz unterlag, wird von Pfiffner hart kritisiert. Wohlgemerkt auf einer rein juristischen Ebene; politischen Wertungen enthält sie sich, ihr geht es als Juristin in erster Linie darum, dass sich hier ein Gericht unglaubwürdig macht und somit seine normsetzende Kraft verliert.
Bandle fragt auch das Urteil gegen den AfD-Brandstifter Höcke ab, der wegen der in Deutschland verbotenen Verwendung nationalsozialistischer Zeichen oder Sprüche verurteilt wurde. Auch hierzu hat Pfiffner eine klare Meinung, mit der sie nicht hinter dem Berg hält:
«Ich kann und möchte nicht über die Gefährlichkeit der AfD urteilen. Was ich aber sagen kann: Wenn ein Gericht gegen eine Partei mit 20 bis 30 Prozent Wähleranteil vorgeht, so hat das Land ein grosses staatspolitisches Problem. Ich würde für grösstmögliche Zurückhaltung plädieren. Gerichte sind nicht da, um in die Politik einzugreifen.»
Nun könnte da ein anderer ausgewiesener Fachmann vielleicht anderer Ansicht sein. Nun müsste eigentlich die Grüne Partei und alle, die das Strassburger Urteil lauthals begrüsst und abgefeiert haben, zu dieser Ansicht aus berufenem Mund etwas sagen.
Während Pfiffners Auftritt in der WeWo noch indigniert totgeschwiegen wurde (falsche Plattform), konnte das Interview in der SoZ nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Wie immer, wenn die SDA einen Inhalt aufnimmt, gab es Echo in den übrigen Medien. Dort wurde schlichtweg die SDA-Zusammenfassung referiert, Berichterstatterpflicht.
Und sonst? Schweigen. Tiefes Schweigen. Indigniertes Schweigen. Debatte, Streitkultur, Gegenworte? Ist schon lustig: wozu das angebliche Sprachrohr der Putin-Versteher, das rechtspopulistische Monolautsprecher-Organ von Blochers Gnaden fähig ist, nämlich Widersprüche zu (fast) allem zuzulassen, dazu ist die versammelte grünlinke Intelligenz nicht in der Lage.
Kommt halt davon, wenn man in seiner eigenen Gesinnungsblase unter Luftabschluss verfault. Da wird jeder Hauch Frischluft ignoriert, wenn er aus der falschen Ecke kommt. Kommt er aus der eigenen, wird er auch ignoriert. Stürmt’s, dann ist doch höchstens gut für die Windräder. Aber Debatte? Kä Luscht.
Zum Urteil des EGMR zu den ‹Klimasenioren› hat Ulrich Meyer (SP, Präsident des Bundesgerichts 2017 – 2020) in der NZZ vom 12.4.24 bereits mehr oder weniger das Gleiche geschrieben.
«versammelte grünlinke Intelligenz» da fehlt noch einiges in diesem Paket: von bürgerlichmittelblau, über schwarzbrav bis hoch hinauf zu den akademisch Intelligenten: seit längerem waren die solidarischen Mehrheiten nicht mehr so geschlossen gegen eigenständiges DENKEN eingeschworen, wie in diesen neu-goldenen bräunlichen Zwanziger Jahre des alt daher kommenden 3.Jahrtausends.
Das Schweigen, Vergessen, ’nichts mehr hören wollen› ersetzt das Wendehalsige.
Besser wäre «versammelte grünlinke Impertinenz», Intelligenz ist bei den Leuten ein rares Gut und wer es hat wird aussortiert, zB. Jositsch!
‹akademische Impertinenz› hab ich nicht geschrieben, Herr Brunner.
Aber ganz aus der Luft gegriffen ist das nicht,
wobei wir uns bei Jositsch wieder in die Haare kriegten, Sie und ich.
Denn Angst schlägt auch Intelligenz und Jositsch war ein erbärmlicher Hetzer.
«grünlinke Intelligenz» – ein Widerspruch in zwei Worten?
Aber besten Dank für diesen Beitrag. Es ist tatsächlich erbärmlich, dass wir nach Gesinnungspolitik nun auch Gesinnungsurteile haben….
Alles richtig, bis auf den Schluss: Wenns stürmt, müssen die Windräder abgestellt werden, um Schäden zu verhindern.