War da mal was?

Tamedia übernimmt eine DPA-Meldung, als wäre da nix.

Die Quoten-Chefredaktorin von Tamedia Raphaela Birrer war sich schnell sehr sicher: «Hetzjagd auf eine Journalistin», bollerte sie am 12. Februar in Verteidigung der stellvertretenden Chefredaktorin der SZ Föderl-Schmid.

Sie wusste damals: «Nach Plagiatsvorwürfen hat eine bekannte Journalistin mutmasslich versucht, sich das Leben zu nehmen. Es ist das Resultat einer Treibjagd durch den Online-Mob.» Im Text verdichtete sich das dann zu «hat offensichtlich versucht, sich das Leben zu nehmen».

Da war allerdings keine Treibjagd durch den Mob, sondern aufgrund einer Untersuchung, die Verdachtsmomente für Plagiate in Texten und der Dissertation von Föderl-Schmid ergaben, wurde sie von ihren Aufgaben entbunden.

Besonders peinlich wurde es, wenn man sie mit ihren eigenen Massstäben verglich; so hatte sie in ihrem Buch «Journalisten müssen supersauber sein» noch behauptet, bei erwiesenem Abschreiben müsse ein Journalist zurücktreten.

Nun hat Föderl-Schmid erwiesenermassen abgeschrieben. Das lässt sich schon in der Einleitung ihrer Dissertation nachweisen:

Aber die wurde von der Universität Salzburg für koscher erklärt, also lassen wir das.

Allerdings konnte man ihr auch in ihrem journalistischen Schaffen diverse Unsauberkeiten vorwerfen, oder wie das die völlig unabhängige Untersuchungskommission der SZ schönschwatzt und von Tamedia kommentarlos übernommen wird: «Sie habe allerdings gegen journalistische Standards verstossen, teilte die «SZ» am Donnerstag in München mit.»

Zum Dank dafür machte «die Chefredaktion bekannt», säuselt es weiter, «dass sie zurückkehren wird. In welcher Funktion, blieb offen.» Denn die Untersuchung habe ergeben, dass Föderl-Schmid «bei ihrer journalistischen Arbeit nicht plagiiert».

Das ist nun eine interessante Formulierung, denn gleichzeitig heisst es, sie habe «in mehreren Fällen nicht kenntlich gemacht, dass sie Teile ihrer Texte, beispielsweise aus Wikipedia oder quasi-amtlichen Quellen, übernommen habe». Zudem wird ihr unwidersprochen vorgeworfen, dass sie beispielsweise aus Reportagen einfach abgeschrieben hat, ohne die Quellen kenntlich zu machen.

Wenn nun jemand «Teile seiner Texte übernimmt», oder auf Deutsch abschreibt, oder vornehmer plagiiert, was bedeutet das anderes als dass es sich um Plagiate handelt?

Aber da es offenbar einen riesigen Unterschied zwischen Teile von Texten ohne Quellenangabe übernehmen und einem Plagiat gibt, sülzt die SZ weiter:

««Wir freuen uns auf ihre Rückkehr», so das «SZ»-Chefredaktions-Duo Wolfgang Krach und Judith Wittwer. «Über die Modalitäten befinden wir uns mit Alexandra Föderl-Schmid in vertraulichen Gesprächen, deren Abschluss wir nicht vorgreifen wollen und werden.»»

Man beachte das geschwollene «nicht vorgreifen wollen und werden». Das dürfte Tom Kummer, das dürfte Claas Relotius, das dürfte all die enttarnten und noch nicht aufgeflogenen Plagiatoren freuen: ist doch gar nicht so schlimm, einfach ohne Quellenangabe abzuschreiben. Sicher, man sollte sich vor allem nicht dabei erwischen lassen, aber Himmels willen, jeder hat doch eine zweite Chance verdient. Oder auch nicht, wie im Fall Relotius. Oder sogar eine dritte oder vierte, wie im Fall Kummer.

ZACKBUM fasst zusammen:

  1. Birrer, das abschreckende Vorbild von Tamedia, hat sich ohne vertiefte Faktenkenntnis weit aus dem Fenster gelehnt und ist rausgefallen. Macht aber nix, sie ist eine Frau.
  2. Föderl-Schmid hat nun auch durch eine Untersuchungskommission bestätigt abgeschrieben, das sind aber keine Plagiate, sondern bloss Verstösse «gegen journalistische Standards».
  3. Dass Föderl-Schmid selber von anderen fordert, dass die «blitzsauber» sein müssten, und bei solchen Vorkommnissen zurücktreten, gilt für sie nicht; sie darf zurückkommen.
  4. Denn auch bei ihr macht das nix, sie ist eine Frau. Das hätte vielleicht nicht ganz gereicht, aber ihre Rettung ist, dass zwar keine Treibjagd durch «einen Online-Mob» stattfand, die Plagiatsvorwürfe aber von einer rechtskonservativen Plattform erhoben wurden, womit sie natürlich von Vornherein falsch sein mussten.
  5. Dass in einer ersten hysterischen Reaktion die Chefredaktion der SZ ihre eigenen Mitarbeiter bespitzelte, weil sie herausfinden wollte, wer dem Branchenorgan «Medieninsider» interne Informationen zugesteckt habe, Schwamm drüber.
  6. Dass die SZ ihre eigenen Whistleblower scharf verurteilte, obwohl sie selbst immer wieder von durchgestochenen internen Informationen profitiert und die ausschlachtet, dieser schreiende Widerspruch bleibt unerwähnt.
  7. Tamedia zumindest hat kein Problem mit Plagiaten. Hier wird offiziell von der SZ abgeschrieben …
  8. Eigentlich wäre das der geeignete Moment für ein paar klärende, im besten Fall sogar entschuldigende Worte von Birrer. Wetten, dass sie das unterlässt?
1 Antwort
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Wikipedia:
    «Ein Plagiat ist die Anmaßung[1] fremder geistiger Leistungen (französisch plagiaire ‚Nachahmer, der sich eines Plagiats schuldig macht, Dieb geistigen Eigentums».

    Föderl Schmid hat plagiert! Der Versuch der SZ und des TA abzuschwächen und nur Verstösse anführen ist peinlich wie auch die Wagnersche Theatereinlage von FS. Der Artikel «Hetzjagd» von Birrer war der dumben feministischen Solidarität und der erwarteten höfischen Loyalität gegenüber der SZ geschuldet. Wie glaubwürdig ist eine Redaktion, eine Zeitung die täglich plagiert und Fakten verdreht wenn es um die eigene Zunft geht?

    Der «Kommissionsbericht zur Aufarbeitung der gegen Alexandra Föderl-Schmid erhobenen Vorwürfe» liest sich wie ein Wegleiter für Volontäre die sich im Journalismus versuchen!
    sz.de/gutachten-expertenkommission

    Antworten

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