Wehe, wehe, Weltwoche
Platzverschwendung erschlägt Lesenswertes.
ZACKBUM fragt sich, wieso auch die «Weltwoche» ihre Titelgeschichte einem singenden Niemand widmen muss, der anscheinend erst letzten November herausfand, dass er/sie/es eigentlich notbinär sei. Pardon, nonbinär.
Der Conchita-Wurst-Imitation wird es gehen wie seinem Vorbild. Da nützt es auch nichts, ihn in einen pseudo-bedeutungsschwangeren Text ehrfürchtig zu beweihräuchern. «Ich, ich ging durch die Hölle und zurück», what a bullshit, kann man da nur sagen. «Highway to hell», das ist hübsche Asphaltlyrik, ein treibender Beat, satte Gitarrenriffs, unsterblich. Dieser «Code» ist eine Eintagsfliege, die schon tot ist, während sie noch summt.
Was für ein Geschwurbel vom sonst zurechnungsfähigen Jürgen Wertheimer:
«Es geschieht nicht sehr oft, dass Lieder derart ins Nervenzentrum vordringen und – obwohl sie von etwas ganz anderem zu handeln scheinen – eine eminent politische Botschaft senden. «Lili Marleen» von 1938 etwa löste sich von seinem ursprünglichen Anlass und wurde zur internationalen Antikriegshymne, ebenso wie das gleichermassen bekannte «Sag mir, wo die Blumen sind», das ursprünglich ukrainischer Herkunft ist.»
Das mit diesem Queen-trifft-Eminem-Verschnitt zu vergleichen, eine Frechheit. Dass auch noch Schiller missbraucht wird, da fehlen die Worte. Völlig absurd wird es, wenn es Wertheimer mit eigenem Gestammel versucht: «Denn unter dem Gewand einer scheinbar rein privat anmutenden Recherche nach seiner eigenen Identität verbirgt sich der Appell, alle Zumutungen von oben einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.»
Ein Appell verbirgt sich unter einem Gewand? Hat man denn allen ins Gehirn geniesst?
Gibt es noch etwas Schlimmeres, als in einen Schlagertext tiefere Bedeutung zu geheimnissen? Doch, leider. Wenn Tom Kummer über Nemo schreibt. Darf man Schmerzensgeld verlangen, wenn man so einen Stuss lesen muss? «Vor Nemo hatten schon die Pop-Ikonen David Bowie und Freddie Mercury auffallende Zähne. Buddy Holly wurde von kranken Zähnen und Mundgeruch malträtiert.»
Kann man das noch steigern? Leider ja. Wenn nämlich Daniel Ryser bei einem ernsten Thema auf dem Egotrip unterwegs ist (wann ist er das nicht),. Er schreibt nämlich über Julian Assange, was verdienstvoll wäre, wenn er nicht in erster Linie über sich selbst schreiben würde. Als er «mit Julian Assange in London Whisky zum Frühstück trank». Oder als er mit Assange Fondue ass. Oder als er mit Assange «einen Stapel Harrods-Sandwiches» ass. Ryser geht es nur um sich selbst:
«Ich selbst war bei meinen Besuchen auf der Botschaft natürlich anfangs erstaunt darüber … Jennifer Robinson, die Anwältin von Assange, sagte mir vor einigen Jahren bei einem Interview … die Männer, die mich am Eingang jeweils gescannt hatten … und wir dachten, die Verfolgung werde bald ein Ende haben … Bei einem kürzlichen Treffen in Strassburg sagte mir Wikileaks-Chefredaktor Kristinn Hrafnsson … traf ich mich im New Yorker Financial District mit Ben Wizner … «Haben Sie denn so viel Zeit?», fragte mich Nils Melzer … Das Interview, das Ende Januar 2020 im Magazin Republik publiziert wurde, ging um die Welt … sagt Stella, als wir uns in Strassburg zu einem Kaffee treffen …»
Und so geht das quälende 32’500 A lang. Eingerahmt wir das von der «Weisheit des Herzens», völlig abgespacter Scheiss, den Kolumnen von Anabel Schunke und Tamara Wernli, deren Lektüre im Kopf wehtut, aber immerhin auch einem wiederbelebten Urs P. Engeler und einem Wolfram Knorr, der Francis Ford Coppola ein wohlverdientes Denkmal setzt. Gäbe es nicht Literatur und Kunst, bevor Alberto Venzago unermüdlich sein Archiv abstaubt, David Schärer Flachheiten absondert (aber immerhin, es gibt die Peanuts auf dieser Seite, das tröstet). So saufen die wenigen guten Storys in diesem Brei ab.
Dass die WeWo auch so noch mehr Denkstoff bietet als die Einheitssauce aus Aarau und Zürich, das spricht nicht für sie, sondern gegen die anderen. Es ist bedauerlich, dass das Magazin so viel Platz schlichtweg verschenkt, vergeudet, vertrottelt.
Dabei wäre die Alternative ganz einfach. Alleine ein Verzicht auf Ryser und Kummer würde einige Seiten für Besseres freimachen. Der Verzicht auf die beiden Kolumnistinnen gäbe immerhin auch zwei Seiten her. Und der Verzicht auf Nihil-Themen wie Nemo würde das Blatt in eine andere Liga katapultieren.
Es ist verblüffend, wie wenige Autoren das Niveau eines ganzen Heftes dramatisch absenken können.
ZACKBUM wünscht von Herzen gute Besserung.
Ein Fisch als Schreihals gibt Kommentare
und Honorare.